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JUGENDTHEATER VON WERNER HAHN IM RAHMEN DES APOLLO-SOMMER-CAMPS 2019 MIT DANKBARER UNTERSTÜTZUNG DES ZONTA CLUBS SIEGEN AREA SOWIE GÜNTHER FLICK UND KLAUS TH. VETTER Spielzeit 19/20 | Apollo-Theater Siegen | www.apollosiegen.de Layout: Giuseppe Todaro Fotos: Werner Hahn Dauer der Aufführung: 1:30 h, ohne Pause Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Bitte schalten Sie Ihr Handy aus. Vielen Dank! Bereits zum dritten Mal führte das Apollo-Theater zu Beginn der Schulferien ein Sommer-Camp durch. 20 junge Men- schen aus der gesamten Region erarbeiteten ein Theater- projekt, das ab 18. Oktober 2019 sowohl als Vorstellungen für Schulen als auch im Abendspielplan zu erleben ist. In diesem Sommer drängte sich ein Thema auf die Werk- stattbühne, das nicht nur junge Menschen weltweit auf die Straßen treibt, sondern wie ein Elektroschock durch alle gesellschaftsrelevanten Kreise fährt und gleicherma- ßen Medien, Politik und Wirtschaft, v. a. aber europäische Bürger*innen aus den kuscheligen Wohlstandsecken jagt. Mit einem einfachen Pappschild in den Händen begann Gre- ta Thunberg im Sommer 2018 auf den fatalen Klimawan- del hinzuweisen. Wenige Monate später wurde sie zur Hel- din der weltweiten Jugendbewegung „Fridays for Future“. Diesen gesellschaftlichen Aufruhr im Theater zu beglei- ten, ist eine kuriose Herausforderung. Die Aktualität der Ereignisse überrollt uns. Sie gewährt kaum Zeit, einen re- flektierenden Abstand einzunehmen oder gar einen dra- maturgischen Faden zu spinnen, der nicht nur heute, son- dern auch morgen noch als erzählenswert erscheint. In unserem Theaterstück „Ich atme gerne Sauerstoff“ haben wir Meinungen, Zweifel und Visionen gesammelt, Haltungen, Ängste und Hoffnungen durchleuchtet und anschließend in eine narrative Form gegossen. Entstanden ist ein aufwän- diges Opus, das vom aktuellen Tagesgeschehen ausgeht und sowohl einen Blick in die Zukunft konstruiert, als auch kühn in der europäischen Vergangenheit herumwühlt. Das Ende der Aufführung ist so offen wie unser gesellschaftspolitischer Zu- stand. Und wir alle werden angeregt, verschärft nachzudenken, vielleicht sogar zu handeln und zu verändern. Diesmal jedoch in besonderer Weise emotionalisiert durch das Jugendtheater. Die Dramaturgie des Stückes verknüpft fünf Spielebenen. Das Textmaterial der Jeanne d’Arc-Szenen wurde entnom- men aus Friedrich Schillers „Die Jungfrau von Orleans“. Greta – eine moderne Jeanne d’Arc des Umweltschutzes? Eine Marienfigur des Weltklimas? Die Parallelen liegen nicht so fern, wie sie scheinen mögen. Kulturelle Muster sind langlebig. Zu schlagkräftigen Bildern geronnen, rei- sen sie durch Epochen und vermögen immer wieder explo- sive Kraft zu entfalten – so als Motiv der jungen Frau, de- ren unverdorbene Unschuld die Reinheit einer Erkenntnis oder die Unbeflecktheit einer Überzeugung symbolisiert. […] Auch Jeanne d’Arc (1412–1431) ist mehr als sie selbst. Ein Bauernmädchen, das aus ferner Provinz eines fast ganz un- terworfenen Landes an den Hof wandert, den König aus seiner Lethargie reißt und ganze eben noch demoralisierte Heere mo- bilisiert: Als junge Frau bricht sie in die Welt alter Männer ein – „alter weißer Männer“, wie man heute auf Twitter böse spottet über eine Generation von Entscheidern, gegen deren Weltbild sich Teile der Jugend wie noch jede Generation zuvor auflehnen. Quelle: svz.de Wie einst Jeanne d’Arc? Greta Thunberg belebt den Typus der jungen Frau als Lichtgestalt Das projekt ICH ATME GERNE SAUERSTOFF Jeanne d’Arc hat einen festen Willen und wirkt zu- gleich zerbrechlich – wie Greta. Sie hat eine Mission, an der sie unbedingt festhält – wie Greta. Die Lichtgestalt kommt von außen, scheinbar aus dem Nichts – wie Greta. Gleichwohl, so sehr junge Leitfrauen bejubelt werden, so sehr werden sie gehasst. Jeanne d’Arc sollte mit finsteren Mächten im Bunde sein. […] Greta Thunberg wird als ferngesteuert hin- gestellt, ihre Protestaktivität als PR-Kampagne gedeutet. […] ©picture-alliance/MP/Leemage Kreis Siegen- Wittgenstein theater siegen

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JUGENDTHEATER VON WERNER HAHNIM RAHMEN DES APOLLO-SOMMER-CAMPS 2019

MIT DANKBARER UNTERSTÜTZUNG DES ZONTA CLUBS SIEGEN AREA SOWIE

GÜNTHER FLICK UND KLAUS TH. VETTER

Spielzeit 19/20 | Apollo-Theater Siegen | www.apollosiegen.de

Layout: Giuseppe Todaro

Fotos: Werner Hahn

Dauer der Aufführung: 1:30 h, ohne Pause

Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Bitte schalten Sie Ihr Handy aus. Vielen Dank!

Bereits zum dritten Mal führte das Apollo-Theater zu Beginn der Schulferien ein Sommer-Camp durch. 20 junge Men-schen aus der gesamten Region erarbeiteten ein Theater-projekt, das ab 18. Oktober 2019 sowohl als Vorstellungen für Schulen als auch im Abendspielplan zu erleben ist.

In diesem Sommer drängte sich ein Thema auf die Werk-stattbühne, das nicht nur junge Menschen weltweit auf die Straßen treibt, sondern wie ein Elektroschock durch alle gesellschaftsrelevanten Kreise fährt und gleicherma-ßen Medien, Politik und Wirtschaft, v. a. aber europäische Bürger*innen aus den kuscheligen Wohlstandsecken jagt. Mit einem einfachen Pappschild in den Händen begann Gre-ta Thunberg im Sommer 2018 auf den fatalen Klimawan-del hinzuweisen. Wenige Monate später wurde sie zur Hel-din der weltweiten Jugendbewegung „Fridays for Future“.

Diesen gesellschaftlichen Aufruhr im Theater zu beglei-ten, ist eine kuriose Herausforderung. Die Aktualität der Ereignisse überrollt uns. Sie gewährt kaum Zeit, einen re-flektierenden Abstand einzunehmen oder gar einen dra-maturgischen Faden zu spinnen, der nicht nur heute, son-dern auch morgen noch als erzählenswert erscheint.

In unserem Theaterstück „Ich atme gerne Sauerstoff“ haben wir Meinungen, Zweifel und Visionen gesammelt, Haltungen, Ängste und Hoffnungen durchleuchtet und anschließend in eine narrative Form gegossen. Entstanden ist ein aufwän-diges Opus, das vom aktuellen Tagesgeschehen ausgeht und sowohl einen Blick in die Zukunft konstruiert, als auch kühn in der europäischen Vergangenheit herumwühlt. Das Ende der Aufführung ist so offen wie unser gesellschaftspolitischer Zu-stand. Und wir alle werden angeregt, verschärft nachzudenken, vielleicht sogar zu handeln und zu verändern. Diesmal jedoch in besonderer Weise emotionalisiert durch das Jugendtheater.

Die Dramaturgie des Stückes verknüpft fünf Spielebenen. Das Textmaterial der Jeanne d’Arc-Szenen wurde entnom-men aus Friedrich Schillers „Die Jungfrau von Orleans“.

Greta – eine moderne Jeanne d’Arc des Umweltschutzes? Eine Marienfigur des Weltklimas? Die Parallelen liegen nicht so fern, wie sie scheinen mögen. Kulturelle Muster sind langlebig. Zu schlagkräftigen Bildern geronnen, rei-sen sie durch Epochen und vermögen immer wieder explo-sive Kraft zu entfalten – so als Motiv der jungen Frau, de-ren unverdorbene Unschuld die Reinheit einer Erkenntnis oder die Unbeflecktheit einer Überzeugung symbolisiert. […]

Auch Jeanne d’Arc (1412–1431) ist mehr als sie selbst. Ein Bauernmädchen, das aus ferner Provinz eines fast ganz un-terworfenen Landes an den Hof wandert, den König aus seiner Lethargie reißt und ganze eben noch demoralisierte Heere mo-bilisiert: Als junge Frau bricht sie in die Welt alter Männer ein – „alter weißer Männer“, wie man heute auf Twitter böse spottet über eine Generation von Entscheidern, gegen deren Weltbild sich Teile der Jugend wie noch jede Generation zuvor auflehnen.

Quelle: svz.de

Wie einst Jeanne d’Arc? Greta Thunberg belebt den Typus der jungen Frau als Lichtgestalt Das projekt

ICH ATMEGERNE SAUERSTOFFJeanne d’Arc hat einen festen Willen und wirkt zu-

gleich zerbrechlich – wie Greta. Sie hat eine Mission, an der sie unbedingt festhält – wie Greta. Die Lichtgestalt kommt von außen, scheinbar aus dem Nichts – wie Greta.

Gleichwohl, so sehr junge Leitfrauen bejubelt werden, so sehr werden sie gehasst. Jeanne d’Arc sollte mit finsteren Mächten im Bunde sein. […] Greta Thunberg wird als ferngesteuert hin-gestellt, ihre Protestaktivität als PR-Kampagne gedeutet. […]

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„Jeanne, die Ihr hier seht, ist vor kurzem innerhalb der Gren-zen Unserer Diözese Beauvais ergriffen und gefangen genom-men worden. Der erlauchteste und allerchristlichste Fürst, unser Herr, der König, hat sie Uns überstellt und ausgeliefert, damit ihr, Recht und Vernunft entsprechend, der Prozess in Glaubenssachen gemacht wird. Die öffentliche Meinung […] legt ihr zahlreiche Verstöße gegen den rechten Glauben zur Last.” (SpielerIn 1)

Besetzung

JENS SCHULLER, Politiker ALEXA HARPER, seine Sekretärin

ISA, Sprecherin der AktivistenDAGI, Tochter SchullersROSI, AktivistinZABI, AktivistKURT, AktivistPOWER, Aktivist

KATI, SchülerinHANNAH, SchülerinSUSI, Tochter SchullersCELINA, SchülerinCONNIE, Schülerin

IRENE, Beates SchwesterBEATE, Irenes SchwesterWUMME

JEANNE D‘ARCSPIELERIN 1SPIELERIN 2SPIELERIN 3

PRODUKTIONSLEITUNGREGIEDRAMATURGIE- UND REGIEASSISTENZINSPIZIENZMUSIKVIDEOS

KOSTÜMEREQUISITETECHNISCHE LEITUNG/ BELEUCHTUNGBÜHNENTECHNIK

TONTECHNIK

Karsten BurkardtSemra Yildiz

Leona SchollAnna DrößlerIna GerloffJehad TirawehAndreas WatkowskiDavid Watkowski

Valeria BoolePauline BraasElisabeth DrößlerAmelia MeierDiana Mertin

Mary Jane LangeSolveigh SchmidtSky Schroers

Eleni GiotitsasSayed Asad AkhlagiMascha BurkardtEmma Stötzel

Birgit HofmannWerner Hahn

Dalila NiksicGiuseppe TodaroPascal HahnManuel RuedaElias HübnerUrsula BottenbergJana Salmen

Robert SchäferMarijn van HengelBjörn KleinMartin Hartmetz

„Du lachst über meinen Namen? – Egal. Ich find Wumme cool. Passt irgendwie zu mir. Den hat mir Irene verpasst. Mit der hänge ich meistens bei ihr zu Hause ab. Ihre Eltern sind irgendwo verschütt gegangen. Drogenklinik, Entzugs-anstalt – keine Ahnung. Irenes Sofa ist meine Welt. Da stört keiner, da nervt niemand. Pizza, Chips, Cola, die neuesten Games zocken – das reicht. Keine Ahnung, was draußen so läuft. Läuft bei euch überhaupt was, ihr Schnarchnasen?”

„Schon mal alleine mit Freundinnen nach Malle geflogen? – Nee? – Ich auch nicht. Aber jetzt. Am Freitag geht’s los. Ganz schön stressig: Was kommt in den Koffer, wie kom-men wir zum Flughafen, reicht das Taschengeld? Hätte gar nicht gedacht, wie billig das alles ist. Könnte ich eigent-lich öfter machen. Okay, Mama hat gesagt: „Connie, mit 15 müsste das echt nicht sein. Du könntest mitkommen zu Oma. Ins Sauerland“. – Okay, könnte ich. Aber Malle wird geiler.”

ROLLENPROFILE

„Als ich dreizehn Jahre alt war, hatte ich eine Stimme, die von Gott kam, um mich zu leiten. Das erste Mal hatte ich große Furcht. Die Stimme kam zur Mittagsstunde; es war im Sommer, im Garten meines Vaters. Ich hatte den Tag zuvor gefastet. […] Die Stimme befahl mir, die Belagerung von Orléans aufzuheben. […] Ich antwortete, ich sei ein armes Mädchen, das nichts vom Reiten noch von der Kriegsführung verstünde.” (Jeanne D‘Arc)

„Sorry, hab’s eilig. – Wie? – Okay, ganz kurz: Ich bin Isa. 17. Schü-lerin. – Hobbys? – Jede Menge. Aber dazu komm' ich grade nicht. Der Klimawandel hält mich besetzt. Deshalb gehe ich regelmä-ßig auf die Straße, starte Aktionen, organisiere eine eigene Kli-magruppe, drehe Videos. – Klingt cool? Ist es aber nicht. Ich wer-de entweder gehypt oder gehatet. Aber bewegen tut sich wenig. Ich muss laut bleiben. Auffällig sein. Sonst schläft alles wieder ein. Auch meine Gruppe.”

ROLLENPROFILE

„Ich weiß noch, wie der erste Arbeitstag begann: Ich hatte mir extra ein schickes Kostüm gekauft, Schuhe mit leichten Absät-zen, hübsche Bluse, dezent roten Lippenstift, dazu passenden Nagellack. Auf dem Weg zu Herrn Schullers Büro bin ich in Hundescheiße gestiegen. Da mussten ganz schnell die ausge-latschten Turnschuhe herhalten. Als er das sah, ist er knall-rot geworden. Er sei Politiker, heute wären Pressetermine, die Parteibonzen kämen vorbei. So nicht, Alexa!!”

* Annette Rieck, Michael Streck: Die Akte Jeanne d'Arc: Prozess- und Vollstreckungsbericht 1431. Verlag Otto Schmidt, 2017

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