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WISSEN Mittwoch, 23. Dezember 2009 8 Atherosklerose schon vor 3500 Jahren Wien. Atherosklerose und andere Defekte im Herz- kreislaufsystem waren of- fensichtlich schon vor Jahr- tausenden Volkskrankhei- ten. Das konnten Forscher mit Hilfe des Computerto- mographen in bis zu 3500 Jahre alten ägyptischen Mu- mien feststellen, als sie auf Wunsch von Medizinern der Frage nachgingen, ob die Menschen im Altertum etwa gesündere Gefäße hat- ten als wir heute. Damit die konservierten Körper aus dem archäologi- schen Museum in Kairo nicht verletzt werden, stell- te die Firma Siemens einen Computertomographen (CT) in einem Container zur Ver- fügung. So mussten die konservierten Körper für die Untersuchung nicht ein- mal aus ihren Binden gewi- ckelt werden. Die Kardiologen fanden bei neun von 22 untersuch- ten Mumien neben Gefäß- verengungen und Wuche- rungen im Bindegewebe auch lebensgefährliche Fett- und Kalkeinlagerungen in den Arterien. Mit dem CT, der dreidimensionale Bilder liefert, durchleuchtete das Forscherteam in Kairo zu- nächst die Schlagadern. Aber auch andere Teile des Überraschung bei Untersuchung ägypti- scher Mumien mit modernster Technik. Kreislaufsystems waren in den mumifizierten Körpern erhalten geblieben und sind dadurch deutlich zu erken- nen. Auf den CT-Bildern der Mumien sieht eine Atheros- klerose oft genauso aus wie bei heutigen Patienten. An den Wänden dieser Gefäße lagern sich häufig Fette und Kalk ab, die den Blutfluss behindern kön- nen. Offensichtlich war auch die Bevölkerung im Altertum von dieser Form der Gefäßverengung betrof- fen. Die Ablagerungen wur- den sowohl in männlichen als auch in weiblichen Mu- mien beobachtet, die aus dem Zeitraum 1570 vor Christus bis 364 nach Christus stammen und zu Lebzeiten vermutlich der wohlhabenden Oberschicht angehört hatten. Mehr als die bekannten Risikofaktoren Ob diese Krankheiten auch der Grund für den Tod die- ser Menschen waren, ist zwar nicht sicher. Doch zeigt die Studie, dass diese Wohlstandskrankheit offen- sichtlich auch damals ziem- lich häufig war. Die Funde legen aber auch nahe, dass noch ande- re als die modernen Risiko- faktoren in Frage kommen, um die heutige Volkskrank- heit Nummer eins vollstän- dig zu verstehen. Allgemein wird bisher davon ausge- gangen, dass die Atheros- klerose durch das Zusam- menwirken vieler Faktoren zustande kommt, wobei exogene Faktoren (Ernäh- rung, Rauchen) und endo- gene Faktoren (Hochdruck, Diabetes, genetische Dispo- sition) gleichrangig mit und nebeneinander wirken. „Schlechtes“ Cholesterin (low density lipoprotein, LDL) spielt dabei nach Auf- fassung vieler Mediziner ei- ne gewichtige Rolle. CT-Bilder zeigen die gleichen Schäden wie bei heutigen Patienten. Foto: Siemens AG Brüssel/Wien. Was vor 200 Jahren mit Samuel Hahnemann begann, hat sich zu einem bedeutenden Markt entwickelt. Der Um- satz mit homöopathischen Mitteln liegt weltweit jähr- lich bei rund zwei Milliar- den Euro, eine Milliarde da- von entfällt auf Europa. Die- ser Erfolg verdankt sich vor allem der Entwicklung von Komplexmitteln, die eine größere Bandbreite von Krankheitssymptomen mit nur einem Präparat abde- cken sollen, sowie dem Ver- sprechen der Kurierbarkeit allen Leidens mit „sanften Naturheilmethoden“. Einen evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweis für solche Mittel musste und konnte die Homöopathie be- kanntlich bis heute nicht erbringen, sie verfügt in- dessen über einflussreiche Lobbys und große Populari- tät in Indien und den USA sowie in Europa vor allem in Frankreich, Deutschland Wirksamkeit ist weiter nicht gefragt Mit den harmonisierten EU-Vorschriften ließe sich der Homöopathie-Wildwuchs aber wenigstens eindämmen Unüberschaubare Menge von Globuli und Verdünnungen. Höhere Kosten für Zulassung könnten regulierend wirken. Von Christa Karas und Großbritannien, wo sich sogar manche Royals für sie stark machen. Auf der Basis von „nützt nicht, schadet nicht“ versu- chen die zuständigen EU- Behörden seit Jahren, ge- setzliche Grundlagen für diesen Komplex zu schaf- fen. Einer Homöopathie-Ar- beitsgruppe der europäi- schen Arzneimittel-Zulas- sungsbehörden (Heads of Medicines Agencies, HMA) folgten zwei weitere Grup- pen am für das Europäische Arzneimittelhandbuch zu- ständige EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines), die schließ- lich Leitlinien zur Berech- nung sicherer Verdünnun- gen und Listen zur Unbe- denklichkeit entwarfen. Heilungskräftiges Sogenannte komplementär- medizinische Verfahren ha- ben sich durch heftige Apo- thekenbewerbung in den letzten Jahren zu einem starken Wirtschaftsfaktor entwickelt. Mehr als 120 Millionen EU-Bürger nutzen laut Max Daege, Präsident von Echamp (einer europäi- schen Vereinigung von Her- stellern homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel), regelmäßig die – nach wissenschaftli- chen Kriterien – Scheinme- dikamente. Und 120 Millio- nen EU-Bürger können ge- mäß dem Motto „Wer heilt, hat Recht“ auch dann nicht irren, wenn gar keine Er- krankung vorliegt bzw. da- hinter Selbstheilung, Aber- glaube, Placebowirkung, ein Apotheker oder ein Arzt in Erklärungsnöten bzw. aus Überzeugung stehen. Zumindest könnte es aber dank der EU für man- che Produzenten des Wild- wuchses an Homöopathika etc. auf dem Markt künftig schwieriger werden. Die EU fordert nämlich schon lange eine Harmonisierung der national unterschiedlichen Anforderungen an die Her- stellung und Prüfung ent- sprechend den Richtlinien laut europäischem Arznei- mittelhandbuch – und zwar bereits seit 1993, wie Daege im „Deutschen Ärzteblatt“ ebenso offen zugab, wie dass dies für „Präparate oh- ne Indikation“ und zudem für Verdünnungen von min- destens 1:10.000 gilt. Da Brüssel nun auf die Umsetzung dieser Richtlini- en drängt, wird die so lange bestehende Gesetzgebung von den Herstellern seit ei- niger Zeit als „unpraktika- bel“ bezeichnet, wobei es natürlich um Geld – näm- lich um die Kosten für die Registrierung und Zulas- sung – geht. Nicht unbe- dingt nachvollziehbar, sind doch in Deutschland bereits 4000 solche Mittel regis- triert. Mehr – nämlich 6000 – sind es nur in Österreich. Indessen haben laut Dae- ge Belgien, Italien und Spa- nien insgesamt um die 15.000 weitere Produkte zur Registrierung angemel- det, sodass die Behörden „ihrer Verpflichtung, die Anträge zu bearbeiten“, nicht nachkämen. Die Ge- setzgebung sei aber auch deshalb unpraktikabel, weil „die Homöopathie von der Vielfalt der verfügbaren Arzneimittel lebt“. Kleinere Hersteller der tatsächlich nur aus Wasser, Milchzu- cker oder etwas Alkohol be- stehenden Mittel könnten aber die Kosten von durch- schnittlich 5000 Euro für die Registrierung nicht auf- bringen, nicht registrierte Produkte verschwänden zu- sehends vom Markt. Der Pillendreh „Die Vertreter homöopathi- scher und anthroposophi- scher Therapien fordern da- her, die gesetzlichen Rege- lungen für komplementär- medizinische Arzneimittel zu vereinfachen“, so Daege. Ginge es nach Edmund Berndt, der dies in seinem Buch „Der Pillendreh – Ein Apotheker packt aus“ (Edi- tion Va Bene) hinlänglich begründet, wäre hingegen nur eine Regelung nötig: Das gesetzliche Verbot für die Scheinmedikamente. Mit Wasser, Milchzucker und etwas Alkohol lässt sich viel verdienen. Foto: bilderbox Neuronale Schalt- kreise komplexer als bisher vermutet. Durch die Brille der Vergangenheit Graz. Die optische Wahr- nehmung wird nicht nur vom Objekt der Betrachtung bestimmt, sondern auch da- von, was unmittelbar vor- her angesehen wurde. Das Auge sieht daher stets durch die Brille der Vergan- genheit, stellten Neurowis- senschafter und Informati- ker um Wolfgang Maass von der TU Graz in einer vom FWF unterstützten Un- tersuchung fest. Die Arbei- ten in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt wurden in „PLoS Biology“ veröffentlicht. Für die aufwendigen Ex- perimente wurden 100 Ner- venzellen des Sehzentrums im Gehirn angezapft und die ankommenden Reize bei verschiedenen Situatio- nen per Computer ausge- wertet. Erfasst wurden die sogenannten Spikes, also die kurzfristigen Verände- rungen des elektrischen Po- tenzials der Nervenzellen. Deren Analyse ergab ein räumlich-zeitliches Muster, das sowohl die Zahl der Spikes als auch deren zeitli- che Abfolge enthielt. Bisher gingen die Wis- senschafter davon aus, dass die neuronale Reaktion auf einen Sinnesreiz nur Infor- mationen über genau die- sen Reiz enthält und keine weiteren. Nun aber zeigte sich, dass jede Wahrneh- mung gleichsam einen Nachhall erzeugt, wie Maass erklärte. Jedes wahr- genommene Bild wird tat- sächlich von den unmittel- bar zuvor gesehenen Ein- drücken beeinflusst und enthält auch Informationen dieser Vergangenheit. Die Auswertung der Da- ten zeigte auch, „dass die Nervenreaktion schon in der ersten Verarbeitungs- stufe im Gehirn mehrere 100 Millisekunden andau- ern“, so der Wissenschafter. Insgesamt ergaben die Un- tersuchungen einen ersten experimentellen Beweis für das von Maass gemeinsam mit Hirnforschern erarbei- tete neue Modell für Re- chenvorgänge im Gehirn, dem „liquid computing mo- del“. Dieses geht im Gegen- satz zu bisher vorherr- schenden theoretischen Mo- dellen davon aus, dass bio- logische Computer nicht je- de Information für sich in einem festen Zeittakt bear- beiten, sondern in kleinen Paketen. Diese bestehen aus ineinander fließenden und sich überlagernden In- formationen aus verschie- denen Zeitabschnitten.

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WISSEN Mittwoch, 23. Dezember 20098

Atherosklerose schon vor 3500 Jahren

Wien. Atherosklerose undandere Defekte im Herz-kreislaufsystem waren of-fensichtlich schon vor Jahr-tausenden Volkskrankhei-ten. Das konnten Forschermit Hilfe des Computerto-mographen in bis zu 3500Jahre alten ägyptischen Mu-mien feststellen, als sie aufWunsch von Medizinernder Frage nachgingen, obdie Menschen im Altertumetwa gesündere Gefäße hat-ten als wir heute.

Damit die konserviertenKörper aus dem archäologi-schen Museum in Kaironicht verletzt werden, stell-te die Firma Siemens einenComputertomographen (CT)in einem Container zur Ver-fügung. So mussten diekonservierten Körper fürdie Untersuchung nicht ein-mal aus ihren Binden gewi-ckelt werden.

Die Kardiologen fandenbei neun von 22 untersuch-ten Mumien neben Gefäß-verengungen und Wuche-rungen im Bindegewebeauch lebensgefährliche Fett-und Kalkeinlagerungen inden Arterien. Mit dem CT,der dreidimensionale Bilderliefert, durchleuchtete dasForscherteam in Kairo zu-nächst die Schlagadern.Aber auch andere Teile des

■ Überraschung beiUntersuchung ägypti-scher Mumien mitmodernster Technik.

Kreislaufsystems waren inden mumifizierten Körpernerhalten geblieben und sinddadurch deutlich zu erken-nen. Auf den CT-Bildern derMumien sieht eine Atheros-klerose oft genauso aus wiebei heutigen Patienten.

An den Wänden dieserGefäße lagern sich häufigFette und Kalk ab, die denBlutfluss behindern kön-nen. Offensichtlich warauch die Bevölkerung imAltertum von dieser Formder Gefäßverengung betrof-fen. Die Ablagerungen wur-den sowohl in männlichenals auch in weiblichen Mu-mien beobachtet, die aus

dem Zeitraum 1570 vorChristus bis 364 nachChristus stammen und zuLebzeiten vermutlich derwohlhabenden Oberschichtangehört hatten.

Mehr als die bekanntenRisikofaktorenOb diese Krankheiten auchder Grund für den Tod die-ser Menschen waren, istzwar nicht sicher. Dochzeigt die Studie, dass dieseWohlstandskrankheit offen-sichtlich auch damals ziem-lich häufig war.

Die Funde legen aberauch nahe, dass noch ande-re als die modernen Risiko-

faktoren in Frage kommen,um die heutige Volkskrank-heit Nummer eins vollstän-dig zu verstehen. Allgemeinwird bisher davon ausge-gangen, dass die Atheros-klerose durch das Zusam-menwirken vieler Faktorenzustande kommt, wobeiexogene Faktoren (Ernäh-rung, Rauchen) und endo-gene Faktoren (Hochdruck,Diabetes, genetische Dispo-sition) gleichrangig mit undnebeneinander wirken.„Schlechtes“ Cholesterin(low density lipoprotein,LDL) spielt dabei nach Auf-fassung vieler Mediziner ei-ne gewichtige Rolle. ■

CT-Bilder zeigen die gleichen Schäden wie bei heutigen Patienten. Foto: Siemens AG

Brüssel/Wien. Was vor200 Jahren mit SamuelHahnemann begann, hatsich zu einem bedeutendenMarkt entwickelt. Der Um-satz mit homöopathischenMitteln liegt weltweit jähr-lich bei rund zwei Milliar-den Euro, eine Milliarde da-von entfällt auf Europa. Die-ser Erfolg verdankt sich vorallem der Entwicklung vonKomplexmitteln, die einegrößere Bandbreite vonKrankheitssymptomen mitnur einem Präparat abde-cken sollen, sowie dem Ver-sprechen der Kurierbarkeitallen Leidens mit „sanftenNaturheilmethoden“.

Einen evidenzbasiertenWirksamkeitsnachweis fürsolche Mittel musste undkonnte die Homöopathie be-kanntlich bis heute nichterbringen, sie verfügt in-dessen über einflussreicheLobbys und große Populari-tät in Indien und den USAsowie in Europa vor allemin Frankreich, Deutschland

Wirksamkeit ist weiter nicht gefragtMit den harmonisierten EU-Vorschriften ließe sich der Homöopathie-Wildwuchs aber wenigstens eindämmen

■ UnüberschaubareMenge von Globuliund Verdünnungen.■ Höhere Kosten fürZulassung könnten regulierend wirken.

Von Christa Karas und Großbritannien, wosich sogar manche Royalsfür sie stark machen.

Auf der Basis von „nütztnicht, schadet nicht“ versu-chen die zuständigen EU-Behörden seit Jahren, ge-setzliche Grundlagen fürdiesen Komplex zu schaf-fen. Einer Homöopathie-Ar-beitsgruppe der europäi-schen Arzneimittel-Zulas-sungsbehörden (Heads ofMedicines Agencies, HMA)folgten zwei weitere Grup-pen am für das EuropäischeArzneimittelhandbuch zu-ständige EDQM (EuropeanDirectorate for the Qualityof Medicines), die schließ-lich Leitlinien zur Berech-nung sicherer Verdünnun-gen und Listen zur Unbe-denklichkeit entwarfen.

HeilungskräftigesSogenannte komplementär-medizinische Verfahren ha-ben sich durch heftige Apo-thekenbewerbung in denletzten Jahren zu einemstarken Wirtschaftsfaktorentwickelt. Mehr als 120Millionen EU-Bürger nutzenlaut Max Daege, Präsidentvon Echamp (einer europäi-schen Vereinigung von Her-stellern homöopathischerund anthroposophischerArzneimittel), regelmäßigdie – nach wissenschaftli-chen Kriterien – Scheinme-

dikamente. Und 120 Millio-nen EU-Bürger können ge-mäß dem Motto „Wer heilt,hat Recht“ auch dann nichtirren, wenn gar keine Er-krankung vorliegt bzw. da-hinter Selbstheilung, Aber-glaube, Placebowirkung,ein Apotheker oder ein Arztin Erklärungsnöten bzw.aus Überzeugung stehen.

Zumindest könnte esaber dank der EU für man-che Produzenten des Wild-wuchses an Homöopathikaetc. auf dem Markt künftig

schwieriger werden. Die EUfordert nämlich schon langeeine Harmonisierung dernational unterschiedlichenAnforderungen an die Her-stellung und Prüfung ent-sprechend den Richtlinienlaut europäischem Arznei-mittelhandbuch – und zwarbereits seit 1993, wie Daegeim „Deutschen Ärzteblatt“ebenso offen zugab, wiedass dies für „Präparate oh-ne Indikation“ und zudemfür Verdünnungen von min-destens 1:10.000 gilt.

Da Brüssel nun auf dieUmsetzung dieser Richtlini-en drängt, wird die so langebestehende Gesetzgebungvon den Herstellern seit ei-niger Zeit als „unpraktika-bel“ bezeichnet, wobei esnatürlich um Geld – näm-lich um die Kosten für dieRegistrierung und Zulas-sung – geht. Nicht unbe-dingt nachvollziehbar, sinddoch in Deutschland bereits4000 solche Mittel regis-triert. Mehr – nämlich 6000– sind es nur in Österreich.

Indessen haben laut Dae-ge Belgien, Italien und Spa-nien insgesamt um die15.000 weitere Produktezur Registrierung angemel-det, sodass die Behörden„ihrer Verpflichtung, dieAnträge zu bearbeiten“,nicht nachkämen. Die Ge-setzgebung sei aber auchdeshalb unpraktikabel, weil„die Homöopathie von derVielfalt der verfügbarenArzneimittel lebt“. KleinereHersteller der tatsächlichnur aus Wasser, Milchzu-cker oder etwas Alkohol be-stehenden Mittel könntenaber die Kosten von durch-schnittlich 5000 Euro fürdie Registrierung nicht auf-bringen, nicht registrierteProdukte verschwänden zu-sehends vom Markt.

Der Pillendreh„Die Vertreter homöopathi-scher und anthroposophi-scher Therapien fordern da-her, die gesetzlichen Rege-lungen für komplementär-medizinische Arzneimittelzu vereinfachen“, so Daege.

Ginge es nach EdmundBerndt, der dies in seinemBuch „Der Pillendreh – EinApotheker packt aus“ (Edi-tion Va Bene) hinlänglichbegründet, wäre hingegennur eine Regelung nötig:Das gesetzliche Verbot fürdie Scheinmedikamente. ■

Mit Wasser, Milchzucker und etwas Alkohol lässt sich viel verdienen. Foto: bilderbox

■ Neuronale Schalt-kreise komplexer alsbisher vermutet.

Durch die Brilleder Vergangenheit

Graz. Die optische Wahr-nehmung wird nicht nurvom Objekt der Betrachtungbestimmt, sondern auch da-von, was unmittelbar vor-her angesehen wurde. DasAuge sieht daher stetsdurch die Brille der Vergan-genheit, stellten Neurowis-senschafter und Informati-ker um Wolfgang Maassvon der TU Graz in einervom FWF unterstützten Un-tersuchung fest. Die Arbei-ten in Kooperation mit demMax-Planck-Institut fürHirnforschung in Frankfurtwurden in „PLoS Biology“veröffentlicht.

Für die aufwendigen Ex-perimente wurden 100 Ner-venzellen des Sehzentrumsim Gehirn angezapft unddie ankommenden Reizebei verschiedenen Situatio-nen per Computer ausge-wertet. Erfasst wurden diesogenannten Spikes, alsodie kurzfristigen Verände-rungen des elektrischen Po-tenzials der Nervenzellen.Deren Analyse ergab einräumlich-zeitliches Muster,das sowohl die Zahl derSpikes als auch deren zeitli-che Abfolge enthielt.

Bisher gingen die Wis-senschafter davon aus, dass

die neuronale Reaktion aufeinen Sinnesreiz nur Infor-mationen über genau die-sen Reiz enthält und keineweiteren. Nun aber zeigtesich, dass jede Wahrneh-mung gleichsam einenNachhall erzeugt, wieMaass erklärte. Jedes wahr-genommene Bild wird tat-sächlich von den unmittel-bar zuvor gesehenen Ein-drücken beeinflusst undenthält auch Informationendieser Vergangenheit.

Die Auswertung der Da-ten zeigte auch, „dass dieNervenreaktion schon inder ersten Verarbeitungs-stufe im Gehirn mehrere100 Millisekunden andau-ern“, so der Wissenschafter.Insgesamt ergaben die Un-tersuchungen einen erstenexperimentellen Beweis fürdas von Maass gemeinsammit Hirnforschern erarbei-tete neue Modell für Re-chenvorgänge im Gehirn,dem „liquid computing mo-del“. Dieses geht im Gegen-satz zu bisher vorherr-schenden theoretischen Mo-dellen davon aus, dass bio-logische Computer nicht je-de Information für sich ineinem festen Zeittakt bear-beiten, sondern in kleinenPaketen. Diese bestehenaus ineinander fließendenund sich überlagernden In-formationen aus verschie-denen Zeitabschnitten. ■