Wie könnte die Bedarfsplanung weiter entwickelt werden ... · den Gemeinden und Ortsteilen...

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AOK NORDOST Wie könnte die Bedarfsplanung weiter entwickelt werden? Ein GIS-gestützter Ansatz der AOK Nordost Dr. Boris Kauhl Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geographie 29.09.2018

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AOK NORDOST

Wie könnte die Bedarfsplanung weiter

entwickelt werden?

Ein GIS-gestützter Ansatz der AOK Nordost

Dr. Boris Kauhl

Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geographie

29.09.2018

AOK Nordost 1 29.09.2018 – Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geografie

Hintergrund

• Projekt wurde 2015 von der AOK Nordost initiiert und wird von der Beuth Hochschule

für Technik Berlin unterstützt

• Ziel ist die regionale Analyse des Versorgungsbedarfs unserer Versicherten und darauf

aufbauend eine an der Erkrankungslast orientierte Versorgungsplanung

Daten:

• Fünf Erkrankungen wurden betrachtet: Typ 2 Diabetes Mellitus, Hypertonie, koronare

Herzkrankheit, Depression und chronisch obstruktive Lungenerkrankung

• 54% der Versicherten sind von einer oder mehrerer dieser Erkrankungen

betroffen

• Inanspruchnahme medizinischer Leistung durch chronisch Kranke ist ein

verlässlicherer Indikator als beispielsweise Patienten-Arzt-Kontakte

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Kartografische Darstellung der Erkrankungsprävalenzen

• Standardisiert nach Alter und Geschlecht

• Glättungsverfahren (Besag–York–Mollié Modell)

Lokaler Clustertest

• Spatial scan statistic (SaTScan)

• Poisson Modell mit einem maximalen Radius von 10km

Räumliche Regressionsmodelle

• Ordinary least squares Regressionsmodell (OLS)

• Geografisch gewichtetes Regressionsmodell (GWR)

• 40 verschiedene Kombinationen aus Kernel, Bandbreite und Optimierungsmethode

wurden evaluiert, um die Modelle mit den besten statistischen Eigenschaften zu

identifizieren

Prognose der Erkrankungslast

• Angepasstes Perry-Hamilton Modell

• Raum-zeitliche Bayesianische Disease Mapping Modelle

Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Methoden

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Hintergrund – Einfluss regionaler Faktoren auf die Erkrankungslast

• Erkrankungen sind nicht gleich verteilt, sie folgen meistens bestimmten sozio-

ökonomischen Bevölkerungscharakteristika

• Für chronische Erkrankungen ist die strukturelle Benachteiligung eines

Gebietes entscheidend; je benachteiligter eine Region ist, desto höher ist die

Prävalenz chronischer Erkrankungen – unabhängig von individuellen

Merkmalen des Versicherten

Prävalenz misst die Erkrankungshäufigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt

Der „Deutsche Index regionaler Deprivation“ misst die strukturelle Benachteiligung der Gemeinden in Deutschland. Für unsere Analysen wurde der

dt. Index regionaler Deprivation auf die Ebene der Gemeindeverbände aggregiert.

Der Index besteht aus den Domänen Pro-Kopf-Einkommen, Arbeitslosigkeit, Beschäftigte ohne Bildungsabschluss, Wanderungsbilanz,

Wahlbeteiligung, Straftaten pro Kopf, Verkehrsunfälle pro Kopf und Flächenversiegelung

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Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Regionale Verteilung (I)

• Typ 2 Diabetes Mellitus, Hypertonie und koronare Herzerkrankungen sind in

den Gemeinden und Ortsteilen regional ähnlich verteilt

• Die höchsten Prävalenzen befinden sich vor allem im Berliner Speckgürtel

und in den Landkreisen Elbe-Elster, Prignitz und Uckermark

Statistisch signifikante Abweichungen über dem Durchschnitt sind als „Cluster“ (rote Umrandung) dargestellt. Die Zahl gibt den Signifikanzrang an.

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Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Regionale Verteilung (II)

• Depressionen werden zum größten Teil in Berlin diagnostiziert

• Die höchsten Prävalenzen für COPD befinden sich vor allem in West-Berlin

und im Berliner Speckgürtel

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Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Einflussfaktoren

Beispiel Hypertonie:

• In den strukturschwächeren Gebieten ist

der Zusammenhang zw. den Anteilen an

Versicherten im Alter von 45 – 64 / über 65

und Hypertonie am größten, auch wenn die

Versicherten nicht selbst von Deprivation

(z. B. Arbeitslosigkeit) betroffen sind

• Deprivation hat einen direkten Einfluss im

nördlichen Teil Brandenburgs und weiten

Teilen MVs.

• Der Anteil an Berufspendlern hat besonders

um Berlin, Neubrandenburg und Schwerin

einen starken Einfluss auf die Prävalenz der

Hypertonie

Versicherte, die in einer sozial schwachen

Gegend leben, haben – unabhängig ihres

individuellen Status – mit dem Alter ein

höheres Risiko an Hypertonie zu erkranken

Ein Regressionskoeffizient misst die Stärke des Zusammenhangs

zwischen einem Gebietsmerkmal (z. B. regionale Deprivation) und

Erkrankungsprävalenz

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Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Zeitliche Veränderung

• Die Erkrankungslast unter den AOK Nordost

Versicherten bleibt grundsätzlich stabil

• Auffällig ist aber, dass die Prävalenzen in den

strukturschwachen Landkreisen zunehmen

• Für die zukünftige Entwicklung der

Erkrankungslast ist vor allem der Wohnort

entscheidend: Personen, die in

strukturschwachen Regionen älter werden,

haben ein höheres Risiko chronisch krank zu

werden

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Erkrankungslast unter den AOK Nordost Versicherten – Prognose der Erkrankungslast

• Die Erkrankungslast unter den AOK

Nordost Versicherten lässt sich bis auf die

Ebene der Gemeindeverbände

prognostizieren

• Dass Perry-Hamilton Modell zeigt eine

Zunahme der Erkrankungslast vor allem in

den strukturschwachen Regionen auf

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Zugang zu hausärztlicher Versorgung – Bevölkerungsdaten

Datengrundlage:

• Bevölkerungsdaten auf Ebene der 100m x 100m Raster des Zensus 2011

• Einwohnerzahlen auf Ebene der Gemeinden 2016

• Abrechnungsdaten der AOK Nordost 2016

• Hausarztdaten der kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-

Vorpommern

Vorbereitung der aktualisierten Bevölkerungsdaten

• Bevölkerungsdaten des Zensus 2011 wurden auf 200m + 200m Raster aggregiert

• Anzahl EW 2016 pro 200m Raster wurde basierend auf den EWZ nach Altersgruppen

des Zensus 2011 berechnet

• Die EWZ 2016 wurden proportional zum Anteil an Personen / Altersgruppe / Raster des

Zensus 2011 verteilt

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Zugang zu hausärztlicher Versorgung – Hausarztdaten

Datengrundlage:

• Hausarztstammdaten der KV Berlin, KV Brandenburg, KV Mecklenburg-Vorpommern

zum 1.7.2016

• Von den 5153 Hausärzten konnten 5146 adressgenau georeferenziert werden

• Enthalten in den Daten zu den derzeit verwendeten Verhältniszahlen sind u.a.:

1. Derzeit verwendete Verhältniszahlen

2. Versorgungsgrade (für Berlin zum 1.7.2017)

3. Anzahl Hausärzte

4. Anzahl Einwohner

• Die Mittelbereiche wurden dem Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

entnommen und an die Mittelbereiche in Nordostdeutschland angepasst (z.B. umfasst

der Mittelbereich Schwerin gemäß BBSR sowohl Schwerin Stadt als auch Schwerin

Umland; entsprechend den Mitteilungen der KV Schwerin sind beide getrennt)

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Zugang zu hausärztlicher Versorgung – 2sfca Methode

• Derzeitige Verhältniszahlen berücksichtigen weder Erreichbarkeit (z.B. Fahrtzeit

zum nächsten Hausarzt) noch Mitversorgungseffekte durch nahegelegene

Hausarztstandorte

• Gravitationsmodelle wie die „two-step floating catchment area“ Methode (2sfca)

vereint Aussagen zum Verhältnis von Einwohnern zu Hausärzten, Erreichbarkeit der

Hausarztpraxen und berücksichtigt Mitversorgungseffekte durch nahegelegene

Hausarztstandorte in einem Modell

• Verwendete Maximaldistanz in unserem Ansatz: 5 km

• Innerhalb der maximalen Distanz von 5 km wurde von jedem 200 m Raster (126

Tsd.) die Distanz zu allen erreichbaren Hausarztstandorten berechnet (2,9 Mio.

Routen)

• Das Verhältnis von Einwohnern zu Hausärzten in einem 5 km Einzugsgebiet wurde

für jeden Hausarztstandort berechnet

• Zur Berechnung der kleinräumigen Versorgungsgrade für die Gesamtbevölkerung

wurden die derzeit verwendeten Verhältniszahlen auf Ebene der Mittelbereiche /

Berliner Bezirke herangezogen

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Allokation neuer Hausarztstandorte – Hochrechnung der Erkrankungslast auf

die Gesamtbevölkerung

Datengrundlage:

• Die Erkrankungslast in verschiedenen Altersgruppen wurde auf Basis der AOK Nordost

Versicherten auf Ebene der Gemeinden und Ortsteile mittels Besag–York–Mollié Modell

berechnet

• Die gesamte Anzahl Erkrankter Einwohner / Gesamt-Prävalenz wurde als Summe aus

den Prävalenzen der jeweiligen Altersgruppen berechnet (P0 -18) + (P19 – 29) + (P30 –

49) + (P50 – 64) + (P65)

• Für Raster mit weniger als 10 Einwohner wurden die Fälle über die Prävalenz der

Gesamtbevölkerung berechnet

AOK Nordost 13 29.09.2018 – Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geografie

Allokation neuer Hausarztstandorte – Erkrankungslast in der

Gesamtbevölkerung

• Die Erkrankungslast ist in der Gesamtbevölkerung niedriger als unter den

AOK Nordost Versicherten (43,8% vs. 52,3%)

• Dies liegt u.a. am höheren Durchschnittsalter der AOK Nordost Versicherten

Quelle: ESRI

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Zugang zu hausärztlicher Versorgung – Verhältniszahlen

• Die derzeit verwendeten Verhältniszahlen

variieren von 1335 Einwohner pro Hausarzt

in Mecklenburg-Vorpommern bis 1793

Einwohner pro Hausarzt in Berlin

AOK Nordost 15 29.09.2018 – Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geografie

Zugang zu hausärztlicher Versorgung – Versorgungsgrade

• Die niedrigsten Versorgungsgrade befinden

sich in Mecklenburg-Vorpommern

• Der höchste Versorgungsgrad befindet sich

ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern in

Stralsund

AOK Nordost 16 29.09.2018 – Jahrestagung Arbeitskreis Medizinische Geografie

Zugang zu hausärztlicher Versorgung – kleinräumige Versorgungsgrade

• Durch die Darstellung kleinräumiger

Versorgungsgrade lässt sich die derzeitige

Versorgungssituation sehr detailliert

analysieren

• Dies ist vor allem vor dem Hintergrund

altersbedingt ausscheidender Hausärzte

relevant

• Durch die kleinräumige Betrachtung lassen

sich anbahnende Versorgungsengpässe

frühzeitig erkennen und entsprechend

genauer entgegensteuern

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Allokation neuer Hausarztstandorte – Implementierung mittels ESRI ArcGIS

Network Analyst

• Von den 5146 Hausärzten sind 1260 über 65 (Stichtag 1.7.2016)

• Nur diese 1260 Hausarztstandorte wurden neu verteilt

Verteilung der Hausarztstandorte nach Erkrankungslast:

• Die 1260 Hausarztstandorte wurden für alle drei KV-Regionen getrennt mittels

„maximize coverage“ Methode in ESRI ArcGIS verteilt

• Die Hausarztstandorte wurden demnach so positioniert, dass die größte mögliche

Menge an chronisch kranken Einwohnern einen Hausarzt in 5 km Fahrtdistanz

erreicht

• Als potentielle Standorte wurden nur Raster betrachtet, die sich nach Abzug der

Hausärzte über 65 in Gemeinden mit einem Versorgungsgrad von weniger als 90%

befinden

Funktionsweise einer GIS-basierten Allokation von Hausärzten. Quelle: ESRI

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Allokation neuer Hausarztstandorte – Ergebnisse Berlin

Funktionsweise einer GIS-basierten Allokation von Hausärzten. Quelle: ESRI

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Fazit

• Die hier dargestellten Ansätze ließen sich auch

problemlos auf alle GKV-Versicherte

übertragen

• Aus unserer Sicht wäre die Kombination aus

der regionalen Prognose der Erkrankungslast

und der GIS-gestützten Allokation benötigter

Hausarztstandorte ein innovativer Ansatz, um

die zukünftige Versorgungsplanung besser an

den vorhandenen Bedarf anzupassen

Funktionsweise einer GIS-basierten Allokation von Hausärzten. Quelle: ESRI

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AOK Nordost – Die Gesundheitskasse

www.aok.de/nordost

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