Wilhelm Hammer

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INSTITUT FÜR MARKEN- ENTWICKLUNG GRAZ Am 8. März 2010 STUDIE „WAS LERNEN SIE GERADE?“ IM GESPRäCH MIT WILHELM HAMMER, BDI BIOENERGY INTERNATIONAL

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Schade eigentlich, dass Wilhelm Hammer mit BDI - BioEnergy International äußerst erfolgreich ist – er würde dem Land nämlich auch als Unterrichtsminister einen sehr unternehmerischen Zugang garantieren. Der steirische Umweltpionier mit globalen Kunden möchte Fremdsprachen im Kindergarten und Querdenken als Hauptgegenstand eingeführt wissen, und vor allem Zuhören als Qualität etablieren. Damit ist freilich auch schon ganz gut erklärt, wie er sein Unternehmen führt: Neugier scheint ein wesentlicher Baustein der Marke Hammer zu sein. Wilhelm Hammer im Interview über Kunden als Schleifstein, den Vorteil einer einfachen Sprache und über die bedrohliche Macht von Großkonzernen.

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INSTITUTFÜRMARKEN-ENTWICKLUNGGRAZ

Am 8. März 2010

STUdIE „WAS LERNEN SIE GERAdE?“IM GESpRäCh MIT WILhELM hAMMER, BdI BIoENERGy INTERNATIoNAL

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Schade eigentlich, dass Wilhelm Hammer mit BDI - BioEnergy International äußerst erfolgreich ist – er würde dem Land nämlich auch als Unterrichtsminister einen sehr unternehmerischen Zugang garantieren. Der steirische Umweltpionier mit globalen Kunden möchte Fremdsprachen im Kindergarten und Querdenken als Hauptgegenstand eingeführt wissen, und vor allem Zuhören als Qualität eta-blieren. Damit ist freilich auch schon ganz gut erklärt, wie er sein Unternehmen führt: Neugier scheint ein wesentlicher Baustein der Marke Hammer zu sein. Wilhelm Hammer im Interview über Kunden als Schleifstein, den Vorteil einer einfachen Sprache und über die bedrohliche Macht von Großkonzernen.

Franz Hirschmugl: Wie definieren Sie Unternehmertum?

Wilhelm Hammer: In die Zukunft schauen. Für die Zukunft arbeiten, nicht verwalten, nicht dagegen arbeiten, sondern gestalten der Zukunft, vorbereiten der Zukunft.

FCH: Wie geht das genau?

WH: Das ist unser Geheimnis (lacht). Nein, also zum Beispiel mit einer sehr guten Marktbeobachtung auch für neue Produkte und daraus abgeleitet, sehr intensiver For-schung. Nicht nur an einem neuen Produkt sondern an mehreren neuen Produkten, die sich nicht unbedingt ergänzen müssen, die total alle in andere Richtungen gehen können aber am Schluss sich doch wieder ergänzen.

FCH: Wie machen Sie persönlich Marktbeobachtung?

WH: Horchen. Horchen und lesen. Alles was ich in die Hand bekomme, lese ich und wenn es fachrelevante Stichwörter gibt oder Artikel, die uns nur im Entferntesten betref-fen, zum Beispiel im Umweltbereich allgemein. Das können auch Domänen sein, die wir nicht als BDI betreiben oder derzeit nicht betreiben. Ich reiße dann die Seite raus und nehme sie mit heim oder mit in die Firma, diskutiere das dann, bringe das Thema einmal auf. Ich animiere Kolleginnen und Kollegen, zu sagen, wisst ihr was in der Richtung? Schaut auch, haltet auch die Ohren offen. Es geht nicht anders, weil es fertige Lösungen am Markt nicht gibt.

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FCH: Was heißt Hören im Detail?

WH: Hören heißt im Detail… Ja hören, heißt Leuten zuzuhören und zu versuchen zwi-schen den Worten zu hören. Das ist keine einfache Übung. In einer Ansprache kann eine Message drinnen sein, die vielleicht sogar vom Sprecher versteckt wurde. Unabsichtlich. Einfach mit offenen Ohren und Augen durch die Welt gehen. Der Spruch kommt glaube ich nicht von ungefähr.

FCH: Was sind denn Ihrer Meinung nach unternehmerische Eigenschaften?

WH: Weitblick. Flexibilität. Sich neuen Dingen leichter zu öffnen. Die Konsequenz die Dinge bis zu einer ersten Erkenntnis weiterzuführen, dann zu einer zweiten, dritten. Aber auch die Konsequenz, irgendwann einmal stopp zu sagen, wenn man sich aus bestimmten Gründen verrannt hat. Verrennen kann sein, ein falsch eingeschätzter Zeitaspekt, verren-nen kann sein, dass sich die Marktlage nicht so entwickelt, wie man gedacht hat für ein neues Produkt. Wenn ich als Beispiel nehme, wenn der Erdölpreis bei 150$ wäre, dann würden einige Projekte boomen. Ist das nicht so, schlummern die Projekte für den Markt, sie schlummern aber nicht oder sollten nicht schlummern in einem Unternehmen, weil wenn die Nachfrage los geht, sollte man startbereit sein, auch personalmäßig. Also Unter-nehmertum ist sicher einmal Weitblick und Konsequenz auch Nein sagen zu können.

FCH: Wo ist denn das bei Ihnen her, diese Eigenschaften? Können Sie festmachen, wann das entstanden ist, wie das entstanden ist?

WH: Nein, also ich glaube das hat man zum Großteil oder nicht. Und der Rest wird durch andere feingeschliffen. Aber es ist wieder, beobachten, zuhören, nicht sofort reagie-ren. Überdenken, Leute mit einbinden, das ist ganz wichtig. Bei manchen Gedankengän-gen muss man jemand einbinden, bei manchen anderen Gedankengängen bindet man andere Leute ein. Ich glaube jeder sucht sich so seinen Partner für bestimmte Dinge. Das ist im Privatleben nicht anders, genau das Gleiche.

FCH: Wer waren denn die anderen, die an Ihnen geschliffen haben?

WH: Kunden, Nichtkunden. Lieferanten weniger, das war nie meine große Domäne, dass ich mit Lieferanten viel zusammen war. Aber sicherlich der Kunde über die Jahre.

FCH: Fallen Ihnen da Episoden ein, wo das ein bisschen konkreter werden würde? Wie schleift der Kunde an Ihnen?

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WH: Nein, der Kunde schleift indirekt. Der Kunde ist immer nur ein kleiner Teil und 100 Kunden… 100 mal 1 ist auch 100 nicht? Und 1 mal 100, so einen Schleifstein werden Sie nicht finden. Da sagt man manchmal, der hat einen Mentor. Das gibt es, auch das wären Möglichkeiten, glaube ich. Bei mir war es zum Beispiel ein Seminar vor vielen Jahren. Das ist über Wochen, dreimal über mehrere Wochen gegangen. Ich bin eigentlich Gegner von Kurzseminaren, wo ich sage, jetzt gehe ich einmal einen Tag oder zwei Tage. Ich habe sie gemacht, es hat nie viel gebracht. Aber lange Seminare, ja. Man bringt aus der Firma ein Thema mit und bearbeitet das dann, da geht es darum, dass ich eigentlich Gleichgesinnte in einer Gruppe habe. Man lernt unterschiedliche Wünsche, Vorstellungen kennen. Man setzt sich Ziele. Und rückwirkend muss ich sagen, ich habe 100% von dem erreicht was ich mir damals vorgenommen habe. Ich habe ja damals nur einen Wunsch und ein Ziel geäußert. Habe mir auch nicht gedacht, dass das so 1:1 gelingen wird. Aber ohne Zufall, ohne Glück, geht es auch nicht immer. Das muss ich eindeutig dazu sagen. Ob zum Beispiel ein Mitarbeiter im richtigen Unternehmen landet oder nicht. Das liegt nicht nur am Unternehmen, sondern natürlich auch am Mitarbeiter. Es ist aber die positive Grundeinstellung, die jemand mitbringt, wenn er einen neuen Job beginnt, die sehr wichtig ist. Die Schonfrist, die man sich und die man ihm einräumt, ist eine weitere Voraussetzung. Also ich glaube nicht, dass man da vorbestimmen kann. Man kann Zeug-nisse lesen, man kann Bewerbungen lesen und man nimmt dann zur Kenntnis, dass die schönste Bewerbung beim persönlichen Gespräch dann total anders wird. Man nimmt zur Kenntnis, dass eine Bewerbung, wo man sagt, nein, nicht so gut aber das schaue ich mir trotzdem noch an, tatsächlich ein Highlight wird. Also die Vorsicht, sich zu sagen, habe ich wirklich alles beachtet, ist enorm wichtig. Das ist nicht die Art, die ich meine. Ich kenne niemanden, der allein erfolgreich sein kann. Der Sportler vielleicht, aber ob es da nicht auch der Trainer ist oder der Ski oder der Fahrer oder das Auto. Vermutungen gibt es, aber über lange Frist sind es doch immer wieder die Gleichen, ganz gleich welche Marke sie fahren, sie sind einfach gut. Und besser als die anderen. Da sind wir wieder beim Häuptling – Indianer Prinzip. Die Ansprüche der Leute sind unterschiedlich. Auch mit gleicher Ausbildung oft unterschiedlich. Mancher hat die beste Ausbildung und gibt sich mit wenig zufrieden, er möchte nicht mehr. Da kannst auch nicht sagen, ich glaube, Sie verschwenden Ihre Zeit, Sie könnten mehr aus sich machen. Bei manchen Leuten würde mir das gar nicht einfallen, da berichtigen zu wollen, belehren zu wollen. Ich rede schon von einem Extrem hier. Normalerweise schauen wir, dass wir Mitarbeiter aus der Reserve locken und fragen, was haben Sie als berufliches Hobby? „Naja, studiert habe ich das … Eigentlich wollte ich auch das machen, aber das ist sich dann nicht ausgegangen, weil ich habe Familie bekommen und und und“. Das sind meine „Lieblingsopfer“, wenn man so sagen kann. Die umzupolen und im Unternehmen in eine andere Richtung zu bringen, auch durch Jobroation im Unternehmen, bevor man sich einen neuen Spezi-alisten reinholt ist eine lohnende Aufgabe. Ich habe gemerkt, die Leute blühen auf. Es passiert selten, solche Gelegenheiten gibt es nicht oft. Weil sonst hätten sie ja nur mehr

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Jobrotation in einem Unternehmen, das ist nicht gut. Aber es gibt solche Leute, die kön-nen das, die wollen das und wenn die nicht geweckt werden, dann entwickeln sie sich nie.

FCH: Hat es bei Ihnen eine bewusste Entscheidung gegeben fürs Unternehmertum?

WH: Ich komme zurück auf das Seminar. Es waren Leute, die selbst schon Firmen hatten. Also auch wenn es nur Kleinbetriebe waren. Einer war in der Nanotechnologie tätig und hat ganz was Tolles hier entwickelt. Und hat sein Kleinstunternehmen gehabt und dann hat es Leute gegeben, die in Großkonzernen tätig waren. Und es hat einen gegeben aus einem mittleren Unternehmen. Aber keiner, also bis auf ganz wenige Ausnahmen, war selbständiger Unternehmer. Und dann ist eben die Frage gestellt worden, was wollen Sie denn anstreben nachher? Warum macht ihr das Ganze? Und da ist komischerweise her-ausgekommen, ein Teil hat gesagt: „Ich bin zufrieden wo ich bin, ich möchte mich nur verbessern.“ Ein Teil hat gesagt, „Ich bin in einem kleinen Unternehmen und möchte eine verantwortungsvolle Position in einem Konzern haben.“ Und ganz wenige haben gesagt, „Nein, lieber kleiner. Aber dann als ganz oben.“ Ja und das ist bei mir eingetreten. Und da war schon auch Zufall und Glück auch dabei, weil sich damals Vogl & Noot trennen wollte von der Sparte Biotreibstoffe und einen Käufer gesucht hat. Und ich gesagt habe: „Ja, das ist jetzt die Möglichkeit.“ Eine Alternative wäre gewesen, in einem anderen Kon-zern. Ich weiß nicht, wie die Hierarchien dort so sind. Hat ein Abteilungsleiter wirklich was zu sagen, oder nichts zu sagen? Auch wenn er 200 Leute führt oder 300 Leute. Die Strukturen sind in Großunternehmen sicher sehr straff und vielleicht auch unbeweglich weil ohne gehorsame Disziplin nichts funktionieren kann, ich vergleiche das immer mit den Chinesen. Wenn die nicht so eine eiserne Disziplin hätten, wie sollte das funktionie-ren? Wie sollte das auch im Straßenverkehr funktionieren? Es geht immer irgendwie. Ich wundere mich immer wieder. Aber auch ein Armeisenhaufen hat eine Wahnsinnsdiszip-lin. Ein Bienenstock hat eine Wahnsinnsdisziplin. Also je mehr Leute, desto mehr Hierar-chie. Und das muss man wollen, mit dem muss man leben können.

Es waren immer total unterschiedliche Branchen, in denen ich gearbeitet habe. Ich habe vier Mal in meinem Leben die Firma gewechselt. Mit dem Management buy-out war es fünf Mal. Also ich war immer sehr viele Jahre in einem Unternehmen. Habe aber nie gewartet, dass man mir sagt, was ich tun soll. Weil man kommt in ein neues Unterneh-men, man sieht die Probleme, die es gibt. Und dann muss man anpacken. Und wenn man schneller ist als der Vorgesetzte mit dem Anpacken und Ideen bringt und Alternativen aufzeigt – dann macht man seinen Weg auch ohne Ellbogen. Mir fällt dazur auch immer wieder unser Grafiker ein. Also der ist ein externes Unternehmen. Mit einem einfachen Beispiel werden Sie leichter verstehen, was ich meine. Wir haben eine Idee. Die geben wir an den Grafiker. Der kommt dann mit Entwürfen – drei, vier Entwürfe entsprechen so ungefähr der Idee, die man eingebracht hat und dann merkt er manchmal, dass unser

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Gesicht immer länger wird und ich sage: „Nein, so richtig gefällt mir das nicht.“ Dann sagt er: „Aber da habe ich noch etwas, vielleicht gefällt Ihnen das. Ich habe das von einer anderen Seite betrachtet.“ Und genau das erwarte ich mir auch Intern von meinen Mitar-beiterInnen.

FCH: Warum ist bis jetzt das Wort Risiko noch nicht vorgekommen?

WH: Risiko ist immer da. Bei Forschung ist es ein Risiko, ob Sie zu einem guten Ende kommen oder nicht. Wenn Sie aber nicht dran glauben, fangen Sie gar nicht an. Also wenn Sie mit Risiko nicht leben können, dann wird es nicht funktionieren. Es geht nicht ohne Risiko. Es geht darum, ob und wie man Risiko bewerten kann. Jetzt habe ich ein neues Projekt und jetzt mache ich eine Risikoanalyse, ich kann Ihnen sagen, dass die auch sechs Monate später schon nicht stimmt. zwei Jahre später schon gar nicht. Ich kann also nur eine Einschätzung machen. Eine Analyse ist für mich etwas sehr konkretes, kurzle-biges. Eine Einschätzung ist für mich eine Momentaufnahme, solange der Mensch etwas überschauen kann. Solang der Mensch halbwegs beeinflussen kann. Nachdem der Mensch von anderen abhängig ist, ist für mich der Zeitrahmen dafür relativ kurz. Risikobeschrän-kung, oder überhaupt Startschuss um etwas anzugehen, ist natürlich auch genau zu wis-sen, ob ich Geld in der Tasche habe, viel oder wenig, ist egal. Wenn ich keines habe wäre es Risiko. Also Risiko kann auch sehr stark limitiert werden, indem ich einmal erkenne und mich darauf verlassen kann, welche Werkzeuge habe ich zur Verfügung.

Also Risikobewertung trifft auch andere Bereiche und nicht den bösen Kunden, der halt nicht kaufwillig ist. Das ist nicht der Kunde, der nicht kaufwillig ist. Was wir momentan erleben, die Leute sind nicht kaufwillig. Oder nicht sehr kaufwillig, die Leute verlassen sich immer mehr auf Aussagen von Großkonzernen. Das finde ich falsch, dass Groß-konzerne Wind und Wetter machen können. Wir alle leiden sehr darunter. Wir haben konkrete Beispiele, die unsere Branche betreffen, wir haben die Düngemittelbranche, wir haben die Saatgutbranche. Wenn Sie weltweit schauen gibt es zB in der Lebensmittelin-dustrie 20 große Namen, Brandnames. Aber diese Firmen gehören, zwei oder drei großen Lebensmittelkonzernen. Sie glauben, sie kaufen bei der Konkurrenz, dabei kaufen sie beim Gleichen. Wenn so ein Konzern aufsteht… ein sehr naheliegendes Beispiel wäre ein Konzern der sagt, mit Biotreibstoff nehmen Sie den Leuten das Essen weg. Wir recher-chieren dann auf der Homepage und sehen, dass mit Mineralwasser Mrd. Euro Umsatz – mit Wasser in Flaschen – gemacht werden und dann sage ich, das ist die größte Ver-geudung. Die gleichen Leute wollen uns einreden, dass wir in Österreich Wasser aus der Wasserflasche trinken müssen und nicht aus dem Wasserhahn.

Das zweite Beispiel ist die Mineralölindustrie. Ich werde es Ihnen gleich erklären, was die tun. Die bringen ein Forschungsprojekt auf die Welt und sagen, wir haben eine neue

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Generation an Biotreibstoff, wir forschen dran. Jetzt nehme ich Shell her, Shell ist ein typisches Beispiel. Die Regierungen liegen auf den Knien, wenn ein Großkonzern an-kündigt, dass sie etwas Neues haben werden wie zB Biotreibstoffe der sogenannten Next Generation. Dass das viel besser ist, viel umweltfreundlicher, nimmt den Leuten nicht das Essen weg und jeder glaubt daran. Und wenn ein Großkonzern nach vier bis fünf Jahren hergeht und sagt: „Oh, tut uns leid, wir haben uns getäuscht mit unserer Technologie, liebe Regierungen. Aber macht nichts jetzt haben wir noch etwas viel besseres.“ Was ge-schieht in der Zeit? Die Leute vergessen den Spatz in der Hand und warten auf die Taube auf dem Dach. Manche Regierungen scheinen gierig nach Großkonzern-Unterstützung, weil sie damit eine wahnsinnsbreite Masse treffen können. Da haben Sie einen Mitstreiter, der Gewicht hat. Da können Sie tausende BDIs hinstellen, die haben das Gewicht nicht, wie Großkonzerne. Also Wind und Wetter machen die einen und die Knochenarbeit machen im Endeffekt der Mittelstand. Das ist die Beeinflussung, die wir sehen und die wir für sehr gefährlich halten am Markt. Verblödet den Konsumenten und macht uns alle zu Konsumenten, die mehr zahlen als sie zahlen müssten. Aus voller Überzeugung sage ich das. Wenn Sie sehen, wie Preise in die Höhe schießen, mit welcher Leichtigkeit – vom Tanken rede ich gar nicht – Verpackungsgrößen verändert werden, Inhalte sich ändern. Bringen Sie das zurück auf den Level eines Unternehmens wie unseres oder von mir aus das unseres Nachbarn Austrian Energy oder Knapp-Logistik. Wo kann sich so ein Unter-nehmen derartige Dinge leisten? Nirgends. Zerrissen werden sie, wenn sie das tun. Aber die Macht eines Großkonzerns ist dagegen gehörig. Na klar, 2000 Leute abbauen? Da wackelt jede Regierung. Alarm. Feuer am Dach. Wie so ein Problem zu lösen ist, weiß ich nicht. Wie kann ich solche Dinge unterbinden? Ich bekomme ja nicht einmal Solidarität zusammen wenn ich sage, ganz Graz kauft jetzt nicht mehr bei dem Supermarkt, weil die betreiben eine Politik, die einmal so ist, einmal so. Du glaubst es sind die günstigsten, dann rennen alle Leute dort hin und morgen werden die Preise angehoben.

FCH: Herr Hammer, wenn ich Sie für drei Minuten zum Unterrichtsminister mache?

WH: Also sicherlich einmal Fremdsprachen. Vom Kindergarten weg. Und das zweite ist positives Querdenken. Das gibt es noch nicht, aber das würde ich einführen.

FCH: Wie geht das?

WH: Ich würde zum Beispiel sagen: „Wie würde man eine bestimmte Situation beschrei-ben?“ Das Wasserglas und die Visitenkarte daneben. Ich könnte sagen, beschreibt mir das. Ja, da steht ein Glas am Tisch und daneben liegt ein Zettel. Die Einfachvariante: Beschrei-ben und reden lernen: Da ist ein schönes schlankes Glas, mit einer Flüssigkeit gefüllt. Das geht natürlich nicht in der Volksschule. Könnte Wasser sein, könnte Schnaps sein. Und

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daneben liegt eine bedruckte Karte, Visitenkarte. Finde ich toll, weil Visitenkarten sind etwas Bedrucktes, das eigentlich das Ebenbild eines Unternehmens sein soll. Ich würde die Leute anregen, zehn bis zwanzig Minuten über dieses Stillleben reden zu müssen. Da generiert man irrsinnige Ideen. Weil plötzlich sagt man: „Hoppla, da ist mir jetzt etwas eingefallen, da passt es gar nicht, aber dort passt es.“ Einfach wichtig ist, geh runter vom Gas oder steig auf die Bremse, da gibt es keine andere Ausdrucksweise, das muss sein. Wie kann ich Dinge anders sagen? Das brauche ich im täglichen Leben, ich kann nicht jeden gleich anreden. Ich kann nicht jeden mit den gleichen Worten hinter dem Ofen hervor-locken. Also zu dieser langen Form würde ich als Gegenpol im gleichen Unterricht eine Kurzform, ein Schlagwort, suchen lassen. Ein Wort suchen, wo jeder stehen bleibt. Und mein Lieblingsbeispiel ist immer: Wir entwickeln was Neues, und dann machen die Tech-niker ein paar Blätter mit den Informationen darüber. Und dann bekomme ich das in die Hand, und dann sage ich: „Wer soll das verstehen bitte?“

FCH: Was war Ihr bestes Learning im letzten Jahr? Was haben Sie persönlich gelernt im letzten Jahr? Was Sie vorher noch nicht können haben.

WH: Also selber gelernt – ich kann nur sagen, was hat mich besonders gefreut im letzten Jahr. Ich glaube, das habe ich nicht gelernt, sondern das muss ich irgendwie in mir haben. Eben dieses Provozieren, dass die Leute aus sich herausgehen – gerade am Beispiel dieser Beschreibungen für neue Produkte. Ich habe das nicht gelernt, ich hatte einfach den Wis-sensdrang, es selbst verstehen zu wollen. Und ich nehme mich immer selbst als Beispiel. Ich sage jedem Techniker bei uns: „Wenn es ich nicht verstehe, dann brauchen Sie es gar nicht mehr so niederschreiben.“ Ich muss es verstehen. Weil, wenn ich es verstehe, ver-steht es ein anderer Kaufmann auch. Wenn es ich nicht verstehe, dann kann ich Ihnen garantieren, dass es 95 Prozent auch nicht verstehen. Bio-Gas versteht jeder. Anaerobic Digestion versteht niemand. Außer er hat sich schon befasst damit.“

FCH: Würden Sie sagen, dass man Sie mit dem Wort Neugier am besten beschrieben hat?

WH: Vielleicht aber diskrete Neugier, muss man schon dazu sagen. Ich bin sogar manch-mal gegen Neugier. Bei allem, was den Menschen anbelangt. Aber in der Arbeit bin ich für Neugier.

FCH: Vielen Dank für das Gespräch.