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Lajos TscheLigi

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INHALTSein Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Der Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Seine Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Stil-Entwicklung und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Seine klassisch stilistische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Die Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Das Entstehen des Eigenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Die drei Thesen des Abstrakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Seine Philosophie der Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Das Licht und die Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Die Bedeutung der Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Sein Umgang mit den Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Der Künstler als Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Die St.Moritzer Atelier-Galerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Die Kritiken und seine Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Auszeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Titelbild: Sehnsucht, 1995; Acryl auf Leinwand

Text: Regula Sommer

Foto: Ruslana Tscheligi

© 2011 Adrienne & Zsolt Tscheligi/ Blue Sphere GmbH

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Tscheligi wurde am 10. August 1913 in Bu-dapest als Sohn eines Glasmalers und Kir-chen-restaurators in eine Welt in Wandel und Aufruhr geboren. Vieles war in Bewe-gung – in der Politik, in der Kunst und der Gesellschaft. Das Erleben dieser Ströme und Wirbel in frühester Kindheit beweg-ten, beeinflussten und prägten ihn zeitle-bens. Farben, Formen und Klänge zogen den Jungen magisch an und er war getrie-ben von dem Wunsch, einen Ausdruck für

die sich in seinem Innern heran bildende Antwort auf die Turbulenzen um ihn her-um zu finden. Vom Vater, der ihn früh zur Arbeit in die Kirche mitnahm, lernte er, Far-ben selber herzustellen und den Umgang mit Kreide, Kohlestift und Pinsel. Als er mit neun Jahren seine Lehrerin portraitierte, fiel seine aussergewöhnliche künstlerische Begabung erstmals auf. Als Elfjähriger er-hielt er den Auftrag, die Stadt Budapest zu kartographieren, was damals eine grosse Ehre war und ihm erstes selber verdientes Geld einbrachte.

Mit fünfzehn malte er das Bild eines Engels auf eine Wand und dessen Schat-ten dazu. Das war der Beginn seiner Suche nach dem Ausdruck von Transparenz, die ihn immer intensiver beschäftigte.

Für ein Kunststudium fehlte in der kin-derreichen Familie das Geld. Als jedoch der Kunstprofessor Illés Aladár Edvi das Portrait der Grossmutter zu Gesicht be-kam, das der begabte Zwanzigjährige mit Kohlestift gezeichnet hatte, nahmen er und sein Kollege Oskar Glatz Tscheligi als Privatschüler auf und lehrten ihn während vier Jahren die theoretischen und prakti-schen Grundlagen der Malkunst. Die Er-kenntnis des jungen Kunststudenten, dass es ohne Natur keine Kunst gibt, widerspie-gelte sich in seinen frühen Landschaftsbil-dern in Öl und Pastell. «In diesen Bildern spürt man, dass der Maler ein zutiefst echter Ungar ist: er hört das Rauschen des Wassers, spürt den Atem der Steppe und all die Frische, die der Natur entspringt», schrieb ein Kritiker zu Tscheligis erster Ausstellung im September 1943.

Sein Werdegang

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Dann wütete der 2. Weltkrieg. Der Sol-dat Tscheligi kam in russische Gefangen-schaft, konnte aber fliehen.

Zurück in Ungarn trat er 1945 der un-garischen «Gewerkschaft der bildenden Künste» bei. Bereits damals richtete er sein ganzes Streben als Künstler darauf aus, seine Wahrnehmung von Licht, Leben-digkeit, und das Wissen um die Präsenz von Seele und Geist in Farbe und Form auszudrücken. Seine Sujets – Menschen, Landschaften und Begebenheiten – be-stechen denn auch durch eine starke, leuchtende Aussagekraft. 1948 präsen-tierte er drei der in dieser Zeit entstanden Bilder an der Zentenarium-Ausstellung in Budapest, wo auch sein Vater, dem er sich seelisch sehr verbunden fühlte, einzelne Werke zeigte.

Die Heirat 1950 mit Agnes Csürös und der Wunsch nach einer Familie erforder-ten ein stabiles Einkommen. Tscheligi liess sich in Geodäsie ausbilden und arbeitete fortan als Bauleiter in Eger im Bück-Gebir-ge, um Geld zu verdienen. Sein Herz und seine Leidenschaft gehörten aber unein-geschränkt der Malerei, die er in jeder freien Minute pflegte und weiter entwi-ckelte.

1957 drohte Ungarn in den politischen Wirren, welche im Volksaufstand gipfel-ten zu versinken. Die junge vierköpfige Familie floh in die Schweiz und bezog eine Wohnung in Chur. In einem kleinen Atelierraum in der Churer Altstadt erteilte Tscheligi Interessierten Malunterricht. In der Atelier-Galerie in St. Moritz, wo er das

Licht und die Freiheit fand, die er zur Er-forschung seiner philosophischen Gedan-ken bezüglich der Aussagekraft der Far-ben und dem Finden des künstlerischen Ausdrucks von Transzendenz so dringend

Grossmama (Nagymama).

1940,Kohle auf Papier,

39x42 сm

Landschaft in Ungarn. 1942, Pastell aut Papier, 52x41 сm

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brauchte, entstanden die ersten abstrak-ten Werke. Geprägt vom Überlebenskampf und dem Bemühen um die Integration in

einem fremden Land, hatte die schwere Lebenskrise auch etwas explosiv Befreien-des für seine Arbeit. Endlich konnte er ma-len, was er fühlte. Er widmete sich, auch inspiriert von der Lehre des Rudolf Steiner, nun ausschliesslich der Erforschung seines ganz persönlichen Malstils der metaphysi-schen Abstraktion und entwickelte seine eigene Farbenphilosophie.

Es folgten Einladungen für Ausstellun-gen in der Schweiz, Frankreich und Eng-land. In den Jahren 1964/65 lebte die Fa-milie in den USA. Doch aus Sorge um den Einzug des Sohnes als Soldat in den Viet-namkrieg wurde die geplante Auswande-rung verworfen und Tscheligi kehrte mit seinen Angehörigen in die Schweiz zurück.

Die Aufnahme als Mitglied der Sektion Bern in die «Gesellschaft Schweizer Maler, Bildhauer und Architekten» 1965, und das Erlangen der Schweizer Staatsbürger-schaft 1971 verhalfen Tscheligi auch dazu, als Künstler in der Schweiz grössere Be-achtung zu finden.

Weitere zahlreiche Ausstellungen in Europa, USA, Südamerika und Asien ver-grösserten den Kreis der Liebhaber und Sammler seiner Kunst.

Lajos Tscheligi war ein Künstler, der sei-ne Berufung in jedem Augenblick und mit Leib und Seele wahr- und ernst nahm. In Auseinandersetzung mit seinem unmittel-baren Umfeld, seiner Vergangenheit aber auch mit den grossen klassischen und zeit-genössischen Künstlern und Schriftstel-lern gebar er aus einem inneren Feuer die

Agnes. 1959,

Acryl auf Karton,

13x16 сm

Picknick. 1960-62, Acryl auf Leinwand, 60x60 сm

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Synthese von Geist, Emotion und Materie und brachte sie in seinen Bildern zum Aus-druck. Er war besessen von dem Wunsch, seine Erkenntnisse und die sich in seinem Inneren abspielenden alchemistischen Prozesse dem Betrachter seiner Werke zu übermitteln. Er war in seiner Seele der Mystik des Lebens auf der Spur, wollte das Geheimnis des Strebens nach Liebe und Licht mit Pinsel und Farben einfangen und ausdrücken.

Am 13. Juni 2003 starb Lajos Tscheligi neunzigjährig, nach einem abenteuerli-chen, leidenschaftlichen, reich erfüllten Leben, in dem er zu seinem ganz eige-nen künstlerischen Ausdruck fand. Er liess eine stetig wachsende, ihm tief verbun-dene Gruppe von Menschen zurück, die seine bildliche Darstellung der Strahlung im Kosmos, getragen an Wänden, als geis-tige und seelische Inspiration alltäglich geniessen.

Kontakt mit dem blauen Planeten. 1975-80,

Acryl auf Leinwand, 120x60 сm

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Lajos Tscheligi war zumindest ungewöhn-lich. Von stämmigem Wuchs, stets braunge-brannt, strahlte er eine grosse innere Kraft aus. Unterwegs oft mit mindestens ein bis zwei Plastiksäcken bepackt, in Bluejeans, mit hellem Hemd, weissen Turnschuhen, dem weissen schulterlangen Haar und in späteren Jahren seinem obligaten blauen Baumwoll-hut mit schlaffer Krempe, konnte man ihn auch für einen gepflegten, kultivierten Wel-tenbummler halten.

Seine Augen sprühten voll feurigem Tem-perament, manchmal leuchtete in ihnen ein

fröhlicher Schalk. Er wirkte immer gut ge-launt. Mit allen, alt oder jung, reich oder arm, war er zu einem Spass aufgelegt. Es war ihm ein Bedürfnis, mit einer Prise seines spritzi-gen ungarischen Humors diese andere, eher behäbige schweizer Kultur etwas aufzumi-schen. Damit kam er nicht überall und jeder-zeit gut an. Das provozierte auch - Pfeffer in die Suppe.

Wenn er auftauchte, wurde es hell, warm und fröhlich-bunt. Mit ihm kam immer quir-lige Lebendigkeit ins Spiel. Wo es etwas zu tun gab, war er zur Stelle, spielte mit den

Kindern im Park Fussball, half der Frau mit Kinder-wagen ins Tram, brachte einen Betrunkenen vor dessen Haustür oder re-novierte seiner Tochter’s Dusche. Er war nicht einer, der weg schaute, wenn je-mand Hilfe brauchte, son-dern der zupackte, wo Not am Mann war.

Seinen Körper hielt er bis zu seinem Tod mit täg-lichen Übungen fit, seinen Geist mit Meditation wach und präsent. Als junger Mann war er sportlich am-bitioniert gewesen, als Rin-ger sogar erfolgreich. Auch als Familienvater war er ein Bewegungstalent und lieb-te den Körpereinsatz. Als Rollschuh- und Langläufer, Ballspieler, Turner und Klet-terer war er nicht nur für

Zukunftsvisionen. 1985-90, Acryl auf leinwand, 70x70 сm

Der Mensch

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die eigenen Kinder ein attraktiver Spiel- und Sportkamerad.

Gesegnet mit einer wunderbaren Stim-me, wäre er auch gerne Opernsänger ge-worden. Er studierte und bewunderte die grossen Komponisten, Architekten, Philo-sophen, Schriftstellter und Künstler der al-ten und neuen Zeit. Sie waren für ihn das Mass aller Dinge. An ihnen richtete er sein Denken und Werken aus. Ihnen widmete er unter anderem sein Schaffen.

Lajos war grosszügig. Auch wenn er nichts hatte, gab er alles. Seine Gabe war seine Begabung als Künstler. Er malte – immer und überall. Er bemalte alles, was ihm unter den Kreide-stift oder den Pinsel kam. Im Ge-fängnis in Russland zum Beispiel, benutzte er kleine Papierschnit-zel von irgendwo, um darauf mit Buntstiftstummeln, die er vor seinen Bewachern verstecken musste, seine Eindrücke und Ge-danken festzuhalten. Malen war seine Leidenschaft, Kunst war sein Leben. Leidenschaftlich war sein ganzes Wesen. Wenn er in seinem winzigen Atelier neben dem Hotel Post in St. Moritz ein Bild komponierte und dazu mit Inbrunst Arien aus einer seiner Lieblingsopern sang, blieben auf der Strasse davor die Leu-te stehen. Nicht selten hatte er überraschend Gäste, wenn er auf dem Trottoir vor eben diesem Atelier auf einem Gaskocher sein unübertreffliches ungarisches

Hoffnungsquelle. 1986, Acryl auf Karton, 40x50 cm

Die Liebe ist der Grund des Lebens.

1985-90, Acryl auf

Leinwand, 60x60 cm

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Gulasch zubereitete. Einige seiner treu-esten Kunden hat er an dieser Strassen-kochstelle kennen gelernt.

Leidenschaftlich erforschte er das Uni-versum der Farben, das Licht, die Form und deren Zusammenspiel. Es entstand in seinem Geist eine eigene Philosophie der Transzendenz und Transparenz. Wenn er dann mit Menschen, die bereit waren zu-zuhören, darüber sprach, wurde die Atmo-sphäre ernsthaft, tiefgründig und dicht. Jenen, die das Glück hatten und sich die Zeit nahmen, dieser Seite des Lajos Tsche-ligi zu begegnen, eröffnete sich ein su-chender Forscher, Denker und Philosoph,

der in seiner ganz persönlichen Sprache und Gestik von einer kosmischen Dimen-sion jenseits der irdischen Form zu berich-ten wusste.

Lajos Tscheligi’s Persönlichkeit war facettenreich, vielschichtig und wie üb-lich bei einem Menschen, der nicht ein-fach einzuordnen ist, provozierte dies unterschiedliche, manchmal kontroverse Reaktionen in seinem Umfeld. Die stets wachsende Gruppe von Liebhabern seiner Kunst kannte ihn als charmanten, unkom-plizierten, liebenswürdigen Gastgeber, der unverkrampft und spontan auf alle Menschen zuging. Seine Kritiker missver-

standen seinen Humor oder belächelten seinen künstleri-schen Ausdruck. Seine offene, direkte, unverblümte Art, sei-ne Meinung zu sagen und sei-ne Philosophie zu vertreten, war nicht allen genehm. Im-mer aber war er unverwech-selbar authentisch. Er liebte das Leben, die Menschen, die Geselligkeit, die Kunst und die Kultur. Alles Künstliche war ihm fremd. Dazu stand er – unmissverständlich.

Mit seinen Bildern hat er ein Erbe hinterlassen, das weit mehr bietet als oberflächliche Gefälligkeit und billigen Kom-merz. In ihnen eröffnet sich dem interessierten Betrachter eine Welt voller Geheimnisse, Mystik und die Kraft einer uni-versellen Unvergänglichkeit.

Besinnung. 1996, Acryl auf Leinwand, 60x60 cm

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Stil-Entwicklung und Material

Naturalistisch – Pastell, Ölkreide, Öl, Farb-stifte, TuscheImpressionistisch – Pastell, Ölkreide, Öl, AcrylExpressionistisch – Ölkreide, Öl, Acryl, Gouache (Spachtel)Naturalistisch-expressionistisch – Ölkrei-de, Öl, Acryl, SpachtelVibrationismus (Musikalität) – Öl, Acryl, SpachtelPhilosophische Abstraktion – Ölkreide, Öl, Acryl, SpachtelMetaphysische Abstraktion – Ölkreide, Acryl, Tusche Auf Papier, Karton, Leinwand, der Eigenk-reation eines Trägermediums aus speziell präpariertem Karton

Der Beschrieb enthält Auszüge und Zita-te aus einem Interview mit der ungarischen Kunstkritikerin Ildiko Mester, anlässlich einer Ausstellung in Budapest, zu Ehren des 80. Ge-burtstags von Lajos Tscheligi im September 1993. In der István Csók Galerie wurde ein im-posanter Querschnitt aus dem Schaffen des Künstlers gezeigt. Nach Paris, Cannes, Zürich, Basel, Amsterdam, London, Washington, Mi-ami, Los Angeles, Rio de Janeiro, Hongkong und zahlreichen anderen Städten der Welt, wurde er nun auch in seiner Geburtsstadt für sein Lebenswerk geehrt.

Seine klassisch stilistische Entwicklung

Anfangs, während der naturalistischen Pha-se, malte Lajos Tscheligi Portraits, Szenen aus dem Leben der Bauern, Erntebilder, Fischer und Landschaftsbilder der Theiss-Gegend.

Es waren Szenen und Darstellungen aus dem Leben, oft mit viel Bewegung darin, auch Stadtbilder, die er durch Menschen belebte. Irgendwann war er dann im Naturalismus an einem Punkt, wo ihm eine Weiterentwicklung nicht mehr möglich schien. Er war bis zu der Malweise der Renaissance fortgeschritten, bei der das kleinste Bildelement minutiös bis ins Feinste ausgearbeitet wird. Er aber war mit dem, was das Bild ausdrückte, nicht mehr zu-frieden. Er fühlte, dass sich in ihm ein Wandel vollziehen musste.

Es folgten Phasen des Pointilismus, Vibra-tionismus, Postimpressionismus und Expressio-nismus.

Die Befreiung

1957, nach der Flucht in die Schweiz, befreite er sich von dem Druck und dem Zwang, Bil-der malen zu müssen, wie sie üblich und er-laubt waren, um überleben zu können. Trotz der Kriegserlebnisse, der Krise und des Kul-turschocks malte er fortan, was er wirklich

Kettenbrücke Budapest.

1949, Pastell auf Papier,

68x47 cm

Seine Kunst

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wollte. «Wie man weiss, ist der Naturalismus die Melkkuh der Malerei. Ein jeder mag sein eigenes Gesicht und bezahlt dafür, dass es gemalt wird. Der Künstler stellt dann das, was er in Wirklich-keit malen möchte, hintan, um es erst dann zu realisieren, wenn er sich auch satt gegessen hat. Für mich gab es zwei Möglichkeiten: entweder verstanden die Leute meine Bilder, und ich konn-te ihnen damit Freude bereiten, oder aber ich musste weiterhin hungern und würde für nichts Geld haben. Ich erkannte, dass ich durchhalten musste, und diese Erkenntnis vermittelte mir ein Gefühl der Befreiung.»

Über das Ausprobieren der unterschied-lichsten Techniken, die für ihn nicht die er-sehnte innere Wirkung erzeugten, begann er, sich mit Psychologie zu beschäftigen und «(…) hob die Materie auf das Niveau der Seele, und die Seele ergriff Besitz von der Farbe.» Begründet auf dieser Erkenntnis ordnete er jeder Farbe eine neue seelische Bedeutung zu. Dieser Prozess war für ihn äusserst erfüllend und befriedigend, be-kam doch alles, was er bis dahin an Wis-sen und Erfahrungen gesammelt hatte eine ganz neue Dimension. «Natürlich war ich damit Angriffen ausgesetzt aber wenn man sich im Dschungel einen Weg bahnen will, muss man darauf gefasst sein, dass sich einem eine Schlange in den Weg stellt und sagt: diesen Weg darfst du nicht gehen, sonst beisse ich dich.»

Beeinflusst u.a. von Rudolf Steiner’s Philosophie der Ästhetik begann er damit, die Möglichkeiten der Expression seeli-scher, emotionaler und spiritueller Wahr-nehmung künstlerisch zu erforschen. Er probierte neue Techniken aus, experimen-

Heimweh der Seele nach dem Ewigen. 1961, Arcyl auf Karton, 48x38 cm

Technik. 1962,

Acryl auf Leinwand, 46x88 cm

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tierte mit Farben und Formen, um dem, was ihn innerlich bewegte und mit aller Kraft nach aussen drängte, eine künstleri-sche Sprache zu verleihen.

Er wandte sich dem Unendlichen zu und versuchte, den Kosmos darzustellen, «(…) damit die Menschen verstehen, dass ihr Körper eine Seele und ihre Seele einen Körper hat. Auch damit die Beziehungen zwischen den Menschen erhalten bleiben, habe ich versucht, die Seele darzustellen. Ich habe mich bemüht, meine Darstellungen so zu ge-stalten, dass den Menschen das Problem er-spart bleibt, meine Bilder verständnislos zu betrachten. Wenn es schon um Farben geht, dann sollen die Farben auch tatsächlich et-was aussagen. Denn aus dem Unendlichen

können wir alles gewinnen, aus ihm können wir für uns selber alles schöpfen, was uns wertvoll erscheint.»

Das Entstehen des Eigenen

Nicht nur Tscheligis Darstellungsart, auch seine Malweise wurde sehr eigenwillig und ungewöhnlich. Hatte er ursprünglich in Pastell und Öl gemalt, verwendete er nun Acryl. Er bediente sich dieses Materials in einer besonderen, virtuosen Weise. Dabei trug er auf eine Farbe eine andere Farb-schattierung auf, manchmal eine nächste, sodass an manchen Stellen die erste Farb-schicht durch die Deckschichten hindurch schimmerte, was seinen Bildern Tiefe und etwas Ahnungsvolles verlieh. Häufig fin-

Der Wissenschaftler. 1968,

Acryl auf Leinwand, 100x60 cm

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den sich in seinen Bildern auch zarte, nicht ganz zusammenhängende weisse Farbfle-cken, die in feinen Zügen zu den verschie-denfarbigen Bildelementen hinführen und die Komposition gleichsam transparent und ätherisch erscheinen lassen. Manch-mal erscheinen auf den einfarbigen Flä-chen besondere Muster, an anderen Stellen zeigen dickere Farbschichten eine grobe Oberflächenstruktur, die an Gebirgszüge erinnern. Wurde er auf seine eigenartige, spezielle Technik angesprochen, die sich in ihrer Wirkung von der Malweise ande-rer, ebenfalls Acryl verwendender Künstler stark unterschied, erzählte er: «Ich verwen-de Acryl seit 1957. Bei einer glatten Bildober-fläche trage ich die Farbe reliefartig auf. Da-durch scheinen sich die Farben zu bewegen.

Es entstehen zwei-, drei-, vierfache Schattie-rungen. Dieser Untergrund ermöglicht ein Hindurchstrahlen durch diese Wellen, die Farben scheinen gleichsam zu vibrieren. Ich kann diese Wirkung nur mit Acryl erzielen, denn die Farbe braucht nicht mehr als 20 bis 25 Minuten zum Trocknen, und man kann dann mit der Arbeit sogleich fortfahren und die nächste Farbe auftragen.»

1961 malte er für eine Ausstellung in Mi-ami drei Gemälde: das 3. Klavierkonzert von Béla Bartok, Liszt’ Liebesträume und die 5. Sinfonie von Beethoven. Diese 3 x 2 Meter großen Bilder hat er für die Gehörlosen ge-malt, «(…) denn wenn man über Musik sch-reiben kann, muss es möglich sein, mit den Augen Musik zu hören.» Durch den unend-

lichen Reichtum und die Vielfalt der Farb-schattierungen ist auf den Bildern die Musik erkennbar.

Bei einem anderen Vorgehen entstan-den sechs bis sieben Schichten. «Ich male den Untergrund, wie in der antiken Malwei-se, dann folgen die La-suren. Ich steigere die Farben, womit eine Art Glanz erzielt wird - den ich brauche, um Körper und Seele darzustellen. Gebe ich neben Rot Grau und dann wieder Rot, bedeutet das: ich trenne zwei Liebende

Reich des Geistes. 1990, Acryl auf Leinwand, 90x70 cm

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voneinander, zum Beispiel durch die graue Eintönigkeit des Alltags. Je weiter ich mich mit dem Rot entferne, umso größer wird das Grau. Gebe ich auf das Rot eine Transparent-farbe, ein Blau, um damit einen Schatten zu erzeugen, so erscheint im Rot, das heisst im Körper die Seele, und so entsteht die seelische Verbindung zwischen den Liebenden. Das ist ein möglicher Bildaufbau. Besondere Mus-ter erhalte ich ebenfalls durch die Lasur. Ich vermittle mit der Bewegung, die in die Form hineingepresst ist, der Farbe gleichsam ihr Röntgenbild. Ich habe schon vor etwa 25 Jah-ren Satellitenbilder auf Glas gemalt, ohne zu wissen, dass es einmal Satellitenbilder geben wird, die die Bewegung der Wolken und den Verlauf des Wetters aufzeigen.»

Die drei Thesen des Abstrakten

Den sich entwickelnden Stil nannte er meta-physisch-abstrakt und erklärte ihn in einfa-chen Worten mit das Unsichtbare sichtbar ma-chen. In seinen Bildern gibt es drei Ebenen:- das Abstrakte, der ungegenständliche Ausdruck- das philosophisch Abstrakte, also die Aussa-ge, die er mit seinem Werk machen möchte und- das metaphysisch Abstrakte, welches die Strahlung, die vom Bild aus auf den Betrach-ter übergeht bezeichnet.

«Der Mensch hat einen materiellen Körper, der sichtbar ist. Er hat aber auch – unsicht-bar – Emotionen, Gefühle, Gedanken, Seele und Geist.» Diese unsichtbaren Bereiche versuchte er mit den Farben und Formen in seinen Bildern sichtbar zu machen.

«Das Licht und die Durchsichtigkeit der metaphysischen Malerei soll die Menschen dazu verlocken, mit der inneren Natur der Dinge in Verbindung zu treten. Sie sollen ver-suchen, hineinzusehen in eine Welt, die nicht alle Geheimnisse gleich an ihrer Oberfläche offenbart. Es ist also nicht wie bei einem realis-tisch gemalten Bild oder einer Farbfotografie, wo sich der gesamte Bildinhalt dem Betrach-ter sofort zeigt.»

Presänt. 1975-80,

Acryl auf Karton, 30x43 cm

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Seine Philosophie der Farben

Tscheligi erschuf seine eigene Farbenlehre, basierend auf seinen Forschungen, Gedan-ken, Gefühlen und Experimenten mit Bild-kompositionen und deren Aussage: «Die fünf Finger der Hand symbolisieren die fünf Farben. Weiß bildet den Anfang, Schwarz das Ende; aber für mich stellt weder Schwarz noch Weiß eine Farbe dar. Blau versinnbildlicht das Un-endliche, den Kosmos, das Mystische. Rot ist die Farbe der Liebe, der Verliebtheit, die Artikulati-on des Lebens, gleichzeitig aber auch die Farbe des Egoismus. Gelb ist die Farbe der Sonne. Mit diesen drei Farben, verbunden mit Weiß und Schwarz, versuche ich meine Bilder zu gestal-ten. Verbinde ich meinen ersten mit meinem letzten Finger, symbolisiert das Anfang und

Ende des Lebens: Weiß die Geburt. Schwarz den Tod. Damit gewinnt das ganze Leben Gestalt. Mit dem Weiß beginnt die Stunde unserer Exis-tenz. Mit fünfzig erreichen wir den Zenit, das Blau. Wenn sich das Rot mit dem Blau verbin-det, entsteht das Lila; diese Farbe versinnbild-licht die Sedingungslose Liebe. Und all das wird von der Sonne, dem Gelb, überstrahlt. Wenn der Mensch den Sinn, die seelische Bedeutung der verschiedenen Farbnuancen und Abtönun-gen erkennt, eröffnet sich ihm eine Vielfalt von Möglichkeiten wunderbarer Variationen. Denn wenn er weiß, was woraus entstanden ist, steht er nicht mehr verständnislos den Kopf schüt-telnd vor meinen Bildern, unfähig zu erfassen, worum es mir geht. Vielmehr schaut er, wie viel Rot, Blau und Gelb da ist, und notfalls kommt ihm dann zur Deutung des Dargestellten noch die Benennung des Bildes zu Hilfe.»

Ein Merkmal seiner Bilder ist die Glut der gelben, orangefarbenen und roten Farben, aber auch die Macht der verschiedenen Nu-ancen von Blautönen. Er hat zudem Bilder, bei denen in der Vertikalen die warmen Far-ben in sogenannt kalte Farbtöne übergehen, um am unteren Rand schließlich ganz in Blau zu enden.

«Die Benennung kalt existiert auf meiner Palette nicht. Die Grün- und Blautöne sind philosophische Farben. Sie sind nicht kalt. Das Blau steht für Mysterium, das Grün für Hoff-nung: der Mensch hofft, etwas zu verstehen, sein Ziel zu erreichen, glücklich zu werden. Und die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft ge-winnt in der Komposition der beiden Farben philosophische Bedeutung, weil dabei eine Ver-bindung mit der Seelenkunde, der Psychologie entsteht.»

Sehnsucht nach Höherem. 1998, Acryl auf Karton, 47x47 cm

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Die warmen Farben standen für Tscheligi in Bezug zum Menschen: «Wenn ich also auf einem Bild Rot und Blau nebeneinander habe, so versinnbildlicht Rot den Körper und Blau die Seele. Und wenn dann noch ein Grün dabei er-scheint, so bedeutet das, dass die Hoffnung den Menschen umstrahlt, damit er erreichen möge, was er zu erreichen trachtet.»

Reines Blau drückte für ihn die höchste Größe des Geistes aus. «So sind in mir die ab-strakte Philosophie und das metaphysisch Ab-strakte entstanden. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, und als ich es gefunden hatte, war ich selbst überrascht, dass es so einfach war. Warum war ich nicht schon früher auf die Idee gekommen, jeder Farbe ihren psychologi-schen Sinn zu geben?»

Das Licht und die Strahlung

Das Licht und dessen Strahlung sind domi-nierende Elemente in den Bildern des Künst-lers. Er hatte sich mit den verschiedenen Lichterscheinungen bereits in den fünfziger Jahren befasst. Auf diese Faszination ange-sprochen, antwortete er: «Ich liebe die Sonne über alles. Für mich ist sie die lebenspenden-de Kraft schlechthin. Deswegen werte ich die Farben auf eine dritte Tönungsstufe auf, ich veredle sie gleichsam. Ich beleuchte ein Rot, Blau oder Grün, indem ich Schatten und Licht darauf gebe. Diese dritte Stufe ist die Strahlung. Das Rot ist eine Komplementärfarbe. Wenn ich es aufwerte, wird es zu einer egoistischen Far-be und erdrückt alles. Wenn ich jedoch einen Schatten darauf gebe und es mit Licht über-strahle, entsteht eine Balance und das Rot ver-liert seinen egoistischen Charakter. Ebenso ver-edle ich auch das Blau, als sei es ein Edelstein,

der vom Sand und Staub gesäubert plötzlich im Licht erstrahlt und zu glänzen beginnt. Das ist die Grundlage meiner Kunst: dieser sandige Edelstein, der gereinigt werden muss, um in vol-lem Glanz leuchten zu können.»

In St. Moritz sei er auf die Strahlung ge-kommen, «(…) in einer Gegend so voller Strah-len, dass der Schnee blendet und alles glitzert und Funken zu versprühen scheint.» Dort sei ihm klar geworden, dass er so viel Licht wie nur irgend möglich auf seine Bilder bringen müsse. Dort sei er auch drauf gekommen, «(…) dass Weiss eine Hilfsfarbe ist und man Schwarz nur verwenden kann, wenn man es mit Blau oder Weinrot mischt. Bei mir gibt es keine toten Farben.»

Viele seiner Bilder weisen schon im Titel auf die Thematik der Strahlung hin: Macht des Lichtes, Strahl der Hoffnung, Treffen im Licht. Aber es geht in seinen Werken auch um die innere, menschliche Ausstrahlung, etwa

Befriedigendes Licht. 1980-85,

Acryl auf Karton, 60x50 cm

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um Die Mystik der inneren Ausstrahlung, so der Name eines Bildes. Was meinte er damit?

«Jeder Mensch hat eine Aura und eine inne-re Ausstrahlung. Wenn jemand über die Gabe verfügt, jene Ausstrahlung, die von manchen Menschen ausgeht, zu übernehmen, sich anzu-eignen, so wird er in seiner eigenen Ausstrah-lung bereichert und kann sie dann seinerseits wieder auf andere Menschen übertragen. Der Bildhauer, der Maler, der Künstler muss die Fer-tigkeit erlangen, den Menschen zu vermitteln,

dass dieser Austausch ihre seelische Nahrung ist, die sie genau so brauchen, wie die Pflan-zen das Sonnenlicht. In meiner Malerei liegt die Kraft dieser Erkenntnis im Einsatz der Farbge-bung.»

Die Bedeutung der Form

Eine weitere Komponente in Tscheligis Werken ist die Bildgestaltung durch weich fliessende abstrakte Formen und zwischen diesen manchmal gelöste, gleichsam schwe-

Heute. 1986, Acryl auf Karton, 110x80 cm

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bende Figuren, meist nur schemenhaft, kaum als solche wahrnehmbar. Oft sind es weibliche Figuren, hie und da Paare, Mann und Frau, einander zugewandt oder aufei-nander zugehend. Gelegentlich sind auch ganze Gruppen sich in Bewegung befindli-cher, einander festhaltender, tanzender Fi-guren auszumachen. Eine solche Verschmel-zung abstrakter und figuraler Darstellung ist in der Malerei selten und ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Art der Darstellung?

Es sei nicht einfach, so zu abstrahieren, dass die Verbindung mit dem Menschen er-halten bleibe. «Wenn ich Menschen auf mei-nen Bildern erscheinen lasse, sind es lebendige Wesen, die im Mittelpunkt stehen und nicht als Staffage dienen: der Mann allein ist zu wenig, es bedarf der Frau, und dann noch des Drit-ten. Dieses Dritte ist die Liebe oder das aus der Beziehung entstande-ne Kind. Man findet in meinen Bildern sowohl weibliche als auch männliche Züge, wei-che und harte Striche. Diese Ausdrucksformen verwende ich auch in der nicht figuralen Ma-lerei. Ich verbinde die weichen und harten Formen zu einer Einheit. Das führte mich dazu, in der Abstraktion den Menschen ins Bild zu bringen. Die Bezeich-nung metaphysische Abstraktion hat sich

herauskristallisiert, als ich den Menschen mit seinen individuellen seelischen Eigenschaften in die mit Farben gefüllten Formen einbrach-te, womit die starren, geschlossenen Formen gleichsam aufgelöst wurden.»

Mit der betonten Hervorhebung von Händen als Motiv auf mehreren Bildern will der Maler deren Bedeutung hervorheben, «(…) dass alles, was der Mensch schafft, er mit seinen Händen, unter Anleitung des Gehirns vollbringt.»

Sein Umgang mit den Materialien

Vom Vater erlernte er die Herstellung von Farben, die sachgerechte Anfertigung von Zeichnungen, den Umgang mit dem Pinsel

Positive Eroberung (Mystery of Dance).

1965-70, Acryl auf Leinwand,

75x57 cm

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und wie man verschiedene Formen und Motive mit Hilfe von Kohlenstaub auf-pauste.

Tscheligi war ein Tüftler und Erfor-scher der Materialien. Er suchte nach Transparenz und nach der Darstellung des Lichtes. Seine Bilder und die Figuren darin sollten Leichtigkeit widerspiegeln. Das Pastell kam ihm diesbezüglich ent-gegen. Er hat sehr viel von Jenö Maróti Major gelernt, den er für einen der bes-ten Pastellmaler Ungarns hielt.

In jungen Jahren verwendete er am liebsten diese Kreide. 20 Jahre lang ar-beitete er mit Pastell. Sie eignete sich hervorragend zum sofortigen Festhal-ten von Impressionen. Man konnte da-mit lockere, schnelle Aufnahmen repro-duzieren. Zu jener Zeit entwickelte er

eine Technik, die es ihm ermöglichte, Schatten zu erzeugen, ohne sie eigens zu malen. Da er über sehr gute Materialkenntnisse verfügte, ließ er sich ein Fi-xativ anfertigen, mit dem die Tischler die Politur machten. Mit der in Spiri-tus aufgelösten dunklen Politur, vermischt mit dem in Wasser gehaltenen Fixa-tiv besprühte er den Teil eines Bildes. Die besprüh-te Fläche wurde dadurch dunkler, und er erzielte damit einen Durchsichtig-keitseffekt. Das waren die Anfänge seiner Transpa-

Bauernhof (Bélapàtfalva). 1948, Pastell auf Papier, 68x47 cm

Privatkonzert. 1960-65,

ölkreide auf Karton,

20x27 cm

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renz-Maltechnik. Sein Lehrmeister war er-staunt über die Wirkung aber die Technik hat Tscheligi ihm nicht verraten.

Andere Künstler besprühten ihre Pas-tellbilder einfach mit dem Fixativ und setzten das Bild dann unter Glas, oder sie pressten es zwischen zwei Glasscheiben, damit das Kreidepulver von dem Samtpa-pier nicht abbröselte. Tscheligi präparierte sein Papier mit einer Art Steinpulver so, dass es rau wie Schmirgelpapier wurde und dadurch eine gute Haftfähigkeit auf-wies. Die Fachwelt staunte über die Neu-erfindung.

Lange hatte er auch mit Öltempera gearbeitet, die er unter Hinzufügung von Leinsamenöl aus einem Quark-Kalk-Ge-misch herstellte. Aus dem Gemisch von Kalk und eiweisshaltigem Quark entstand eine Art Kaseinleim, durch den die Farbe gebunden wurde. Wegen ihrer guten Halt-barkeit hat man Öltemperafarben auch lange Zeit hindurch in der Glasmalerei bei der Anfertigung von Kirchenfenstern ver-wendet.

Der Künstler als Lehrer

Lajos Tscheligi verstand sein künstleri-sches Schaffen nicht nur als reiner Selbst-zweck zur eigenen Verwirklichung. Er woll-te sein Wissen und Können, welches er von seinem Vater und seinen Lehrmeistern erworben, weiterentwickelt und angerei-chert hatte, der jungen Generation zu-gänglich machen. So gründete er 1959 in Chur eine Schule für angehende Maler. In der Kleinstadt gab es damals keinerlei In-

stitution, an der Künstler ausgebildet wur-den. Diese Schule unterhielt er zwölf Jahre lang, um seinen Schülerinnen und Schü-lern seine Atelier-Geheimnisse weiterzu-geben. Er lehrte sie alles, was er wusste, von der Grundierung der Leinwand bis zur Zusammenstellung der Farben und den unterschiedlichen Maltechniken. Vor allem in technischer Hinsicht versuchte er den Menschen zu helfen, die sich zur Malerei hingezogen fühlten. Es kamen Studieren-de aus allen Schichten der Bevölkerung. Er versuchte sie zu überzeugen, «(...) dass die Kunst das Leben der Menschen erleichtert und Farbe in das Grau des Alltags zaubern kann.» Er teilte sein Wissen und machte so seine Welt für andere erlebbar.

Die St. Moritzer Atelier-Galerie

Immer wieder zog der Künstler aus der Familienwohnung in Chur an den Ort im Engadin, wo er ein kleines Malatelier bewohnte. Umgeben von der Natur und vor allem von dem funkelnden, strahlenden Licht des Hochtals, konnte er sich ganz seinen Inspirationen hingeben: «Ich sitze in meinem kleinen Atelier, das gleichzeitig auch als Galerie dient, vor der leeren Leinwand und überlege, was ich gestalten soll. Den Namen des Bildes lege ich als erstes fest. Es vergehen ein bis zwei Stunden, bis sich meine Vorstellungen herauskristallisieren. Ich stelle mir zwei Menschen vor, zwischen denen zunächst einmal nur Sympathie besteht. Allmählich wird aus der Sympathie Liebe, und sie überlegen, ob sie vielleicht gemeinsam leben wollen. Und dann entsteht aus der Liebe etwas Weiteres… So meditiere ich eine Weile. Meine Bilder entstehen nicht, indem ich mich

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Landschaft im Engadin. 1978, öl und Acryl auf Karton, 47x38 cm

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auf die Leinwand stürze und mit ihr kämpfe, wie Don Quichote mit der Windmühle, sondern ich phantasiere und denke mir eine Geschichte aus. Nur so bringe ich etwas zustande. Ich stelle mir also vor, wie sich das Gefühl der beiden zur Liebe steigert. Es überkommt mich eine ehrfürchtige Andacht, und ich beginne, die Farben aufzutragen. Das verleiht mir eine solche Inspiration und Schaffenskraft, dass ich mich wie in Trance fühle. Zwei Menschen gehen aufeinander zu. Irgendeine Vibration sagt ihnen, dass sie beieinander sein wollen. Ich versuche, das Entstehen dieser seelischen Verbindung, diese zarten Schwingungen bildlich darzustellen. Ich male und male, bis dann irgendwann der Augenblick kommt, in dem ich sagen kann: Jetzt ist das Bild fertig. In solch meditativen, übersinnlichen Zuständen kommen meine Bilder zustande.»

Die Kritiken und seine Akzeptanz in der Fachwelt

Ein Kritiker schrieb anlässlich von Tscheli-gis erster Ausstellung 1943 in der Kunst-halle der Budapester Kossuth, wo er in Öl und Aquarell gehaltene Landschaftsbilder erstmals einem grossen Publikum vorstell-te, dass der Maler ein zutiefst echter Ungar sei, der das Rauschen des Wassers höre, den Atem der Steppe spüre «(…) und all die Frische, die der Natur entspringt». Diese ers-ten Kritiken waren gut, die Zeitungen voll des Lobes.

Tscheligi lebte zwischen 1964 und 1965 in den USA. Seine Bilder wurden dort immer wieder an den unterschiedlichsten Orten gezeigt. Die bedeutendste Ausstellung fand 1967 im Museum of Modern Art in Miami statt,

interessant war aber auch jene in der Volta Place Gallery in Washington DC, 1968

Die Fachwelt sah in ihm einen Forscher, einen Künstler auf der Suche. Er hatte die drei Thesen der abstrakten Kunst aufge-stellt, und damit experimentierte und da-raus schöpfte er.

Kirche in St.Moritz. 1962, Acryl auf Karton, 50x40 cm

Engadiner Licht. 1972-78, Acryl auf Leinwand, 60x80 cm

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Auch in Paris war er akzeptiert. 1983 wurde er auf der Ausstellung des Salon de l‘Automne im Grand Palais mit dem Baron Taylor Preis ausgezeichnet, seiner sechsten Anerkennung in Frankreich. Gewürdigt wurden in erster Linie seine metaphysisch abstrakten Darstellungen. Die Jury vertrat die Ansicht, dass diese in der Malerei wohl einzigartig seien.

Der Künstlerkollege und Schüler Béla Tillés schrieb 1991 in einem Artikel über Tscheligi: «Alle seine Arbeiten dienen der ge-meinsamen Erfassung der kosmischen und der in uns schlummernden Schönheit sowie der Vermittlung jener Freude, die durch de-ren Erkenntnis entsteht.» Alles Zarte, Schö-ne hatte Tscheligi von jeher fasziniert. Für ihn war jeder Mensch schön, gleichgültig, wie er aussah. Es gab keine hässlichen Menschen. «Ich muss irgendeine Fähigkeit haben, all das festzuhalten, was ich schön finde auch wenn es anderen Menschen viel-leicht gar nicht schön erscheinen mag.» Und da er in den Menschen und den Dingen stets die Seele suchte, malte er nicht nur die Oberfläche, das Äußere, sondern auch die innere Schönheit.

Von einer Journalistin darauf angespro-chen, wie glaubwürdig denn seine Bilder seien, wenn sie doch nur das Schöne, die Liebe und die Harmonie zum Ausdruck bringen würden, nicht aber das Böse, das Unvollkommene, das Chaos, den Krieg und all das viele Schlechte und Schlimme, das uns ebenfalls umgibt, sagte er: «Ich habe die Hölle durchlebt, wie ich sie mir schlimmer kaum vorstellen kann. Ich bin so viel Grauen-vollem begegnet, habe so viel Schreckliches

Vergangenheit und Zukunft.

1994, Acryl auf

Leinwand, 60x60 cm

Von der Realität im Geistigen. 1990-93, Acryl auf Leinwand, 70x80 cm

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Innere Extase. 1996-98, Acryl auf Leinwand, 60x60 cm

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gesehen, habe zwischen Leichen geschlafen, stand vor der Hinrichtung; meine Kameraden sind vor meinen Augen gestorben. Ich habe einen Zyklus gemalt, mit dem Titel: Nach dem Atomkrieg. Doch dann habe ich mir ge-schworen, nie mehr solche Bilder zu malen.» Im weiteren Verlauf seines Lebens war er bestrebt, den Menschen Freude zu berei-ten. Er bewahrte einen Teil dieses Zyklus auf, genannt Die letzten Soldaten, aber er wollte nie wieder Soldaten sehen.

Neben der Schweizer Künstlervereini-gung war er auch Mitglied der Künstler-akademie von Rio de Janeiro, Brasilien. «Ich reise in der Welt herum, um zu sehen, was an-dere machen. Ich hatte immer den Wunsch zu lernen, viel zu sehen, soviel wie möglich in mich aufzusaugen und mich mit anderen zu vergleichen. Ich habe kein anderes Ziel, als mit dem Talent, das mir geschenkt ist, Freude zu bereiten. Ich male so, wie ich malen will, und ich fühle eine Berufung, so zu malen. Wenn ich damit akzeptiert werde, freut es mich natürlich; wenn nicht, werde ich den-noch weiterhin so malen. Viele Menschen sind der Ansicht, die abstrakte Kunst sei in einer Sackgasse. Meiner Ansicht nach und in meinem Verständnis ist sie der Triumph der Seele über die Materie.»

Die letzten Soldaten. 1962, Acryl auf Karton, 50x40 cm

Nach dem Atomkrieg. 1962, Acryl auf Karton, 49x34 cm

AUSSTELLUNGEN

1943 Szalmazi Galerie, Budapest, Ungarn

1958 Calanda Saal, Chur, Schweiz

Salon des Independants, Paris,

Frankreich

1959 Ungarische Galerie, Bern, Schweiz

1960 Rathhaus Saal, Vaduz, Liechtenstein

1961 Galerie Knöll, Basel, Schweiz

Sur Punt Galerie, St.Moritz, Schweiz

1963 Stellword Galerie, London,

Grossbritannien

Grand Palais, Paris, Frankreich

Martines Hotel, Cannes, Frankreich

1964 Galerie d Art Moderne, Chur, Schweiz

Salon de Automne, Paris, Frankreich

1965 Potel-Bolden Galerie, Odensee,

Danemark

Bonfoy Galerie, Cleveland Ohio, USA

Kursaal, Arosa, Schweiz

1966 Sante-Landweer, Amsterdam,

Niederlanden

Genteinde Haus, Arosa, Schweiz

1967 Aztek Museum, Tucson Arizona, USA

High Plains Galerie, Amarillo, Texas, USA

Museum of Modern Art, Miami,

Florida, USA

1968 Bodor Galerie, Los Angeles, USA

Kursaal Bad Ragaz, Schweiz

Volta Place Galerie, Washington, USA

1971 Galerie Quader, Chur, Schweiz

1973 Keller Galerie, Aarau, Schweiz

Salon des Independants, Paris,

Frankreich

1974 Jate Club Galerie, Rio de Janeiro,

Brasilien

1976 Museum der bildende Künste,

Lausanne, Schweiz

1980 Parade Galerie, Zürich, Schweiz

1983 Galerie bei Rathaus, Zug, Schweiz

1986 Kulturzentrum Laudinella, St.Moritz,

Schweiz

1988 Huebeli Galerie, Langenthal, Schweiz

Creval Galerie, St.Moritz, Schweiz

1989 Galerie Devon Art, Hong Kong

Rathaus Galerie, Bad Ragaz, Schweiz

Alte Kirche, Härkingen, Schweiz

1993 Csok Galerie, Budapest, Ungarn

Szechenyi-kastely, Nagycenk, Ungarn

1999 Kreuzspital Galerie, Chur, Schweiz

2004 Hotel «Kempinski» St.Moritz, Schweiz

2006 Alte Kirche, Härkingen, Schweiz

AUSZEICHNUNGEN

• Membre du Salon des Indépendants, Paris, depuis 1958

• XIV. Grand Prix International de Peinture de Deauville, Diplôme Offi ciel 1963

• XIV. Grand Prix International de Peinture de Paris, Grand Finaliste 1963

• Croix de Chevalier du «Dévouement Social» Paris

• Médaille d`Or du «Dévouement Social», Paris 1970

• Médaille d`Or «Baron Taylor», Paris 1983

• «Pro Cultura Hungarica» Gedenkplatte verliehen vom Minister

für das Nationale Kulturerbe der Republik Ungarn Budapest 2003

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