¹Wir mssen preuûische Schnheit am See · 2019. 12. 9. · Schnheit am See Die Wernsdorfer Kirche...

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DORFKIRCHEN IN DER REGION 20 Märkische Allgemeine Zeitung Montag, 13. November 2017 N achdem der wurmstichige Kanzel-Altar demontiert wor- den war, hatte die Wernsdorfer Kir- che lange keinen Schmuck über dem Altar mehr. Für ihre Genüg- samkeit wurde die Gemeinde be- lohnt. Im Jahre 2008 bekam das Got- teshaus ein Altar-Wandbild, einen Kirchenschatz. Die Collage stammt vom Künstler Erwin Hahs (1887 bis 1970) und be- steht aus 13 Einzel-Bildern, die wie Puzzlesteine ein Gesamtbild mit dem Namen „Dona nobis pacem“ (Gib uns Frieden) ergeben. Es wur- de Mitte der 50er Jahre als Entwurf eines Kirchenfensters in prachtvol- len leuchtenden Farben auf Perga- ment gezeichnet. Da das Pergament aber in der Kirche zu schnell ver- blassen würde, wurden die Bilder als aufwendige Farbfotografien auf große Holzrahmen gezogen. Das riesige Kirchenglasfenster selbst ist jedoch nie angefertigt worden. Auf den Bildern der linken und rechten Reihe stehen sich immer Gut und Böse gegenüber: zum Bei- spiel Opfertiere und Raubtiere, Abel und Kain, die Hände im Gebet und die Hände der Krieger. Über allen Bildern prangt der Heilige Geist in Gestalt einer großen Taube. Hahs eckte mit seinen Malereien stets an: erst bei den Nazis – dort wurden seine Gemälde als entartete Kunst verbannt –, dann bei den So- zialisten in der DDR. Aber seine Bil- der wurden gerettet, von Freunden, Bekannten, von der Familie. Der Künstler verbrachte seinen Lebens- abend in Zernsdorf, unweit von Wernsdorf. Hahs Tochter Gabriele und ihr Ehemann Jürgen Winter aus Zernsdorf hatten 2005 die Idee, dem Gemeindekirchenrat die Blätter vorzustellen mit der Frage, ob dieses bisher unbekannte Werk den Altar- raum der Wernsdorfer Kirche schmücken könnte. Das Angebot wurde vom Kirchbauverein hoch- erfreut angenommen. Hahs Enkelin war sogar eine Zeit lang Pfarrerin in der Dorfkirche zu Wernsdorf. Über sie wurde der Kauf der wertvollen Bilder, die lange in Privatbesitz wa- ren, organisiert. rei DER KIRCHENSCHATZ INTERVIEW B ernhard Lehmann ist der Vorsitzende des Kirchbau- vereins Wernsdorf. Woher kam das Engagement für die Wernsdorfer Kirche? Bernhard Lehmann: 1998 hat sich unser Kirchbauverein ge- gründet. Die Kirche war in einem miserablen Zustand und fast eine Ruine. Niemand durfte mehr hi- nein. Die Glocken durften nicht mehr geläutet werden, weil es tiefe Risse im gesamten Bauwerk gab. Der Bürgermeister und die Kommune haben sich damals sehr engagiert, wir wollten unse- re Kirche erhalten und sie Stück für Stück wieder aufbauen. Wie sind Sie vorgegangen? Zuallererst brauchten wir einen Architekten, der sich das an- schaut. Die Risse waren schon ein Problem, aber die maroden De- ckenbalken waren ein noch grö- ßeres Problem. Die Kirche wurde ein Fall für eine Sanierung. Also haben wir erstmal Denkmal- schutz für das Haus beantragt. Die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler, die Deutsche Stiftung Denkmal- schutz und die Stadt KW haben uns geholfen. Im Jahr 2000 ging es los. Wir haben mit dem Turm begonnen, die Balken ausge- tauscht, die Innendecke aus Lehm teilweise rausgenommen. Die Eisenglocken, die heute noch vor der Kirche zu bewundern sind, wurden durch kleinere Bronzeglocken ersetzt. Dann kam der Innenausbau dran. 2006 wurde die Orgel restauriert, 2008 kam unser großes Altar-Bild. Was macht jetzt den Großteil der Arbeit aus? Unser Verein mit 25 Mitgliedern tagt einmal im Monat, die vier ganz Aktiven sehen sich noch häufiger. Derzeit sind wir dabei, rund um die Kirche passende Lampen aufzustellen, wir muss- ten ein paar Sturmschäden be- seitigen und geklaute Kupfer- rohre von Regenrinnen erneu- ern. Die Holzfenster mussten ge- pflegt und gestrichen werden. Es gibt hier kein Gemeindehaus. Pfarrer und verantwortliche Stel- len sind weit weg. Also müssen wir alles selbst in die Hand neh- men. Dann mussten Genehmi- gungen für eine Lautsprecheran- lage im Kirchenschiff eingeholt werden. Das alles braucht Zeit. Aber die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz in Königs Wusterhausen läuft bestens. Da- zu kommen noch Spendenaufru- fe, die Pflege der Website, das Drucken von Flyern, Organisie- ren der Kultur-Veranstaltungen. Was wünschen Sie sich für die na- he und ferne Zukunft? Für die nahe Zukunft, dass wir unsere 500-jährige Linde vor der Kirche unter Denkmalschutz be- kommen und sie so weiter erhal- ten können. Und dass zum Ad- ventskonzert am 3. Dezember um 16.30 Uhr viele Besucher kommen. Es spielt das Dahme- land Blasorchester, es gibt Orgel- musik mit Fahrradkantor Martin Schulze, den Sängerkreis Nie- derlehme und eine Lesung mit Petra Kelling. Für die fernere Zu- kunft wünsche ich mir, dass sich auch jüngere Wernsdorfer für den Erhalt unserer Kirche enga- gieren und mit anpacken. Ob handwerklich oder beim Organi- sieren der Veranstaltungen. Es wäre schön, wenn dieses Haus, mit Leben gefüllt, uns auf Jahr- hunderte überdauert. Interview: Katja Reiser „Wir müssen alles selbst in die Hand nehmen“ Bernhard Lehmann Eine preußische Schönheit am See Die Wernsdorfer Kirche ist eine der kleinsten Kirchen in Brandenburg – dafür hat sie eine noch im Original erhaltene Orgel zum Krossinsee und auch zum Spreekanal. Aber die Einwohner von Wernsdorf sagen trotzdem „Die Schöne am See“ und immerhin kann ja jeder nach Belieben nach dem Kirchgang gleich noch zum Ba- den oder Eissegeln gehen. Beim Eintritt in den Kirchenraum fühlen sich viele sofort wie in einem Wohnzimmer. Der Innenraum misst gerade einmal 130 Quadratmeter. Die Zwischendecken unter den Em- poren sind aus gestrichenem Holz. Das bringt Gemütlichkeit. Und unter den Bänken hält eine ge- schickt eingebaute elektrische Hei- zung den Besuchern ihren Aller- wertesten warm. Denkmalschutz und Moderne müssen sich also nicht immer ausschließen. 80 Plätze bietet die Kirche im Parterre, weitere 40 Sitzplätze auf zwei Emporen links und rechts der Orgel. Zusätz- lich gibt es noch genügend Raum für Stehplätze – schließlich singen dort häufig ganze Chöre. Zwischen den beiden Holzempo- ren wurde 1899 bis 1900 noch eine hölzerne Westempore eingefügt. Die Ausführung oblag dem Zim- mermeister Franz aus Zeuthen. Ihr Einbau war für die Aufstellung einer Orgel der Firma Hermann Teschner aus Fürstenwalde notwendig ge- worden. Das Instrument ist eine me- chanische Schleifladenorgel mit 423 Pfeifen, Pedalkoppel, Tuttitritt und seitlich fest eingebautem Spiel- tisch. Die romantische Teschner-Or- gel ist eine Berühmtheit und gilt als die einzige im Original erhaltene Orgel dieser Zeit in Brandenburg. 1963 und 2006 wurde das gute Stück von der Firma Sauer aus Frankfurt (Oder) restauriert. Heute spielen wieder Organisten auf ihr. Nur lei- der viel zu selten. Das Gotteshaus von Wernsdorf kann sich inzwischen zu Recht als Kunst- und Kulturkirche bezeich- nen. Es finden in ihr alle vier Wo- chen Gottesdienste statt, aber es überwiegt die Besucherzahl der Konzerte, Lesungen und Ausstel- lungen, liebevoll organisiert vom Wernsdorfer Kirchbauverein. Bern- hard Lehmann, Vorsitzender des Vereins, ist fast so etwas wie das „Herz“ der Kirche. Er berichtet: „In den späten 90er Jahren war die Wernsdorfer Kirche in einem be- dauernswerten Zustand. Der Putz bröckelte nicht nur, er war an vielen Stellen einfach nicht mehr vorhan- den. Die Glocken durften nicht mehr geläutet werden, da im Mauerwerk des Turmes große Risse klafften. Die Kirchgemeinde Neu Zittau, zu der auch Gosen und Wernsdorf gehören, war mit einer Instandsetzung finanziell weit über- fordert.“ Just zu diesem Zeitpunkt gab es plötzlich eine große anonyme Spende, die dafür bestimmt war, dass die Kirchenglocken wieder läuten sollten. Doch dafür mussten erst einmal Turm und Schiff saniert werden. Der Kirchbauverein gründete sich, richtete ein Konto ein, verwal- tete das Geld, sorgte für Spenden und Förderungen. In den Jahren 2000 bis 2004 konnte die Kirche dann endlich saniert werden. Leh- mann berichtet: „Unser Verein hat wesentlich dazu beigetragen, dass mit Hilfe der Spenden die verfallene Kirche rekonstruiert werden konn- te.“ Seitdem organisiert der Verein in jedem Jahr einige Veranstaltun- gen, so dass die Kirche außer für Gottesdienste auch als kultureller Treffpunkt für die Gemeinde und deren Gäste zur Verfügung steht. Da gibt es im Dezember zum Ad- ventskonzert schon mal einen Glüh- wein vor der Tür oder im Sommer einen Sekt zum Anstoßen. Es ist eine Kirche, die mit Leben erfüllt ist. Um Gottesdienste und Andach- ten abzuhalten, kommt der Pfarrer von etwas weiter her – aus Erkner. Es geht pragmatisch zu in der Kirche von heute, denn längst kommen nicht mehr viele Menschen zu den regelmäßigen Gottesdiensten. Aber als Treffpunkt und Augenweide lie- ben die Leute ihre Kirche trotzdem. So einige Paare wählten das Haus auch schon für ihre Trauung. Bis zu 40 Parkplätze gibt es vor der Tür, Restaurants und Hotels in der Um- gebung sorgen für die notwendige Infrastruktur. Um alles in Schuss zu halten, legt der Kirchbauverein selbst Hand an, repariert, bestellt Baufirmen, erle- digt die Gänge zum Denkmal- schutzamt. Bernhard Lehmann ist dabei schon zum Haushandwerker geworden. Kleinere Ausbesserun- gen, das Verlegen einer Lautspre- cheranlage und das Stellen der Uhr für die Glocken – zu tun gibt es im- mer etwas. Die Wernsdorfer können mit Recht sagen: Es ist ihre Kirche. Ein Hingucker mitten in Wernsdorf: die Dorfkirche. FOTOS: KATJA REISER Hintergrund Die Dorfkirche zu Wernsdorf befindet sich in der Jovestraße, 15713 Königs Wusterhausen, Ortsteil Wernsdorf. Wer die Kirche besichti- gen will, kann sich unter 033362/ 821647 telefo- nisch melden und einen Termin ausmachen. Gottesdienste sind alle vier Wochen sonntags um 14 Uhr. Der nächste ist am 26. November, dann allerdings auf dem Friedhof Wernsdorf. Infos unter: www.kirch- bauverein-wernsdorf.de G enau am 15. August 1801 war es, als mit dem Maurer- meister Culberg und dem Zimmermeister Reinhardt aus Stor- kow der Kontrakt zum Bau der Dorf- kirche zu Wernsdorf geschlossen wurde. Als Baukosten veranschlag- te das Königliche Oberbaudeparte- ment 2264 Reichstaler, acht Gro- schen und zwei Pfennige. Zwei Jah- re später war das himmlische Bau- werk pünktlich fertig. Der Beweis: die Inschrift auf der Wetterfahne. Fast ein wenig schüchtern steht sie nun da auf einer kleinen Anhöhe im Zentrum von Wernsdorf: die 1803 eingeweihte Ziegelbaukirche. Das Gotteshaus zählt nicht nur zu den äl- testen Bauwerken, sondern ist mit 17 Metern Turmspitzenhöhe auch das höchste Bauwerk des Ortes. Die schlichte Dorfkirche ist ein Zeugnis alter preußischer Kirchenbaukunst. Der frühklassizistische einschiffi- ge Putzbau hat ein wunderschönes Walmdach. Den gesamten Bau um- zieht ein profiliertes Traufgesims. Die südliche Längsseite lässt durch ihre hohen Rechteckfenster viel Ta- geslicht in das Gebäude. Der Turm ist in das Kirchenschiff eingezogen. Fenster und Schallöffnungen, unter denen sich eingetiefte Putzfelder befinden, gliedern den oberen Turmbereich. Direkt vor der Tür wohnt eine langjährige Nachbarin, die aber schon viel länger an ihrem Platz weilt als die Kirche: eine rund 500- jährige Linde. Das macht den Stand- ort idyllisch und lädt auf dem Kirch- anger zum Verweilen ein. Nur mit der Wahrheit herausrü- cken müssen wir nun doch: Eigent- lich steht die Kirche nicht direkt am See, es sind schon noch 100 Meter Von Katja Reiser Unser Verein hat wesentlich dazu beigetragen, dass mit Hilfe der Spenden die verfallene Kirche rekonstruiert werden konnte. Bernhard Lehmann, Wernsdorfer Kirchbauverein Gut und Böse im Dialog Die Vorarbeiten zu einem Kirchenfenster von Erwin Hahs schmücken das Innere des Gotteshauses Das Gute: Darstellung des Abel von Erwin Hahs.

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  • DORFKIRCHEN IN DER REGION20 Märkische Allgemeine Zeitung Montag, 13. November 2017

    Nachdem der wurmstichigeKanzel-Altar demontiert wor-den war, hatte die Wernsdorfer Kir-che lange keinen Schmuck überdem Altar mehr. Für ihre Genüg-samkeit wurde die Gemeinde be-lohnt. Im Jahre 2008 bekam das Got-teshaus ein Altar-Wandbild, einenKirchenschatz.

    Die Collage stammt vom KünstlerErwin Hahs (1887 bis 1970) und be-steht aus 13 Einzel-Bildern, die wiePuzzlesteine ein Gesamtbild mitdem Namen „Dona nobis pacem“(Gib uns Frieden) ergeben. Es wur-de Mitte der 50er Jahre als Entwurfeines Kirchenfensters in prachtvol-len leuchtenden Farben auf Perga-ment gezeichnet. Da das Pergament

    aber in der Kirche zu schnell ver-blassen würde, wurden die Bilderals aufwendige Farbfotografien aufgroße Holzrahmen gezogen. Dasriesige Kirchenglasfenster selbst istjedoch nie angefertigt worden.

    Auf den Bildern der linken undrechten Reihe stehen sich immerGut und Böse gegenüber: zum Bei-spiel Opfertiere und Raubtiere, Abelund Kain, die Hände im Gebet unddie Hände der Krieger. Über allenBildern prangt der Heilige Geist inGestalt einer großen Taube.

    Hahs eckte mit seinen Malereienstets an: erst bei den Nazis – dortwurden seine Gemälde als entarteteKunst verbannt –, dann bei den So-zialisten in der DDR. Aber seine Bil-

    der wurden gerettet, von Freunden,Bekannten, von der Familie. DerKünstler verbrachte seinen Lebens-abend in Zernsdorf, unweit vonWernsdorf. Hahs Tochter Gabrieleund ihr Ehemann Jürgen Winter ausZernsdorf hatten 2005 die Idee, demGemeindekirchenrat die Blättervorzustellen mit der Frage, ob diesesbisher unbekannte Werk den Altar-raum der Wernsdorfer Kircheschmücken könnte. Das Angebotwurde vom Kirchbauverein hoch-erfreut angenommen. Hahs Enkelinwar sogar eine Zeit lang Pfarrerin inder Dorfkirche zu Wernsdorf. Übersie wurde der Kauf der wertvollenBilder, die lange in Privatbesitz wa-ren, organisiert. rei

    DER KIRCHENSCHATZ

    INTERVIEW

    Bernhard Lehmann ist derVorsitzende des Kirchbau-vereins Wernsdorf.

    Woher kam das Engagement für die Wernsdorfer Kirche?Bernhard Lehmann: 1998 hatsich unser Kirchbauverein ge-gründet. Die Kirche war in einemmiserablen Zustand und fast eineRuine. Niemand durfte mehr hi-nein. Die Glocken durften nichtmehr geläutet werden, weil estiefe Risse im gesamten Bauwerkgab. Der Bürgermeister und dieKommune haben sich damalssehr engagiert, wir wollten unse-re Kirche erhalten und sie Stückfür Stück wieder aufbauen.

    Wie sind Sie vorgegangen?Zuallererst brauchten wir einenArchitekten, der sich das an-schaut. Die Risse waren schon einProblem, aber die maroden De-ckenbalken waren ein noch grö-ßeres Problem. Die Kirche wurdeein Fall für eine Sanierung. Alsohaben wir erstmal Denkmal-schutz für das Haus beantragt.Die Stiftung zur Bewahrungkirchlicher Baudenkmäler, dieDeutsche Stiftung Denkmal-schutz und die Stadt KW habenuns geholfen. Im Jahr 2000 ginges los. Wir haben mit dem Turmbegonnen, die Balken ausge-tauscht, die Innendecke ausLehm teilweise rausgenommen.Die Eisenglocken, die heute nochvor der Kirche zu bewundernsind, wurden durch kleinereBronzeglocken ersetzt. Dannkam der Innenausbau dran. 2006wurde die Orgel restauriert, 2008kam unser großes Altar-Bild.

    Was macht jetzt den Großteil der Arbeit aus?Unser Verein mit 25 Mitgliederntagt einmal im Monat, die vierganz Aktiven sehen sich nochhäufiger. Derzeit sind wir dabei,rund um die Kirche passendeLampen aufzustellen, wir muss-ten ein paar Sturmschäden be-seitigen und geklaute Kupfer-rohre von Regenrinnen erneu-ern. Die Holzfenster mussten ge-pflegt und gestrichen werden. Esgibt hier kein Gemeindehaus.Pfarrer und verantwortliche Stel-len sind weit weg. Also müssenwir alles selbst in die Hand neh-men. Dann mussten Genehmi-gungen für eine Lautsprecheran-lage im Kirchenschiff eingeholtwerden. Das alles braucht Zeit.Aber die Zusammenarbeit mitdem Denkmalschutz in KönigsWusterhausen läuft bestens. Da-zu kommen noch Spendenaufru-fe, die Pflege der Website, dasDrucken von Flyern, Organisie-ren der Kultur-Veranstaltungen.

    Was wünschen Sie sich für die na-he und ferne Zukunft?Für die nahe Zukunft, dass wirunsere 500-jährige Linde vor derKirche unter Denkmalschutz be-kommen und sie so weiter erhal-ten können. Und dass zum Ad-ventskonzert am 3. Dezemberum 16.30 Uhr viele Besucherkommen. Es spielt das Dahme-land Blasorchester, es gibt Orgel-musik mit Fahrradkantor MartinSchulze, den Sängerkreis Nie-derlehme und eine Lesung mitPetra Kelling. Für die fernere Zu-kunft wünsche ich mir, dass sichauch jüngere Wernsdorfer fürden Erhalt unserer Kirche enga-gieren und mit anpacken. Obhandwerklich oder beim Organi-sieren der Veranstaltungen. Eswäre schön, wenn dieses Haus,mit Leben gefüllt, uns auf Jahr-hunderte überdauert.

    Interview: Katja Reiser

    „Wir müssen alles selbst

    in die Hand nehmen“

    Bernhard Lehmann

    EinepreußischeSchönheit

    am SeeDie Wernsdorfer Kirche ist eine der kleinsten Kirchen in Brandenburg –

    dafür hat sie eine nochim Original erhaltene Orgel

    zum Krossinsee und auch zumSpreekanal. Aber die Einwohnervon Wernsdorf sagen trotzdem „DieSchöne am See“ und immerhinkann ja jeder nach Belieben nachdem Kirchgang gleich noch zum Ba-den oder Eissegeln gehen.

    Beim Eintritt in den Kirchenraumfühlen sich viele sofort wie in einemWohnzimmer. Der Innenraum misstgerade einmal 130 Quadratmeter.Die Zwischendecken unter den Em-poren sind aus gestrichenem Holz.Das bringt Gemütlichkeit. Undunter den Bänken hält eine ge-schickt eingebaute elektrische Hei-zung den Besuchern ihren Aller-wertesten warm. Denkmalschutzund Moderne müssen sich also nichtimmer ausschließen. 80 Plätze bietetdie Kirche im Parterre, weitere40 Sitzplätze auf zwei Emporenlinks und rechts der Orgel. Zusätz-lich gibt es noch genügend Raum fürStehplätze – schließlich singen dorthäufig ganze Chöre.

    Zwischen den beiden Holzempo-ren wurde 1899 bis 1900 noch einehölzerne Westempore eingefügt.Die Ausführung oblag dem Zim-mermeister Franz aus Zeuthen. IhrEinbau war für die Aufstellung einerOrgel der Firma Hermann Teschneraus Fürstenwalde notwendig ge-worden. Das Instrument ist eine me-chanische Schleifladenorgel mit423 Pfeifen, Pedalkoppel, Tuttitrittund seitlich fest eingebautem Spiel-tisch. Die romantische Teschner-Or-gel ist eine Berühmtheit und gilt alsdie einzige im Original erhalteneOrgel dieser Zeit in Brandenburg.1963 und 2006 wurde das gute Stückvon der Firma Sauer aus Frankfurt(Oder) restauriert. Heute spielenwieder Organisten auf ihr. Nur lei-der viel zu selten.

    Das Gotteshaus von Wernsdorfkann sich inzwischen zu Recht alsKunst- und Kulturkirche bezeich-nen. Es finden in ihr alle vier Wo-chen Gottesdienste statt, aber esüberwiegt die Besucherzahl derKonzerte, Lesungen und Ausstel-lungen, liebevoll organisiert vomWernsdorfer Kirchbauverein. Bern-hard Lehmann, Vorsitzender desVereins, ist fast so etwas wie das„Herz“ der Kirche. Er berichtet: „Inden späten 90er Jahren war dieWernsdorfer Kirche in einem be-dauernswerten Zustand. Der Putzbröckelte nicht nur, er war an vielenStellen einfach nicht mehr vorhan-den. Die Glocken durften nichtmehr geläutet werden, da imMauerwerk des Turmes große Risseklafften. Die Kirchgemeinde NeuZittau, zu der auch Gosen und

    Wernsdorf gehören, war mit einerInstandsetzung finanziell weit über-fordert.“ Just zu diesem Zeitpunktgab es plötzlich eine große anonymeSpende, die dafür bestimmt war,dass die Kirchenglocken wiederläuten sollten. Doch dafür musstenerst einmal Turm und Schiff saniertwerden.

    Der Kirchbauverein gründetesich, richtete ein Konto ein, verwal-tete das Geld, sorgte für Spendenund Förderungen. In den Jahren2000 bis 2004 konnte die Kirchedann endlich saniert werden. Leh-mann berichtet: „Unser Verein hatwesentlich dazu beigetragen, dassmit Hilfe der Spenden die verfalleneKirche rekonstruiert werden konn-te.“ Seitdem organisiert der Vereinin jedem Jahr einige Veranstaltun-gen, so dass die Kirche außer fürGottesdienste auch als kulturellerTreffpunkt für die Gemeinde undderen Gäste zur Verfügung steht.Da gibt es im Dezember zum Ad-ventskonzert schon mal einen Glüh-

    wein vor der Tür oder im Sommereinen Sekt zum Anstoßen. Es ist eineKirche, die mit Leben erfüllt ist.

    Um Gottesdienste und Andach-ten abzuhalten, kommt der Pfarrervon etwas weiter her – aus Erkner.Es geht pragmatisch zu in der Kirchevon heute, denn längst kommennicht mehr viele Menschen zu denregelmäßigen Gottesdiensten. Aberals Treffpunkt und Augenweide lie-ben die Leute ihre Kirche trotzdem.So einige Paare wählten das Hausauch schon für ihre Trauung. Bis zu40 Parkplätze gibt es vor der Tür,

    Restaurants und Hotels in der Um-gebung sorgen für die notwendigeInfrastruktur.

    Um alles in Schuss zu halten, legtder Kirchbauverein selbst Hand an,repariert, bestellt Baufirmen, erle-digt die Gänge zum Denkmal-schutzamt. Bernhard Lehmann istdabei schon zum Haushandwerkergeworden. Kleinere Ausbesserun-gen, das Verlegen einer Lautspre-cheranlage und das Stellen der Uhrfür die Glocken – zu tun gibt es im-mer etwas. Die Wernsdorfer könnenmit Recht sagen: Es ist ihre Kirche.

    Ein Hingucker mitten in Wernsdorf: die Dorfkirche. FOTOS: KATJA REISER

    Hintergrund

    Die Dorfkirche zu Wernsdorf befindet sich in der Jovestraße, 15713 Königs Wusterhausen, Ortsteil Wernsdorf.

    Wer die Kirche besichti-

    gen will, kann sich unter 033362/ 821647 telefo-nisch melden und einen Termin ausmachen.

    Gottesdienste sind alle vier Wochen sonntags

    um 14 Uhr. Der nächste ist am 26. November, dann allerdings auf dem Friedhof Wernsdorf.

    Infos unter: www.kirch-bauverein-wernsdorf.de

    Genau am 15. August 1801war es, als mit dem Maurer-meister Culberg und demZimmermeister Reinhardt aus Stor-kow der Kontrakt zum Bau der Dorf-kirche zu Wernsdorf geschlossenwurde. Als Baukosten veranschlag-te das Königliche Oberbaudeparte-ment 2264 Reichstaler, acht Gro-schen und zwei Pfennige. Zwei Jah-re später war das himmlische Bau-werk pünktlich fertig. Der Beweis:die Inschrift auf der Wetterfahne.

    Fast ein wenig schüchtern stehtsie nun da auf einer kleinen Anhöheim Zentrum von Wernsdorf: die 1803eingeweihte Ziegelbaukirche. DasGotteshaus zählt nicht nur zu den äl-testen Bauwerken, sondern ist mit17 Metern Turmspitzenhöhe auchdas höchste Bauwerk des Ortes. Dieschlichte Dorfkirche ist ein Zeugnisalter preußischer Kirchenbaukunst.

    Der frühklassizistische einschiffi-ge Putzbau hat ein wunderschönesWalmdach. Den gesamten Bau um-zieht ein profiliertes Traufgesims.Die südliche Längsseite lässt durchihre hohen Rechteckfenster viel Ta-geslicht in das Gebäude. Der Turmist in das Kirchenschiff eingezogen.Fenster und Schallöffnungen, unterdenen sich eingetiefte Putzfelderbefinden, gliedern den oberenTurmbereich.

    Direkt vor der Tür wohnt einelangjährige Nachbarin, die aberschon viel länger an ihrem Platzweilt als die Kirche: eine rund 500-jährige Linde. Das macht den Stand-ort idyllisch und lädt auf dem Kirch-anger zum Verweilen ein.

    Nur mit der Wahrheit herausrü-cken müssen wir nun doch: Eigent-lich steht die Kirche nicht direkt amSee, es sind schon noch 100 Meter

    Von Katja Reiser

    Unser Verein hat wesentlich dazu

    beigetragen, dass mit Hilfe der Spenden

    die verfallene Kirche rekonstruiert

    werden konnte.Bernhard Lehmann,

    Wernsdorfer Kirchbauverein

    Gut und Böse im DialogDie Vorarbeiten zu einem Kirchenfenster von Erwin Hahs schmücken das Innere des Gotteshauses

    Das Gute: Darstellung des Abel von Erwin Hahs.