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Institut für Kommunikation und Marketing IKM CC Professionelle Kommunikation Projekt "Neue Medien mit neuen Medien" Dr. Sonja Kolberg Dozentin T direkt +41 78 680 70 65 [email protected] Luzern, 12. Februar 2014 Seite 1/5 Wie man einen Werbefilm analysiert Lernziele Die Studierenden können die USP und die Kommunikationsziele eines Werbefilms bestimmen kennen filmische Gestaltungsmittel und können diese zur Analyse und Interpretation von Werbefilmen anwenden Inhaltsverzeichnis 1. Einführung und Überblick ........................................................................................................ 2 1.1. Werbefilm und Neue Medien ............................................................................................. 2 1.2. Der Werbefilm: Von der Produktpräsentation zum Unterhaltungsfilm ............................... 2 2. Instrumentarium zur Analyse von Werbefilmen ........................................................................ 3 2.1. Kommunikationsziele von Werbung (Henze, 2005, S. 163) ............................................... 3 2.2. USP und Slogan ................................................................................................................. 3 2.3. Kriterien der Filmanalyse .................................................................................................. 3 2.4. Intradiegese und Extradiegese ............................................................................................ 5 2.5. Struktur von Werbefilmen.................................................................................................. 6 2.6. Das Sequenzprotokoll ........................................................................................................ 6 3. Kleines Glossar des Werbefilms (Henze, 2005, S. 133-134) ..................................................... 7 4. Übungen .................................................................................................................................. 8 5. Korpus: verwendete Werbefilme ............................................................................................ 11 6. Literatur .................................................................................................................................. 11

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Institut für Kommunikation und Marketing IKM CC Professionelle Kommunikation Projekt "Neue Medien mit neuen Medien" Dr. Sonja Kolberg Dozentin T direkt +41 78 680 70 65 [email protected]

Luzern, 12. Februar 2014 Seite 1/5

Wie man einen Werbefilm analysiert Lernziele Die Studierenden • können die USP und die Kommunikationsziele eines Werbefilms bestimmen • kennen filmische Gestaltungsmittel und können diese zur Analyse und Interpretation von

Werbefilmen anwenden Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Überblick ........................................................................................................ 2 1.1. Werbefilm und Neue Medien ............................................................................................. 2 1.2. Der Werbefilm: Von der Produktpräsentation zum Unterhaltungsfilm ............................... 2

2. Instrumentarium zur Analyse von Werbefilmen ........................................................................ 3 2.1. Kommunikationsziele von Werbung (Henze, 2005, S. 163) ............................................... 3 2.2. USP und Slogan ................................................................................................................. 3 2.3. Kriterien der Filmanalyse .................................................................................................. 3 2.4. Intradiegese und Extradiegese ............................................................................................ 5 2.5. Struktur von Werbefilmen .................................................................................................. 6 2.6. Das Sequenzprotokoll ........................................................................................................ 6

3. Kleines Glossar des Werbefilms (Henze, 2005, S. 133-134) ..................................................... 7

4. Übungen .................................................................................................................................. 8

5. Korpus: verwendete Werbefilme ............................................................................................ 11

6. Literatur .................................................................................................................................. 11

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1. Einführung und Überblick

1.1. Werbefilm und Neue Medien Printmedien und damit auch die Printwerbung werden zunehmend durch das Internet verdrängt. Im Internet sind es vor allem die Formen der Bewegtbildwerbung, die an Bedeutung gewinnen. Filmwerbung spricht nämlich mehrere Wahrnehmungskanäle an, sie erzielt dadurch eine höhere Aufmerksamkeit und bleibt dem Zuschauer länger in Erinnerung als beispielsweise das klassische Werbeinserat. Früher war die einzige und sehr kostspielige Möglichkeit für Firmen, einen Werbefilm zu platzieren, das Fernsehen oder das Kino. Im Zeitalter von Neuen Medien, Internet und Social Media stehen Firmen und Werbern viele andere Möglichkeiten zur Verfügung, bewegte Werbung zu zeigen: Werbefilme können in den eigenen Webauftritt eingebunden werden oder sie können als Direct-Mailing oder als Link auf dem Mail-Absender an Kunden verschickt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sogenannte „Videobanner“ in fremde Webseiten einzubinden oder Werbung als Pre- bzw. Mid-Roll-Spots vor oder während anderen Internet-Videos laufen zu lassen. Besonders originelle Werbefilme werden auf YouTube aktiv aufgerufen und via Twitter oder Facebook verbreitet (Viralspots).1

1.2. Der Werbefilm: Von der Produktpräsentation zum Unterhaltungsfilm Der TV-Spot war bis in die 80er-Jahre vorwiegend ausgerichtet auf das (unterstellte) Informationsbedürfnis der potentiellen Kunden und handelte meist argumentativ. Der Film sollte Gründe dafür liefern, warum die Konsumenten dieses und kein anderes Produkt kaufen sollen. Der Zuschauer, die Zuschauerin wurde belehrt (Fleckenstein, 2007, S. 157). Filme dieser Art – von denen sich auch heute noch zahlreiche Vertreter finden lassen – zeichnen sich aus durch Dominanz des Produkts, durch argumentative Sprache und oft auch dadurch, dass eine Kommunikationssituation simuliert wird, in der die Rezipierenden direkt angesprochen werden (Lenor 1970, Quenti 1979 (1.43-2.04), Palmolive 1981). Seit den 90er-Jahren nähert sich der Werbefilm zunehmend den Charakteristiken des Spielfilms an, wobei das Produkt in den Hintergrund tritt. In vielen Werbefilmen werden Produktnamen eher beiläufig erwähnt, Vorzüge implizit benannt (Wyss, 2011, S. 279), oder das Produkt wird erst in einer überraschenden Pointe zum Helden (Feldschlösschen 2012). Oft kommt das Produkt in der Handlung auch gar nicht vor, und es braucht die OFF-Stimme des Kommentators oder die aktive Mitarbeit der Rezipienten, um Handlung und Produkt in einen Zusammenhang zu bringen (Sympany 2010, tutti 2012). Im Zuge dieser Annäherung des Werbe- an den Spielfilm entstehen fiktive Werbewelten, zum Beispiel diejenige mit dem berndeutsch sprechenden, behäbigen Sennenhund Barry und der frechen, sanktgallernden Gans Hans (Schweizer Obstverband 2009). Die Werbeästhetik heute ist geprägt von der Dominanz des Bildes. Zu den am meisten auf YouTube aufgerufenen Werbefilmen gehören sogenannte Life-Action-Spots, welche aus Aktionen ohne Dialoge bestehen, begleitet von Musik (vgl. Kap. 4) (Migros 2009). Ob die Rezipienten selbst die Lücken zwischen Handlung und Produkt schliessen oder ob sie die einzelnen Szenen einer Handlung, die lediglich atmosphärisch durch Musik untermalt wird, zu einer Geschichte zusammenfügen: Die Rezipienten füllen mit ihrem Weltwissen die Leerstellen und 1 Nicht nur Print wird zunehmend durch Internet abgelöst, auch das traditionelle Fernsehen wird durch das Internet

konkurrenziert. Dieses erlaubt es dem Nutzer anders als das programmgebundene Fernsehen, Inhalte selbst zusammenzustellen und zu einem beliebigen Zeitpunkt anzusehen. Der Fernsehkonsum geht zurück, der Internetgebrauch steigt (Beisswenger, S. 18). Jugendliche betrachten YouTube-Videos länger als das Fernsehprogramm (Graf in Beisswenger, S. 41). Bei den 14- bis 29-jährigen ist der grösste Rückgang der Fernsehdauer von 140 auf 133 Minuten pro Tag zu verzeichnen (Eichsteller in Beisswenger, S. 48).

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werden selbst kreativ. Es ist unter anderem diese Offenheit des Werbefilms, die ihn zu einer Kunstform macht. Dabei wird auch das Produkt immer mehr am ästhetischen Wert der Werbung gemessen: „Nicht mehr der Wert des Produkts steht im Vordergrund, sondern der Wert des Spots. Der Konsument kauft kein Produkt mehr, sondern einen symbolischen Wert ...“ (Fleckenstein, 2007, S. 226). Es ist anzunehmen, dass die Bedeutung des Unterhaltungswerts von Werbung durch das Internet noch zunehmen wird. Denn nur unterhaltende Werbefilme werden von Nutzern auch aktiv auf Netz weiterverbreitet. Der Unterhaltungsaspekt von Werbefilmen dient dann nicht nur nur der symbolischen Wertsteigerung des Produkts, sondern wird zur Bedingung dafür, dass die Werbung von ihren Adressatinnen und Adressaten überhaupt angesehen wird.

2. Instrumentarium zur Analyse von Werbefilmen

2.1. Kommunikationsziele von Werbung (Henze, 2005, S. 163) Es gibt drei Arten von Kommunikationszielen: Kommunikationsziel 1: Popularität Es geht darum, ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen bekannt zu machen. Kommunikationsziel 2: Wissensvermittlung Es geht darum, Informationen über ein Produkt, einer Dienstleistung oder ein Unternehmen zu vermitteln. Kommunikationsziel 3: Image Es geht darum, das Image eines Produktes, eine Dienstleistung oder eines Unternehmens zu festigen oder zu verändern.

2.2. USP und Slogan Die Unique Selling Proposition (USP) bezieht sich auf jene Eigenschaft des zu bewerbenden Produktes, die das Produkt von anderen, ähnlichen Produkten unterscheidet oder unterscheiden soll. „Die Werber suchen eine positive Eigenschaft aus, die das zu bewerbende Produkt im Konkurrenzumfeld als ‚einmalig’ dastehen lässt, und machen diese ‚einmalige Eigenschaft’ zum zentralen Thema der Werbung. Die USP kann ein kreisrundes Loch im Pfefferminz sein, die Langlebigkeit einer schwäbischen Automarke oder der unschlagbare Preis eines Brillenherstellers“ (Henze, 2005, S. 19). Ein Werbefilm kann durchaus mehrere USPs haben, jedoch dürfen sich diese nicht widersprechen (Henze, 2005, S. 20). Die USP eines Produkts oder einer Marke kann im Slogan sprachlich verdichtet werden. Das Hauptmerkmal des Slogans besteht aber darin, die Wiedererkennung eines Produkts oder einer Marke zu ermöglichen. Dies kann er nur, weil er wiederholt wird und sich daher in allen Werbungen zu einem Produkt oder zu einer Marke wieder findet (Albert & Zurgilgen, o.J., S. 4).

2.3. Aspekte der Filmanalyse

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Ein Werbefilm inszeniert die USP auf dem mehreren Kanälen. Als multimedialer Text (vgl. Skript Textlinguistik) stellt er ein komplexes Zeichensystem dar, bestehend aus geschriebenem und gesprochenem Text, unbewegten und bewegten Bildern sowie Musik. Bedeutung wird dabei nicht nur durch die Sprache oder die dargestellte Handlung transportiert, sondern auch durch andere Aspekte wie zum Beispiel die Kameraperspektive oder die Musik. Stöckl (2004) unterscheidet die folgenden Kriterien für die Filmanalyse: Bildinhalt, Entfernung, Perspektive, Kamerafahrt Sprache/Schrift, Sprache/Ton und Musik, Geräusche. Wichtig für Ihre Analyse: Eine gute Filmanalyse verknüpft diese filmtechnischen Elemente mit den inhaltlichen Aspekten eines Films, also der USP und/oder den Kommunikationszielen. Behalten Sie bei der Analyse der formalen Gestaltungsmittel immer die folgende Frage im Auge: Warum ist der Film so und nicht anders gemacht? Was hat das mit seiner inhaltlichen Aussage, also der USP, zu tun? Bildinhalt. Er bezieht sich zum einen auf den Inhalt der Bilder, die die Kamera zeigt: Umgebung, Handlung, Figuren. Der Bildinhalt ist aber auch durch formale Kriterien wie Bildkomposition, Farbe und Tiefenschärfe bestimmt. Diese formalen Aspekte sind semiotisch relevant, das heisst, sie lassen sich deuten. So wird zum Beispiel durch eine geringe Tiefenschärfe, indem nur ein Ausschnitt des Bildes scharf gestellt wird, die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf diesen Ausschnitt gelenkt und die Bedeutung des Ausschnitts hervorgehoben. Oder: Während eine symmetrische Aufteilung des Bildes eher Langeweile hervorruft, erzeugt eine Drittelteilung oder eine Anordnung im Goldenen Schnitt Spannung und Dynamik (Gräf et al. 2011, S. 100, vgl. auch Manual zur Bildanalyse). Beispiel für die Wirkung von Farben: Filmausschnitt „Vertigo“, http://www.mediaculture-online.de/Filmanalyse.1220.0.html - c11846 Entfernung. Die Distanz zwischen Kamera und dargestelltem Objekt kann weit (Panorama oder Totale), mittel (Halbtotale) oder nah sein (Nahaufnahme oder Detailaufnahme). Entfernungseinstellungen sind weitgehend funktional: Damit der Rezipient einen Brief lesen kann, braucht es eine Nahaufnahme des Briefes; um zu zeigen, wo sich ein Mensch befindet, bedarf es einer weiten Entfernung der Kamera. Entfernungen an sich transportieren also keine Bedeutung, sondern sind Mittel zum Zweck (Gräf et al., 2011, S. 117). Perspektive. Sie bezieht sich vor allem auf die Höhe der Kamera in Bezug auf das gezeigte Objekt. Normal ist die Augenhöhe (frontale Sicht). Ein Objekt kann aber auch von oben (Aufsicht) oder von unten (Untersicht) gefilmt werden. Eine Person, von unten gefilmt, kann furchteinflössend oder überlegen wirken, während sich die Aufsicht eignen kann, um jemanden als unterlegen oder auch einsam darzustellen (vgl. Manual zur Bildanalyse). Beispiel für eine extreme Untersicht: Filmausschnitt „Nosferatu“, http://www.mediaculture-online.de/Filmanalyse.1220.0.html - c11841. Kamerabewegung. Die Kamera kann ihre Position im Raum verändern. Sie kann durch den Raum fahren (nach vorne und hinten, nach links und rechts, nach oben und unten) oder sich an einem Ort um sich selber drehen. Während Aufnahmen mit der Handkamera eine authentische, eher subjektive Wirkung erzeugen, ermöglicht die Steadycam (eine an einem Gerüst montierte, ferngesteuerte Kamera) eine ruckfreie, harmonische Bewegung im Raum. Das Zoomen ist ein Spezialfall, in dem die Kamera einen Bildausschnitt vergrössert oder verkleinert, ohne sich zu bewegen.

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Kamerabewegungen sind ähnlich wie die Entfernung meist funktional und tragen daher in der Regel keine weitere Bedeutung (Gräf et al., 2011, S. 143). Beispiel für einen raumübergreifenden Einsatz mit Steadycam: Filmausschnitt „Panic Room“, http://www.mediaculture-online.de/Filmanalyse.1220.0.html - c11844. Sprache / Schrift. Meist wird die USP eines Werbefilms auch sprachlich auf den Punkt gebracht – visuell durch einen eingeblendeten Text und/oder auditiv durch Stimme aus dem Off. Aber nicht nur, was gesagt wird, auch wie es gesagt wird, macht letztendlich die Wirkung der Werbung aus: Werbesprache zeichnet sich aus durch eine charakteristische Syntax und Lexik, rhetorische Figuren und Sprachspiele (vgl. dazu Stöckl, 2004). Auch das Schriftbild kann bedeutsam sein. Sprache/Ton. Gesprochen wird von den Figuren oder einem Kommentator (intradiegetisch oder extradiegetisch, vgl. unten). Paraverbale Aspekte gestalten die Aussage mit. Während Bildinhalt, Entfernung, Perspektive, Kamerafahrt und Schrift visuell wahrgenommen werden, werden Ton und Musik/Geräusche auditiv vermittelt. Wie das Verhältnis von Bild und Ton gestaltet ist, trägt massgeblich zur Wirkung von Werbung bei. Stimmen und Geräusche können Teil einer fiktiven Bildwelt sein, sie können das visuell Dargestellte kommentieren oder sogar in einen Kontrast dazu treten. Ein paralleler Einsatz von Ton und Schrift, z.B. bei der Nennung des Slogans, verbessert die Einprägsamkeit (Stöckl, 2004, S. 250).

Musik u. Geräusche. Musik hat verschiedene Funktionen: 1) Dramaturgisch eingesetzt, zeigt sie innerhalb einer Szene die Höhepunkte an oder verbindet einzelne Sequenzen miteinander. 2) Als spannungsgeneratives Element kann sie zum Erschrecken des Zuschauers beitragen (Surprise) oder Spannung aufbauen helfen (Suspense). Auch hier ist es das Verhältnis von Bild und Ton, das für die Wirkung entscheidend ist: Die visuelle Inszenierung einer heilen Welt, von spannungsgeladener Musik untermalt, wirkt unter Umständen bedrohlicher als gleichzeitig auditiv und visuell wahrgenommene Gefahr. 3) Musik kann eingesetzt werden, um bestimmte Emotionen auszudrücken bzw. auszulösen, die der visuellen Ebene zugrunde liegen (Gräf, 2011, S. 262-268). Beispiel für Musik als spannungsgeneratives Element: Filmausschnitt „Emil und die Detektive“, http://www.mediaculture-online.de/Filmanalyse.1220.0.html - c11849.

2.4. Intradiegese und Extradiegese Wichtig gerade für die Analyse von Werbefilmen ist der Unterschied zwischen filmischen Elementen, die zum fiktionalen Raum gehören (intradiegetische Ebene) und Elementen, die nicht zum fiktionalen Raum gehören (extradiegetische Ebene). Intradiegetisch in Werbefilmen sind beispielsweise Stimmen von handelnden Figuren. Extradiegetisch ist Stimme aus dem Off, die die Handlung kommentiert oder die Vorzüge des Produktes nennt. Auch die Begleitmusik in einem Live-Action-Spot ist extradiegetisch. Visuelle und auditive Elemente verhalten sich in Bezug auf die Zuordnung intradiegetisch – extradiegetisch unabhängig voneinander, das heisst: Sie können gemeinsam intradiegetisch oder extradiegetisch sein, müssen aber nicht. Beispiel für einen Werbefilm, der auf der Bildebene intradiegetisch, auf der Tonebene sowohl intradiegetisch (Geräusche) wie auch extradiegetisch (Musik) ist; beim pack-shot (vgl. unten) sind sowohl Bild als auch Ton extradiegetisch: Ovomaltine 2012.

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2.5. Struktur von Werbefilmen Das klassische Werbespotmuster ist zweigliedrig. Im ersten Teil wird eine Geschichte erzählt, im zweiten Teil wird das Produkt präsentiert und dabei meist durch Schrift oder Stimme kommentiert. In der Fachsprache wird diese Schlusseinstellung pack-shot genannt. Für die Analyse lassen sich mindestens drei unterschiedliche Gestaltungsprinzipien unterscheiden (nach Wyss, 2011, S. 295-297):

1) Die klassische Werbeerzählung: Der Werbefilm zeigt eine durchgehende Geschichte, die Handlungsführung ist kontinuierlich und konsistent, das Produkt Teil der Handlung. (Feldschlösschen 2012)

2) Episodische Darstellung: Gezeigt werden verschiedene Episoden – verschiedene Menschen, Tageszeiten, Milieus – die alle in einer funktionalen Beziehung zum Produkt stehen. (Nutella Jahr?)

3) Die filmische Montage zu einem Thema: Die dargestellte Handlung und das Produkt

werden erst durch die Montage selber, durch die Präsentation beider als einer audiovisuellen Einheit, zu einer „zusammenhängenden“ Geschichte. Die Rezpierenden füllen die Lücke zwischen Handlung und Produkt. (Sympany 2010)

2.6. Das Sequenzprotokoll Das Sequenzprotokoll enthält eine tabellarische Auflistung der einzelnen Einstellungen, wobei zu jeder Einstellung Informationen zu verschiedenen gestalterischen Elementen protokolliert werden (movie-college, online). Eine Einstellung ist die kleinste filmische Einheit, also der Filmabschnitt, der zwischen zwei Schnitten liegt (Schuster, online). Wichtig für Ihre Analyse: Das Sequenzprotkoll ist für eine Werbefilmanalyse unerlässlich. Sie können ein Sequenzprotokoll Ihres Films einfach herstellen, indem Sie Screen-Shots von den einzelnen Einstellungen der Online-Version machen (bei Mac: Öpfel+Shift+4) und die Tabelle aus der Aufgabe 3 als Vorlage benutzen.

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(Stöckl, 2004)

3. Kleines Glossar des Werbefilms (Henze, 2005, S. 133-134) Slice of Life Eine alltägliche Familienszene etwa, mit einem Dialog zwischen den

Personen. Beispiel: Vater und Sohn bei „Melitta“. Voice of God Dialog zwischen Verbraucher und Stimme aus dem Nichts. Beispiel:

das schlechte Gewissen der Hausfrau im Klassiker von „Lenor“. Testimonial Ein Interviewer befragt Konsumenten und überredet sie zum Test Am

Ende sind die Befragten vom Produkt überzeugt. Präsenter Experten, Stars oder Verbraucher preisen ein Produkt an. Beispiel:

Thomas Gottschalk und „Haribo“. Life Action / Voice Over

Aktionen zwischen Menschen ohne Dialoge, dazu Musik und Off-Sprecher. Beispiel: „Becks“

Interview Nach Drehbuch inszeniertes Interview, der Fragesteller ist sichtbar

oder unsichtbar. Beispiel: „Tempo-Taschentücher“. Demo Demonstration, warum das beworbene Produkt besser ist als

Konkurrenzprodukte. Beispiel: „Sil“ (Henkel).

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Product as Hero Das Produkt ist der „Held“, seine Abbildung hat absolute Priorität. Beispiel: Automobil-Werbung

Screen Pollution Der Bildschirm ist randvoll mit hässlichem Kleinscheiss [sic]. Krude

Mischung aus Grafik, Bildern, Videozuspielungen und schreienden OFF-Sprechern. Beispiel: Handy-Klingelton-Werbung „Jamba“.

Animation Zeichentrick / Computeranimation: Animierte Sympathieträger

präsentieren Produkte. Beispiel: „Schwäbisch Hall“-Fuchs.

4. Übungen Aufgabe 1: USPs in Werbefilmen bestimmen

Bestimmen Sie die USP in Migros 2009 und Sympany 2010. Wie wird die USP inhaltlich und formal in Szene gesetzt? Aufgabe 2: Filmische Gestaltungsmittel interpretieren

Interpretieren Sie die Bedeutung des Bildinhalts und der Perspektive in Erbacher Bikes 2012.

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Aufgabe 3: Sequenzprotokoll ausfüllen und Werbung analysieren

a) Protokollieren Sie Informationen zu den filmischen Gestaltungsmitteln von tutti 2012 mit Hilfe des untenstehenden Sequenzprotokolls. Einstellung 1 ( )

2 ( )

3 ( )

4 ( )

5 ( )

Bildinhalt

Entfernung

Perspektive

Kamerafahrt

Sprache / Schrift

Sprache / Ton

Musik

Einstellung

6 ( )

7 ( )

8 ( )

9 ( )

Bildinhalt

Entfernung

Perspektive

Kamerafahrt

Sprache / Schrift

Sprache / Ton

Musik

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b) Beantworten Sie folgende Fragen: - Welches Kommunikationsziel verfolgt der Film? - Was ist die USP? - Wie verhalten sich Ton und Bild, Intradiegese und Extradiegese zueinander?

Aufgabe 4: Slogans analysieren Durch welche besonderen sprachlichen Merkmale (rhetorische Figuren, Sprachspiele) zeichnen sich folgende Slogans aus? a) Unterwegs zu Hause. (SBB) b) Männer, zurück an den Grill. (Bell) c) Van schon, denn schon. (Peugeot 806 Van) d) Überraschend. Überzeugend. Anders. (Daihatsu Cuore) e) Nicht immer, aber immer öfter. (Clausthaler) Aufgabe 5: Tweet zu Werbefilm schreiben Wählen Sie einen aktuellen Werbefilm aus, der Ihnen persönlich besonders gut gefällt. Ergründen Sie die besondere Wirkung dieses Films mit Hilfe der Aspekte der Filmanalyse (Bildinhalt, Entfernung, Perspektive etc.): Wo ist der Film besonders stark? Twittern Sie den link zum Film und kommentieren Sie in einem tweet, warum Sie diese Werbung originell finden. Deadline: Bis zur nächsten Stunde. Bonus: 1 Extrapunkt für LN 1.

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5. Korpus: verwendete Werbefilme Erbacher Bikes 2012 http://bikes.erbacher.biz/index.php/custom-bikes/erbacher-bikes Feldschlösschen 2012 http://www.youtube.com/watch?v=rBO5CUEhSxM Lenor 1970 http://www.youtube.com/watch?v=lyh9fb9mEKQ Migros 2009 http://www.youtube.com/watch?v=Y0Caq4WYNZ8 Ovomaltine 2012 http://www.ovomaltine.ch/startseite-ch/ueber-ovomaltine/tv-spots.htm Palmolive 1981 http://www.youtube.com/watch?v=dRznUl4di8A Quenti 1979 http://www.youtube.com/watch?v=bvyCNVtRGNQ (1.43-2.04) Schweizer Obstverband 2009 http://www.youtube.com/watch?v=KJt3MVow1EI&feature=related Sympany 2010 http://www.sympany.ch/ueberuns/werbung/kaffee.htm tutti 2012 http://www.youtube.com/watch?v=p6oI2KuRUMQ&feature=relmfu

6. Literatur Bausteine zur Filmanalyse. Filme lesen lernen. Online (17.08.12):

http://www.mediaculture-online.de/Filmanalyse.1220.0.html Albert, D. & Zurgilgen, E. (o.J.). Werbung und Werbesprache. Unveröff. Skript, Hochschule

Luzern Wirtschaft. Beisswenger, A. (Hrsg.) (2010). Youtube und seine Kinder. Wie Online-Video, Web TV und Social

Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Baden-Baden: Nomos.

Filmanalyse. Online (17.08.12):

http://www.movie-college.de/filmschule/filmtheorie/filmanalyse.htm Fleckenstein, H. (2007). Der französische Werbefilm. Entwicklung ästhetischer und narrativer

Verfahren im 20. Jahrhundert. Tübingen: Narr. Gräf, D. et al. (2011) Filmsemiotik. Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate.

Marburg: Schüren.

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Hauser, S. (2010). Filmtheorie: Ich-Perspektive im Film – Grenzen und Möglichkeiten. Online (02.08.12)): http://suite101.de/article/filmtheorie-ich-perspektive-im-film--grenzen-und--moeglichkeiten-a80202

Schuster, U. Kriterien zur Filmanalyse. Online (02.08.12):

http://www.lpg.musin.de/kusem/konz/su3/fisetup.htm Stöckl, H. (2004). Werbekommunikation – Linguistische Analyse und Textoptimierung. In: K.

Knapp et al. (Hrsg.), Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. Tübingen, Basel: A. Francke. S. 233-254.

Wyss, E.L. (2011). Erzählen in bewegten Werbebildern. Narrative Muster und Logiken des

Werbens zwischen Story und Produkt. In: H. Diekmannshenke, M. Klemm & H. Stöckl (Hrsg.), Bildlinguistik. Theorien – Methoden – Fallbeispiele. Berlin: Erich Schmidt. S. 279-301.