Wie schwimmt das Zwergtauchernest?

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89 Heft~/3] 177 Wie schwimmt das Zwergtauchcrnest.9 Von lielmut Weber, Mfinster. (Mit den Tafeln I und II.) Seit einigen Jahren beob~tchte ieh in meiner Heimat, dem Miinster- lande, Zwergtaucher (Podiceps r~tficollis Pall.) auf dem Zuge, in ihrem Brutgebiet und unmittelbar beim Briiten. Die ersten :Nester land ich 1938 in einem dichtbewachsenen Weiher. Es waren zwei :Nester mit je fiinf Eiern. Zun~chst interessierten reich die zugeh5rigen Taucher- p~rchen mehr yon der tierphotographischen Seite. Mit einiger Mi~he baute ich im Wasser in der :N~he eines :Nestes mein Beobachtungszelt auf und verbraehte manehe Stunde bei dem brfitenden Taucher. Der kleine Kerl mit soviel seltsamen Gewohnheiten gewann dabei mein ganzes Interesse. Wenn er nahe am :Nest aufgetaueht war, lag er erst tief im Wasser und sieherte regungslgs , dann schwamm er in mehreren Ziigen ans Nest. Er bewegte bei jedem Schwimmstoss den Kopf vor- und rfickwfirts fihnlich wie das Griinffissige Teichhuhn (Galli,nula chloropus). Mit einem Satz sprang tier Taucher nun auf das :Nest, stellte sich breitbeinig an den Nestrand und legte die Eier frei, die gelblich ~us der modrignassen Mulde leuehteten. Er w~lzte sich dann unter Plustern und Sehiitteln auf das Gelege nieder. Es dauerte aber noch eine geraume Zeit, bis der Taucher ruhig brtitete. An Mlen Seiten zupfte er NistmateriM an den K5rper heran, sodass die Eier gut vor der kfihlen Aussenluf't abgeschirmt waren. Im Zusammenhang mit dieser Isolierung vor der Aussenluft steht auch wohl d~s Zudecken des ~ieleges. Bei jeder StSrung verl~sst der brfitende Taucher das Nest. Vor dem Verlassen bedeckt er immer sein Gelege mit einigen Pflanzen- teilen yore Nestrande. Mag die StSrung noeh so plStzlich eintreten, jedesmal rafft er noch blitzschnell die Bedeckung fiber die Eier. Diese so lest ausgeprfigte InstinkthandIung sail ich yon meinem Zelt aus oft ablaufen. Wenn ich durch das Schilf gewatet kam, hSrte ieh den Taucher wohl vom Nest springen. 1mmer hatte er aber --wenn auch in der kurzen Zeit nachliissig -- das Gelege zugedeckt. Vom Zelt

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W i e s c h w i m m t d a s Z w e r g t a u c h c r n e s t . 9

Von lielmut Weber, Mfinster.

(Mit den Tafeln I und II.)

Seit einigen Jahren beob~tchte ieh in meiner Heimat, dem Miinster- lande, Zwergtaucher (Podiceps r~tficollis Pall.) auf dem Zuge, in ihrem Brutgebiet und unmittelbar beim Briiten. Die ersten :Nester land ich 1938 in einem dichtbewachsenen Weiher. Es waren zwei :Nester mit je fiinf Eiern. Zun~chst interessierten reich die zugeh5rigen Taucher- p~rchen mehr yon der tierphotographischen Seite. Mit einiger Mi~he baute ich im Wasser in der :N~he eines :Nestes mein Beobachtungszelt auf und verbraehte manehe Stunde bei dem brfitenden Taucher. Der kleine Kerl mit soviel seltsamen Gewohnheiten gewann dabei mein ganzes Interesse. Wenn er nahe am :Nest aufgetaueht war, lag er erst tief im Wasser und sieherte regungslgs , dann schwamm er in mehreren Ziigen ans Nest. Er bewegte bei jedem Schwimmstoss den Kopf vor- und rfickwfirts fihnlich wie das Griinffissige Teichhuhn (Galli,nula chloropus). Mit einem Satz sprang tier Taucher nun auf das :Nest, stellte sich breitbeinig an den Nestrand und legte die Eier frei, die gelblich ~us der modrignassen Mulde leuehteten. Er w~lzte sich dann unter Plustern und Sehiitteln auf das Gelege nieder. Es dauerte aber noch eine geraume Zeit, bis der Taucher ruhig brtitete. An Mlen Seiten zupfte er NistmateriM an den K5rper heran, sodass die Eier gut vor der kfihlen Aussenluf't abgeschirmt waren. Im Zusammenhang mit dieser Isolierung vor der Aussenluft steht auch wohl d~s

Zudecken des ~ieleges.

Bei jeder StSrung verl~sst der brfitende Taucher das Nest. Vor dem Verlassen bedeckt er immer sein Gelege mit einigen Pflanzen- teilen yore Nestrande. Mag die StSrung noeh so plStzlich eintreten, jedesmal rafft er noch blitzschnell die Bedeckung fiber die Eier. Diese so lest ausgeprfigte InstinkthandIung sail ich yon meinem Zelt aus oft ablaufen. Wenn ich durch das Schilf gewatet kam, hSrte ieh den Taucher wohl vom Nest springen. 1mmer hatte er aber - - w e n n auch in der kurzen Zeit nachliissig -- das Gelege zugedeckt. Vom Zelt

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aus sah ieh aach, dass der Taucher, wenn genfigend Zeit vorhanden war, die Bedeekung noeh lest ,,trampelte". Dabei drehte er sieh emsig tretend einmal um seine eigene Achse, sodass das Gelege an jeder Stelle fest zugepackt war. Hieraus liisst sich schliessen, dass das Zudeeken der Eier neben dem Schutz gegen Sieht der Isolierung vor der kfihlen Luft dient. Nach Sem~:RMA~ ist es sogar hauptsi~chlich als Wiirmesehutz anzusehen, ,,der besonders an Tagen mit niedriger Wassertemperatur yon erheblicher Bedeutung sein diirfte". Ein so unbeholfenes, unvollstiindiges Bedecken der Eier, wie es SCHIE~MANN yore [taubentaucher berichtet, sah ich beim Zwergtaucher nieht. Viel- leicht ist das auf das ungleiche GrSssen- und Gewichtsverh~ltnis dieser beiden Podiceps-Arten zu ihren Nestern zurfickzufiihren. Der Zwerg- rancher kann neben dem Gelege am Nestrand stehen und yon dort das Zudeckea sorgfiiltig vornehmen. Bis zum Ende d e r Brutzeit unterblieb as naeh meinen Beobachtungen hie. Als am 13. Juni 1940 in einem Tauchernest ffinf yon sieben Eiern ausgefallen waren, wurde nieht mehr zugedeckt. In einem anderen Nest fand ieh am 23. Mai 1940 das letzte yon ffinf Eiern noch zugedeekt vor. Viele SchMen- stfickchen zeugten davon, dass schon vier kleine Taucher ausgefallen waren. Vermutlieh benutzen die Taueher das Nest nach dem Aus- fallen der Jnngen als Schlafst~ttte oder zum Hudern der ,lungen; das zeigte die vSllig plattgetretene Nestoberfli~che. Die Eizahl war bei den beobachteten Gelegen verschieden. (Drei Gelege mit fiinf Eiern, eins mit vier Eiern und eins mit sieben Eiern im Frfihjahr 1940. Von dem letzteren Gelege kam ein Ei nicht aus. Nach der Brutzeit stellte ieh lest, dasses unbefruchtet war.)

Nestbau und Nestmaterial,

In mehreren Brutgebieten des Zwergtauchers fand ieh 1938, 1939 und 1940 eine Reihe yon Nestern. (In jedem Brutgebiet meist mehr als ein Neat.) Ven einer Reihe yon ,,Versuchsnestern" wurde nachher eins belegt. Wegen der versteckten Lebensweise und aus Mangel an Zeit war es nicht m6glich, den Nestbau vom ersten Anfang his zmn fertigen Nest zu verfolgen. Es gelang zwar das eine oder andere Mal, Tancher beim Heranholen yon Nistmaterial zu sehen ; i m iibrigen musste ieh mieh aber darauf besehriinken, zu Beginn der Brutzeit die fertigen Nester zu suehen. Daran tiessen sieh noeh manehe Feststellungen fiber die Bauart machen. Ieh fand Zwergtauehernester in Rohrkolben- besti~nden (Typ]~a angusti/blia), im ,,Sehilf:' (Phalaris arundinacea), an einem Weidenzweig im Equisetum und einmal frei in einem Bach im

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siidlichen Miinsterland an einer Wurzel verankert. Die Baustoffe wurden veto Grunde des Wassers heraufgeholt. Es waren nichtschwimmende, faulende BlOtter. Bet den Typha-Stauden kann man diese unter- gesunkenen Bl~ttter besonders gut sehen, wenn man eine Staude mit der Wurzel ausreisst. Dann hi~ngen unten eine Menge der br~unliehen Bli~tter herab, die der Taucher zu seinem Sehwimmnest zusammenfiigt. Das Nest im Bach bestand aus br~unlichen Bl~ttern yon Nuphar hdeum. Nach SCr~I~R~IANN werden diese Unterwasserbl~tter auch veto Haubentaucher hiiufig zum Nestbau verwandt. Fiir die Verwendung bestimmten Nestmaterials l~sst sieh beim Zwergtaucher wohl keine Norm aufstellen. Aueh Phalaris-Bl~tter wurden als Baustoff gebraucht. Bet allen Nestern - - mochten sie aus den verschiedensten Pflanzenteilen gebaut sein - - setzte vor allem die S c h w i m m f ~ i h i g k e i t in Erstaunen. Wenn der Taucher auf das Nest springt~ schwankt es kaum. Deckt er das Nest zu oder ab, so stellt er sich auf den Rand und tritt hin und her, ohne dass das Nest kippt oder aueh nur erheblieh ins Schwanken ger~t. Nachdem ich 1938 die Tauehernester sehon n~iher angesehen haste, las ieh die ausfiihrliche Beschreibung yon F~DERm:g: ,,Die Nester bestanden zum grSssten Tell aus verfaulten und verfaulenden Wasserpflanzen. Reisst man ein solches Nest auseinander und streut die einzelnen Teile auf das Wasser, so gehen die meisten unter, ein Beweis, dass der Vogel viele Baustoffe veto Grunde des Wassers herauf- holt. Die unterste Schicht wird aus frischeren, schwimmenden Stoffen gebaut, darauf legt der Vogel dann eben solche mit faulenden Grund- stoffen vermischt." Auf diese Beschreibung bin untersuchte ich im Friihjahr 1940 nach der Brutzeit eingehend eta Nest. Es bestand aus einer 5Ienge kleiner Neststoffpiickchen, die rundum gleichmi~ssig auf- getragen waren. Man konnte beim Losreissen der einzelnen Sehichten diese spiralfSrmig abheben. Unten im Nest land ieh SchilNalme (Phalaris a.), die kreuzweise iibereinanderlagen. Diese k6nnten die schwimmende Unterlage far die untere Schieht des Nestes gebildet haben, bis die unten beschfiebene Zersetzung eintrat. Nach t0~ID.ERICvr sollen ja als Unterbau griine, frische Pflanzenteile dienen, ieh land solehe auch zu Beginn der Brutzeit nicht. Fiihrt man aber den Ver- such durch, das Nest auseinanderzureissen, so f~llt einem sofort auf, dass aus dem Nestklumpen sprudelnd Gasblasen aufsteigen. Damit kommt man auf den grossen Untersehied im Sehwimmen des Zwerg- tauehernestes und dem des Bliisshuhnnestes etwa, das ich in demselben Weiher fand. Bei dem letzteren liisst sich die Sehwimmf~higkeit zu- riickftihren auf die Tragkraft der leichten Sehilfhalme, aus denen das

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Nest ausschliesslich bestand. Den faulenden Khmpen des Z w e r g - t a u c h e r n e s t e s a b e r t r a g e n G a s e ! Unten imNes t befindetsich eine pechschwarze Schicht, in der eine Unmenge yon Bakterien st~ndig organisches Material zersetzen and dabei Gas abspalten. Diese Bak- terien sind wahrscheinlich anaSrob, sie ]~Snnen nut unten im Nest wirken. Das Gas wird yon den oberen Schichten aufgefangen and bringt das ganze Nest zum Schwimmen. Wenn man sich die Schwierig- keit dieser Schichtung iiberlegt, so bewundert man den ausgepr~gten Nestbau-Instinkt des kleinen Tauchers, der ein wohlausgeglichenes Schwimmfloss schafft fiir die wochenlang wtihrende Brutzeit. Nach meinen Beobachtungen bessert der Zwergtaucher nachtrtiglich nur noch Kleinigkeiten am Nest aus. Ich sah ihn I940 h~ufig mit frisch ab- gulmiekten Bl~ttern veto Froseht6ffel (Alisma plantago) zum Nest schwimmen. Auf Abbildung 1 hat er gerade ein Plattstiick auf den Nestrand gelegt. Gr5ssere Ausbesserungen nahm er an diesem Nest nicht vor, es muss also zu Beginn der Legezeit bereits Tragffihigkeit besitzen fiir lange Zeit. FalDEmC~ und SCmERMA~ fiihren mehrere Beispiele dafiir an, dass das richtige Verhiiltnis in der Schichtung Zwergtauchern wohl nicht ,,gegliickt" war und deren Nester absanken. Aueh ich land ein solches Nest (ohne Gelege) auf dem Teichgrunde. Aus der Beschreibung yon SCmERMA~ ltisst sich ersehen, dass Hauben- tauchernester in Schichtung und Material wesentlich anders gebaut sind als Nester veto Podiceps ruficollis. Bei diesem spielt der Auftrieb durch Giirungsgase die ausschlaggebende Rolle, weil sein 57est so- zusagen nur aus faulendem Material besteht.

Zusammenfassung.

Der Zwergtaucher ist im Miinsterlande an verschiedenen Stellen Brutvogel. Sein Nest besteht aus mehreren Schichten~ deren unterste in Zersetzung begriffen ist. Die Giirungsgase fangen sich in den dariiber- liegenden Schichten und bewirken das Schwimmen des Nestes. Wtihrend der Brutzeit wurde nach meinen Beobachtungen nur unwesentlich am Nest nachgebaut. Der briitende Taucher verltisst bei jeder StSrung das Nest, deckt das Gelege vorher zu und tritt die Bedeckung fest. Beim Briiten baut der Tz~acher um seinen KSrper herum Pflanzenteile auf, sodass das Gelege gut vor kiihler Aussenluft abgeschlossen ist. Diese beiden Vorg~nge scheinea flit den Wtirmehaushalt boim Briiten auf dem feuehten Nest yon grosser Bedeutung zu sein. Nach den Ergebnissen der Arbeit yon S C ~ I E ~ A ~ entsteht bei der Giirung im Tauchernest

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k~ine W~rme. - - Man sieht in der Brutbiologie des Zwergtauchers den interessanten Fal l vor sich, dass ein Vogel einen mikrobiologischen Prozess, die Arbeit yon Bakterien, unmittetbar in den Dienst seiner Fortpflanzung stellt. Das zeigt die weitgehende Anpassung des Zwerg- tauchers an seine Umwelt: das Wasser!

Literatur.

FRIDERICH, Naturgeschichte der V5gel Europas; (p. 613). SCm~B~As~, G., Untersuchungen an Nestera des Haubentauchers (Podiceps cristatus) ;

Journ. f. Ornith. 1927, p. 619--638.

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