Wirtschaftsstatement Herbstpressekonferenz Chemieverbände Hessen, November 2015

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Seite 1 von 18 Statement von Herrn Hartmut G. Erlinghagen Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. (HessenChemie) Herbstpressekonferenz am 05. November 2015, Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft (Es gilt das gesprochene Wort) Sperrfrist: 05. November 2015 11:00 Uhr

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Statement von Herrn Hartmut G. Erlinghagen

Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Chemie

und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V.

(HessenChemie)

Herbstpressekonferenz

am 05. November 2015, Frankfurter Gesellschaft für Handel,

Industrie und Wissenschaft

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sperrfrist: 05. November 2015 – 11:00 Uhr

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Sehr geehrte Damen und Herren,

auch von meiner Seite noch einmal ein herzliches Willkommen

zu unserer heutigen Herbstpressekonferenz der

Chemieverbände Hessen. Ich freue mich, dass Sie unserer

Einladung so zahlreich gefolgt sind.

Wir möchten Ihnen einen Überblick über die wirtschaftliche

Lage und die Aussichten der hessischen Chemie- und

Pharmaindustrie bis einschließlich August 2015 geben, bei

dem wir uns auf die amtliche Statistik stützen, die uns bis zu

diesem Zeitpunkt vorliegt.

Zudem haben wir Anfang September bis Anfang Oktober eine

Konjunkturumfrage durchgeführt, an der sich

51 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben. In diesen

Unternehmen sind ca. 58.000 Menschen tätig. Das entspricht

rund 60 Prozent der Beschäftigten im Verbandsbereich und

spiegelt die Struktur der Mitgliedsunternehmen wider.

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Lassen Sie mich Ihnen einen kurzen Überblick über das

Wichtigste geben, ehe ich ins Detail gehe:

Hessische Chemieproduktion wächst

Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen konnte ihre

Produktion bis August 2015 gegenüber dem Vorjahr steigern.

Die Produktion lag in diesem Zeitraum um 4,8 Prozent über

dem Niveau des Vorjahres. Im weiteren Jahresverlauf wird sich

die Produktion nach unserer Einschätzung allerdings deutlich

abschwächen. Wir rechnen aus diesem Grund aus heutiger

Sicht insgesamt mit einer Steigerung der Produktion um 2

Prozent im Jahr 2015. Die näheren Hintergründe für diese

Einschätzung werde ich Ihnen an späterer Stelle erläutern.

Es muss festgestellt werden, dass diese Steigerung in der

hessischen Chemieindustrie weiterhin nur bedingt Ausdruck

eines nachhaltigen Wachstums ist. So ist es dem Bereich der

klassischen Chemie erst jetzt, nach acht Jahren, gelungen,

das Vorkrisenniveau von 2007 tatsächlich wieder zu erreichen.

Die Beschäftigung hingegen steigt immer noch leicht an:

Die amtliche Statistik weist bis August eine Steigerung von

1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus.

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Das Ausbildungsplatzangebot unserer Mitgliedsunternehmen ist

auch in diesem Jahr wieder erfreulich hoch. Mit einem Angebot

von 1.536 Ausbildungsplätzen übertreffen die Unternehmen

das hohe Niveau aus dem Vorjahr.

Gleichzeitig haben rund 1.100 Auszubildende im laufenden

Jahr ihre Ausbildung in der hessischen Chemie erfolgreich

abgeschlossen. Die Übernahmequote ist abermals erfreulich

hoch. Sie liegt, bezogen auf die für eine Übernahme zur

Verfügung stehenden Absolventen, bei 92 Prozent.

Darüber hinaus ist der Anteil der unbefristeten Übernahmen

von 50 Prozent auf 55 Prozent angestiegen. Dies bedeutet

eine deutliche Steigerung des ohnehin sehr hohen Niveaus des

Vorjahres.

Preise unter Druck, Chemiesparten uneinheitlich

Die Erzeugerpreise geben bereits im dritten Jahr in Folge weiter

nach. Bis August 2015 sanken sie gegenüber dem

Vorjahreszeitraum nochmals um 2,5 Prozent.

Bereits in den Jahren 2013 und 2014 waren die Preise um

jeweils 0,9 Prozent zurückgegangen. Seit 2012 sind die

Erzeugerpreise der chemischen Industrie damit um rund 4,2

Prozent gesunken. Die Umsätze der Branche stiegen hingegen

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bis August um 4,3 Prozent im Vergleich zum

Vorjahreszeitraum.

Soweit die Daten für unsere Branche insgesamt.

Wie Sie es gewohnt sind, betrachten wir den Bereich der

„klassischen“ Chemie und die Pharmasparte getrennt, um

ein klareres Bild zu erhalten. Dies hängt vor allem mit dem im

Bundesvergleich hohen Pharmaanteil zusammen. Während der

Anteil der Pharmasparte am Gesamtumsatz der chemischen

Industrie im Bund bei rund 24 Prozent liegt, beträgt er in

Hessen fast 47 Prozent.

Zunächst allerdings zur „klassischen“ Chemie.

Bis August 2015 stieg die Produktion in diesem Bereich um

7,6 Prozent. Die Sparte hatte jedoch im Jahr 2014 auch einen

Produktionsrückgang von 2,8 Prozent zu verkraften.

Darüber hinaus bedeutet die jetzige Situation in der klassischen

Chemie lediglich die Rückkehr auf das Produktionsniveau des

Jahres 2007.

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Die Preise für Chemieerzeugnisse im Inland sanken bis August

2015 um durchschnittlich 4,3 Prozent. Der Gesamtumsatz stieg

hingegen um 10,6 Prozent. Grund hierfür war insbesondere

eine verstärkte Nachfrage im Auslandsgeschäft. Der Umsatz im

Inland stieg um 4,7 Prozent, das Auslandsgeschäft wuchs gar

um 13,8 Prozent.

Die starken Wachstumszahlen der klassischen Chemie

repräsentieren allerdings zu einem guten Teil eher einen

Erholungs- als einen Wachstumsprozess, und müssen vor

diesem Hintergrund auch entsprechend eingeordnet werden.

So musste die klassische Chemiebranche im Jahr 2014 einen

Umsatzrückgang von 5,5 Prozent hinnehmen. Im Inland

gingen die Umsätze im letzten Jahr um 1,3 Prozent zurück, die

Auslandsumsätze sogar um 7,5 Prozent.

In der hessischen Pharmaindustrie stagnieren die

Abgabepreise im Inland. Sie lagen bis August 2015 um

0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die Produktion konnte

leicht ausgeweitet werden. Sie stieg bis August 2015 im

Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,2 Prozent.

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Insgesamt verzeichnete die hessische Pharmaindustrie in

diesem Zeitraum ein Umsatzminus von 3,0 Prozent.

Verantwortlich hierfür ist ein Rückgang der Auslandsumsätze

um 6,7 Prozent bis August 2015. Die Umsatzerlöse im Inland

hingegen konnten im gleichen Zeitraum um 6,1 Prozent

zulegen.

Hierzu muss ergänzend erwähnt werden, dass speziell in den

Monaten Juli und August bei der Produktion und den Umsätzen

der pharmazeutischen Industrie massive Einbrüche zu

beobachten waren. Grund hierfür sind ausgelaufene Patente,

die seit Juli 2015 für Umsatzeinbrüche von knapp 30 Prozent

sorgen. Entsprechend ist auch die Produktion seit Juli um

durchschnittlich rund 13 Prozent abgesackt.

Diese deutlich negative Entwicklung wird das gesamte zweite

Halbjahr stark beeinflussen und das Gesamtergebnis der

chemisch-pharmazeutischen Industrie sicherlich zum

Jahresende hin deutlich nach unten korrigieren.

Aus diesem Grund gehen wir, wie eingangs erwähnt, lediglich

von einer Steigerung der Produktion bei Chemie und

Pharma von 2 Prozent für das laufende Jahr aus.

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Ob dies auch für die Ertragslage gelten wird, lässt sich jedoch

schwer sagen, da die Verkaufspreise, wie beschrieben,

fortgesetzt unter Druck stehen. Zudem ist das gesamte

Ausmaß des Umsatzrückgangs durch die auslaufenden Patente

schwer abzuschätzen.

Konjunkturelle Entwicklung zufriedenstellend

In der Gesamtschau beurteilen die an unserer Umfrage

beteiligten Unternehmen die konjunkturelle Entwicklung

dennoch als zufriedenstellend, insbesondere bedingt durch die

Entwicklung im klassischen Chemiebereich.

Rund 43 Prozent der Unternehmen bewerten die aktuelle

konjunkturelle Lage als „gut“. Rund 32 Prozent bewerten ihre

Situation als „befriedigend“, ein Viertel der Unternehmen

schätzt das aktuelle Konjunkturumfeld als „unbefriedigend“

ein.

Diese Entwicklung spiegelt sich in den Erträgen wider. So

bezeichnen knapp 71 Prozent der befragten Unternehmen ihre

aktuelle Ertragslage als „befriedigend oder gut“. Rund 29

Prozent stufen ihre Ertragslage als „unbefriedigend oder

schlecht“ ein.

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Den aktuellen Auftragsbestand stufen die Firmen überwiegend

als „saisonüblich“ ein. Die durchschnittliche

Anlagenauslastung lag nach den Meldungen der an der

Wirtschaftsumfrage beteiligten Unternehmen im September bei

ca. 84 Prozent. Dieser Wert liegt leicht über dem langfristigen

Umfragewert von rund 83 Prozent.

Bezüglich der Verkaufspreise erwarten rund 75 Prozent der

befragten Unternehmen ein Gleichbleiben bis zum Jahresende.

Lediglich 4 Prozent erwarten höhere Preise. Demgegenüber

gaben rund 21 Prozent der Unternehmen sogar weiter

sinkende Verkaufspreiserwartungen bis Ende des Jahres an.

Beschäftigung und Investitionen leicht im Plus

Bis August war die Zahl der Beschäftigten in der chemisch-

pharmazeutischen Industrie in Hessen nach den Daten der

amtlichen Statistik um durchschnittlich 1,4 Prozent höher als im

Vorjahreszeitraum. Der Anstieg kommt insbesondere aus dem

Pharmabereich mit einem Zuwachs von 4,7 Prozent in diesem

Jahr. Die Beschäftigung in der „klassischen“ Chemie blieb mit

einem minimalen Rückgang von 0,3 Prozent bis August

nahezu stabil.

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Das Investitionsvolumen wird 2015 leicht ansteigen. Es wird in

diesem Jahr nach eigenen Schätzungen eine Größenordnung

von rund 1 Milliarde Euro erreichen. Dabei sind rund 52

Prozent für Ersatzinvestitionen vorgesehen, etwa 32 Prozent

gehen in Erweiterungen.

Spürbare reale Entgeltsteigerung

Zum ersten April haben die Beschäftigten der chemisch-

pharmazeutischen Industrie eine Entgelterhöhung von

nominal 2,8 Prozent erhalten. Auf das Jahr umgerechnet

ergibt sich dadurch, in Verbindung mit der derzeit sehr

niedrigen Inflationsrate von lediglich 0,3 Prozent, ein realer

Entgeltzuwachs bis September von 2,1 Prozent.

Damit haben die Chemie-Sozialpartner mit ihrem aktuellen

diesjährigen Tarifabschluss für eine spürbare reale

Entgeltsteigerung bei den Chemiearbeitnehmern gesorgt,

nachdem bereits der letzte Abschluss des Jahres 2014 real

eine Erhöhung von 2,5 Prozent bedeutet hat.

Darüber hinaus haben die Sozialpartner mit den neuen

Vereinbarungen im Bereich Demografie erneut gemeinsame

Weitsicht bewiesen. Der neue Demografiebetrag von insgesamt

750 Euro ab 2017 übersteigt den bisherigen Betrag von knapp

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340 Euro deutlich und erweitert die betrieblichen Spielräume

für demografische Lösungen immens.

Risiken und mögliche Belastungen

Wie Sie es gewohnt sind, gehen wir an dieser Stelle auch auf

mögliche Risiken und Belastungsfaktoren für die wirtschaftliche

Entwicklung ein.

So besitzen speziell die soeben beschriebenen

Entgeltsteigerungen in der Chemie-Branche auch eine

Kehrseite, denn sie treiben die Arbeitskosten nach oben.

Von 2010 bis 2014 sind die Entgelte pro Kopf um 12,9 Prozent

angestiegen. Gleichzeitig ging die Produktivität bundesweit im

gleichen Zeitraum allerdings im Trend um 4,8 Prozent zurück,

denn ein Zuwachs bei der Beschäftigung ging mit stagnierender

Chemie-Produktion einher. In der Folge sind die

Lohnstückkosten massiv gestiegen: Sie lagen 2014 um gut 18

Prozent höher als noch im Jahr 2010.

Auf der Bundesebene überstiegen die gesamten Chemie-

Arbeitskosten im letzten Jahr das Niveau des Produzierenden

Gewerbes um gut ein Drittel. Und auch im internationalen

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Vergleich ist die deutsche Chemie bei den Arbeitskosten teurer

als die Konkurrenz.

Um konkurrenzfähig zu bleiben, ist daher jetzt dringend wieder

mehr Kostendisziplin nötig. Ansonsten gefährden die weiter

steigenden Arbeits- und Lohnstückkosten die internationale

Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit auch der

Arbeitsplätze in der Chemie-Branche.

Einen weiteren Risikofaktor stellt die Entwicklung des

allgemeinen wirtschaftlichen Umfelds dar. Zwar spricht die

aktuelle Gemeinschaftsdiagnose der führenden

Wirtschaftsforschungsinstitute von einem voraussichtlichen

deutschen Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent für das Jahr

2015. Die Institute schreiben dieses Ergebnis allerdings primär

mehreren Sondereinflüssen zu, in Form eines niedrigen

Zinsniveaus, eines schwachen Euro und einem niedrigen

Ölpreis.

Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob speziell die beiden

letztgenannten Entwicklungen sich in dieser Weise fortsetzen

werden.

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Sobald die Wertentwicklungen dort wieder nach oben gehen,

werden sich die Wachstumsaussichten sehr schnell

entsprechend reduzieren. Die allgemeine Wirtschaftslage fußt

damit auf einem vergleichsweise sandigen Fundament.

Gleichzeitig haben die für die internationale Nachfrage sehr

wichtigen Schwellenländer mit zum Teil erheblichen

wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. China wird laut

aktueller Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF)

mit einem voraussichtlichen Wachstum von 6,6 Prozent in

diesem Jahr und 6,3 Prozent im Jahr 2016 deutlich unter

seinem selbst definierten Zielwachstum von 7,5 Prozent

bleiben. Brasiliens Wirtschaft wird dieses Jahr schätzungsweise

um 3 Prozent schrumpfen, Russlands Wirtschaftsleistung wird

sich sogar um 3,8 Prozent schmälern.

Für die stark exportorientierte hessische Chemieindustrie, die

fast 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaftet, kann

dies nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Gleichzeitig haben wir in Europa einen historischen

Flüchtlingsstrom. Immer mehr Menschen, die auf der Flucht

vor Krieg, Vertreibung und politischer Verfolgung sind, suchen

bei uns Zuflucht. Die Welle der Hilfsbereitschaft in Deutschland

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freut mich daher sehr. Aber wir müssen auch sehr darauf

achten, dass es zu keiner Überlastung in den Systemen, z. B.

den Kommunen, kommt.

Denn eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen, auch in

unseren Arbeitsmarkt, ist kein Selbstläufer. Sie ist auch für

engagierte Unternehmen eine extrem schwierige Aufgabe.

Zwingende Voraussetzung für einen Erfolg auf diesem Gebiet

sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, und

dass das Bleiberecht der Menschen zügig und rechtssicher

geklärt wird. Das neu in Kraft getretene Asylgesetz ist hierbei

ein Schritt in die richtige Richtung.

Abseits dieser konkreten Herausforderungen verbleibt auch die

abstrakte wirtschaftliche Risikolage hoch. So sorgen die derzeit

bestehenden weltweiten Krisenherde für eine weiterhin

anhaltende Verunsicherung der Realwirtschaft. Ich denke hier

an eine mögliche weitere Eskalation der militärischen

Interventionen im Nahen Osten, gerade in Syrien, in die sich

nun auch Russland mit eingeschaltet hat.

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Ganz konkrete Risiken sind die weiterhin im internationalen

Vergleich zu hohen Strompreise. Die in Deutschland besonders

ambitionierte Energiewende ist für die energieintensive

Industrie eine Herausforderung. Investitionssicherheit für eine

effiziente Energieversorgung an den Standorten ist immer

weniger gegeben. Beim Eigenstrom werden Neuanlagen mit 30

Prozent, bis 2017 ansteigend auf 40 Prozent der EEG-Umlage

belastet. Im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) fehlt der

Kostendeckel.

Die Europäische Kommission plant Änderungen zum

Emissionshandel: Danach müssten die Unternehmen immer

mehr Zertifikate kaufen, die gleichzeitig immer teurer werden.

Alleine in Deutschland könnten auf die Chemiebranche weitere

2 Milliarden Euro Mehrkosten zukommen, die unsere

Wettbewerber außerhalb Europas nicht zu schultern haben.

Der in der kommenden Woche tagende Hessische

Energiegipfel sollte diese Herausforderungen nicht nur zur

Kenntnis nehmen, sondern konkrete Schritte zur

Kostensenkung angehen.

Die Innovationskraft der chemischen und pharmazeutischen

Industrie muss gestärkt werden. Wir unterstützen das vom

hessischen Wirtschaftsminister Al-Wazir ausgegebene Ziel,

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Hessen in die Top 5 der innovativsten Regionen Europas zu

führen. Wie die jüngst im Auftrag des VCI erstellte Studie von

IW Consult und Santiago zeigt, behindern eine nicht

ausreichende Innovationskultur in den Unternehmen und die zu

komplexe Regulierung in Deutschland einen schnelleren Weg

von der Idee zum Produkt.

Die erstgenannte Ursache können die Unternehmen selbst

angehen, bei der letztgenannten brauchen sie die

Unterstützung von Behörden, Politik und Öffentlichkeit.

Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der gesellschaftlichen

Akzeptanz von Innovationsleistungen. Es wäre schon viel

gewonnen, wenn Innovationen und damit verbundene

Veränderungen nicht zuerst als Risiko, sondern als Chance

wahrgenommen würden.

Und nicht zuletzt sorgen unvorhergesehene Ereignisse wie die

VW-Abgasaffäre für Unruhe. Die möglicherweise nachhaltig

negativen wirtschaftlichen Folgen dieses Skandals berühren

auch die chemische und kunststoffverarbeitende Industrie, die

als wichtige Zuliefererindustrie eng mit der Automobilindustrie

verflochten ist.

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Wir stellen abschließend fest:

Die hessische klassische Chemie hat im bisherigen

Jahresverlauf 2015 eine positive Entwicklung genommen, die

jedoch zum Teil eine Erholung von Rückschlägen des

Vorjahres darstellt. Langfristig hat der klassische

Chemiebereich erst jetzt sein Vorkrisenniveau wieder erreicht.

In der pharmazeutischen Industrie verlief das erste Halbjahr

weitgehend stabil. Die zweite Jahreshälfte wird jedoch aller

Voraussicht nach in Bezug auf Produktion und Umsätze

deutlich hinter dem Vorjahr zurückbleiben.

Ausdrücklich positiv war die Entwicklung für die

Chemiebeschäftigten. Ihnen hat die zurückliegende Chemie-

Tarifrunde in diesem Jahr eine deutlich reale Entgeltsteigerung

beschert.

Ebenso erfreulich sind die Zahlen im Bereich Ausbildung, mit

einem fortgesetzt hohen Ausbildungsplatzangebot und einem

nochmalig gestiegenen Anteil unbefristeter Übernahmen.

Nichtsdestotrotz bleiben die allgemeinen Risiken hoch. Das

derzeitige Wirtschaftswachstum fußt überwiegend auf

temporären Sondereinflüssen. Die wirtschaftliche Schwäche

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großer Schwellenländer, die massive Herausforderung im

Rahmen der Flüchtlingsdebatte und weiterhin nicht in Aussicht

stehende Lösungen in Bezug auf weltweite Krisenherde stellen

zudem zahlreiche Belastungsfaktoren für die weitere

Entwicklung dar.

Nur langfristig verlässliche gesetzliche und wirtschaftliche

Rahmenbedingungen schaffen Anreize für die Unternehmen

angesichts zunehmender Globalisierung weiterhin am Standort

zu investieren und damit Arbeitsplätze und Know-how im Inland

zu sichern. U.a. stehen die zu hohen und weiter steigenden

Strompreise und eine zu wenig ausgeprägte Innovationskultur

in Deutschland diesem Ziel derzeit entgegen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!