Wie gelingt es, Sprache in der Kita alltagsintegriert zu...

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© 2012 Anke Buschmann FRIZ | FRÜHINTERVENTIONSZENTRUM Wie gelingt es, Sprache in der Kita alltagsintegriert zu fördern? HIT - Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal Hildesheim, 08. Mai 2012

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Wie gelingt es, Sprache in der Kita

alltagsintegriert zu fördern?

HIT - Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal

Hildesheim, 08. Mai 2012

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Gliederung

1.  Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita

- Was ist damit gemeint?

- Wer kann es durchführen?

- Welche Kinder profitieren davon?

2.  HIT „Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal“ (Buschmann & Jooss)

- Konzept

- Rahmenbedingungen

- Effektivität

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1. Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita- Was ist damit gemeint?

Spezifische Sprachförderprogramme

(z.B. Kon-Lab,

„Sag mal was“)

Alltagsintegrierte Sprachförderung

(Anwendung keines spezifischen

Programms)

•  Üben formaler Sprachfähigkeiten

•  Kleingruppen

•  Fester Zeitpunkt

•  Nutzung natürlicher Interaktionen im Kita-Alltag

•  Sprachförderliche Grundhaltung

•  Gezielte Anwendung intuitiver

Sprachlehrdidaktik

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Alltägliche Kita-Situationen

Dem Kind beim An- und Ausziehen helfen

Hilfe beim Toilettengang/Wickeln

Begrüßung/Verabschiedung

1-2 Kinder helfen bei der Vorbereitung des Frühstücks

Gemeinsame Mahlzeiten

Gemeinsames Aufräumen

Gezielte Nutzung von Situationen, in der eine Interaktion mit 1-2 Kindern möglich ist

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Positive Grundeinstellung zur Kommunikation mit Kindern

Sprachförderliche Grundhaltung

Auf eine Höhe gehen

Blickkontakt Ausreden lassen

Abwarten

Echtes Zuhören

Nachfragen

Das eigene Sprachangebot an den Entwicklungsstand des Kindes anpassen

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Bestätigendes Aufgreifen der kindlichen Äußerung

Intuitive Sprachlehrstrategien

Dinge benennen

Weiterführen der kindlichen Äußerung

Verbessern der kindlichen Äußerung durch korrekte Wiederholung

Eigene oder Handlungen des Kindes sprachlich begleiten

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1. Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita- Wer kann es durchführen?

  Jede Bezugsperson der Kinder!

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1. Alltagsintegrierte Sprachförderung - Wer profitiert davon?

  Alle Kinder!

  Insbesondere Kinder mit Auffälligkeiten in der

Sprachentwicklung

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Im Rahmen bestehender

Grunderkrankungen (Down-Syndrom,

Hörstörungen)

Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung

Umweltbedingt – mangelndes

Sprachangebot (wenig Kontakt

zum Deutschen)

Ohne erkennbare Ursache

(Late Talker, Spezifische

Sprachentwicklungs-

störung)

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2. HIT - Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal

Alltagsintegrierte Sprachförderung in Kitas

(Buschmann & Jooss, seit 2008)

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Kinder mit Schwierigkeiten beim Sprechenlernen

  zeigen Einschränkungen im Wortschatz, in der Grammatik und in der Aussprache

  nutzen zur Kommunikation zusätzlich Laute, Geräusche, Gesten

  werden ungeduldig, wenn sie nicht verstanden werden

  ziehen sich zurück oder sind aggressiver und unruhiger

LATE TALKER Aktiver Wortschatz < 50 Wörter mit 24 Monaten bei altersentsprechender allgemeiner Entwicklung

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Die Bezugspersonen (Eltern, Erzieher)

  machen sich Sorgen

  möchten helfen

  sind verunsichert

  fühlen sich evtl. mitschuldig

  sind manchmal genervt

  fühlen sich manchmal auch provoziert

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Die Bezugspersonen (Eltern, Erzieher)

Oft neigen sie unbewusst zu weniger sprachförderlichen

Verhaltensweisen

  „Sag doch mal – Auto -?“   „Sag Keks, dann bekommst du ihn“   So tun, als ob man das Kind nicht verstanden hätte   Bewusstes Vermeiden von Gesten und „Kindersprache“   Dem Kind das Sprechen abnehmen

  Selbst auch weniger reden

Bezugspersonen verändern in Folge von Sorge, Unsicherheit sowie dem ernsthaften Bemühen dem Kind helfen zu wollen ihr sprachliches Verhalten dem Kind gegenüber.

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Während es für Kinder mit unauffälligem Spracherwerb keinen so großen Einfluss hat, welches Sprachangebot sie erhalten, ist für Kinder mit Schwierigkeiten beim Sprechenlernen ein optimal auf sie abgestimmtes Sprachangebot unbedingt notwendig.

Notwendigkeit einer gezielten Interaktionsschulung der Bezugspersonen

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Entstehung

„Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung“ Gruppenprogramm für Eltern von Kindern mit verzögerter Sprachentwicklung

(Buschmann 2011, in Anwendung seit 2003)

Adaptation

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HIT - Zielgruppe

  ErzieherInnen/pädagogisches Fachpersonal oder Tagesmütter/-väter von Kindern im Kleinkindalter (Krippen)

  ErzieherInnen/pädagogisches Fachpersonal in Kindergärten und Kindertagesstätten

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HIT - Organisation

  Gruppe von max. 15 Teilnehmer/innen (feste Gruppe)

  6 stringent aufeinander aufbauende Sitzungen a`5 Stunden

  im Abstand von etwa 3-4 Wochen

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Interaktives Trainingsprogramm statt Fortbildung

  Begleitung der Fachkräfte über einen längeren Zeitraum

  Systematische Wissensvermittlung durch aufeinander aufbauende Trainingsbausteine

  Anknüpfen an den Kompetenzen der Fachkräfte

  Aktives Erarbeiten neuen Wissens auf der Basis von bereits bekanntem Wissen

  Geführter Austausch

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Interaktives Trainingsprogramm statt Fortbildung

  Aktives Üben von wesentlichen Strategien in der Kleingruppe

  Modelllernen durch Beobachten anderer Teilnehmer

  „Hausaufgaben“- Lernen durch Anwenden und Rückbesprechung

  Videosupervision- Reflexion des eigenen Interaktions- und Kommunikationsverhaltens

Die Erzieherinnen sollen handlungskompetent im sprachlichen Umgang mit sprachauffälligen Kindern werden!

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Buchanschauen

  Wird von den meisten Kindern gern getan

  Die meisten Erzieherinnen mögen diese Situation

  Die Situation gehört zur Kita-Routine

  Bücher sind zur Sprachförderung geeignet

Aber es kommt auf das WIE an!

Das Buch als Medium zur Sprachförderung

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Was ist zentral?

Kinder brauchen Gelegenheit, das Sprechen zu üben.

Sie müssen beim Buchanschauen zum Kommunizieren angeregt werden.

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Abwarten

Beobachten

Zuhören

Auf das Interesse des Kindes eingehen!

Herstellen eines gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus!

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Evaluation HIT

Inwiefern lässt sich die sprachliche Entwicklung von sprachlich schwachen Kindern durch eine systematische Anleitung der ErzieherInnen zu einer alltagsintegrierten Sprachförderung beschleunigen?

  Evaluationsstudie im Krippenbereich (18-30 Monate)   Evaluationsstudie in Kindergärten (3-4 Jahre)

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Evaluationsstudie im Krippenbereich

Sprachdiagnostik

Sprachdiagnostik

Heidelberger Interaktionstraining

Konventionelle Fortbildung

Posttest, 6 Mon 24-35 LM.

Heidelberg

Prätest 17-28 LM.

Screening 16-30 LM.

Stuttgart

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Stichprobe

  9 Einrichtungen 17 Erzieherinnen

Heidelberg Stuttgart

  5 Einrichtungen 13 Erzieherinnen

  15 Kinder (8 Ju, 7 Mä) 11 x einsprachig 4 x mehrsprachig

  13 Kinder (6 Ju, 7 Mä) 9 x einsprachig 4 x mehrsprachig

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Ergebnisse Wortschatzentwicklung

020406080100120140160180200

HeidelbergerTrainingsprogramm

KonventionelleFortbildung

Prätest

Posttest

Anzahl Wörter

197

138

(t-test, einseitig)

p<0.05

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Verlaufskurven Sprachproduktion SETK-2

Prätest 2,7 4,8Posttest 25,9 16,5

0

5

10

15

20

25

30

Prätest Posttest

Ro

hw

ert

e

SETK-2 Produktion Sätze

Heidelberger Trainingsprogramm

Konventionelle Fortbildung

Haupteffekt Zeit p<0.001 Zeit x Gruppe p<0.05

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Wie viele Kinder erzielen zur Nachuntersuchung Ergebnisse im Normbereich ?

0

10

20

30

40

50

60

70

80

HeidelbergerTrainingsprogramm

KonventionelleFortbildung

Sprachauffällig T-Wert<40

Aufholer T-Werte =>40

%

Standardisierte Sprachentwicklungsdiagnostik SETK-2

53,4

23,1

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HIT Konventionelle Fortbildung

Sehr gut

Gut bis Sehr gut

Ja, vollkommen (1,2)

Gut bis Sehr gut

Sehr gut

Ja (2,2 im Mittel auf Skala von 1-5)

Gesamteindruck

Inhaltsvermittlung

Erwartungen erfüllt

Bewertung der Fortbildung durch die Erzieherinnen

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„dass man wach gerüttelt wurde... vieles hatte ich ja schon mal gehört“

„motiviert werden, sein eigenes Verhalten zu reflektieren...“

„gute Mischung aus Theorie und Praxis“

„eigene Videoaufnahme. Kritik anderer ist sehr hilfreich; nur so kann man etwas verändern.“

Was hat Ihnen am Heidelberger Trainingsprogramm besonders gefallen?

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Evaluationsstudie im Kindergarten

Sprach- und Interaktionsdiagnostik

Sprach- und Interaktionsdiagnostik

Heidelberger Interaktionstraining

Fortbildung zur kognitiven Förderung

Posttest, 6 Mon

Hessen Screening

3-5jähr. Kinder

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Verhaltensänderung bei den Erzieherinnen

  Erzieherinnen nehmen sich selbst mehr zurück Redeanteil der Kinder steigt

  Erzieherinnen setzen mehr Sprachlehrstrategien ein (Äußerungen des Kindes aufgreifen, erweitern; korrektives Feedback)

  Sprechfreude der Kinder steigt

Bei der Nachuntersuchung war die absolute Summe der kindlichen Äußerungen in der Bilderbuchsituation fast doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe.

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Fazit

  Übertragung des Konzepts für den Bereich der Krippe und des Kindergartens scheint gelungen

  Durch ein systematisches Interaktionstraining der pädagog. Fachkräfte kann Sprachentwicklung beschleunigt werden

  Ein- und mehrsprachige Kinder profitieren

  Systematisches Trainingsprogramm ist einer konventionellen Fortbildung vorzuziehen

ErzieherInnen erwerben eine persönliche Grundkompetenz, die es ihnen situations- und materialunabhängig ermöglicht, Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung effektiv zu fördern.

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Publikationen (Auswahl)

Buschmann, A. & Jooss, B. (2011). Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kinderkrippe. Effektivität eines sprachbasierten Interaktionstrainings für pädagogisches Fachpersonal. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 43, 303-312.

Sachse, S., Jooss, B., Simon, S., Buschmann, A. (2011). Wie gelingt es, Sprache in der Kita effektiv zu fördern? KiTa BY, 4, 98-100.

Buschmann, A., Jooss, B., Simon, S., Sachse, S. (2010). Alltagsintegrierte Sprachförderung in Krippe und Kindergarten. Das "Heidelberger Trainingsprogramm". Ein sprachbasiertes Interaktionstraining für den Frühbereich. L.O.G.O.S. INTERDISZIPLINÄR, 2, 84-95.

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Bei Rückfragen: [email protected] www.fruehinterventionszentrum.de