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WHITEPAPER Wie wirkt sich der Trend „Agilität“ auf das Projektmanagement aus? AUTOR: ALEXANDER KOSCHKE Neuauflage 2019

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Wie wirkt sich der Trend „Agilität“auf das Projektmanagement aus? AUTOR: ALEXANDER KOSCHKE

Neuauflage2019

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Mit Projekt (lateinisch proiectum, Neutrum zu proiectus: nach vorn geworfen) ist v.a. das Projizieren in die Zukunft, das Vorhersagen und Planen der Zukunft gemeint und Manage-ment (lateinisch manus agere: an der Hand führen) heißt im wörtlichen Sinne eigentlich an die Hand nehmen. Das heißt, der Projektmanager nimmt die Beteiligten an die Hand und führt sie durch den von ihm vorhergesagten Plan. Das schafft Sicherheit für die Projektbeteiligten, genauso wie für das Management. Agil (lateinisch agilis: fl ink, beweglich) dagegen heißt aber vor allem, sich fl ink und beweglich in einer komple-xen Umgebung zu bewegen und sich immer wieder anzupas-sen. „Inspect and adapt“ und Selbststeuerung sind die neuen

Schlagwörter. Wie passt das mit Planung und an die Hand nehmen zusammen? Ist Agiles Projektmanagement also nicht ein Widerspruch in sich?

Oder ist „Agilität“ (was auch immer das heißt) ins Projekt-management zu bringen, der nächste logische und vielleicht auch „überlebensnotwendige“ Schritt, um das Projektma-nagement in Zeiten von extremer Komplexität und der Indus-trie 4.0 überlebensfähig zu machen? In diesem White Paper wollen wir uns genauer ansehen, was eigentlich wirklich hinter dem Hype der „Agilisierung“ steckt, und wie wir damit das Projektmanagement transformieren können.

AGILES PROJEKTMANAGEMENT – EIN WIDERSPRUCH IN SICH ODER DER NÄCHSTE LOGISCHE SCHRITT?

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Das Wort „agil“ wurde v.a. durch das „Agile Manifesto“ (2001) in der Softwareentwicklung geprägt. Die Entwickler von Software fanden für sich heraus, dass sie bei ihrer Ent-wicklung den Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen und die Kollaboration im Team fördern wollten („Wir schätzen Menschen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werk-zeuge“)1, weniger Bürokratie und damit schnellere Ergeb-nisse haben wollten („Wir schätzen funktionierende Software mehr als eine umfassende Dokumentation“)2 und mit dem Kunden enger und vertrauensvoller zusammenarbeiten mochten („Wir schätzen Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung“).3

Gleichzeitig war für sie kontinuierliche Veränderung etwas ganz Natürliches („Wir schätzen das Reagieren auf Verände-rung mehr als das Befolgen eines Plans“).4 Seit dem agilen Manifest hat sich das Wort „agil“ und das damit verbundene Mindset schnell ausgebreitet und wurde schlichtweg zum Synonym für schnelles, unbürokratisches und selbstorgani-siertes „Was auch immer“. Was unter dem Namen von „agil“

in der Software-Entwicklung passiert ist, ist eine Gegenbewe-gung zu einem zu starr und bürokratisch gewordenen Vorge-hen, meist bezeichnet als „klassisch“. Ähnliche Bewegungen gab es auch in anderen Bereichen, z.B. bei japanischen Au-tomobilherstellern in den 80er Jahren. Die Produktion sollte hier schlanker und konsequent am Kundennutzen orientiert werden, womit kürzere Durchlaufzeiten und höhere Flexibili-tät erreicht werden.

Im Design Thinking erleben wir einen ähnlichen Trend: Der Kundennutzen wird konsequent in den Vordergrund gestellt, und in kleinen kreativen Teams werden iterativ Lösungen erarbeitet. Zwei große Trends beschäftigen die Unternehmen zurzeit mehr denn je: Automatisierung und Humanisierung.

Auf der einen Seite versucht man, durch standardisierte Prozesse, IT-gestützte Workfl ows, automatisierte Produktion und Skalierung möglichst viele Produkte und Leistungen mit möglichst wenig menschlichem Arbeitseinsatz – sozusagen „automatisch“ – zu erzeugen. Auf der anderen Seite wird

Jeder spricht zurzeit von „agil“, Organisationen wollen „agil“ werden, Führungskräfte fordern ihre Mitarbeiter auf, „es halt agil zu machen“, wenn es anders nicht geht, und Personalent-wickler suchen überall Leute mit „agilem“ Mindset… Doch was genau meinen die Menschen damit, „agiler“ werden zu wollen?

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1 Beck (2001)2 Beck (2001)3 Beck (2001)4 Beck (2001)

versucht, das Arbeitsleben „humaner“ zu gestalten, d.h. die menschliche Kreativität besser zu nutzen und Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse besser zu verstehen.

Man möchte nur Dinge erzeugen, die einen tatsächlichen Mehrwert schaffen und Kunden sowie Mitarbeiter überra-schen und begeistern, um langfristig zwischen sich und ihnen eine gute Beziehung aufzubauen.

Der Mensch wird auf der einen Seite überflüssig und mehr und mehr „wegrationalisiert“ und auf der anderen Seite immer wichtiger und unersetzbar.

Tötet dieser Trend unsere Lebensgrundlage und gibt es in Zukunft nicht mehr genügend Arbeit für alle, oder befreien wir uns gerade aus den Fesseln jahrzehntelanger men-schenunwürdiger Arbeitsbedingungen und erheben uns zu unserer wahren Bestimmung? Beides kann sich sehr richtig anfühlen, je nachdem, welche Perspektive man einnimmt. Chance und Risiko liegen hier also sehr nahe beieinander,

ähnlich wie zu Zeiten der ersten industriellen Revolution. Ob man das Ganze jetzt „agil“ nennt oder „lean“ oder wie auch immer, es geht primär darum, die Wirtschaft wieder mehr am Menschen auszurichten, den Kunden und den Mit-arbeiter in den Mittelpunkt zu stellen, um die Wertschöpfung in Zeiten komplexer Umfelder und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen zu optimieren.

Was haben nun all diese „agilen“ Ansätze gemeinsam? Welche Prinzipien stehen dahinter?

Im Folgenden werden wir 7 Prinzipien betrachten, an denen es sich vielleicht zu orientieren lohnt, wenn der Wunsch oder das Bedürfnis oder gar die Notwendigkeit besteht, „agiler“ zu werden; unabhängig davon, ob oder für welche Methode man sich letztendlich entscheidet.

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2. GESCHÜTZTER RAHMEN

Um freiwillig und kreativ arbeiten zu können, muss vom (Top-) Management entsprechend Frei-Raum und Frei-Zeit gegeben werden, in dem das Team geschützt vor dem Tages-geschäft und sonstigen Erwartungen „agil“ arbeiten kann. Nur so kann das neue Mindset und damit eine Kultur des Ver-trauens, die für ein echtes Team notwendig ist, entstehen.

Für das Management bedeutet das, ein Stück weit loszulassen von dem üblichen Effizienzdenken und Zeit und Geld zu riskieren, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt. Wie in einem Beet, wo kleine Pflänzchen geschützt wachsen können, kann in diesem geschützten Rahmen eine neue Kultur heranwachsen. „Risky is the new safe“5 lautet das Motto. Wo sich früher Manager gescheut haben Risiken einzugehen, um die gewohnte Sicherheit nicht zu gefährden, ist es heut-zutage fast schon fahrlässig keine Risiken einzugehen, denn eine neue Kultur, neue Ideen, neue Geschäftsmodelle und damit eine (neue) Zukunft können nicht geplant werden, sie müssen ausprobiert und erlebt werden.

Alles was nicht funktioniert, wird fallen gelassen, alles was sich bewährt, wird weiterentwickelt, ähnlich der natürlichen Selektion und Evolution. Um durch solche „riskanten“ Ex-perimente nicht das gesamte Unternehmen bzw. das Kern-geschäft zu gefährden, sollten sie auch deswegen in einem geschützten Umfeld durchgeführt und erst nach einer Test-phase schrittweise in das restliche Unternehmen übertragen werden. Ein gewisses Maß an „Passion“ (willingness to suffer) ist also auch auf Unternehmensseite erforderlich, indem das (Top-) Management Geld, das man auch kurzfristig z.B. in Boni ausbezahlen könnte, in den Aufbau einer neuen Kultur investiert, um langfristig das Überleben zu sichern.

DIE 7 PRINZIPIEN FÜR DIE „AGILISIERUNG“ DES PROJEKTMANAGEMENTS

1. FREIWILLIGKEIT

Der Dreh- und Angelpunkt von Wertschöpfung im Unterneh-men sind kleine selbstorganisierte Teams, in denen verschie-dene Individuen kreativ zusammenarbeiten. Selbstorgani-sation funktioniert am besten, wenn die Individuen im Team freiwillig ihre jeweiligen persönlichen Stärken einbringen, d.h. wenn sie so viel „Passion“ (willingness to suffer) haben, dass sie auch ohne Druck und Kontrolle arbeiten. Nur dann kann auf hierarchische Führung weitestgehend verzichtet werden. Daher ist Freiwilligkeit ein elementares Prinzip, um agil arbeiten zu können.

Dazu braucht man nicht nur Experten verschiedener Fachbe-reiche, sondern auch sogenannte „Brückenmenschen“, die in zwei oder mehreren verschiedenen Disziplinen zu Hause sind, und somit Brücken zwischen den Experten schlagen können. Menschen organisieren sich intuitiv meist mit Gleichgesinnten; daher sind solche „Brückenmenschen“ in Zeiten der Industrie 4.0, in der interdisziplinäre Teams aus Vertretern von Mar-keting, Entwicklung, IT, Produktion, Vertrieb etc. enger als bisher zusammenarbeiten müssen, besonders wichtig. Nur so entsteht tiefes und vernetztes Wissen gleichzeitig.

Dieses Prinzip richtet sich v.a. an die HR-Abteilung in Unter-nehmen, die das Entstehen von Experten und „Brückenmen-schen“ durch entsprechende Karrieremodelle und Maßnah-men wie Job-Rotation etc. fördern können.

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3. ECHTES TEAM

Ein interdisziplinäres Team besteht aus möglichst verschie-denen Experten und sogenannten „Brückenmenschen“. Was „verschieden“ heißt, hängt von der jeweiligen Aufgabe ab. Je kreativer, unkonventioneller und komplexer die Aufgabe ist, desto unterschiedlicher sollten auch die Teammitglieder sein. Das haben inzwischen viele Unternehmen verstanden und bilden immer mehr hierarchieübergreifende, interdiszip-linäre und internationale Teams und spicken sie mit Querden-kern, Künstlern und komplett fachfremden Mitarbeitern. Das führt natürlich zu stark gestiegenen Anforderungen an die Teamentwicklung.

Um aus den unterschiedlichen Beteiligten ein echtes Team zu formen, das Collective Ownership übernimmt, braucht es Zeit und erfordert von den Beteiligten ein erhebliches Maß an Offenheit und auch Mut. Die Belohnung dafür sind viele neue Perspektiven und meist ein großer Sprung in der Persön-lichkeitsentwicklung für die Beteiligten und kreative, neue Produkte oder Dienstleistungen für das Unternehmen.

Zusätzlich sollte das Team auch wirklich kreativ arbeiten dürfen. Visuelle und haptische Elemente in einem eigenen Raum, wo das Team auch physisch zusammen sitzt, sind da-bei genauso wichtig wie freie unverplante Zeit zum „Experi-mentieren“ und Netzwerken. Wer bisher nur in „Pseudo-Pro-jektteams“ gearbeitet hat, die wenig mehr als eine Gruppe von Arbeitspaket-Verantwortlichen ist und sich nur zum Jour Fixe oder gelegentlich bei einem gemeinsamen Abendessen sehen, wird möglicherweise erstaunt sein, was es bedeutet, Teil eines echten Teams zu sein. Durch kontinuierliche Refle-xion entwickelt sich das Team über die gesamte Projektdauer laufend weiter.

5 Gage (2012)

4. SUPPORTIVE MANAGEMENT

Auch dem mittleren Management kommt im komplexen Umfeld eine etwas andere Rolle zu, als es die meisten bisher gewöhnt sind. Für Selbstdarsteller, Weltretter und Super- helden ist da wenig Platz. Hier werden eher Menschen ge-braucht, die mit einem Augenzwinkern das Team beobachten und es dabei unterstützen, sich selbst zu organisieren, um die anstehenden Aufgaben zu meistern. Es ist nicht Servant Leadership, da das Management weder Diener (Befehlsemp-fänger des Teams) noch Führer (geführt vor allem durch das Kundenbedürfnis) sein soll, sondern partnerschaftlich und auf Augenhöhe mit dem Team agieren soll.

Das Management hat eine eigene aktive und verantwortungs-volle Aufgabe, nämlich das Team zur Selbstorganisation zu befähigen und es bestmöglich dabei zu unterstützen, erfolg-reich zu sein. Das erfordert eine reife Persönlichkeit und Fä-higkeiten, die in den bisherigen Managementseminaren meist nicht im Mittelpunkt standen. Genauso schwer, wie es dem Team fallen, wird sich selbst zu organisieren, wird es wohl den Managern fallen, diese neue Rolle wahrzunehmen, denn beides bedingt sich gegenseitig. Das Schöne daran ist, dass bei diesem Versuch beide erheblich wachsen werden, und es aktiv einer Meckerkultur sowie Ego-Tripps einzelner entge-genwirkt. Als Folge reduziert sich die Ungleichverteilung der Arbeit im Unternehmen und somit die Kluft zwischen Unter- und Überforderung.

Die neuen Hauptaufgaben der Manager werden sein, als Moderator bzw. Facilitator zu agieren, das Team konsequent vor Einflüssen von außen zu schützen und die erforderli-chen Rahmenbedingungen für Kreativität und Vertrauen zu schaffen.

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6. Kundennutzen

Hierbei geht es darum, dem Kunden wirklich einen Nutzen zu bieten. Unser Ziel ist ja langfristige Kundenbindung, und das ist heutzutage in einer Überflussgesellschaft gar nicht mehr so einfach.

Viele Kunden können sich alles, was sie wollen, per Knopf-druck bestellen oder es bei der Konkurrenz kaufen. Jeman-den zu haben, der einen besser kennt als man sich selbst und einen mit Produkten oder Dienstleistungen überraschen kann, von denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie braucht, schafft Vertrauen und damit Bindung.

Es geht also weniger um das perfekte Produkt als um den perfekten Match von Produkt oder Dienstleistung zu den individuellen Bedürfnissen. Und Bedürfnisse herauszufinden, ist nicht trivial, dafür brauchen wir entweder viele Daten (vgl. Big Data) über unsere Kunden oder viel Zeit, um ihre Geschichte zu verstehen und hinter die oberflächlich formulierten Wünsche blicken zu können.

Der Kunde ist also auch nicht mehr König, der einfach seine Anforderungen formuliert und dann bedient wird, sondern auch er wird Partner auf Augenhöhe, dessen Bedürfnisse das Team mit seinen Fähigkeiten versucht zu befrieden. Je besser der Kontakt und je vertrauensvoller die Zusam-menarbeit, desto besser wird der Match.

5. Iterate to WOW

„Iterate to Wow“ ist vielleicht das am schwersten zu verste-hende Prinzip für Menschen, die noch nicht im agilen Umfeld oder mit Design Thinking gearbeitet haben. Es geht davon aus, dass in komplexen Umfeldern und wenn wir Produkte oder Dienstleistungen erzeugen wollen, die den Kunden begeistern (und somit überraschen), die Anforderungen nie ganz klar definiert werden können, bzw. der Kunde selbst nicht weiß, was er will bzw. braucht.

Es hilft nicht, noch mehr Zeit in die Auftragsklärung zu ste-cken; besser ist es, einfach loszulegen und einen Prototypen zu erzeugen, der erlebbar ist. Anhand dieses Prototypen und des damit verbundenen Erlebnisses des Kunden können wir uns schrittweise iterativ der gewünschten Lösung nähern. Wir machen so viele Iterationen, bis der Kunde nicht nur zufrieden, sondern begeistert ist (Wow-Effekt). Das iterative Vorgehen ist auch nicht so anfällig gegenüber Änderungen, die in komplexen Umfeldern auftreten und eine zu langfristi-ge Planung leicht zunichtemachen.

Je besser wir den Kunden kennen bzw. unsere Annahmen über das komplexe System sind, desto weniger Iterationen werden wir benötigen und desto schneller haben wir Ergeb-nisse. Deswegen brauchen wir jemanden im Team, der als Schnittstelle zum Kunden bzw. zu den Nutzergruppen agiert. Klassisch wären das Marketing und Vertrieb bzw. der Auf-traggeber, im Scrum heißt er Product Owner (PO); wichtig ist nur, dass er den Nutzer und seine Geschichte empathisch versteht und es schafft, die Bedürfnisse hinter den Wünschen zu erkennen und daraus Anforderungen bzw. Annahmen für das Team zu formulieren.

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7. Übergreifende Abstimmung

Oft startet die „agile“ Arbeit im geschützten Rahmen, abge-schirmt von der restlichen Organisation. Nur wenige Projekte können aber isoliert vom Rest vollständig umgesetzt werden. Fast immer ist es notwendig, sich mit anderen Teams zu koordinieren oder mit der restlichen Organisation und den Fachabteilungen zusammenzuarbeiten.

Dabei treffen oft verschiedene Kulturen aufeinander. Um diese „Kulturunterschiede“ zu überwinden, ohne die jeweils „Andersgläubigen“ zu bekehren, braucht es wiederum „Brückenmenschen“ und Räume für echte Begegnung.

Sich regelmäßig ab- und aufeinander einzustimmen, ist zwischen Einzelpersonen, zwischen Teams und unterneh-mensweit notwendig; beides sollte früh beginnen und umso intensiver sein, je unterschiedlicher die Kulturen sind. Dazu ist von beiden Seiten Offenheit, Interesse, Rücksicht und Demut erforderlich. Dieses Spannungsfeld ist vielleicht vergleichbar mit dem meist angespannten Verhältnis von Engineering und Einkauf im klassischen Umfeld, das auch vor allem durch frühzeitige, gute Abstimmung und ein partnerschaftlich, iteratives Vorgehen verbessert werden kann.

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Auch, wenn es am Anfang schwerfällt und vielleicht in der bestehenden Unternehmens-kultur utopisch erscheint, lohnt es sich, diesen Weg zu gehen und die Prinzipien immer mehr in den Alltag zu integrieren.

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Human Ressources• In vielen Unternehmen ist es wichtig, neben der klassischen

Fachkarriere auch die Ausbildung von „Brückenmenschen“ – z.B. durch vermehrten Einsatz von Job-Rotation zu fördern.

• Um als Unternehmen von einzelnen Individuen unabhängig zu sein und jeden jederzeit ersetzbar zu machen, fördern viele unserer heutigen Praktiken in Unternehmen gezielt Gleichmacherei und verhindern Individualität. Im agilen Um-feld wird Individualität allerdings immer wichtiger; nicht nur, um möglichst viele verschiedene Perspektiven zu haben, um kreative Lösungen zu entwickeln, sondern auch, um eine Kul-tur des Vertrauens zu fördern. Echtes Vertrauen entsteht nur, wenn diese Menschen keine Angst haben ersetzt zu werden.

• Neue Lernansätze fördern, die auf Selbstverantwortung basie-ren, Lernen lernen und die Refl exionsfähigkeit der Mitarbei-ter erhöhen

• Individuelle Stärken und Persönlichkeitsentwicklung fördern

Top Management• Experimente zulassen, sich von engagierten

Mitarbeitern überraschen lassen• Loslassen lernen, ohne kontrollieren zu müssen• Schritt für Schritt Vertrauen aufbauen und dann

immer mehr Freiraum geben• Flexible Arbeitszeiten und Homeoffi ce ermöglichen, um

die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu entwickeln

Mittleres Management• Moderation, Mediation und Facilitation erlernen• Raumgestaltung lernen• Teamergebnisse durch das Team vorstellen lassen• Aufgaben mit der entsprechenden Verantwortung

delegieren lernen• Persönlichkeitsentwicklung betreiben

Mitarbeiter• Eigenverantwortung übernehmen • Eigene Stärken erkennen und konsequent ausbauen,

den eigenen Weg gehen, nicht das tun, was alle machen• Mut haben, sich verletzlich zu zeigen und seine

Bedürfnisse zu äußern• Lernen, Risiken einzugehen, die Komfortzone verlassen,

unternehmerisch im Sinne des Unternehmens denken lernen• Interesse für andere Perspektiven haben, ggf.

Job-Rotation durchführen• Sich im Unternehmen über Abteilungsgrenzen

hinweg vernetzen• Persönlichkeitsentwicklung betreiben

UMSETZUNG

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Vertrieb• Wieder mehr „Qualitätszeit“ mit dem Kunden verbringen,

lernen, ihm zuzuhören und zwischen den Zeilen zu lesen• Emotionale Intelligenz und Empathie entwickeln, um

Bedürfnisse zu erkennen• Story Mapping erlernen statt Anforderungen aufzunehmen

Auftragsklärung• Verwendung von Story Mapping, Prototyping oder Design

Thinking in der Auftragsklärung, um implizierte Bedürfnisse zu entdecken

• Engerer Kontakt zum Endnutzer (ggf. über den PO)

Risikomanagement• Kein bürokratisches Befüllen von Tools und Listen,

sondern Risikoidentifi kation im Gespräch unter Einbeziehung von Bauchgefühl und Ahnungen

• Sofortiges Ausprobieren und schrittweises Erforschen der riskanten Bereiche, um sie kennenzulernen und nicht zu unterdrücken

Planung• Keine langjährige detaillierte Planung, sondern mehr

Transparenz über die Tätigkeiten der nächsten Wochen; nur grober Meilensteinplan für ggf. Langläufer

• Iteratives Vorgehen im Team statt zentrale Planung• Frühe Experimente planen, um Erkenntnisse zu gewinnen

Interdisziplinarität• Entwicklung und Einsatz von „Brückenmenschen“,

um konstruktive Teamarbeit zu ermöglichen• Vermehrter Einsatz von Fachfremden bzw. von

Menschen aus ergänzenden Disziplinen, um auf neue Ansätze zu kommen

Umgang mit Änderungen• Die regelmäßige Einbindung des Kunden mit kontinuierli-

chem Feedback und ein iteratives Vorgehen ermöglichen es, Änderungen frühzeitig zu erkennen und einzuplanen.

• Das verhindert aufwändiges Änderungsmanagement.

Lessons Learned• Das Team erfasst regelmäßig neben dem Feedback zum

Produkt bzw. Ergebnis auch Verbesserungen im Teamprozess.• So wächst das Team schneller zu einem echten Team

zusammen.

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Für die meisten Unternehmen wird die Anwendung der vorgestellten Prinzipien mit der damit zusammenhängenden Selbstorganisation der Teams und dem Supportive Manage-ment mit einem großen Mindset-Change verbunden und daher nicht von heute auf morgen möglich sein.

Dafür sollte die Agilisierung des PM mit einem speziellen Vor-gehensmodell erfolgen, das es jeder Organisation ermöglicht, den für sie passenden Grad an Agilität zu definieren und Schritt für Schritt den Change voranzutreiben, ohne dabei die Orga-nisation zu überfordern.

Ganz den Prinzipien folgend sollte auch hier iterativ vorge-gangen, verschiedene PM-Ansätze individuell kombiniert und das Kundenfeedback kontinuierlich eingearbeitet werden. Natürlich findet das alles in einem geschützten Rahmen statt, um die neue Kultur und das agile Vorgehen ausreichend zu testen, bevor man es großflächig ausrollt.

Eines sollte dabei nie vergessen werden: Es geht nicht um klassisch oder agil, sondern es geht darum, das bestehende Projektmanagement mit ausreichend „Agilität“ anzureichern, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden, nicht mehr und nicht weniger. Welche Methoden am Ende Anwendung finden, ob Design Thinking, Scrum, Lean, Kanban oder etwas ganz anderes, sollte dabei vorerst offen gelassen werden, denn meist entwickelt sich während der Einführung ein eigener spezifischer Ansatz, der besser zum Unternehmen passt als jede Methode für sich allein.

AUSBLICK

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Beck, K. u. a., 2001. Manifest für Agile Softwareentwicklung. Available at: http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html.Gage, R., 2012. Risky is the New Safe: The Rules Have Changed… Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons.Gloger, B. & Rösner, D., 2014. Selbstorganisation braucht Führung. München: Carl Hanser Verlag.Grant, A., 2016. Agiles Management: Radikal anders. Harvard Business Manager, 05/2016.Laloux, F., 2014. Reinventing Organizations. Brüssel: Nelson Parker.Mahmoud-Jouini, S. Ben, Midler, C. & Silberzahn, P., 2016. Contributions of Design Thinking to Project Management in an Innovation Context, 47(2).Patton, J., 2014. User Story Mapping: Discover the Whole Story, Build the Right Product. Sebastopol, Kalifornien: O‘Reilly Media.Pfl äging, N. & Hermann, S., 2016. Komplexithoden, München: Redline Verlag.Porter, M. & Heppelmann J., 2015. How Smart, Connected Products Are Transforming Companies. Harvard Business Review, 10/2015.Rigby, D.K., Sutherland, J. & Takeuchi, H., 2016. Unternehmensführung I: schnell und fl exibel. Harvard Business Manager, 10/2016.Rozovsky, J., 2015. The fi ve keys to a successful Google team. re:Work. Available at: https://rework.withgoogle.com/blog/fi ve-keys-to-a-successful-google-team.Schwaber, K. & Sutherland, J, 2013. Software in 30 Tagen: Wie Manager mit Scrum Wettbewerbsvorteile für ihr Unternehmen schaffen. Heidelberg: dpunkt.verlag GmbH.VersionOne, 2016. 10th Annual State of Agile Survey. Available at: http://www.agile247.pl/wp-content/uploads/2016/04/VersionOne-10th-Annual-State-of-Agile-Report.pdf.

LITERATURTIPPS ZUM WEITERLESEN

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EMPOWERING TRANSFORMATION

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