Wirtschaft s Geschichte

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16 nuskriptabgabe - auf des Verfassers Sollkonto, auf dass eines schönen Tages in neuen Fassung eine makellose Bilanz daraus erwachse. Schließlich gibt der Verfasser erleichtert Kunde von seiner zur Gewissheit wordenen Annahme, nicht von allen guten Geistern verlassen, sondern von solchen umgeben zu sein. Sie tragen die Namen Dr. Norbert Schneeloch und Dr. Fischer, die der Habenseite des Kontos erhebliches hinzugefügt und den Autor vor Entgeisterung bewahrt haben. Dank gebührt darüber hinaus Prof. Dr. Wolfgang Mühlfriedel, Dr. Antje Voigt und Gudrun Töpel für zahlreiche Hilfestellungen aller Art. Ich möchte dieses Buch meiner Frau widmen, die neben unzähligen Vorzügen einen ganz besonderen genießt: Wirtschafts- und Sozialgeschichte interessiert sie nicht im geringsten. Sie ist deshalb in der Lage, mich völlig unvoreingenommen nicht als Wissenschaftler, sondern als Mensch zu nehmen. Ebendies braucht der Wissenschaftler und ist dankbar dafür. Jena, im Herbst 1995 Rolf Walter Vorwort zur fünften, überarbeiteten und aktualisierten Auflage Die ersten vier Auflagen erfreuten sich guter Resonanz, breiter Aufnahme und der erwünschten konstruktiven Kritik. Soweit möglich, habe ich die kritischen Ein- würfe berücksichtigt und danke dafür. Anregungen sind selbstverständlich weiter willkommen. Bei der Vorbereitung der Drucklegung für diesen Band erfuhr ich nachhaltige Unterstützung durch Gudrun Töpel, Jeanette Granda M.A. und Dipl.-Volkswirt Andre Sonntag. Ihnen sei dafür.herzlich gedankt. Jena, im Herbst 2010 Rolf Walter c . ..... 1: Wozu Wirtschaftsgeschichte? 1 ·· Zeit, Raum, Materie, Mensch 17 überseeischen Expansion nach Westen, die mit der zufälligen Entdeckung tli.(:rikas durch Kolumbus gegen Ende des 15. Jahrhunderts ihren vorläufigen erlangte, begann die Menschheit der Alten und der Neuen Welt, sich zu lernen. Neue Produkte gelangten hier wie dort auf den Markt und ver- erten nach und na<eh die Nahrungs- und Lebensgewohnheiten. Man denke nur :·::''''Jdie Kartoffel, den Kakao oder den Tabak. Das europäische Mittelalter kannte weder Pommes Frites noch Schokolade noch Raucher. Mit den Verände- x:::::::·:: > en der materiellen Kultur im Windschatten der Flotten des Genuesen gingen :1,9ch auch neue Vorstellungen hinsichtlich Raum und Zeit einher. Der Handel ;'.'''\ "elt kräftige Impulse, und es kam zu beträchtlichen räumlichen und struktu- Veränderungen im Laufe der Frühen Neuzeit, wie es die zwei Globen des tSösischen Wirtschaftshistorikers Fernand Braudel im Vergleich der Jahre 1500 xjfuij 1775 andeuten: ... x.J!i! ,: 1: Die Expansion der europäischen Wirtschaft in Gestalt der wichtigsten Welthandelsbeziehungen 1 l 1 ''I

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nuskriptabgabe - auf des Verfassers Sollkonto, auf dass eines schönen Tages in neuen Fassung eine makellose Bilanz daraus erwachse.

Schließlich gibt der Verfasser erleichtert Kunde von seiner zur Gewissheit ge~ wordenen Annahme, nicht von allen guten Geistern verlassen, sondern von solchen umgeben zu sein. Sie tragen die Namen Dr. Norbert Schneeloch und Dr. Fischer, die der Habenseite des Kontos erhebliches hinzugefügt und den Autor vor Entgeisterung bewahrt haben. Dank gebührt darüber hinaus Prof. Dr. Wolfgang Mühlfriedel, Dr. Antje Voigt und Gudrun Töpel für zahlreiche Hilfestellungen aller Art.

Ich möchte dieses Buch meiner Frau widmen, die neben unzähligen Vorzügen einen ganz besonderen genießt: Wirtschafts- und Sozialgeschichte interessiert sie nicht im geringsten. Sie ist deshalb in der Lage, mich völlig unvoreingenommen nicht als Wissenschaftler, sondern als Mensch zu nehmen. Ebendies braucht der Wissenschaftler und ist dankbar dafür.

Jena, im Herbst 1995 Rolf Walter

Vorwort zur fünften, überarbeiteten und aktualisierten Auflage

Die ersten vier Auflagen erfreuten sich guter Resonanz, breiter Aufnahme und der erwünschten konstruktiven Kritik. Soweit möglich, habe ich die kritischen Ein­würfe berücksichtigt und danke dafür. Anregungen sind selbstverständlich weiter willkommen. Bei der Vorbereitung der Drucklegung für diesen Band erfuhr ich nachhaltige Unterstützung durch Gudrun Töpel, Jeanette Granda M.A. und Dipl.-Volkswirt Andre Sonntag. Ihnen sei dafür.herzlich gedankt.

Jena, im Herbst 2010 Rolf Walter

~;:111:

~illllli c . ..... :~,,~inführung 1: Wozu Wirtschaftsgeschichte?

1 x.:~~~t~~~} ~ ~]~~?>< ·· .·~Dimensionen: Zeit, Raum, Materie, Mensch

17

~!!:·.::::' ~.::~::.:::-)per überseeischen Expansion nach Westen, die mit der zufälligen Entdeckung

tli.(:rikas durch Kolumbus gegen Ende des 15. Jahrhunderts ihren vorläufigen ":<:~epunkt erlangte, begann die Menschheit der Alten und der Neuen Welt, sich ~:':'j#ien zu lernen. Neue Produkte gelangten hier wie dort auf den Markt und ver­

:~'.'»'. erten nach und na<eh die Nahrungs- und Lebensgewohnheiten. Man denke nur :·::''''Jdie Kartoffel, den Kakao oder den Tabak. Das europäische Mittelalter kannte :i~funach weder Pommes Frites noch Schokolade noch Raucher. Mit den Verände­x:::::::·:: > en der materiellen Kultur im Windschatten der Flotten des Genuesen gingen :1,9ch auch neue Vorstellungen hinsichtlich Raum und Zeit einher. Der Handel ;'.'''\ "elt kräftige Impulse, und es kam zu beträchtlichen räumlichen und struktu­,~'.''''' ~n Veränderungen im Laufe der Frühen Neuzeit, wie es die zwei Globen des

tSösischen Wirtschaftshistorikers Fernand Braudel im Vergleich der Jahre 1500 xjfuij 1775 andeuten:

~·:"' ...

x.J!i! ,: ~Stellung 1: Die Expansion der europäischen Wirtschaft in Gestalt der wichtigsten Welthandelsbeziehungen

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Nichts hat sich im Verlauf der Geschichte mehr geändert als der Umgang des Men­schen mit bzw. seine Einstellung zu der Zeit. Ein wesentlicher Unterschied der Jahre 1835 und 2010 ist demzufolge der zwischen einer Lokomotive namens ,,Adler" und dem ICE. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden beträgt ca. 270 km/h. Dieser Unterschied steht symbolisch für die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Die täg­lich erlebbare Geschwindigkeit hat sich seit der frühen Eisenbahnzeit, als man 30 km/h für das Nonplusultra hielt, vervielfacht. Zeitgefühl und Zeitvorstellungen des Menschen haben sich im Gefolge technischer Basisinnovationen dramatisch verän­dert (Darstellung 2). Sie sind auch ein Ausdruck gesellschaftlicher und wirtschaft­licher Wandlungsprozesse. Zeitknappheit bestimmt die moderne Gesellschaft. Mit solchen Phänomenen hat sich die Wirtschaftsgeschichte auseinanderzusetzen. So ist Wirtschaftsgeschichte also immer auch eine Geschichte der Zeit und ein Stück Gesellschaftsgeschichte.

Darstellung 2: Eine Geschwindigkeitstrendkurve 10-1

/ /interstellares

/ Raumschiff

/ Atomrakete? - i Ainterplanelares 71 . Raumschiff

I i Auatritte-geschwindigkeit

~

Salami geschwindigkeit

1950 2000

Quelle: Bell, Daniel: Die nachindustrielle Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1979, S. 209.

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man nach den grundsätzlichen Möglichkeiten, die Wirtschaftsgeschichte zu „:„:,. urieren, einzuteilen, sich ihr analytisch zu nähern, so bieten sich verschiede­

:: ''J.t\4öglichkeiten an. In der Regel verfolgt sie die Entwicklungen im Zeitablauf, ~::::::' chronologisch. Oft erfasst sie Zusammenhänge jedoch auch strukturhistorisch, :''';?~~i sich verschiedene Zugriffsebenen anbieten. Auf sie wird in Darstellung 3 :-:·:·:·:-:-:-··

.::;;;::.•.ewiesen. A\!! ~an wird sich natürlich auch ganz generell fragen: Wozu Wirtschaftsgeschich­·~~,j~ wirtschafts- oder geschichtswissenschaftlichen Studium? Darauf könnte man

~::'::>,~ einem kurzen und viel erklärenden Satz antworten: Perspektive durch Re-tf::::: .ektive, respektive: keine Perspektive ohne Retrospektive. Es ist die Rede

;';''';~ifer historischen Bedingtheit unserer Gegenwart. Geschichtskenntnis kann vor """'''''' "chtigkeit schützen, kann bewahren vor der Wiederholung bereits in der Ver­

nheit begangener Fehler. Wenn vorliegendes Buch hier eine bescheidene Erste

•1;.: =:.:::.:::::~::::=:~., ..:~1:.:::::bemographische Struktur (Bevölkerungsentwicklung, Mortalität, Fertilität, Entwick-

~:::::::::<::

.2::?1i.1ngsdynamik, Alterspyramide etc.) ::;:::::::::::::•··· jfü\fü$oziale Struktur (Gesellschaftsschichten, .Klassen", soziale Mobilität, Verflechtungs-

1:~:\\\\\! beziehungen, Sozio-Matrix etc.)

:]!\!!:!~onomische Struktur (Sektoren, mikro- oder makroökonomische Domäne, Stand­

;;\\\\!\!:'9rt- bzw. Raumwirtschaftstheorie, „ökonomische Entfernungen", Produktivitätsgefäl-

1\:%/:le, ,ökonomische Grenzen" etc.)

\:]:'Politische Struktur (Verfassung, Gesetzgebung, Gewaltenteilung, politisches Sys­

~:m:u~m. Einbindung in metapolitische Institutionen etc.)

„]\\1Mentale Struktur (Konfessionen, nationale Identität, anthropologische Eigenheiten

>!\\\!::~. Ausprägungen, Verhaltensnormen, Motive, Bedürfnisse, Triebkräfte etc.)

<~~1:.·111 • ~:~:~:~:}\:

\.,A#,mit Wirtschaftstheorie in Berührung kommt, wird zwangsläufig mit der Frage <:'::]#rontiert: Wie sind ökonomische Theorien, Modelle, Gedankensysteme über­.:~'';''':' :Pt zustande gekommen? Beim Versuch, diese Frage zu beantworten, betreibt

~""''''::: ) bereits Wirtschaftsgeschichte, genauer: volks- oder. betriebswirtschaftliche ..:.:::;::::'jpengeschichte. Wer eine Theorie von ihrem Ursprung bis zu ihrer gegenwär­

;::~''''. ij: Gestalt verfolgt, lernt die Etappen ihrer Entwicklung erkennen, lernt sie zu %'.;':':';'.: ~en und prägt sie sich tiefer ein. Deshalb erfüllt das Fach Wirtschaftsgeschich­:;;:::Jlch eine wichtige propädeutische Funktion. Sie hilft, das wirtschaftswissen­}~iche Ganze von seiner Wurzel her zu erschließen. Der Wirtschaftsgeschichte

Ir

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kommt darüber hinaus eine erklärende Funktion zu. Sie hat beispielsweise zu klären, wie sich ökonomische Institutionen und Wirtschaftssysteme im L...\..H<'-'J""-'LLI.

entwickelten und welche Kräfte dies bewirkten. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, wo es meist um in sich 1u1'!,'".._,,,

geschlossene Systeme geht, handelt es sich bei den Sozialwissenschaften häufig um offene, qualitativ komplexe Systeme ohne erkennbaren Algorithmus. Dies hat be­trächtliche Konsequenzen. Besonders problematisch in den Sozialwissenschaften ist zuweilen die Annahme des Gleichbleibens einer gewissen Zahl von Variablen (die Ceteris-paribus-Klausel). Da es sich in der Geschichte um einen Prozess permanenter Veränderung als Resultat zahlloser individueller Lernprozesse handelt, für die ein Algorithmus nicht oder noch nicht gefunden wurde, ist die Annahme teilweiser oder ganzer Unveränderlichkeit generell untauglich. Die Kontexte des Jahres 1349 sind deshalb völlig andere als die des Jahres 1347, die des Jahres 1492 andere als 1493 und die des Frühmorgens des 11. September 2001 ziemlich andere als jene des Nachmittags desselben Tages.

Die Naturwissenschaften beobachten ihren Gegenstand lediglich von au­ßen. Im gravierenden Unterschied dazu gibt es in den Humanwissenschaften die Schwierigkeit der adäquaten Berücksichtigung des „Innen" und ,,Außen". Es exis­tiert also eine Gemeinsamkeit von Untersuchendem und Untersuchtem: bei bei­den handelt es sich um sprachf.ihige Menschen mit der Fähigkeit zum Austausch verbaler Informationen. Jede Handlung hat eine Außen- und eine Innenseite. Die Außenseite repräsentiert alles sinnlich Wahrnehmbare, die Innenseite den dahinter liegenden Gedanken. Jedes historische Ereignis besteht aus der Einheit der Außen­und Innenseite. Demgegenüber besitzt das Objekt der Naturwissenschaften ledig­lich eine wahrnehmbare Außenseite.

In der Regel nähert sich der lljst~riker seinem Gegenstand von der Außenseite und kommt zu Rückschlüssen :;i.uf die Motive einer Handlung, d.h. auf die Innen­seite. Je dichter die Erkenntniss~e über die Außenseite sind, desto verlässlicher lässt sich daraus auf die Intention schließen. Die Aufgabe des Historikers ist demzufolge letztlich die Rekonstruktion der Idee. Dies haben schon der Althistoriker Johann Gustav Droysen (1808-1884) in seiner Geschichtstheorie („Historik") und der Geschichts- und Kulturphilosoph Wilhelm Dilthey (1833-1911) in seiner Arbeit über den Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften so gesehen. In der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, deren Hauptbetrachtungsgegenstand öko-. nomisches Entscheiden und Handeln aufgrund bestimmter Intentionen ist, kommt der Ausleuchtung des Inneren, z.B. der Bedürfnisse und Triebkräfte, eine zentrale Rolle zu. Bei der Rekonstruktion von Motiven ist der Wirtschaftshistoriker dabei

. an ein Kritierium gebunden, das zuweilen mit dem Begriff der psychologischen

a1:::1 '.~liehe Begegnung 21

]JJ!JJ!\~ nz beschrieben wird. Hier geht es um eine Art Wahrscheinlichkeitsabschät­

·'.'''.' des Auftretens von Motiven in bestimmten historischen Kontexten bzw. zu "'.'.:':':'.:\ erungen an den Idealtypus der historischen Gewissheit.

i)\\\\lllutägliche Begegnung mit der Wirtschaftsgeschichte „„„. / Ihren Begriffen

„„.,. g wird man in Vorträgen, in den Medien oder im Alltag mit Begriffen kon­·:'~'''):i~.rt, die wirtschaftshistorischen Charakters sind und die nicht verstehen kann, x:::~~ich nicht der Unbequemlichkeit der Retrospektive hingibt. !:iii[~usendmal wird täglich der Begriff.Börse verwendet. Wertpapierbörse, Aktien­:'''''' } Geldbörse (im Sinne von. Geldbeutel) etc. Auch dieser Begriff ist wirtschafts­'''''''? ·eh zu erklären. Im mittelalterlichen Brügge fanden vor dem Haus der patrizi­:'.'''''.·> Familie van der Buerse die ersten regelmäßigen Versammlungen lombardischer ~.]~@eure statt. Dieses regelmäßige Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage ~3\m*em bestimmten Ort mit dem Ziel bzw. Ergebnis einer offiziellen Preis- und ::'''''.'.$estimmung nannte man dann auch weiterhin Börse. Begriffe wie Bankrott, '.,,.,.,„... ditgesellschaft, Lombardkredit, Indossament, Agio/Disagio, Girover-

·:':::''.) etc. werden häufig verwendet. Sie sind wirtschaftshistorischen Ursprungs, und :'."'\i!t<ennmis ihrer Wurzeln lässt uns die alltägliche Wirtschaftspraxis wesentlich bes­.·::::\:*~.rstt;hen. Der leider häufig vorkommende Begriff Bankrott (Banca rotta, ita­'~''? eh: die zerschlagene, leere Bank) erinnert an den Geldwechsler des oberitalie-

i::::'!}en Mittelalters, der inmitten des Marktplatzes zur Markt- oder Messezeit bzw. ~:\fl~r abschließenden Zahlungswoche seinen Tisch aufbaute und darauf Säcke mit .''''} \schiedlichen Geldsorten zum Tausch liegen hatte. War der Tisch leer, hieß dies, ~::::::;:Wechsler hatte kein Geld mehr. Dasselbe trifft auf den Bankrotteur zu. Von der ~'.":"' ezeit war die Rede. Dieser Begriff hängt bei näherem Hinsehen mit der geistli­'"::;:::;::/Messe zusammen, nämlich insoweit, als im Mittelalter meist nach dem Kirch­·~(::::t, also nach der Heiligen Messe, der Einkauf auf dem Markt an oder nahe der :·:'t~e erledigt wurde und man dann im Laufe der Zeit das Wort auch allgemein

„.,,,,,::§konomische Zusammenkünfte verwendete. Heute ist ganz selbstverständlich von „,,,,,, ):luchmesse, der Automobilmesse, der Spielwarenmesse usw. die Rede, ohne gleich

":''''''. . iationen mit dem gleichnamigen kirchlichen Zeremoniell hervorzurufen. ~iiii!!:(~ Alltag werden wir täglich mit Namen konfrontiert, die wir zwar oft gehört ;'.'~'.I gelesen haben, deren Ursprung uns aber nicht deutlich ist. Besonders häufig

„„,::::::; gnen uns historische Orts- und Familiennamen, deren etymologische Ent­']isselung ein erster Weg ist, Aufschluss über ihre Geschichte zu gewinnen, etwa ;:>den Herkunftsort (Bamberg( er), Schweizer, Hesse, Bayer, Adenau( er) usw.) oder

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22 Wozu Wirtschaftsgeschicht~~l\'i!:·

die Wohnstätte (Klamm(er), Thal(er), Eben(er), Flach, Berg(er) etc.). Meist deute.illll: der Name auf Beruf, Amt und Stand des ersten Namenträgers hin, wobei Müllet ')f Schmidt, Schneider, Fischer und Meyer die am zahlreichsten vorkommenden sind]:;: und kulturgeschichtlich interessanten Aufschluss geben über die starke Entfaltung ,\\\j;

dieser Berufe im Mittelalter. Oftmals gibt es diese Berufe gar nicht mehr, so dass nur \\\\' noch die Namen von ihrer früheren Existenz zeugen (Darstellung 4). Ähnliches gil~'(((j~ für Ortsnamen, Straßenbezeichnungen und dergleichen. Umbenennungen waren im)!!\i Übrigen zu Beginn der Neuzeit jederzeit möglich. So ist beispielsweise bekannt, das$ <~: Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, ursprünglich Henne Gensfleisch hieß.

Nun kann jeder selbst einmal seinen reichen Wortschatz durchforsten und mög.,: licherweise erkennen, dass viele der tagtäglich verwendeten Begriffe sehr viel mit Wirtschaftsgeschichte zu tun haben. Das Plädoyer: mehr Sensibilität für die ~·· griflliche Umwelt!

Darstellung 4: Früher Berufsbezeichnung - heute Familienname

Agricola Bauer

Auermacher Uhrmacher

Euler Töpfer

Fechner Pelzhändler

Ganser Geflügelhändler

Geis(e)ler Viehhändler

Glotzenmacher Holzschuhmacher

Hodler Fuhr- und Kaufmann

Hucker Krämer

Karter Wollkämmer-

Kessler Kesselscnrt)ied'

Pagenstecher Fohlenbeschneider

Pfister Bäcker

Scheibler Salzhändler

Schopenhauer Holztroghauer

Schröter, Schröder Tuchschneider

Sammler Weißbrotbäcker

Tandler Trödler, Hausierer

Wurzler Gewürzhändler

Quelle: Ribbe, Wolfgang/Henning, Eckart: Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung, 11. vollst. neu bearb. u. erw. Aufl., Neustadt an der Aisch 1995, S. 508-516. (Auszug).

.durch Retrospektive 23

~ve durch Retrospektive

.§tt~~~::::::· :.:::;::]$tvon auszugehen, dass man mit der präzisen Kenntnis des Vergangenen

„.:::;\\ler die Zukunft zu erkennen oder einzuschätzen vermag. Bei der Progno­.'..,W::)Virkung des Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumente ist neben dem

„„,,,„. theoretischen und dem ökonometrischen Konzept als dritte wesentliche

der Rückgriff auf historische Erfahrungen und empirische Evidenz erfolg­„::,.,,,,„ end und kann vor wirtschaftspolitischer Torheit schützen. So hätte man

':::::~\\lpspiel in den 1970er Jahren annehmen können, dass eine an John Maynard ~::::':': )grientierte Politik des deficit spending scheitern musste, eine Politik also, die ":::''''.'.„), unter Inkaufnahme der Verschuldung der öffentlichen Haushalte Nach­.~~::''\!i stimulieren und damit die Konjunktur anzukurbeln und Arbeitsplätze zu .:':';';'LJ Sie war einer Bevölkerung nicht zu vermitteln, die ein- oder mehrmals ·::'.'.'.'.lt nämlich 1923 und in den 1940er Jahren - durch staatliche Überschuldung ".,J~aus resultierende offene oder versteckte Inflation enorme Vermögensver­„'.''.'.'i\itte hinnehmen müssen. Jene Generation der dreißiger Jahre, die nach dem .,.,.,.,.,, h die Hauptwählergruppe bildete, ·verband mit den Begriffen „Staatsver-

' ", „Inflation" oder „Defizit" denkbar negative Erfahrungen und war da-~o stark sensibilisiert, dass eine darauf basierende Wirtschaftspolitik kaum

,,,,,,,,,.Jtsfähig sein konnte. Dagegen war eine solche Wirtschaftspolitik des deficit :'.'.;'.''.,,;'.#t in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo andere Erfahrungshorizonte „;:;'.;'.)ien waren und die Inflation nicht in dem Maße politisch instrumentalisiert

:::::<:::;,:)wie in Deutschland, eher durchsetzbar (Heuss, Grundlagen, S. 27). Dieses ·::;:·']#Ikönnte zeigen, wie wichtig es ist, die historische Erfahrung und das kol­;';::; )Gedächtnis der Gesellschaft mit in den Datenkranz wirtschaftspolitischer „„,„., (:idungen einzubeziehen.

,, ~en diesen konkreten Beispielen des Lernens aus der Geschichte ist es das „„„ >µlernen von ähnlichen Verlaufsmustern und die Aufdeckung struktureller

'.::;:;',J~gien, die Lehren aus der Vergangenheit ziehen lassen. Hier sind Prozesse der „~::::::':.wutionären Dynamik und das Lernen des Umgangs mit qualitativer Komple­:.Jyon besonderem Interesse, worauf unten (im Abschnitt über die Evolutorische

::::::::: „ aftsgeschichte) noch näher eingegangen wird.

:~:::::r „:::Jfew Economic History und der Nobelpreis 1993 ")zwei Wirtschaftshistoriker

s~~~~~~~f~~~r:: „ ~;,,,~ ~rhielten zwei amerikanische Wirtschaftshistoriker den Nobelpreis für Wirt-

„.,.,, ·· issenschaften: Robert W Fogel und Douglass C. North.

Page 5: Wirtschaft s Geschichte

24 W9zu WirtschaftsgeschichtJllll:

Robert W Fogel (* 1926) war Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Uni~llll!· versität Chicago/USA. Er gehört zu einer Gruppe amerikanischer Wirtschaftshisf!(/ toriker, die Ende der 1950er und irt den frühen 1960er Jahren die so genannt'~:r „Neue Wirtschaftsgeschichte" (New Economic History) etablierten, die zuweile~!i!f auch unter der Bezeichnung ökonometrische Geschichte (Econometric History}'!i!!!: oder Kliometrik (cliometrics) auftaucht. Weltanschaulich gesehen gehört Fogel zM:il·· den Positivisten. Für den Positivismus beschränkt sich die Forschung auf das, w~)i[ gezählt, gemessen und gewogen werden kann. Fogel 'ging es um die Entdeckung!!!L und Darbietung numerischer Information über historische Prozesse, wobei er Ja~r mit nicht der ~rste, sondern nur einer der ersten war, die versuchten, statistisch~!!!: und mathematische Modelle in der wirtschaftshistorischen Forschung anzuwen1!f den. Diese Forschungsrichtung trat in den 1960er Jahren in Amerika mehr un~!!ii mehr in den Mittelpunkt. /]!\

Die ökonometrische Geschichtsforschung fand bald zunehmende Beachtung!:( und rief ebenso schnell Kritiker hervor. Dem Italiener Carlo M. Cipolla war ~!!!!: „New Economic History" zu wenig historisch (Cipolla, lntroduction). Der deutsche~i[t' in Amerika lebende und wirkende Wirtschaftshistoriker Fritz Redlich (Redlich, Apji!!!~ proaches) bemängelte, die ökonometrische Geschichte beruhe auf hypothe.tischetii!t Modellen, die nie verifiziert, d.h. bestätigt werden könnten; ihre Methoden seie~:::::· anti-empirisch und anti-positivistisch. Redlich behauptete, die neue Arbeitsweis~]~ bringe häufig nicht Geschichte, sondern nur „Quasi-Geschichte" hervor. Gleichf ~)i:· wohl sah auch er 1965 realistisch voraus, dass das strenge Entwickeln hypothetiscM!!!!' deduktiver Modelle in der Wirtschaftsgeschichte weiterhin gepflegt und neue Persdi!!: pektiven hervorbringen werden würde. Fogel war es dann, der 1967 zusammen mi~::::: Stanley L. Engerman (* 1936) eine repräsentative Auswahl von Arbeiten der neue* !!!!; Wirtschaftsgeschichte unter dem Titel „ The Reinterpretation of American EconomiÄ !!;:'

History" herausgab. Ein Jahr ~~vor hatte der andere der beiden Nobelpreisträger,!!!!:. Douglass C. North, einen. FÖr~chungsüberblick publiziert mit dem Titel „ Growth !!!!~ and Welfare in' the American Past: A New Economic History ". \ it

Robert Fogel publizierte 1964 ein - eben 1993 als bahnbrechend anerkanntes!!!:: und gewürdigtes - Werk mit dem Titel „Railroads andAmerican Economic Growth'jfä das sich in eine Reihe von Studien zum Thema Technologie und Produktivität und it über den sozialen Netto-Nutzen (net social benejit) bestimmter Neuerungen einfügt, !!!!; Fogel meinte nun, wenn man den Netto-Nutzen der Eisenbahnen schätzen wolle, :::::~ müsse man einen Vergleich anstellen zwischen der tatsächlichen Höhe des Sozial~ '!::: produkts und jenem Sozialprodukt, das sich ohne die Existenz der Eisenbahnen f eingestellt hätte. Da sich letzteres auf direktem Wege nicht berechnen lässt, behalf !!!; sich Fogel mit einem hypothetisch-deduktiven Modell, in das jedoch tatsächlich !!~

i

~::i'ii\ 25 "Economic History

; .. l.![![[htbare Verhältnisse bzw. Daten einflossen. Er bezog sein Modell auf das Jahr '''Ü·kd formulierte als modellmäßiges Erkenntnisinteresse die „soziale Ersparnis" '.;!!!Eisenbahnen. Diese ist bei ihm definiert als die Differenz zwischen den tat­:'\'~clren Gütertransportkosten eines Jahres und den alternativen Transportkosten \!l~selbe Gütermenge und dieselben Entfernungen, aber ohne Benutzung der <::::ijb:ahn. . :;M.m spricht bei der Ermittlung von solchen alternativen Modellrechnungen ;'.:':'''i!ion Opportunitätskosten-Modellen. Dazu war es erforderlich, sowohl die <:'::" n Zahlungen zu berechnen, die für den Wasser- und Landtransport (ohne ''.''''': ahn) hätten geleistet werden müssen, als auch die indirekten Kosten des :'.'.'.',Ports. Zu letzteren gehören z.B. Frachtverluste, zusätzliche Aufwendungen .::a:er Benutzung langsamerer Transportmittel sowie Kostengrößen, die z.B. da-':':·· verursacht werden, dass die Wasserwege während der Wintermonate nicht ;:mfit werden konnten. Durch die Einbeziehung zusätzlicher Lagerbestände (für ::lzjrogerten Transporte) und Versicherungsraten (für Frachtverluste) - dies alles '''''':ijt:tziert nach zeitgenössischen statistischen Daten - gelang die modellhafte Be­·::::abung einer „Ohne-Eisenbahn-Situation", wobei die Höhe der Ersparnis auf ;:::\< ~edene Fälle angewandt wurde. Zur weiteren Vertiefung sei auf Fogels Buch <::}n en. Nur soviel: Dass man die von ihm gewonnenen Zahlen sehr ernst neh­·:}~!:~it ihnen etwas anfangen kann, ist zwar zu bezweifeln, da eine erschöpfende ·::~tlon der Realität von 1890 die Einbeziehung von sehr viel mehr Variab­~::li~l Dynamismen erforderte, als dies geschah. Andererseits jedoch erscheint ::'°'''?voll, Simulationen wie die Fogels, als heuristische Konzepte verstanden, ·''''''')iiverfolgen. Es ergeben sich so unverzichtbare (In-)Fragestellungen und ein ·'~''''''''i~es Nachdenken über Opportunitätskostenstrukturen. Darin liegt der tiefere ·~:::\!lrkontrafaktischen Methode. ~::':.: ~mein umschreibt Fogel die Notwendigkeit des Arbeitens mit Modellen :'''']Jlbeorien folgendermaßen: „Die Einheit der Verarbeitung von Zahlenangaben ]i~utzung der 'Theorie wird besonders deutlich, wenn man versucht, den Nettoef ·~\l~Neuerungen, Verordnungen oder Vorgängen zu ermitteln. Um den Nettoeffekt ::·::'~'/Jjrscheinungen im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung zu bestimmen, muss ·::''''!!i~~n Vergleich anstellen zwischen dem, was tatsächlich geschehen ist, und dem, \~h.We.Eintreten eines bestimmten Umstandes geschehen wäre. Da jedoch diese an­·.::::::::':Le Situation (counterfactual condition) nie eingetreten ist, konnte sie weder .:'t(:'kt werden, noch ist sie in historischen Dokumenten aufgezeichnet. Um nun · .::i)r•kz zu können, was beim Fehlen eines bestimmten Umstandes geschehen wäre, ,;)?''~Wer Wirtschaftshistoriker eine Anzahl allgemein. anerkannter Annahmen (d.h. .W'''!!ifheorien oder ein Modell), die es ihm ermöglichen, von einer tatsächlich eingetre-

'

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26 Wozu Wirtschaftsgeschichll

tenen Situation eine angenommene Situation abzuleiten" (Fogel, Wirtschaftsgeschil~~\: te, t!~·gibt es jedoch zwei Bedingungen: lllllll

1. Der behauptete hypothetische Fall lässt sich zwingend aus den Prämis$~\\ ableiten, und .:::\!~

2. es ist sichergestellt, dass die Behauptungen, die ein Modell enthält, emp~t,:\;: risch nachweisbar sind. jf

Zusammenfassend kann man also festhalten: Robert W. Fogel und die NJir Wirtschaftsgeschichte machen den Versuch, Erklärungen vergangener wirtsch~J,\iiG licher Entwicklungen in der Form fundierter hypothetisch-deduktiver Modeij~\\j:' vorzutragen. Sie versuchen die Deutung der Wirtschaftsgeschichte auf der Ba$~::::::. (wirtschafts-)wissenschaftlich-ökonometrischer, insbesondere kontrafaktischer M~f::~\\\~ thoden · %\:

Ebe~so wie Fogel gehört auch Douglass C. North (* 1920), der andere der be~~ll!il den Nobelpreisträger, zu den Kliometrikern. Eine seiner ersten bedeutenden Arbeis:::::· ten befasste sich 1953 mit der Unternehmenspolitik und internen Organisation vo~i\\\: Lebensversicherungsunternehmen 1905/06. Hier kündigte sich bereits sein lntei@:::: esse an Institutionen und „Nicht-Markt-Organisationen" an, wobei insbesonder~:::;, die Transaktionskosten im Blickfeld seiner Forschungen standen. Diese Studieij::::': mündeten ein in eine Theorie des institutionellen Wandels, die 1981 in New Yorß\l\i unter dem Titel „Structure and Change in Economic History" und 1988 in deutsch:]; erschien und eine Synthese seines wissenschaftlichen Werkes darstellt. Im Übrige~i:l!IL fand der institutionelle Aspekt auch besondere Berücksichtigung in dem 1973 zu@( sammen mit Robert Thomas publizierten Buch „ The Rise of the ~stern World: 4ii\\:i:. New Economic History ". } ::::;,

In diesen Publikationen niplmt North weniger die veränderten Techniken aIS\\\\: auslösende Faktoren wirtschaftlicher Revolutionen an, als vielmehr die veränderMt ten Ver6igungsrechte (prop;;:o/ rights), die ihrerseits neue Anreize zu technischetit Neuerungen boten und damit zur Grundlage wurden für einen schrittweisen, abe.f.' it kumulativen .Prozess des technischen Fortschritts und Impulsgeber für beschleu:.. \\i\: nigtes wirtschaftliches Wachstum. Er geht davon aus, dass die Veränderungen da{:\\i: Transaktionskosten, konkreter der Kosten der Einführung und der Durchsetzung[:\[\~ von Verfügungsrechten, den entscheidenden Faktor für die Erklärung der Ände:.. \\!\:.

rung von Eigentums- oder Verfügungsrechten bildeten. Diese Verfügungskosten \\\f

entstehen etwa dadurch, dass jene Personen oder Gruppen, die an den geänderten [\\\; Eigentums- oder Verfügungsrechten Interesse haben, sich zur Durchsetzung der f Rechte beauftragter Personen bedienen, die wiederum davon abgehalten werden müssen, ihre eigenen abweichenden Interessen bevorzugt zu berücksichtigen. Es

27

~· u.a. um die Kontrolle der Kontrolleure, wozu die Ökonomie die so ge-,,,,,,,.,,,,„ cy theory entwickelte, in der dem Prinzipal (Verfügungsberechtigten,

„„. ensleiter, Konzernchef etc.) Kosten für die Motivierung und Kontrolle ::::;·::::;;'''.~\ihm beauftragten Agenten entstehen. Letztlich geht es darum herauszu­~ ::':':'.jfwelches die kostenoptimale Organisationsform ist bzw. wie bei gegebenen „,,,,:,:: die Effizienz von Institutionen bestmöglich erhöht werden kann oder bei

..... er Effizienz Kosteneinsparungen realisiert werden können. ...... ''. "tutionen bilden den äußeren Rahmen menschlicher Tätigkeit. Die realen ~''''''äider Zusammenarbeit und des Wettbewerbs und damit die Gesellschaft und .1;1:t5chaftsordnung können ohne die lenkenden und ordnenden Funktionen """. ·rutionen nicht verstanden werden. North wies mit Nachdruck darauf hin,

nomie zwar die Theorie der Wahlhandlungen sei und diese durch Wahl-' eiten und Präferenzen bestimmt werden. Man solle aber tunlichst nicht

„..,.:,,„ nt. lassen, dass eben der institutionelle Rahmen die Wahlmöglichkeiten „'.:''''.~lnen beschränke. Dazu Originalton North: „Jmtitutionen sind faktisch die ''.'.:':::::'fwischen dem einzelnen und dem Kapitalbestand ... undzwischen dem Kapital­·~:;:: >und dem Ausstoß an Gütern und Dienstleistungen und der Einkommensvertei­'''':~],North, Theorie, S. 207). Dabei bezeichnet er den institutionellen Rahmen }~~r" und die Art und Weise, wie Institutionen über die Zeit geschaffen,

.„„,,,,, ert und zerstört werden, als „Wandel". Für die Herausbildung dieser Struk-

J.md deren Wandel ist nach Auffassung von North die anhaltende Spannung ..... enden Gewinnen aus der Spezialisierung und den Folgekosten der Speziali­

«·:·:· g ursächlich. Er sieht darin den Kern der „modernen Probleme politischer und .'''?fkaftlicher Leistung" (North, Theorie, S. 215). '\~ Klartext: Im Rahmen der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und

"''''''. r wirtschaftlicher Revolutionen kam es zu Spezialisierungen, die hohe Ge­''''':~ mit sich brachten. Um die Gewinne zu halten oder zu steigern, veränderte ·:::'::::pdikal Größe und Kontrollstruktur (freiwilliger) Organisationen, möglichst .''''j}:khöhung der zu dieser Veränderung erforderlichen Transaktionskosten. Nun ]ij:en sich im Zeitverlauf die Opportunitätskosten der verschiedenen Gruppen '.''.:~ er neuen Umgebung beruflicher und räumlicher Spezialisierung, was desta-

,·:::'::'.f:rende Wirkungen hatte. Die berufliche Spezialisierung blieb dabei nicht ohne '.''\, · kung auf die unterschiedlichen ideologischen Einstellungen.

J:~1: > ::::''''''.'•l.torische Wirtschaftsgeschichte

;i,!ll~er Geschichte handelt es sich, wie angedeutet, um einen komplexen, nicht-al­''.'':'.i(:hmischen Prozess. Die historische Chronologie folgt also keiner Logik, keinem

Jli\111

~~1111 „:·:·:::::-

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28 Wozu Wirtschaftsgeschichi~I:: genau definierbaren oder gar prognostizierbaren Ursache-Wirkungs-VerhälJll[ Niemand kennt die genaue zeitlich-räumliche Relation von sich gegenseitig att(4,\:: schaukelnden, determinierenden und stochastischen {„zufälligen ") Elementen, d@,} in ihrer Summe als geschichtsmächtige Kräfte das bilden, was man historische R~f?. lität nennen könnte, die zu rekonstruieren wesentliche Aufgabe des Historikers ii\f Durch die menschliche lmaginationskraft wird ständig Neuheit kreiert und chml\k der vorhandene „Zustandsraum" zum Zeitpunkt t verändert. Mit solcherlei Fr~#,lt selbstgenerierter Produktion, Selbstorganisation und genetisch-kultureller Ko-Ev#f:\L lution beschäftigen sich die evolutorischen Disziplinen der Sozialwissenschaft. :\\\);.

In der kulturellen Evolution lassen sich Analogien zur natürlichen Evoluti()#,r erkennen. Prozesse der Variation und Selektion kennzeichnen ihre Entwicklun~g: muster. Doch die kulturelle Evolution unterscheidet sich in einem Punkt wesentli~1~ von jener der Natur: durch die Kognitionsfähigkeit des Menschen. Dessen kulturtllt:\\l le Errungenschaften, insbesondere die Sprache, aber auch andere Kulturtechnike~\\;. {rechnen, schreiben, kombinieren, lernen usw.) machen den Unterschied. Dadurch\\\\: konnte er sich intelligent an invariante Entwicklungen anpassen (an die Natur, d@\\\\:. Klima, geologische Grundbedingungen usw.) und den jeweiligen Zustandsraum vel;@\ ändern. Inwieweit solcherlei Prozesse gesetzmäßig ablaufen bzw. Entwicklungsrege$,\\\\:" oder -mustern folgen, damit beschäftigen sich - bezogen auf den wirtschaftlich~~\)\];. Bereich - die evolutorische Ökonomik und die evolutorische Wirtschaftsgeschichr@r· Letzterer bietet sich hier eine vorzügliche Möglichkeit, ihr reiches Angebot zur Erkml\\\:: rung historischen Wandels und von Zäsuren im Geschichtsablauf wirksam und iq*\\\~: terdisziplinär in ein richtungweisendes Forschungskonzept einzubringen. lnnerha+ij\\\\r dessen kommt dem „history friendly modelling" ein besonderer Stellenwert zu. lnsbeM\; sondere wird sich die Geschichte des technischen Fortschritts und seiner gesellschattf\\\\: liehen Implikationen nicht hinreich~nd erklären lassen, wenn es nicht gelingt, di,~:\jj:. Voraussetzung dafür, den Prozess ~~r ·kognitiven Kreation, präziser zu fassen. Di~\j\\:: evolutorische Ökonomik versucht nicht nur, die individualistischen Grundlage~\\\\' sehr langer wirtschaftlicher bzw. historischer Prozesse zu ergründen, sondern ins~f,:\\\(~ sondere selbstgenerierten Wandel zu erklären. Die Wirtschaftsgeschichte ist reicfi.::\\\: an Erscheinungen von solch hoher qualitativer Komplexität, dass deren Erfassung\\\\: die Grenzen des formal {also z.B. in mathematischen Formeln oder Gleichungssy~'\\\j' temen) Darstellbaren häufig zu überschreiten droht. Die Komplexität ergibt sicli}\\' nicht zuletzt aus dem Anspruch, den denkenden Menschen, das lernende lndividqf \\\j> um, in seinem jeweiligen gesellschaftlichen, räumlichen und zeitlichen Umfeld zµl\' erfassen und zu begreifen. Der lernende Mensch steht im Mittelpunkt des verstan"','\+ desgeleiteten {kognitiven) Prozesses der Neuerung und Erfindung (Invention) sdf\\[ wie der Schöpfung von neuen marktfähigen Gütern (Innovationen). Es ist deshall)j\\\

ll

~!l!·!·t .„ "'.'":' .ehe Wirtschaftsgeschichte 29

.::~1111;: das schöpferische Individuum (z.B. den „dynamischen Unternehmer", wie

·~'''ii:dem österreichischen Nationalökonomen Josef Alois Schumpeter (1883-:':'~\.~~nannt wurde) in seiner Bedeutung für die langfristige wirtschaftliche Ent-:::·: gangemessen zu berücksichtigen.

\:.fustorischen Prozess der ständigen Variation und Selektion spielt der auf­bestimmter Motive, Traditionen, Weltanschauungen oder rationalen Er­

entscheidende Mensch, sei er Unternehmer, Politiker, Geistlicher oder ·"'":'Ji, eine herausragende Rolle. Menschliche Kognition begründet Neuheit und '"'''''' >Zäsuren in der Geschichte. In der individuellen Lernfähigkeit liegt häufig :t:t*iunik historischer Entwicklungen begründet, wobei das assoziative Lernen, <''''. /eifen aus Zusanimenhängen, beim kreativen Prozess eine besondere Rolle ""~\\\( :~"? l:,eachten ist in diesem Zusammenhang freilich auch der jeweilige instituti­"t\Ibhmen, innerhalb dessen Menschen entscheiden und handeln. Solche In­

„:'''?'. ~en sind etwa Regelwerke wie Gesetze oder moralsetzende Organisationen ":':':':" bensgemeinschaften und andere gesellschaftliche Gruppen. Viele indivi­·:·:::::ijandlungen sind nur im Rahmen dieses gesellschaftlichen Ganzen zu inter­

'~'''''.'. $ oder zu erklären. Bezogen auf die Wirtschaft sind es etwa Verfassungen, .:::.;:::'.\}Virtschaftssystem regeln oder gewerbe- und patentrechtliche Regelungen, 0:rn~nach Ausprägung- ökonomisches Handeln ermutigen oder einschränken

~::::: \ Als von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung hat ';:~Regelung der Eigentums- bzw. Verfügungsrechte, der so genannten property ::'''.'\~~rausgestellt. Sie können spontanes ökonomisches Handeln motivieren und ":::::: zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Sie stellen das we­":?':l'\~ Unterscheidungsmerkmal des marktwirtschaftlichen und des zentralver-·::::::~pirtschaftlichen (planwirtschaftlichen) Systems dar. Es sind solche Regeln ~·":: &o-Ebene, welche die Mikro- und Makro-Ebene miteinander verbinden. So #( > s sieht es Kurt Dopfer.

„.... t, Knut: Wirtschaftsgeschichte. Wirtschaftswissenschaftliches Kernfach, ?W ~enfach Mauerblümchen oder nichts von dem? In: Historia socialis et eco­~::::~l'.·Festschrift für Wolfgang Zorn zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1987, S. .~I~ Cipolla, Carlo M.: Between History and Economics. An lntroduction to ::::::::'. ic History, Oxford 1991; Dopfer, Kurt: History-friendly theories in econo­.~::::"::tewnciling universality and context in evolutionary analysis. In: Poster, John/ ~~::::::: ~' John S. (Hg.): Frontiers of evolutionary economics. Competition, self­

""''''''''''f tion and innovation policy, Cheltenham 2001, S. 160-187; Duden. Fami-

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30 Wozu Wirtschattsgeschim:~. liennamen. Herkunft und Bedeutung von 20.000 Nachnamen, Mannheim 2

11:1·1~~ Fogel, Robert W.: Railroads and American Economic Growth, Baltimore 1964{ . . gel, Robert W./Engerman, Stanley L. (Hg.): Tue Rein~erpretation of American .„ nomic History, New York 1967; Fogel, Robert W.: Die neue Wirtschaftsgeschi >':'~" Forschungsergebnisse und Methoden ( = Kölner Vorträge zur Sozial- und Wirts~ geschichte, Heft 8, Hg. v. Forschungsinstitut für Sozial- und Wirtschaftsgeschi4Jf'''': an der Universität zu Köln), Köln 1970; Heuss, Ernst: „Die Grundlagen der Na#®· nalökonomie" vor 50 Jahren und heute. In: Ordo 40 (1989), S. 21-30; Hicks,Jo }'~, A Theory of Economic History, Oxford 1969; Kellenbenz, Hermann/Walter, ,.,.,'.

Die Wirtschaftsgeschichte im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften. In: w1I: Heft 9, Sept. 1980, S. 411-417; North, Douglass C.: Growth and Welfare in ::::::::· American Past. A New Economic History, Englewood Cliffs 1966; North, Dougll'. C.: Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschicijm~· (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften. Bd. 56), Tübingen 1988; Norelr Douglass C.: Ökonomische Entwicklung in langfristiger Sicht. Nobel-Lesung v~Mj!, 9. Dezember 1993. In: Grüske, Karl-Dieter (Hg.): Die Nobelpreisträger der öko#~::„ mischen Wissenschaft, Bd. 3: 1989-1993, Düsseldorf 1994, S. 311-328; Redfiat!i:. Fritz: 'New' and Traditional Approaches to Economic History and their Interde~f,!~: dence. In: Journal of Economic History XXV, Dez. 1965, S. 480-495; Schremm&:F Eckart (Hg.): Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gegenstand und Methode, StulJt gart 1998; Schulz, Günther u.a. (Hg.): Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWqf,:( Beihefte 169), Stuttgart 2004; Walter, Rolf: Die Wirtschaftsgeschichte als G~iil" Baden-Baden 1995; Walter, Rolf: Der Zeitfaktor in der Wirtschaftsgeschichte. Ijfa Kodalle, Klaus-M./Rosa, Hartmut (Hg.): Rasender Stillstand, Kritisches Jahrbui,1!\ der Philosophie 12, Würzburg 2008, S. 35-52; Walter, Rolf: Zum Verhältnis vJi!![ Wirtschaftsgeschichte und ev?lutorischer Ökonomik. In: Kurt Dopfer (Hg.): saj~!i!i: dien zur Evolutorischen Ökon.omik (=Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.l!!i( Bd. 195MI), Berlin 2003; Witt, Ulrich: Tue Evolving Economy. Essays on tfiij!!!!;· Evolutionary Approach to Economics, Cheltenham 2003. <::;~

~'.ü::~ne~utsch.fug«chichre? 1 2. Benennen Sie mögliche Ebenen, denen ein strukturhistorischer Ansatz folgd~lt

könnte! } !!!!:: 3. Erklären Sie die Begriffe Bankrott, Börse, Messe! Suchen Sie selbst Begriffe wirtM!~

schaftshistorischen Ursprungs! ]!!~; 4. Können Sie fünf Familiennamen aus Ihrem Freundes- oder Bekanntenkteis neo~'!!!::

nen, die auf alte Berufsbezeichnungen ·zurückgehen? ,]:

1

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,:;::.:ii~,fumd möchte wissen, wofür Douglass C. North und Robert W. Fogel den „„:.;;~haftswissenschafts-Nobelpreis zugesprochen bekamen. Helfen Sie ihm! „.,,,. tern Sie die kontrafaktische Methode!

~-eichen Prämissen geht der institutionell-kognitive Ansatz des Nobelpreis­·'-'".l'Ul'.''4'» C. North aus? Erklären Sie sein Konzept und dessen Kornpo-

Einwände erheben die Kritiker der „New Economic History"? l'aradie:m1a der evolutorischen Wirtschaftsgeschichte. Äußern Sie sich

W!nk1:to111e1rt das System „Marktwirtschaft"? Nennen Sie Merkmale dieses @i1er~er Wirtschaftssysteme! :l{c()nll1te gemeint sein, wenn von Geschichte als „offenem System" die Rede