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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und Marktpotenziale

PD Dr. Johannes Harsche

Gergana Dimitrova

Report Nr. 788

Wiesbaden 2010

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Eine Veröffentlichung der HA Hessen Agentur GmbH

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Dr. Michael Hann

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Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe

gestattet. Belegexemplar erbeten.

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I

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und Marktpotenziale

Inhalt Seite

1 Einführung 1

2 Länderprofil Russland 2

3 Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Russland und Hessen 17

3.1 Hessische Exporte nach Russland 17

3.2 Hessische Importe aus Russland 19

3.3 Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Russland 21

4 Einflussfaktoren für Aktivitäten russischer Unternehmen in Hessen und

hessischer Unternehmen in Russland 24

4.1 Untersuchungsdesign 24

4.2 Untersuchungsergebnisse 24

4.2.1 Aktivitäten russischer Unternehmen in Hessen 26 4.2.2 Aktivitäten hessischer Unternehmen in Russland 27 4.2.3 Zukunftspotenziale und politische Handlungsansätze 32

5 Zusammenarbeit im Bereich Lehre, Forschung und Entwicklung 41

6 Fazit 48

7 Kontaktadressen 50

Liste der Gespächspartner 53

Abbildungsverzeichnis 55

Quellenverzeichnis 56

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1

1 Einführung

Im Zuge des Transformationsprozesses der vergangenen zwanzig Jahre sind die

enormen wirtschaftlichen Potenziale der Russischen Föderation in den Vordergrund

gerückt. Einhergehend mit tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Umbrüchen

durchlief das Land trotz Rückschlägen wie der Russlandkrise gegen Ende der

1990er Jahre oder der gegenwärtigen Finanzkrise eine sehr dynamische Entwick-

lung, die von einer zunehmenden Internationalisierung begleitet wurde. Auch wenn

hierfür in jüngerer Zeit der Rohstoffsektor eine hauptsächliche Grundlage bildete, so

sind doch auch in anderen Wirtschaftsbereichen zukunftsweisende Entwicklungen

erkennbar. Beispiele hierfür sind die Automobilindustrie, das Ernährungsgewerbe,

die chemische und pharmazeutische Industrie wie auch der Finanzsektor. So ver-

folgt die russische Regierung beispielsweise das Ziel, den Finanzplatz Moskau mit-

telfristig unter den weltweit zehn bedeutendsten Finanzzentren zu etablieren. Die

deutliche Erhöhung des Wohlstands in weiten Teilen der russischen Bevölkerung

hat zu einem verstärkten Bedarf an zahlreichen Konsumgütern geführt. Vom ge-

genwärtigen Ausbau der Infrastruktur – so etwa im Verkehrswesen und im Gesund-

heitswesen – gehen zusätzliche Nachfrageimpulse aus. Analoges gilt für den Auf-

bau von Produktionskapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe, der eine umfangrei-

che Nachfrage nach Investitionsgütern nach sich zieht. All dies macht die russische

Volkswirtschaft für westliche Investoren sehr interessant. Die hessische Wirtschaft

erscheint hierfür aufgrund ihrer vielfältigen Branchenstruktur und ihrer internationa-

len Ausrichtung prädestiniert. Allerdings sind umgekehrt auch russische Akteure

weltweit präsent und engagieren sich in den unterschiedlichsten Wirtschaftszwei-

gen, wozu in jüngerer Zeit ein verändertes Management und eine gestiegene Kapi-

talkraft in zahlreichen russischen Großunternehmen erheblich beigetragen haben.

Darüber hinaus sind auch in den Bereichen Kultur und Wissenschaft allenthalben

vielfältige Initiativen und Kooperationen entstanden.

Die vorliegende Untersuchung, die sich in drei Teile gliedert, betrachtet die Wirt-

schaftsbeziehungen zwischen Russland und Hessen. Einleitend werden in einem

kurzen Länderprofil die bedeutendsten wirtschaftlichen Strukturmerkmale und die

gegenwärtige gesamtwirtschaftliche Situation Russlands dargestellt. Der zweite Teil

der Untersuchung enthält eine Analyse der außenwirtschaftlichen Beziehungen zwi-

schen Russland und Hessen. Berücksichtigt werden hierbei die Außenhandelsver-

flechtungen und die ausländischen Direktinvestitionen. Im dritten Teil der Untersu-

chung werden wirtschaftliche Kooperationen zwischen Hessen und Russland dar-

gestellt. Dazu gehören Kurzportraits fünf ausgewählter Unternehmen mit Sitz in

Hessen, die Ausführungen über die Tätigkeitsschwerpunkte und die Motive für die

Ansiedlungsentscheidung enthalten. Abschließend wird auf Kooperationen zwischen

hessischen und russischen Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen sowie ver-

schiedene Einrichtungen des hessisch-russischen Netzwerkes eingegangen.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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2 Länderprofil Russland1

Basisinformationen

Die Russische Föderation ist das flächenmäßig größte Land der Erde, das sich über

zwei Kontinente erstreckt: Ca. 23 % der Fläche gehören zu Europa und 77 % zu

Asien. Mit 141,9 Mio. Einwohnern gehört Russland zu den zehn bevölkerungs-

reichsten Ländern weltweit. Sollte sich jedoch der Bevölkerungsrückgang (durch-

schnittlich um -0,4 % jährlich seit 2000) fortsetzen, könnte das Land bald nicht mehr

zu den Top 10 gehören.

Basisdaten zur Russischen Föderation

Landfläche 16,4 Mio. km2 (entspricht 17,7 % der weltweiten Landfläche)

Einwohner 146,6 Mio. (2000) 141,9 Mio. (2009)

Bevölkerungsentwicklung -0,4 % p.a. (2000 bis 2009)

Bevölkerungsdichte 8,9 Einw./km2 (2000) 8,7 Einw./km2 (2009)

Lebenserwartung bei der Geburt (m) 59,0 Jahre (2000) 61,8 Jahre (2008)

Lebenserwartung bei Geburt (w) 72,3 Jahre (2000) 74,2 Jahre (2008)

Personen im Alter von 24 bis 64 Jahren mit

einem Sekundärschulabschluss

88 je 100 Einw. (2002)

Personen im Alter von 24 bis 64 Jahren mit

einem Tertiärabschluss

54 je 100 Einw. (2002)

Währung Russische Rubel (RUB) = 100 Kopeken

Wechselkurs 1 Euro = 36,54 Rbl

(Jahresdurchschnitt 2008)

1 US$ = 24,87 Rbl

(Jahresdurchschnitt 2008)

1 Euro = 44,01 Rbl

(September 2009)

1 US$ = 30,09 Rbl

(September 2009)

Kfz-Bestand 138 je 1.000 Einw. (2000) 188 je 1.000 Einw. (2006)

Telefonanschlüsse 22,6 je 100 Einw. (2000) 32,3 je 100 Einw. (2008)

Mobilfunkverträge 2,2 je 100 Einw. (2000) 140,6 je 100 Einw. (2008)

Internetnutzer 2,0 je 100 Einw. (2000) 21,1 je 100 Einw. (2007)

Quelle: Staatlicher Russischer Dienst für Statistik (Rosstat), www.gks.ru; Statistisches Bundesamt;

OECD, www.oecd.org/edu/eag2009; Germany Trade & Invest, www.gtai.de.

1 Die streng korrekte Übersetzung von „Российская Федерация“, also der Staatsname, sollte im Deutschen „Russländi-

sche Föderation“ heißen. Dies ist allerdings weitestgehend ungebräuchlich, stattdessen wird meistens „Russische Föde-ration“ benutzt (Vgl. z.B. www.auswaertiges-amt.de). Im Folgenden werden die Bezeichnungen „Russland“ und „Russi-sche Föderation“ als Synonyme verwendet, was auch im Einklang mit der Verfassung der Russischen Föderation ist. Als Adjektiv wird im Text ebenfalls das gebräuchliche „russisch“ statt „russländisch“ benutzt.

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Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Russland ist sehr niedrig: nur 8,7 Per-

sonen/km2 (Deutschland: 235,5 Personen/km2). Dies liegt allerdings vor allem an

den teilweise extremen geografischen Gegebenheiten,2 die dazu führen, dass die

Bevölkerung im Lande sehr ungleichmäßig verteilt ist: 26 % der Bevölkerung leben

im Zentralrussland, das knapp 4 % der Gesamtfläche des Landes umfasst. Die Fö-

derationskreise Fernost und Sibirien machen dagegen insgesamt 66 % (jeweils über

30 %) der Gesamtfläche der Russischen Föderation aus, beheimaten allerdings nur

weniger als 5 % bzw. 14 % der Gesamtbevölkerung.

Die Russische Föderation ist ein Vielvölkerstaat. Nach den Ergebnissen der letzten

Volkszählung im Jahr 2002 leben neben den Russen, die mit 79,8 Prozent die

Mehrheit der Bevölkerung darstellen, noch etwa 100 andere Völker auf dem Gebiet

des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (3,8 Prozent), die Ukrainer

(2,0 %), die Baschkiren (1,2 %), die Tschuwaschen (1,1 %), die Tschetschenen

(0,9 %) und die Armenier (0,8 %).

Das Durchschnittsalter3 der Bevölkerung liegt bei 38,4 Jahren (Deutschland: 43,8),

und die Lebenserwartung sowohl bei Frauen (74,2 Jahre) als auch bei Männern

(61,8 Jahre) liegt deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts (entsprechend 82,4

und 77,1 Jahre).

Das Bildungsniveau in Russland ist sehr hoch. Es besteht eine neunjährige Schul-

pflicht. Im Anschluss kann die zweijährige obere Sekundarstufe absolviert werden,

welche die Aufnahme eines Studiums ermöglicht, oder mit einer Berufsausbildung

fortgefahren werden, die ebenfalls den Erwerb eines Reifezeugnisses erlaubt. Nach

Angaben der OECD4 haben in Russland 88 % der Bevölkerung im Alter von 24 bis

64 Jahren mindestens eine Sekundarschulbildung und 54 % auch eine Tertiärbil-

dung5 abgeschlossen. In Deutschland sind es nur 84 % beziehungsweise 24 %.

Die Telekommunikationsinfrastruktur in Russland ist auf den ersten Blick schlechter

als in Deutschland: Während in Deutschland 62,5 Telefonanschlüsse je 100 Ein-

wohner angemeldet sind, hat nur jede dritte Person in Russland einen Festnetzan-

schluss. Ein Blick auf die Anzahl der Mobilfunkverträge hinterlässt allerdings einen

vollkommen anderen Eindruck: Mit 140 Mobilfunkverträgen je 100 Einwohner ver-

fügte im Jahr 2008 so gut wie jede erwachsene Person in Russland über etwa zwei

Mobilfunktelefone (im Jahr 2000 waren es weniger als 2 Prozent der Bevölkerung,

2 Fast alle Klimazonen sind in Russland vertreten: von der Polarzone und der Kältesteppe (Tundra) bis zur Subtropischen Zone (Mittelmeerklima). Das Relief ist ebenfalls abwechslungsreich: Der überwiegende Teil des Landes ist zwar eine Ebene, die zahlreichen Gebirge und Gebirgsketten mit mehreren über 4.000 und 5.000 Meter hohen Bergen gehören je-doch zu den höchsten weltweit.

3 Unter Durchschnittsalter wird die Median der Bevölkerungsverteilung in Bezug auf das Alter verstanden, d.h. die Hälfte der Bevölkerung ist jünger und die andere Hälfte älter als 38,4 Jahre.

4 Vgl. Education at a Glance 2009, www.oecd.org/edu/eag2009. 5 In Deutschland entspricht dies dem Abschluss an einer Fachhochschule oder Universität.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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die ein Mobiltelefon besaßen). In Deutschland sind es „nur“ 128 Mobilfunkverträge

je 100 Einwohner. Die Zahl der Internetnutzer in Russland liegt mit 21,7 pro 100 Ein-

wohner dagegen niedriger als in Deutschland (76,1 je 100 Einwohner).

Die Russische Föderation ist Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion in internationalen

Organisationen. Administrativ besteht sie aus 83 Subjekten: 21 Republiken, 9 Regi-

onen (Kraj), 46 Gebiete (Oblast), 2 Städte föderalen Ranges (Moskau und Sankt

Petersburg), 1 Autonomes Gebiet und 4 Autonome Kreise. Eine weitere Gliederung

erfolgt in acht Föderationskreise (Abbildung 1), welche jeweils mehrere Föderati-

onssubjekte zu einer größeren Einheit zusammenfassen.

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Abbildung 1: Die Russische Föderation mit den acht Föderationskreisen

Quelle: Hessen Agentur.

Quelle: Wikipedia

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Wirtschaftslage

Zwei Faktoren sind von besonderer Bedeutung, wenn es um die russische Wirt-

schaft geht: das Vorkommen natürlicher Ressourcen im Lande sowie das histori-

sche Erbe der Sowjetunion.

Russland ist besonders reich an natürlichen Ressourcen: Beispielsweise befinden

sich die größten, nämlich mehr als 23 % der bekannten Welt-Erdgasreserven, in

Russland, das dementsprechend auch der weltweit bedeutendste Erdgasförderer

ist. Bei der Förderung von Erdöl belegt Russland nach Saudi-Arabien den zweiten

Platz.6 Aber auch bei der Förderung von wichtigen Bergbau-Erzeugnissen wie Ei-

senerz, Gold, Kupfer und Silber gehört Russland zu den weltweiten Top 10. Da-

durch entsteht einerseits ein großes Wirtschaftspotenzial, andererseits führt die Ab-

hängigkeit von Rohstoffen dazu, dass die Wirtschaft besonders empfindlich auf die

Nachfrage- und Preisdynamik des Weltmarkts reagiert und damit weniger Stabilität

aufweist.

Die Wirtschaftsstruktur der Russischen Föderation ist entsprechend stark von die-

sen Gegebenheiten geprägt. Der Bergbau gehört mit einem Anteil von 9 % an der

gesamten Bruttowertschöpfung des Landes zu den wichtigsten Wirtschaftsberei-

chen.

Bruttoinlandsprodukt und Wirtschaftsstruktur in Russland

2002 2009

Bruttoinlandsprodukt1) 2) 364,6 Mrd. Euro 884,0 Mrd. Euro

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner1) 2) 2.511 Euro 6.229 Euro

Struktur der Bruttowertschöpfung1)

Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei 6,6 % 4,6 %

Bergbau 6,7 % 9,0 %

Verarbeitendes Gewerbe 17,3 % 15,6 %

Strom, Gas, Wasser 3,7 % 3,3 %

Baugewerbe 5,4 % 5,6 %

Handel, Gastgewerbe, Verkehr, Nachrichtenübermittlung 33,7 % 30,1 %

Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister 13,6 % 17,4 %

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung 5,0 % 6,0 %

Sonstige öffentliche und private Dienstleister 8,0 % 8,4 % 1) in jeweiligen Preisen; 2) umgerechnet in Euro mit dem jeweiligen jahresdurchschnittlichen Referenzwechselkurs der EZB.

Quelle: Statistisches Amt der Russischen Föderation.

6 Der Fischer Weltalmanach 2010, S. 696 ff.

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Das Verarbeitende Gewerbe hat mit 15,6 % an der gesamtwirtschaftlichen Leistung

eine geringere Bedeutung als in Deutschland (19 %) und den EU27-Ländern im

Durchschnitt (17 %).

Im Dienstleistungssektor ist der Bereich „Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Nach-

richtenübermittlung“ mit über 30 % der gesamten Bruttowertschöpfung sehr bedeut-

sam (Deutschland: 18 %, EU27: 21 %). Der Handel spielt dabei die größte Rolle –

zwei Drittel der Wirtschaftsleistung dieses Wirtschaftszweigs werden vom Handel

erwirtschaftet. Der Bereich „Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister“

hat trotz zunehmender Bedeutung einen vergleichsweise niedrigen Anteil von

17,4 %. In Deutschland liegt dieser bei über 30 %, und im europäischen Durch-

schnitt sind es 28 %. Die Land- und Forstwirtschaft trägt in Russland – anders als in

Deutschland und EU27 – vergleichsweise viel zur Wirtschaftsleistung bei – nämlich

knapp 5 %. Russland gehört auch zu den weltweit größten Produzenten von Haupt-

nahrungsmitteln wie Getreide, Milch und Fleisch.

Die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 stellte Russland vor eine große Her-

ausforderung: der Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft, und zwar

unter Wegfall eines Großteils der eingespielten Handelsbeziehungen im Rahmen

des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon). Dies führte zunächst zu ei-

nem massiven Einbruch der Produktion. Zwischen 1991 und 1998 ging das reale

Bruttoinlandsprodukt um insgesamt gut 40 % zurück. Der Einbruch der Ölpreise im

Jahr 1998 und die damit zusammenhängende Abwertung des russischen Rubels

stürzten das Land in eine Finanzkrise.

Die Erholung der Wirtschaft kam schneller als erwartet – schon im Jahr 1999 war

die russische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs. Das reale Bruttoinlandsprodukt

nimmt seitdem jährlich mit Raten zwischen 5 und 10 % zu (vgl. Abbildung 2), nicht

zuletzt begünstigt durch den kräftigen Ölpreiseinstieg zwischen 2004 und 2008.

Günstig wirkten sich zudem verschiedene wirtschaftspolitische Reformen aus. Auch

der Preisanstieg bei den restlichen Rohstoffen trug zu ansteigenden Exporterlösen

Russlands sowie Rekordüberschüssen in der Handels- und Leistungsbilanz bei. Die

Währungsreserven stiegen stetig, hohe Haushaltsüberschüsse (vgl. Abbildung 3)

wurden möglich und hiermit die Tilgung von Staatsschulden und entsprechend die

Verminderung der Zinsbelastung des Budgets.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt in Russland: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2010

10,0

5,1 4,77,3 7,2 6,4

7,7 8,15,6

3,6

-9,0

-15

-10

-5

0

5

10

15

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

v. H.

Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen; Schätzung für 2010.

Quelle: IWF-Datenbank.

Abbildung 3: Öffentliche Haushaltsbilanz in Russland: Relation zum BIP in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2009

1,93,0

0,9 1,3

4,5

8,16,0

4,8

8,4

-8,8-10

-5

0

5

10

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

v. H.

Schätzung für 2009

Quelle: IWF-Datenbank.

Im Laufe des Jahres 2008 wurde auch Russland von der weltwirtschaftlichen Wirt-

schafts- und Finanzkrise erfasst. Die Abhängigkeit von der globalen Rohstoffnach-

frage hat sich dabei als besonders ungünstig erwiesen, weil alle weiteren Stützen

des Wachstums durch den Preisverfall für Öl, Gas und Metalle (vgl. Abbildung 4)

zusammengebrochen sind: Investitionen, Privatkonsum, Bauwirtschaft. Gleichzeitig

sind die Finanzierungsquellen für russische Unternehmen im Ausland versiegt, wäh-

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rend einheimische Banken nur noch zu unakzeptablen Zinssätzen Geld verleihen.7

Dementsprechend nahm das reale Bruttoinlandsprodukt 2008 um „nur“ 5,6 % zu,

und für 2009 gibt der Internationale Währungsfond (IWF) aktuell8 einen drastischen

Rückgang von 9 % an – ein Einbruch, der an die ersten Jahren nach der Wende er-

innert. Der Rubel hat seit dem Ausbruch der Krise eine massive Abwertung erfah-

ren. Dies trägt u.a. dazu bei, dass die Inflation auf einem im internationalen Ver-

gleich immer noch sehr hohen Niveau verharrt (vgl. Abbildung 5). Dies und der

schwache Arbeitsmarkt sorgten für einen rückläufigen Konsum.

7 Vgl. Germany Trade & Invest: Wirtschaftstrends Russland/ Jahreswechsel 2009/10. 8 Vgl. IWF-Datenbank, Stand: Januar 2010.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

10

Abbildung 4: Preisindizes für Rohstoffe bzw. Rohstoffpreise 2000 bis 2010, 2005 = 100

0

50

100

150

200

250

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Rohwaren, inkl. Agrarprodukte Rohwaren, exkl. Agrarprodukte Kupfer Aluminum Eisenerz

2005 = 100

050

100150200250300350400

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Zinn Nickel Zink Blei Uran

0

50

100150

200

250

300

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Erdöl (Crude Oil) Russisches Erdgas (Grenze Deutschland)

Kohle Holz (inkl. Laubholz und Nadelholz)

Schätzungen für Jahresdurchschnitte 2009 und 2010

Quelle: IWF-Datenbank.

Gegenwärtig blickt die russische Wirtschaft wieder etwas optimistischer in die Zu-

kunft. Nach zweistelligen Produktionsrückgängen im produzierenden Gewerbe sta-

bilisieren sich die wichtigsten ökonomischen Kennziffern auf einem niedrigen Ni-

veau.9 Für das laufende Jahr 2010 erwartet der IWF wieder ein für die russischen

Verhältnisse in den letzten zehn Jahren moderates Wachstum von 3,6 %.

9 Vgl. Germany Trade & Invest: Wirtschaftstrends Russland/ Jahreswechsel 2009/10.

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Abbildung 5: Inflationsrate in Russland: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2010

20,7 21,5

15,813,7

10,912,7

9,7 9,0

14,1

9,912,3

0

5

10

15

20

25

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

v. H.

Schätzungen für 2009 und 2010

Quelle: IWF-Datenbank.

Das Gesamtniveau des Wohlstandes gemessen an dem nominalen Bruttoinlands-

produkt pro Kopf ist trotz einer beachtlichen Steigerung in den letzten zehn Jahren

mit 6.229 Euro noch deutlich niedriger als in Deutschland (29.400 Euro) oder im

EU27-Durchschnitt (25.100 Euro). Allerdings sind hierbei nicht die Kaufkraftunter-

schiede zwischen den Ländern, also die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten,

und die Inflationsdynamik berücksichtigt. Aber auch die Umrechnung in kaufkraftbe-

reinigte Werte (Kaufkraftparitäten) zeigt für den Vergleich zwischen Deutschland

und Russland immer noch ein Gefälle von etwa 2:1 für das BIP pro Einwohner.10

Außenhandel

Nach Angaben der WTO für 2008 gehört Russland zu den zehn größten Exporteu-

ren weltweit, wobei mit einem Anteil von mehr als 80 % Rohstoffe die wichtigsten

Exportgüter des Landes darstellen. Daher wurden besonders während des Roh-

stoffbooms von 2003 bis 2008 regelmäßig Handelsbilanz-Überschüsse erwirtschaf-

tet, die sich allerdings in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sukzessive zurückgebil-

det haben (vgl. Abbildung 6). Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass im

hier betrachteten Zeitraum vor allem die Importe an wertschöpfungsintensiven bzw.

relativ teuren Investitionsgütern überproportional zugenommen haben, worauf nach-

folgend eingegangen wird.

10 Vgl. Der Internationale Währungsfonds, http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_GDP_(PPP)_per_capita.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Abbildung 6: Saldo der russischen Handelsbilanz, absolut und in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, 2003 bis 2008

0

50

100

150

200

250

2003 2004 2005 2006 2007 2008

0

5

10

15

20

Absoluter Saldo der Handelsbilanz: Exporte abzüglich Importe (linke Skala)

Saldo der Handelsbilanz in Relation zum BIP (rechte Skala)

Mrd. US-$ v. H.

Quelle: Statistisches Amt der Russischen Föderation, IWF-Datenbank.

Was die jüngste Entwicklung der russischen Importe betrifft, so hat sich deren Ge-

samtwert im Vergleich der Jahre 2008 und 2003 um 366 % gesteigert (vgl. Über-

sicht Seite 13). Unter den Güterkategorien verzeichneten Investitionsgüter wie Ma-

schinen, Anlagen und Transportmittel ein besonders starkes Wachstum, so dass im

Fünf-Jahres-Vergleich der Importwert dieser Kategorie um 559 % und der Anteil am

Gesamtimport von 37 % auf 53 % zugenommen hat. Dies ist ein Indiz für den Struk-

turwandel der russischen Volkswirtschaft, in der offenbar für den Ausbau des Indust-

riesektors in zunehmendem Maße aus dem Ausland eingeführte Investitionsgüter

zum Einsatz kommen.

Auch die Güterkategorien Metalle, Metallprodukte und Edelsteine wie auch Textilien

waren durch vergleichsweise hohe Steigerungen des Importwertes gekennzeichnet,

und zwar um 360 % bzw. 314 %. Demgegenüber verzeichneten die Güterkategorien

Chemieprodukte, Kautschuk wie auch Lebensmittel und Agrarprodukte (außer Texti-

lien) unterproportionale Zuwächse des Importwertes, nämlich um 266 % bzw.

193 %; die Zuwachsrate für die Güterkategorie Holz, Holzprodukte, Papier und Zel-

lulose belief sich auf 171 %.

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Russische Importe nach Erzeugnissen 2003 und 2008

2003 2008

Mrd. US$ Ant. in % Mrd. US$ Ant. in %

Veränderung

2003/2003

in %

Einfuhr * 57,3 100,0 266,9 100,0 365,8

Hiervon:

Lebensmittel und

Agrarprodukte (außer Textilien)

12,0 21,0 35,2 13,2 193,3

Mineralische Produkte 2,2 3,8 8,3 3,1 277,3

Holz, Holzprodukte, Papier und

Zellulose

2,4 4,2 6,5 2,4 170,8

Metalle, Metallprodukte und

Edelsteine

4,2 7,3 19,3 7,3 359,5

Textilien 2,8 4,8 11,6 4,4 314,3

Maschinen, Ausrüstungen,

Transportmittel

21,4 37,4 141,0 52,7 558,9

Chemieprodukte, Kautschuk 9,6 16,8 35,1 13,1 265,6

Sonstige Erzeugnisse 2,7 4,7 9,9 3,8 266,7

* Wert der Einfuhren in laufenden Preisen

Quelle: Statistisches Amt der Russischen Föderation.

Zu den Hauptlieferländern gehörten im Jahre 2008 Deutschland und China mit je-

weils 13 % des Importwerts (vgl. Abbildung 7). Ein Großteil der Importe aus China

besteht aus Konsumgütern (Textilien, Haushaltgeräte), während Deutschland für

Russland ein Hauptlieferant für Investitionsgüter (Maschinen und Anlagen) ist.

Deutsche Unternehmen konkurrieren auf dem russischen Markt vor allem mit Anbie-

tern aus Japan, Frankreich, Italien und den USA, die ebenfalls die sich dort bieten-

den Potenziale ausschöpfen. In dem für die Modernisierung der russischen Volks-

wirtschaft und auch für die deutsche Exportwirtschaft so bedeutsamen Segment des

Werkzeugmaschinenbaus ist Deutschland allerdings seit geraumer Zeit als wichtigs-

ter Lieferant vergleichsweise unangefochten, was sich in einem gegenwärtigen An-

teil von einem Drittel am Gesamtvolumen der Werkzeugmaschinenimporte nach

Russland widerspiegelt.11

11 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.), Deutsche Werkzeugmaschinen sind in Russland gefragt;

Pressemeldung vom 6. November 2009, Berlin.

Page 20: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

14

Abbildung 7: Hauptlieferländer 2008

Japan 7,0%

Sonstige 37,2%

UK 2,9%

Frankreich 3,8%

Belarus 4,0%Italien 4,1%

USA 5,2%

Ukraine 6,1%

Deutschland 12,8%

VR China 13,2%

Korea (Rep.) 3,8%

Quelle: Germany Trade & Invest.

Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der vergangenen Jahre haben ebenso

wie die russischen Importe auch die russischen Exporte eine erhebliche Steigerung

erfahren (vgl. Übersicht Seite 15). Zwischen 2008 und 2003 hat der Gesamtwert der

russischen Exporte um 249 % zugenommen, was vor allem auf einen Anstieg des

Exportwertes der mineralischen Erzeugnisse um 326 % zurückzuführen ist. Infolge-

dessen hat sich der – ohnehin traditionell sehr hohe Anteil – dieses Produktseg-

ments am gesamten Exportwert nochmals erhöht, und zwar von 57 % auf 70 %. Zu

beachten sind hier allerdings die gravierenden Schwankungen der Rohstoffpreise,

die sich in der Entwicklung des russischen Exportwertes niederschlagen. Herausra-

gende Steigerungen des Exportwertes sind zudem für Chemieprodukte wie auch für

Metalle, Metallprodukte und Edelsteine zu konstatieren, nämlich um 229 % bzw.

162 %.

Page 21: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

15

Russische Exporte nach Erzeugnissen 2003 und 2008

2003 2008

Mrd. US$ Ant. in % Mrd. US$ Ant. in %

Veränderung

2003/2003

in %

Ausfuhr * 134,0 100,0 468,1 100,0 249,3

Hiervon:

Lebensmittel und Agrarprodukte

(außer Textilien)

3,4 2,5 9,4 2,0 176,5

Mineralische Produkte 76,6 57,3 326,0 69,9 325,6

Holz, Holzprodukte, Papier und Zellulose 5,6 4,2 11,6 2,5 107,1

Metalle, Metallprodukte und Edelsteine 23,7 17,8 62,2 13,3 162,4

Textilien 0,9 0,7 0,9 0,2 0,0

Maschinen, Ausrüstungen,

Transportmittel

12,0 9,0 23,0 4,9 91,7

Chemieprodukte, Kautschuk 9,2 6,9 30,3 6,5 229,3

Sonstige Erzeugnisse 2,6 1,9 4,7 0,7 80,8

* Wert der Ausfuhren in laufenden Preisen.

Quelle: Statistisches Amt der Russischen Föderation.

Das für Russland strategisch so bedeutsame Segment der Maschinen, Ausrüstun-

gen und Transportmittel, dem die russische Regierung eine hohe industriepolitische

Priorität zumisst, unterlag zwar im Fünf-Jahres-Vergleich mit einer Zuwachsrate von

92 % einer erheblichen Expansion; verzeichnete jedoch im Zuge der deutlichen Zu-

nahme des Exportwertes der mineralischen Produkte einen Rückgang des Anteils

am Gesamtexportwert von 9 % auf 5 %. Analoges gilt für die Forst- und Holzwirt-

schaft, die in einigen Naturräumen der russischen Föderation deutliche komparative

Produktionsvorteile aufweist, allerdings einen Rückgang am Gesamtexportwert von

4 % auf 3 % hinnehmen musste. Dass die für diesen Sektor durchaus vorteilhaften

Produktionsbedingungen offenbar nicht in eine prosperierende Exportwirtschaft um-

gemünzt werden können, verdeutlicht die innerhalb Russlands sehr komplexen

raumwirtschaftlichen Gegebenheiten: Transportkostenintensive Güter können zwar

günstig produziert werden, jedoch ist deren Lieferung zu den bedeutenden Absatz-

märkten in Mittel- und Westeuropa wie auch in Ostchina sehr kostenträchtig. Ganz

anders stellt sich dies für die russische Erdöl- und Erdgaswirtschaft dar, die über

weitreichende Transportnetze mit einer Anknüpfung an zentrale internationale

Transport-Hubs verfügt.

Page 22: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

16

Das Spektrum der Abnehmer russischer Waren ist ebenfalls vor dem Hintergrund

der hohen strukturellen Bedeutung der Erdöl- und Erdgaswirtschaft wie auch deren

Transportströme zu sehen (vgl. Abbildung 8). Gemessen am Anteil am Gesamtex-

portwert zählen zu den Hauptabnehmerländern nämlich die Niederlande mit 12 %,

Italien mit 9 %, Deutschland mit 7% und die Türkei mit 6 %.

Abbildung 8: Hauptabnehmerländer 2008

Italien 9,0%Niederlande 12,2%

Sonstige 40,3%

Polen 4,3%

Türkei 5,9%

Belarus 5,0%

Ukraine 5,0%

VR China

Finnland 3,4%UK 3,2%

Deutschland 7,1%

Quelle: Germany Trade & Invest.

Die engen Handelsverflechtungen mit den Nachbarländern Belarus, Ukraine und

China werden aus Anteilen von jeweils etwa 5 % ersichtlich; Analoges gilt für die

Nachbarländer Polen und Finnland, auf die Anteile von 4 % bzw. 3 % entfallen. Ge-

rade in Hinsicht auf diese Länder bieten sich aufgrund räumlicher Bezüge Exportpo-

tenziale für die russische Konsumgüterindustrie.

Page 23: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

17

3 Außenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen Russland und Hessen

Die folgenden Ausführungen sind der Struktur und der Entwicklung der außenwirt-

schaftlichen Beziehungen zwischen Hessen und Russland gewidmet. Hierbei steht

zunächst der Außenhandel im Fokus der Analyse, für welche die jahresbezogenen

Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamtes als Datenbasis dienen.12 Einen

weiteren Untersuchungsgegenstand bildet der grenzüberschreitende Kapitalverkehr

in Form von Direktinvestitionen, die auf eine dauerhafte Beteiligung an Unterneh-

men im Ausland ausgerichtet sind. Sowohl hinsichtlich des Außenhandels als auch

bezüglich der Direktinvestitionen wird jeweils ein Vergleich zwischen Hessen und

dem gesamten Bundesgebiet vorgenommen.

3.1 Hessische Exporte nach Russland

Die Exporte der hessischen Wirtschaft nach Russland haben im vergangenen Jahr-

zehnt fortwährend zugenommen (vgl. Abbildung 9). Die diesbezügliche Entwicklung

verläuft sehr ähnlich wie die Entwicklung der Exporte des gesamten Bundesgebiets

nach Russland.

Abbildung 9: Entwicklung der Exporte nach Russland von 2000 bis 2008

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Exporte insgesamt Exporte nach Russland

2000 = 100

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Exporte insgesamt Exporte nach Russland

2000 = 100

Hessen Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

12 Auf Bundesländerebene wird der Außenhandel nach unterschiedlichen Konzepten erfasst: Die Einfuhr wird nach dem

Konzept des Generalhandels erfasst, die Ausfuhr nach dem Konzept des Spezialhandels. Die Berechnung eines Außen-handelssaldos ist daher aus methodischen Gründen nicht angebracht. So enthält die hessische Ausfuhr ausschließlich Waren, die in Hessen erzeugt, be- oder verarbeitet und dann exportiert werden. Die Importe Hessens umfassen hinge-gen auch Güter, die über Hessen in andere Bundesländer oder wieder in das Ausland weitergeleitet werden. In der Ein-fuhr Hessens sind diejenigen Güter nicht enthalten, die von anderen Bundesländern eingeführt und von dort nach Hes-sen weitergeleitet werden.

Page 24: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

18

Der Wert der hessischen Exporte nach Russland erhöhte sich von 307 Mio. Euro in

2000 auf 1.379 Mio. Euro in 2008 und somit weitaus stärker als der hessische Ge-

samtexportwert. Während sich nämlich der Wert der Exporte nach Russland um

350 % steigerte, kamen die hessischen Gesamtexporte auf einen Zuwachs um le-

diglich 63 %. Die jeweiligen bundesdeutschen Vergleichswerte belaufen sich für die

Exporte nach Russland auf 386 % und für die Gesamtexporte auf 67 %. Einherge-

hend mit der überproportionalen Steigerung der Exporte nach Russland erhöhte

sich der auf Russland entfallende Anteil am gesamten hessischen Exportwert im

Zeitraum 2000 bis 2008 von 1,0 % auf 2,7 %: Im Bundesgebiet steigerte sich der

betreffende Anteil im selben Zeitraum von 1,1 % auf 3,3 %. Mit der Intensivierung

der Außenwirtschaftsbeziehungen nimmt also die Bedeutung russischer Abnehmer

für die hessische Exportwirtschaft stetig zu.

Das Profil der hessischen Wirtschaft spiegelt sich auch in den Außenhandelsbezie-

hungen zu Russland wider, denn das Gros der Exporte von Hessen nach Russland

entfällt gegenwärtig auf die Chemie- und Pharmaindustrie, den Maschinenbau und

die Fabrikation elektrotechnischer Erzeugnisse (vgl. Abbildung 10).

Abbildung 10: Volumen der hessischen Exporte nach Russland in 1.000 Euro 2008

1.109

1.4251.7685.7808.0819.35512.55618.92619.303

34.45044.094

76.35278.622

93.331

107.318109.353

150.721273.312

332.154

568

0 100.000 200.000 300.000 400.000

Schmuckwaren, Gold- u. Silberschmiedewaren Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren

Rohstoffe Schuhe, Lederwaren, Leder

Stein-, Glaswaren, keramische Erz. (ohne Baukeramik) Holz und Holzwaren, Möbel

Textilien und Pelzwaren Vollständige Fabrikationsanlagen

Halbwaren Sonstige Fertigwaren

Waren aus Kunststoffen Papier und Papierwaren, Druckerzeugnisse

Ernährungswirtschaft:Feinmechanische und optische Erzeugnisse

Eisen- und Metallwaren

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör Kautschukwaren

Elektrotechnische Erzeugnisse Maschinen

Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse

1.000 Euro

Quelle: Statistisches Bundesamt.

Page 25: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

19

Auf die in Hessen strukturell bedeutsame Chemie- und Pharmaindustrie entfiel in

2008 ein Anteil am Exportwert von 24 %; mit Anteilen von 20 % und 11 % lagen der

Maschinenbau wie auch die Elektroindustrie merklich vor der Fahrzeugindustrie und

der Erzeugung von Eisen- und Metallwaren, die Anteile von 8 % bzw. 7 % erwirt-

schafteten. Mit Anteilen von jeweils 6 % ragten auch die Fertigung von feinmechani-

schen und optischen Erzeugnissen und die Ernährungswirtschaft hervor. Die ge-

nannten – allesamt vergleichsweise wertschöpfungsintensiven – Wirtschaftsberei-

che werden innerhalb der russischen Volkswirtschaft in näherer Zukunft voraussicht-

lich deutlich expandieren, was für ausländische Investoren ambivalente Folgewir-

kungen mit sich bringen dürfte: Einerseits vergrößern sich kurzfristig die Marktpo-

tenziale in Russland, mittelfristig wird jedoch im Zuge des bereits jetzt deutlich

sichtbaren Aufholprozesses der russischen Wirtschaft die Produktion der betreffen-

den Güter zunehmend in Russland erfolgen, was weitere Verschiebungen in der

Wirtschaftsstruktur und eine Veränderung der Wettbewerbssituation zur Folge ha-

ben wird. Zu beachten ist hier auch, dass in jüngerer Zeit zumindest in einigen Wirt-

schaftszweigen russische Anbieter durch Rationalisierungsmaßnahmen und Innova-

tionen ihre Konkurrenzfähigkeit erheblich gesteigert haben, woraus ausländischen

Anbietern eine ernstzunehmende Konkurrenz erwächst. Genannt sei hier beispiels-

weise die Ernährungsindustrie, die sich durch eine hohe Wettbewerbsintensität aus-

zeichnet.13 Für eine nachhaltige Positionierung auf dem russischen Markt ist es von

zentraler Bedeutung, inwieweit es ausländischen Anbietern gelingt, sich fortwährend

technologische und organisatorische Vorsprünge zu erarbeiten.

3.2 Hessische Importe aus Russland

Für den Gesamtwert der hessischen Importe aus Russland ist ebenfalls eine mittel-

fristige Aufwärtsbewegung zu verzeichnen (vgl. Abbildung 11). Allerdings wird diese

Entwicklung von einem Zyklus überlagert, der – vor dem Hintergrund des hohen

strukturellen Gewichts der Rohstoffe innerhalb der russischen Exportwirtschaft – im

Wesentlichen aus den Preisfluktuationen auf den Rohstoffmärkten resultiert. In der

jüngeren Vergangenheit verzeichneten die Importe aus Russland unter den gesam-

ten Importen nach Hessen ein weit überdurchschnittliches Wachstum. Im Vergleich

zwischen 2000 bis 2008 hat nämlich der Wert der hessischen Importe aus Russland

von 0,355 Mrd. Euro auf 1,203 Mrd. Euro und somit um 239 % zugenommen, wäh-

rend der Gesamtwert der Importe lediglich um 25 % angestiegen ist. Für das Bun-

desgebiet beträgt die Steigerung des Wertes der Importe aus Russland 146 %, die-

jenige des Gesamtwertes der Importe 52 %. Die hohe Entwicklungsdynamik in Hes-

sen bringt es zwar mit sich, dass der auf die Importe aus Russland entfallende An-

teil am Gesamtimportwert von 0,6 % auf 1,7 % zugenommen hat. Gleichwohl be-

13 Vgl. hierzu etwa Belaya, Vera, und Taras Gagalyuk (2009), Der wachsende Lebensmittelmarkt in Russland: Kampfarena zwischen internationalen und einheimischen Handelsriesen. In: Russland-Analysen, 195/10, S. 2 - 8.

Page 26: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

20

wegt sich die relative Bedeutung der Importe aus Russland für das gesamte Bun-

desgebiet in einer anderen Bandbreite, denn der analoge Anteil hat sich im Bundes-

durchschnitt von 2,7 % auf 4,4 % erhöht. Dies lässt sich u. a. damit begründen, dass

insbesondere in den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die in

weiten Teilen deutlich stärker als Hessen durch das Produzierende Gewerbe ge-

prägt sind, die Nachfrage nach Rohstoffen aus Russland besonders hoch ist.

Abbildung 11: Entwicklung der Importe aus Russland von 2000 bis 2008

50

100

150

200

250

300

350

400

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Importe insgesamt Importe aus Russland

2000 = 100

50

100

150

200

250

300

350

400

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Importe insgesamt Importe aus Russland

2000 = 100

Hessen Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

Im Hinblick auf die Produktpalette zeigen die Importe nach Hessen das für Russland

typische Muster, denn mit einem Anteil am Gesamtimportwert von 44 % dominieren

unter den Importprodukten die Rohstoffe sehr deutlich, gefolgt von Eisen- und Me-

tallwaren mit 31 % und Halbwaren mit 17 % (vgl. Abbildung 12). Auch aus der Struk-

tur der nach Hessen gelieferten Güter wird die nach wie vor sehr ausgeprägte

Schwerpunktlegung der russischen Volkswirtschaft auf der Rohstofferzeugung und

der Energiewirtschaft sehr deutlich. Voraussichtlich wird sich dies erst dann ändern,

wenn es gelingt, in Russland einen international konkurrenzfähigen Investitionsgü-

ter- und Konsumgütersektor aufzubauen, wofür wiederum technologisches Know-

how aus den westlichen Industriestaaten erforderlich ist.14 Für das russische Ex-

portgewerbe stellt sich jedoch das Problem, dass es in zahlreichen Bereichen – et-

wa in der Automobilindustrie und der Elektroindustrie – gegenüber Konkurrenten

aus anderen Schwellenländern in Punkto Qualität und Vertriebsstrukturen im Hinter-

treffen liegt. Diesbezüglich sind allerdings in der russischen Industrie deutliche Ent-

14 Vgl. Neue Zürcher Zeitung (13. Februar 2010), Fiat spannt mit Sollers zusammen. S. 9.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

21

wicklungsimpulse erkennbar, so beispielsweise die Modernisierung des Fahrzeug-

baus und die Stärkung des Luft- und Raumfahrtsektors.15

Abbildung 12: Volumen der hessischen Importe aus Russland in 1.000 Euro 2008

55

110

338

385

917

1.860

2.439

3.030

4.869

6.415

10.430

11.716

16.656

18.329

19.275

198.257

374.660

533.642

22

0 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000

Schuhe, Lederwaren, Leder

Sportgeräte, Musikinstrumente, Spielwaren

Kautschukwaren

Stein-, Glaswaren, keramische Erz. (ohne Baukeramik)

Ernährungswirtschaft

Sonstige Fertigwaren

Waren aus Kunststoffen

Textilien und Pelzwaren

Holz und Holzwaren, Möbel

Papier und Papierwaren, Druckerzeugnisse

Elektrotechnische Erzeugnisse

Maschinen

Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse

Schmuckwaren, Gold- u. Silberschmiedewaren

Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör

Feinmechanische und optische Erzeugnisse

Halbwaren

Eisen- und Metallwaren

Rohstoffe

1.000 Euro

Quelle: Statistisches Bundesamt.

3.3 Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und Russland

Im vergangenen Jahrzehnt vertieften sich die außenwirtschaftlichen Beziehungen

zwischen Hessen und Russland auch im Hinblick auf die Direktinvestitionen erheb-

lich. Dies verdeutlicht sich etwa daran, dass sich der Bestand der hessischen Direkt-

investitionen in Russland im Zeitraum 2000 bis 2007 von 0,322 Mrd. Euro auf

1,564 Mrd. Euro – und demnach um 385 % – steigerte (vgl. Abbildung 13). Für die

gesamten bundesdeutschen Direktinvestitionsbestände ist sogar ein Zuwachs um

1.033 % festzustellen. Diese unterschiedliche Entwicklungsdynamik schlägt sich

auch im regionalen Anteil Hessens an den bundesdeutschen Direktinvestitionsbe-

15 Vgl. hierzu etwa Schröder, Hans-Henning (2009), Modernisierung „von oben“ – Medwedews zweiter Bericht zur Lage der

Nation. In: Russland-Analysen, Nr. 192/09, S. 5.

Page 28: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

22

ständen nieder: In 2007 belief sich der diesbezügliche Anteil des Landes Hessen,

der in 2000 noch bei 21 % gelegen hatte, nur noch auf 9 %. Diese räumlich differen-

zierte Entwicklung rührt vor allem daher, dass Investoren aus anderen wirtschafts-

starken Bundesländern während der Hochkonjunktur von 2005 bis 2007 ihr Enga-

gement in Russland deutlich ausgebaut haben.

Vor allem von den seitens der russischen Regierung als Reaktion auf die Finanz-

und Wirtschaftskrise eingeleiteten Maßnahmen, die eine Verbesserung des Investi-

tionsklimas bezwecken, sind weitere auf ausländische Investoren einwirkende Im-

pulse zu erwarten. In absehbarerer Zeit sollen beispielsweise Privatisierungen for-

ciert werden, und für die Migration ausländischer Fach- und Führungskräfte nach

Russland sind schrittweise Liberalisierungen vorgesehen.16 Dies sind positive Sig-

nale nicht allein für die hessische Industrie, sondern auch für den Finanzplatz Frank-

furt. Sowohl für das Investment-Banking als auch das Privatkundengeschäft sind

nämlich aufgrund langfristiger Einflussfaktoren wie etwa der Expansion des russi-

schen Aktienmarktes und dem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens Wachstums-

schübe zu erwarten.17

Abbildung 13: Entwicklung des Bestandes der hessischen bzw. bundesdeutschen Direktinvestitionen in Russland 2000 bis 2007

0100200300400500600700800900

100011001200

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Hessen Deutschland2000 = 100

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

Bei der Einschätzung der Folgewirkungen der ausländischen Direktinvestitionen für

die Modernisierung der russischen Wirtschaft muss beachtet werden, dass sich das

Gros der Investitionen auf nur wenige – bereits prosperierende – Wirtschaftsräume

16 Vgl. Neue Zürcher Zeitung (10. Februar 2010), Russland will das Investitionsklima verbessern. S. 9. 17 Vgl. Moser, Evelyn (2007), Der Finanzsektor in Russland – vielversprechende Entwicklung der Finanzmärkte sollte Wirt-

schaftswachstum langfristig stützen. Deutsche Bank Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 402, Frankfurt am Main, S. 10ff.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

23

verteilt, in denen sich selbst verstärkende Wachstumsprozesse zu beobachten sind.

Beispielsweise flossen im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2007 allein 37 % in die

Stadt Moskau, 22 % in die Region Sachalin, in der sich umfangreiche Erdöl- und

Erdgasvorkommen befinden, und weitere 8 % in die Region Moskau.18 Inwieweit al-

so die Aktivitäten ausländischer Investoren zu einer Verringerung der in der russi-

schen Föderation sehr ausgeprägten regionalen Disparitäten beitragen werden, ist

letztlich schwer zu prognostizieren.

Im Unterschied zu den ausländischen Direktinvestitionen in Russland folgen die rus-

sischen Direktinvestitionen in Hessen wie auch in Deutschland einer eher sprung-

haften Entwicklung. Hier ist allerdings zu beachten, dass zum einen der betreffende

Investitionsbestand in hohem Maße von Einzelakquisitionen bzw. Einzelinvestitio-

nen beeinflusst wird. Ferner operieren zahlreiche russische Investoren nicht unmit-

telbar von Russland aus, sondern über Drittländer wie Zypern oder Luxemburg, so

dass die betreffenden Investitionsströme häufig nicht eindeutig erkennbar sind.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass voraussichtlich insbesondere kapitalkräftige

russische Unternehmen, die sich den internationalen Rechnungslegungsstandards

angepasst haben, sich zukünftig in zunehmendem Maße – ähnlich wie Konzerne

aus Brasilien, Indien und China – als internationale Investoren betätigen werden.

Abbildung 14: Entwicklung des Bestandes an russischen Direktinvestitionen in Hessen und in Deutschland im Zeitraum 2000 bis 2007

0

50

100

150

200

250

300

350

400

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Hessen Deutschland2000 = 100

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Hessen Agentur.

18 Vgl. Nestmann, Thorsten, und Peter Kompalla (2009), Die russischen Regionen – Moskau ist nicht alles. Deutsche Bank

Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 465, Frankfurt am Main, S. 11f.

Page 30: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

24

4 Einflussfaktoren für Aktivitäten russischer Unternehmen in Hessen und hessischer Unternehmen in Russland

4.1 Untersuchungsdesign

Um fundierte Aussagen von Branchenvertreten über die Einflussfaktoren für die rus-

sisch-hessischen Wirtschaftsbeziehungen zu gewinnen, wurden Expertengespräche

mit Vertretern aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen geführt. Der hierfür

entwickelte Gesprächsleitfaden beinhaltete im Wesentlichen Fragestellungen zu den

Motiven für die Standortwahl und den Hemmfaktoren für die Geschäftstätigkeit am

jeweiligen Standort. Weitere Themenfelder bildeten die Zukunftspotenziale der rus-

sischen Volkswirtschaft und die voraussichtliche Entwicklung der Wirtschaftsbezie-

hungen zwischen Hessen und Russland. Abschließend wurden die Gesprächsteil-

nehmer nach Vorschlägen zu möglichen Förderaktivitäten des Landes Hessen be-

fragt.

Die Ergebnisse der Expertengespräche wurden differenziert nach unterschiedlichen

Untersuchungsaspekten qualitativ ausgewertet. Bei der nachfolgenden Darstellung

der Gesprächsergebnisse werden die Positionen der Gesprächspartner als „Exper-

tenaussagen“ dargestellt. Sich widersprechende bzw. nicht eindeutig wiederkehren-

de Aussagen werden als solche – mit den jeweils unterschiedlich vertretenen Positi-

onen – aufgeführt.

4.2 Untersuchungsergebnisse

Eine Schätzung über die Anzahl der Unternehmen mit russischer Beteiligung in

Hessen ist sehr schwierig. Es existiert keine Statistik, die eine diesbezügliche Orien-

tierung bietet, und die Auswertung der verfügbaren Quellen liefert zum Teil inkom-

patible Ergebnisse. So ergibt eine Auswertung der Unternehmensdatenbank MAR-

KUS nach den Kriterien Abstammung der Gesellschafter und/ oder Manager rund

230 Unternehmen in Hessen mit russischem Hintergrund. Gleichzeitig geht die In-

dustrie- und Handelskammer Frankfurt nur für ihren Bezirk19 von 279 russischen

Unternehmen aus. Der Unterschied lässt sich damit erklären, dass die Unterneh-

mensdatenbank MARKUS restriktive Aufnahmekriterien hat. Um in die Datenbank

aufgenommen zu werden, muss ein Unternehmen:

• einen Handelsregistereintrag,

• einen Creditreform-Bonitätsindex von maximal 49920 sowie

19 Der Bezirk der IHK Frankfurt besteht aus der Stadt Frankfurt, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis (ohne Hochheim).

20 Der Creditreform-Bonitätsindex reicht von 100 bis 600 (bester bzw. schlechtester Wert).

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

25

• die Existenz mindestens einer Creditreform-Bonitätsauskunft oder

• einer Handelsregisternummer im Datenbestand der Creditreform

aufweisen. Diese Kriterien führen tendenziell zur Untererfassung von kleinen Unter-

nehmen. So sind nur 128 der 279 russischen Unternehmen, die von der IHK Frank-

furt ausgewiesen werden, im Handelsregister eingetragen. Zudem werden die Un-

ternehmen in MARKUS nach ihrem Hauptsitz regionalisiert, d.h. die MARKUS-

Auswertung beinhaltet nur Unternehmen, die in Hessen ansässig sind, und keine

hessischen Betriebe oder Niederlassungen von Unternehmen, deren deutscher

Hauptsitz außerhalb Hessens liegt.

Bei den identifizierten Unternehmen handelt es sich um Firmen aus sehr unter-

schiedlichen Wirtschaftsbereichen: Vom Rohstoffsektor (Wintershall/ Wingas in

Kassel) über die Elektroindustrie (z.B. DEG Licht GmbH in Bad Homburg) und das

Ernährungsgewerbe (AlterWest Eiskrem AG in Ortenberg) bis zu zahlreichen

Dienstleistern vor allem im Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr. Zu den

namhaften russischen Unternehmen in Hessen zählt auch die VSMPO TiRus GmbH

in Frankfurt. Das Unternehmen ist die europäische Vertriebszentrale der VSMPO-

Avisma Corp. – dem weltgrößten Hersteller von Titan und Titan-Halbfertigprodukten,

der beispielsweise ein wichtiger Partner der Luft- und Raumfahrtindustrie ist. Hier

wird aus einer Hand ein vollständiger Lieferanten- und Transportservice für Halbwa-

ren wie Platten, Bleche, Stangen, Rohre und Schmiedeteile aus Titan angeboten. In

2009 wurde das Tätigkeitsfeld ausgeweitet – seitdem können auch kundenspezifi-

sche Titanzuschnitte (Fräsen, Abrunden und Schleifen von Titanstangen) über das

Frankfurter Unternehmen bezogen werden.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Unternehmensgespräche über die rele-

vanten Faktoren der Standortansiedlung dargestellt sowie die Spezifika der Ge-

schäftsbeziehungen mit Russland kommentiert.

Im Anschluss werden zwei in Hessen operierende russische Unternehmen kurz

porträtiert, und zwar die TIS Logistic GmbH in Gründau-Lieblos sowie die VTB Bank

in Frankfurt.21 Zudem werden beispielhaft drei hessische Unternehmen vorgestellt,

die enge Geschäftsbeziehungen mit Russland unterhalten: Fresenius Medical Care

Deutschland GmbH in Bad Homburg, die K + S Kali GmbH in Kassel sowie die

Schunk Kohlenstofftechnik GmbH in Heuchelheim.

21 Bei der Auswahl der fünf Unternehmen spielten sowohl der Zeitpunkt der Niederlassung als auch die Branche eine Rolle.

Page 32: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

26

4.2.1 Aktivitäten russischer Unternehmen in Hessen

Als hauptsächliches Motiv für die Geschäftstätigkeit in Hessen nennen die Ge-

sprächspartner russischer Unternehmen, die in Hessen aktiv sind, die grundsätzlich

sehr günstigen Standortbedingungen: Ein stabiles politisches Umfeld, eine gut funk-

tionierende Verwaltung, eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur und eine hohe

Wirtschaftskraft sind Investitionen sehr förderlich. Hinzu kommt die attraktive Kultur-

landschaft. Insbesondere der Standort Frankfurt bietet aufgrund seiner günstigen

Verkehrsanbindung, seiner hohen Verdichtung wirtschaftlicher Aktivitäten in unter-

schiedlichsten Branchen wie auch zahlreicher internationaler Netzwerke und Busi-

ness Communities sehr günstige Standorteigenschaften. Auch die hohe Inter-

aktionsdichte am Standort Frankfurt bietet der russischen Community zahlreiche

Vorteile. Daneben wird das für Geschäftsaktivitäten sehr förderliche kosmopolitische

Flair in der Rhein-Main-Region genannt.

Vor allem die Funktionen als Finanzplatz wie auch als internationales Zentrum für

unternehmensnahe Dienstleistungen und die Immobilenwirtschaft sind für russische

Anbieter sehr attraktiv. Für ausländische Investoren bildet Frankfurt in vielfältiger

Weise einen Brückenkopf zur Erschließung deutscher bzw. westeuropäischer Märk-

te, denn von Frankfurt aus sind zahlreiche Standorte in kurzer Zeit erreichbar. So

gewährleistet die hohe „Connectivity“ des Standorts Frankfurt trotz langer Trans-

portdistanzen gleichermaßen eine pünktliche Lieferung wie auch die Wahrnehmung

von Geschäftsterminen. Aufgrund der hohen Zentralität ist Frankfurt eine ideale

Operationsplattform für Business-Aktivitäten nicht nur in Hessen, sondern auch in

den west- bzw. süddeutschen Ballungsräumen (Rhein-Ruhr, Rhein-Neckar, Stutt-

gart und München). Diese Wirtschaftsräume weisen allesamt sowohl eine vielfältige

und technologieintensive Industrie als auch einen hochentwickelten Dienstleistungs-

sektor auf, was sie für russische Geschäftsleute und Politiker, welche die russische

Wirtschaft modernisieren wollen, besonders attraktiv macht.

Gravierende Hemmfaktoren für russische Unternehmen stellen laut Einschätzung

der Gesprächsteilnehmer bürokratische Hindernisse dar, so etwa im Bereich der

Einreise- und Niederlassungsbestimmungen wie auch der Vorschriften zum Kapital-

transfer. Je nach Geschäftssparte wäre mittelfristig eine – zumindest teilweise –

Verlagerung von Geschäftsaktivitäten, insbesondere an Standorte in Mittel- und

Osteuropa, durchaus denkbar, denn in den betreffenden Ländern kann ebenfalls

sehr zuverlässig, flexibel und qualitätsbewusst produziert werden. Als ungünstigen

Standortfaktor sehen die Gesprächsteilnehmer auch die nach wie vor bestehenden

Vorbehalte gegenüber russischen Geschäftsleuten an.

Page 33: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

27

4.2.2 Aktivitäten hessischer Unternehmen in Russland

Im Rahmen der Untersuchung wurden Expertengespräche mit hessischen Unter-

nehmen geführt, die intensive Geschäftsbeziehungen mit Russland aufgebaut ha-

ben. Die Ergebnisse dieser Gespräche liefern wertvolle Informationen sowohl über

die wichtigsten Faktoren für die Geschäftstätigkeit in Russland als auch über wichti-

ge Eigenschaften der russischen Geschäftskultur, die beachtet werden sollten.

Motive für die Geschäftstätigkeit in Russland, Strategien und Erfolgsfaktoren

Obwohl die Geschichte der Geschäftsbeziehungen für das jeweilige Unternehmen

sehr spezifisch ist, war das Hauptmotiv zur Geschäftsaufnahme in Russland fast

immer das große Potenzial des russischen Marktes. Der russische Markt ist – so die

Expertenmeinung – aufgrund seines bereits bestehenden Volumens wie auch seiner

zu erwartenden Dynamik weltweit einer der bedeutendsten Wachstumsmärkte.

Abbildung 15 zeigt die Hauptinvestitionsmotive der befragten Unternehmen sortiert

nach deren Wichtigkeit. Das Motiv „Nähe zu Kunden und Lieferanten“ liegt auf einer

Skala zwischen 1 (nicht wichtig) und 4 (sehr wichtig) eindeutig an erster Stelle. Platz

zwei belegt das Motiv „Außenhandelsinstrumente, insbesondere Local Content-

Regelungen 22“. Dies unterstreicht zum einen die Neigung der russischen Außen-

handelspolitik zum Protektionismus, die bereits seit mehreren Jahren dem Beitritt

Russlands in die Welthandelsorganisation im Wege steht. Zum anderen weist die-

ses Ergebnis allerdings darauf hin, dass sich ausländische bzw. deutsche Unter-

nehmen aufgrund solcher Maßnahmen durchaus dazu animieren lassen, in Russ-

land zu investieren, was ja teilweise auch die Zielsetzung dieser Politik sein dürfte.

Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal folgt dicht an dritter Stelle. In den Ex-

pertengesprächen wurden Qualifikation und Motivation der russischen Fachkräfte

sehr gelobt. Es gibt jedoch eine Reihe zu beachtender spezifischer Faktoren in der

russischen Arbeitswelt, die im folgenden Abschnitt „Herausforderungen einer Ge-

schäftstätigkeit in Russland“ zusammengefasst sind. Der Nähe zu Universitäten und

Forschungseinrichtungen, dem Vorhandensein von Branchenclustern und einem

kosmopolitischen Milieu wurde eine deutlich geringere Bedeutung beigemessen.

Beziehungen zu der deutschen Community in Russland pflegen zwar einige der be-

fragten Unternehmen, die relative Wichtigkeit dieses Faktors als Motiv für die

Standortwahl wird jedoch im Durchschnitt als gering eingeschätzt. Förderhilfen und

Subventionen scheinen für Unternehmen, die sich in Russland engagieren, so gut

wie keine Rolle zu spielen.

22 Die „local content“-Auflagen legen einen gewissen Prozentsatz des Warenwertes fest, der in Russland gefertigt werden

muss, damit die Fertigware zum russischen Markt zugelassen wird. Vor allem in der Automobilindustrie spielt dies eine Rolle. Weitere restriktive Maßnahmen der russischen Außenhandelspolitik sind die Importzollsätze, die je nach Waren-gruppe zwischen 5 % und 35 % variieren können.

Page 34: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

28

Abbildung 15: Motive für die Geschäftstätigkeit und die Standortwahl hessischer Unternehmen in Russland (n = 6)

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

Nähe zu Kunden und Lieferanten

Außenhandelsinstrumente, insb. Local Content-Regelungen

Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal

Vorhandensein von Branchenclustern

Nähe zu Universitäten und Forschungseinrichtungen

Kosmopolitisches Milieu

Nähe zu anderen Anbietern der Branche

Deutsche Community am Standort in Russland

Förderhilfen und Subventionen

Durchschnittswert

Skala zwischen 1 (nicht wichtig) und 4 (sehr wichtig).

Quelle: Auswertung einer mündlichen Befragung der Hessen Agentur.

Ein weiteres Motiv für ein unternehmerisches Engagement in Russland, das in den

Gesprächen genannt wurde, ist das hohe Renommée der russischen Produkte in

bestimmten traditionellen Produktsegmenten. Ebenfalls genannt wurde die Erleich-

terung des Marktzugangs: Indem ein Unternehmen in Russland investiert oder mit

russischen Partnern eng zusammenarbeitet (z.B. in einem Joint Venture), erhält die

betreffende Firma das Image eines lokalen Anbieters und gewinnt hiermit an Wett-

bewerbsfähigkeit auf dem russischen Markt.

Dabei kann der Einstieg in den russischen Markt auf mehrfache Weise – Greenfield

Investment/ Aufbau oder Zukauf – erfolgen. Sehr oft entscheiden sich die Unter-

nehmen für den Zukauf. Auf diese Weise fließt regionale Kompetenz in das Unter-

nehmen mit hinein, die im Rahmen eines für Außenstehende oft sehr unübersichtli-

chen bürokratischen Umfelds mit zahlreichen Zertifizierungs-, Genehmigungs- und

Vergabeverfahren eine entscheidende Rolle für die schnelle Aufnahme des Ge-

schäfts spielt und für dessen Erfolg ausschlaggebend ist. Jedoch auch die Suche

nach einem Partnerunternehmen kann sich als sehr aufwändig und langwierig ge-

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

29

stalten, da hierbei die Bereiche Technologie, Management und Finanzierung zu be-

achten sind.

Für Unternehmen, die eine Produktion in Russland in Erwägung ziehen, ist eine er-

folgversprechende Strategie der Markterschließung, zunächst eine Repräsentanz

oder Vertriebsniederlassung aufzubauen; hiernach gilt es, möglichst zügig die Pro-

duktion aufzunehmen. Positiv wird das russische Umfeld beurteilt: Anders als in

China kann man in Russland Produktionsaktivitäten vergleichsweise kontinuierlich

auf- bzw. ausbauen, ohne dass man sogleich mit Nachahmern konfrontiert wird,

denn das russische Urheberrechtssystem funktioniert recht gut. Von zentraler Be-

deutung für die Geschäftstätigkeit sind ferner Verhandlungsgeschick, Ausdauer und

eine an langfristigen Gesichtspunkten ausgerichtete Kooperationsstrategie. Bei ei-

ner engen Partnerschaft mit russischen Akteuren ist zudem eine unter kaufmänni-

schen und technologischen Aspekten sinnvolle Arbeitsteilung sehr wichtig, um über

die gemeinsame Kapitalaufbringung hinaus Synergiepotenziale ausschöpfen zu

können. Die regionale Verwurzelung des russischen Partners mit entsprechenden

Kontakten zu Entscheidungsträgern aus Verwaltung und Politik bildet einen weiteren

maßgeblichen Erfolgsfaktor für ein Engagement in Russland.

Herausforderungen bei einer Geschäftstätigkeit in Russland

Die genannten Herausforderungen bei einer Geschäftstätigkeit in Russland unter-

scheiden sich je nach Branche, Unternehmensgröße und Art der Geschäftstätigkeit

in Russland. Dies liegt daran, dass die Unternehmen mit verschiedenartigen Prob-

lemen zu kämpfen haben und dementsprechend den Akzent auf unterschiedliche

Faktoren gesetzt haben.

An erster Stelle stehen die in vielen Regionen sehr mangelhafte Infrastruktur und

die verschiedenen bürokratischen Hürden. Wie die Experten betonen, sind die Stra-

ßenwege jenseits des Urals in einem sehr schlechten Zustand; das Straßennetz ist

zudem nicht sehr dicht. Somit ist man beim Transport im Wesentlichen auf die Bahn

angewiesen, welche allerdings sehr zuverlässig ist. Auch die Versorgungsinfrastruk-

tur lässt in vielen Regionen Russlands zu wünschen übrig.

Die an manchen Stellen schwere und unumgängliche Bürokratie, komplizierte Ge-

nehmigungs- und Vergabeverfahren sowie Korruption sehen die Gesprächspartner

als wichtige strukturelle Hemmfaktoren für die Entwicklung Russlands zu einem mo-

dernen Industrieland an. Gleichwohl relativieren viele der Gesprächspartner diese

Einschätzung mit dem Hinweis auf die vergleichsweise ebenso komplizierten Ver-

waltungsverfahren und -regelungen in Deutschland bzw. in der Europäischen Union.

Page 36: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

30

Abbildung 16: Herausforderungen bei der Geschäftstätigkeit und der Standortwahl hessischer Unternehmen in Russland (n = 6)

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

Infrastruktur

Bürokratische Hürden

Anwerbung von qualifiziertem Personal

Aufbau von Kontakten zu Geschäftspartnern

Sprachprobleme

Kulturelle Barrieren

Standortsuche

Durchschnittswert

Skala zwischen 1 (nicht wichtig) und 4 (sehr wichtig).

Quelle: Auswertung einer mündlichen Befragung der Hessen Agentur.

Eine weitere Besonderheit des russischen Marktes liegt in komplexen Handels- und

Wertschöpfungsketten. Die meisten Unternehmen haben keine Einkaufs- oder Au-

ßenhandelsabteilungen und können daher Zwischen- oder Endprodukte weder ein-

führen noch ausführen. Zwischenhandelsaktivitäten werden in weiten Teilen von In-

termediären durchgeführt. Ein lokales Unternehmen als Partner vor Ort hilft die Han-

delskette für ein ausländisches bzw. deutsches Unternehmen deutlich zu verkürzen.

Das Thema „Anwerbung von qualifiziertem Personal“ wird trotz sehr gut ausgebilde-

ter Fachkräfte in Russland ebenfalls als Herausforderung gesehen. Charakteristisch

für Russland ist der trotz der Wirtschaftskrise „überhitzte“ Arbeitsmarkt, der eine ho-

he Fluktuation der Arbeitskräfte zur Folge hat. Insbesondere bei hoch motivierten

und erfolgsorientierten Mitarbeitern, für welche die Entlohnung einen hohen Stel-

lenwert hat, ist die Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, sehr hoch. Daher

müssen den Mitarbeitern günstige Arbeitsbedingungen, ein gutes Betriebsklima und

eine konkurrenzfähige Entlohnung geboten werden.

Die Faktoren Aufbau von Kontakten zu Geschäftspartnern, Sprachprobleme und

kulturelle Barrieren bilden einen umfangreichen Themenkomplex. Diese Faktoren

werden von den Experten ambivalent gesehen – einige Gesprächspartner messen

ihnen eine sehr hohe Bedeutung bei, während andere kulturelle Unterschiede als

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

31

selbstverständlich betrachten oder im Vergleich zu anderen Ländern (z.B. China) als

nicht so gravierend ansehen. Von großer Bedeutung sind offenbar die Sprachkennt-

nisse: Einige Experten betrachten gute Russischkenntnisse als essentiell für eine

erfolgreiche Tätigkeit in Russland, da viele der Entscheidungsträger „der alten Schu-

le“ nur Russisch sprechen. Zudem wird ein wichtiger Teil des Geschäfts in informel-

lem Rahmen abgewickelt, so dass Dolmetscher wenig hilfreich sind. Andere Exper-

ten weisen darauf hin, dass auf der Managementebene in Russland zunehmend ein

Generationswechsel stattfindet. Die neue Generation besteht zum großen Teil aus

nach westlicher Tradition ausgebildeten Fachkräften, die ähnliche Werte im Ge-

schäftsumgang vertreten wie Manager in Westeuropa und eine vergleichbare

Sprachkompetenz aufweisen.

Als kulturelle Unterschiede wurden an erster Stelle die klaren Hierarchien in der Ar-

beitswelt genannt: Entscheidungen werden nur auf der obersten Managementebene

getroffen, was auch bei den Geschäftspartnern erwartet wird. Gestaffelte Unter-

schriftenregelungen wie in Deutschland sind in Russland oft unverständlich. Dies

führt auf der einen Seite zu einer mangelnden Eigeninitiative bei den Fachkräften,

die trotz herausragender Fachqualifikation meistens keine Verantwortung überneh-

men, auf der anderen Seite zur völligen Überlastung von Führungskräften. Generell

ist bei Verhandlungen mit russischen Partnerunternehmen große Umsicht geboten,

insbesondere dann, wenn man langfristige Geschäftsbeziehungen im Visier hat. Die

russischen Unternehmensvertreter legen größten Wert darauf, mit westlichen Part-

nern auf Augenhöhe – auf der entsprechenden Kompetenzebene – zu verhandeln.

Zudem laufen Geschäftskontakte in Russland viel stärker als in Deutschland über

Face-to-Face-Kontakte und weit weniger über elektronische Medien. Das persönli-

che Gespräch ist essentiell, was die Geschäftsprozesse verlangsamen kann. Für

die Geschäftsanbahnung spielen Empfehlungen oft eine große Rolle. Dadurch sind

Aufbau und Pflege persönlicher Netzwerke für den Geschäftserfolg unentbehrlich.

Dies ist umso wichtiger, als deutsche Unternehmen manchmal bei potenziellen rus-

sischen Partnern auf eine gewisse Vorsicht gegenüber Akteuren aus westlichen

Ländern stoßen. Die Pflege der Geschäftsbeziehungen bedarf einer großen Aus-

dauer und langfristigen Orientierung, da hier auch die informellen Kontakte mit den

Geschäftspartnern sehr wichtig sind. Russische Partner legen großen Wert auf

Dauerhaftigkeit und Stabilität in den Geschäftsbeziehungen sowie auf das gegensei-

tige Vertrauen, da Geschäftsdokumente häufig nicht erstellt werden (Sprachrege-

lung: „…werden nachgereicht…“).

Die Standortsuche wird nur von wenigen Gesprächspartnern als eine besondere

Herausforderung bei der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit in Russland genannt.

Allerdings bereitet offenbar ausländischen Investoren nicht selten ein mangelndes

Angebot an Büro- und Gewerbeflächen in mittelpreisigen Lagen Probleme.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

32

4.2.3 Zukunftspotenziale und politische Handlungsansätze

Laut Einschätzung der Gesprächspartner birgt die russische Volkswirtschaft ein um-

fangreiches Wachstumspotenzial, und dies sowohl im Rohstoffbereich als auch im

Konsumgüter- und Investitionsgüterbereich. Hiervon können westliche Unternehmen

erheblich profitieren. Der russische Markt ist auf mittlere Sicht sehr lukrativ, denn es

existiert ein Kundenpotenzial von 140 Mio. Einwohnern, deren Wohlstand – insbe-

sondere in den mittleren Einkommensklassen – sukzessive zunimmt. Aufgrund der

Steigerung der Haushaltseinkommen wird die Nachfrage nach hochwertigen Kon-

sumgütern stark zunehmen, wovon wiederum Impulse für die Investitionsgüterin-

dustrie ausgehen. Umfangreiche Geschäftspotenziale sind darüber hinaus aus zu-

nehmenden Anstrengungen zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz

und im Ausbau der Versorgungs- und Transportinfrastruktur zu erwarten. In diesen

Bereichen hat die russische Regierung bereits zahlreiche Initiativen ergriffen. Auch

im russischen Gesundheitssektor sind die langfristigen Aussichten sehr günstig, weil

sich mit zunehmendem Wohlstand für weite Teile der Bevölkerung der Zugang zu

Gesundheitsdienstleistungen öffnet. Hiermit einhergehend verbessert sich die Infra-

struktur im Gesundheitswesen deutlich. Der russische Finanzsektor wird sich trotz

der derzeitigen Krisensymptome in absehbarer Zeit positiv entwickeln, zumal von

staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite umfangreiche Anstrengungen zur Steige-

rung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Moskau unternommen werden.

Die Gesprächspartner gehen davon aus, dass zwar mittelfristig in Russland der

Wettbewerbsdruck steigen wird, die komparativen Vorteile der Anbieter aus westli-

chen Industrieländern jedoch in den nächsten zehn Jahren bestehen bleiben wer-

den. Gleichwohl ist es notwendig, die Marktposition zu konsolidieren bzw. auszu-

bauen. Beispielsweise ist es erforderlich, russischen Geschäftspartnern immer wie-

der das jeweilige Preis-Leistungs-Verhältnis zu erläutern. Dass sich die russische

Wirtschaft nach wie vor in einer Take-Off-Phase befindet, ist auch daraus ersicht-

lich, dass die Wirtschaftsstruktur in den meisten Branchen nach wie vor stark durch

Großunternehmen geprägt ist, von denen sich zahlreiche zumindest teilweise im Ei-

gentum des Staates befinden. Ein Mittelstand befindet sich erst im Aufbau.

Einige der in Russland tätigen hessischen Unternehmen verfolgen eine Nischenstra-

tegie, die sich gemäß den Einschätzungen der betreffenden Gesprächspartner ins-

gesamt als sehr erfolgreich erweist. Die Anbieter im Bereich der Umwelttechnolo-

gien arbeiten häufig mit Auftraggebern aus der Privatwirtschaft zusammen, die vor

allem dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen sind. In diesem Segment kommen

die Kompetenzen der hessischen Unternehmen voll zum Tragen.

Laut Aussage der Gesprächspartner hat in jüngerer Zeit für die Geschäftsanbah-

nung im gesamten mittel- und osteuropäischen Raum der Stellenwert von Messen

merklich abgenommen. Im Zuge der Intensivierung der internationalen Wirtschafts-

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

33

beziehungen ist hiermit einhergehend die Bedeutung von Netzwerken, die auf Face-

to-Face-Kontakten beruhen, deutlich gestiegen. Im Bereich der eigenen Akquise

haben einige der befragten Unternehmen in jüngerer Zeit ihre Anstrengungen er-

heblich gesteigert. Die russischen Geschäftspartner legen großen Wert auf eine

langfristig ausgerichtete und verlässliche Strategie. Auch haben sich nach Einschät-

zung der Gesprächsteilnehmer mit der wirtschaftlichen Entwicklung die Manage-

ment-Fähigkeiten und technischen Qualifikationen in den russischen Belegschaften

stark verbessert, so dass in zahlreichen Bereichen deutliche Entwicklungsimpulse

erkennbar sind. Trotzdem werden auf absehbare Zeit russische Anbieter in zahlrei-

chen Geschäftsfeldern mit Anbietern aus Westeuropa, Nordamerika und anderen

asiatischen Ländern nicht ernsthaft konkurrieren können.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat in Russland die Konsumgüterindustrie ebenso

wie die Investitionsgüterindustrie hart getroffen. Im Anlagenbau sind die derzeitigen

Geschäftsaussichten eher ungünstig, wovon auf den russischen Märkten weniger

die Pioniere als vielmehr die Nachzügler in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch

die aus der Finanz- und Wirtschaftskrise resultierende Rubelschwäche stellt unter

Ertragsgesichtspunkten ein großes Problem dar. Auf der Abnehmerseite machen

sich gegenwärtig Finanzierungsprobleme bemerkbar. Nach Einschätzung der Ge-

sprächspartner wird es sich als schwierig erweisen, an die sehr erfolgreichen Ge-

schäftsjahre 2007 und 2008 anzuknüpfen. Um im Markt langfristig zu bestehen, ist

offenbar in der derzeitigen Konjunkturphase eine antizyklische Geschäftsstrategie

gefragt.

Was die hiesige russische Community betrifft, so schätzen die Gesprächspartner die

Anzahl der in Deutschland ansässigen Bürger mit „russischem Background“ auf et-

wa drei bis sechs Millionen. Dementsprechend groß ist auch das Marktpotenzial für

Produkte mit russischem Hintergrund. Für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen

Hessen und Russland hat die in Hessen ansässige russische Community gemäß

den Angaben der Gesprächspartner keine sehr hohe Bedeutung. Gleichwohl birgt

die hohe Sprachkompetenz der Bürger mit „russischem Background“, die sich häufig

auf drei oder vier Sprachen erstreckt, ein sehr wertvolles kulturelles wie auch wirt-

schaftliches Potenzial für die russisch-deutschen Beziehungen, das derzeit nur teil-

weise erkannt wird. Der Abbau von Barrieren und Vorurteilen könnte maßgeblich

dazu beitragen, dieses Potenzial besser auszuschöpfen. An den anvisierten Ziel-

gruppen orientiert sich auch die Produktpalette von in Hessen ansässigen Medien-

unternehmen mit russischem Hintergrund. Diese verfolgen gegenwärtig eine stetige

und gleichzeitig eher zurückhaltende Expansionsstrategie, die vor allem auf eine

Erweiterung bzw. Verdichtung regionaler Informations- und Kooperationsnetzwerke

und eine Stärkung der gegenwärtigen Produktpalette abzielt.

Page 40: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

34

Zu den Handlungsansätzen für die hessische Landespolitik haben die Ge-

sprächsteilnehmer differenzierte Aussagen gemacht. Die hessische Landesregie-

rung kann auf vielfache Weise zur Forcierung der hessisch-russischen Wirtschafts-

beziehungen beitragen, so etwa über die Förderung von langfristig ausgerichteten

Plattformen zur Information und Kommunikation. Eine Förderung der Kontakte zu

russischen Geschäftspartnern durch Fachveranstaltungen in Russland oder Delega-

tionsreisen wäre für die Geschäftsanbahnung ebenfalls hilfreich. Einige der Unter-

nehmen wünschen sich eine bessere Begleitung bzw. Unterstützung bei Messeauf-

tritten und Kooperationsbörsen in Russland. Im Hinblick auf die Erschließung des

russischen Marktes besteht bei deutschen Unternehmen ein großer Beratungsbe-

darf in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten. Des Weiteren wurde angeregt,

Hessen als Technologiezentrum in den GUS-Staaten umfangreich zu präsentieren

und dabei gezielt auf konkrete zukunftsfähige Technologien/ Branchen zu setzen.

Eine Vergleichsanalyse der industriellen Branchenstruktur und ihrer Stärken in Hes-

sen bzw. Russland würde laut Einschätzung mehrerer Gesprächspartner hilfreiche

Ansatzpunkte für künftige Kooperationen geben. Im Bereich des Messewesens er-

scheint eine verstärkte Fokussierung auf ausgewählte Regionen und Branchen an-

geraten. Um die Beziehungen zwischen Hessen und Russland auszubauen, böte

sich ferner ein verstärkter Austausch von Experten bzw. Nachwuchskräften aus

Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft an. Die Landesregierung könnte beispielsweise

bei der Ausschreibung von Stipendien und der Förderung von sozialen und kulturel-

len Projekten aktiv werden.

Der Finanzplatz Moskau besitzt die Voraussetzungen, um sich zu einem internatio-

nal bedeutsamen Finanzzentrum zu entwickeln. Dies wird auch dadurch unterstützt,

dass die Moskauer Stadtverwaltung flankierend ein diesbezügliches Aktionspro-

gramm erarbeitet. Aus der hohen Dynamik am Finanzplatz Moskau ergeben sich

Anknüpfungspunkte zum Finanzplatz Frankfurt. Die bereits vereinbarte Kooperation

zwischen den beiden Finanzplätzen betrifft etwa die Regulierung des Finanzsektors

und die Finanzmarktaufsicht ebenso wie das Risikomanagement. Wichtige Impulse

für eine weitere Intensivierung der Beziehungen zu Russland können auch aus der

finanzwirtschaftlichen Forschung kommen. Stipendienprogramme bieten Wissen-

schaftlern aus Russland wie auch aus Hessen Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen,

die der weiteren Entwicklung in Russland bzw. Hessen förderlich sind. Auch im Be-

reich der Finanzwelt eröffnen Fachveranstaltungen und Get-together-Treffen neue

Perspektiven. Gleichwohl ist es zur Sicherung der Qualität derartiger Veranstaltun-

gen erforderlich, dass die eingeladenen Fachreferenten eine hinreichende Reputa-

tion aufweisen. Dies ist offenbar ein maßgebliches Kriterium für Akteure aus der

Finanzplatz-Community, die bei Entscheidungen über die Teilnahme an Veranstal-

tungen Zeit- und Kostenrestriktionen beachten müssen.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

35

An die Adresse der hessischen Landesregierung richten die Gesprächspartner fer-

ner den Wunsch, das generelle Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Russland

nachhaltig zu untermauern. Zusätzlich gilt es, Vorbehalte gegenüber russischen

Wirtschaftsvertretern abzubauen und den Themenkomplex „Russland“ besser in der

hiesigen Wirtschaftswelt zu verankern.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA

Gesprächspartner: Herr Julius F. Krüger Senior Manager Projects and Governmental Relations, Russian Federation + CIS Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg v.d.H. www.fmc-ag.de

Fresenius Medical Care ist der weltweit führende Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für Men-

schen mit chronischem Nierenversagen. Das Unternehmen bietet eine vollständige Produktpalette für

die Hämo- und Peritonealdialyse, um alle Aspekte der Dialysebehandlung abzudecken: von der Herstel-

lung der nötigen Gerätschaft über Produkte für die Peritonealdialyse (z.B. Dialyselösungen) bis zum

Betrieb von über 2.300 Dialysekliniken weltweit.

Fresenius Medical Care ist seit den 1980er Jahren in Russland aktiv. Der Anlass war die Bestellung

einer „künstlichen Niere“ der Marke Fresenius für die Behandlung des damaligen Generalsekretärs des

ZK der KPdSU und Staatsoberhauptes der Sowjetunion Juri Andropov. Danach wurden ähnliche Kom-

ponenten auch von führenden sowjetischen Kliniken bestellt. Seit 1991 ist Fresenius Medical Care durch

eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Moskau vertreten, die in mehreren Niederlassungen insgesamt rund

300 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Tätigkeitsschwerpunkte des Unternehmens in Russland sind Service und Vertrieb von Dialysegerä-

ten, Betrieb von mehreren privaten Dialysekliniken in ganz Russland sowie Produktion von Dialyselö-

sungen vor Ort. Der Produktionsbetrieb wird seit 2008 in Zusammenarbeit mit dem russischen Partner

Rester in Ischewsk, Republik Udmurtien, geführt. Dabei leistet jeder der Partner das, was er am besten

kann: Rester hat für die notwendigen Genehmigungen und Zertifizierungen gesorgt und leistet einen

verlässlichen Produktionsbetrieb. Fresenius hat eine neuartige Produktionstechnologie eingebracht, die

sonst nur in Deutschland und Japan angewendet wird, und kümmert sich um die Qualitätskontrolle sowie

den Vertrieb. Alles in allem handelt sich dabei um eine Vorzeigekooperation, bei der alles stimmt – so

der Gesprächspartner.

Wichtige Wettbewerbsvorteile des Unternehmens in Russland sind neben der Qualität der Produkte vor

allem die Zuverlässigkeit und die Einsatzbereitschaft des Kundendienstes auch in den entlegendsten

Orten des Landes. Eine große Herausforderung besteht in der mangelnden Finanzierung im Gesund-

heitswesen in Russland, die oft zum Zahlungsverzug führt. Da es allerdings um lebenswichtige Produkte

geht, deren Zulieferung nicht einfach unterbrochen werden kann, ist das Unternehmen oft dazu gezwun-

gen, einen langen Atem zu haben. Die Handhabung der Rechtsfragen kann bei einem Engagement in

Russland ebenfalls aufwändig sein – so die Erfahrung der Firma Fresenius Medical Care.

In Russland besteht eine massive Unterversorgung an Dialyseeinrichtungen sowie ein großer Nachhol-

bedarf bei der Behandlung von Nierenversagen: Während in Deutschland 800 Dialysepatienten je 1 Mio.

Einwohner behandelt werden, sind es in Russland nur 100. Weil der Staat bzw. die einzelnen Regionen

in Russland immer mehr Geld für die Dialysebehandlung zur Verfügung stellen, liegt der jährliche Zu-

wachs der behandelten Patienten im zweistelligen Prozentbereich. Dies bietet ein enormes Wachstums-

potenzial für die Geschäftstätigkeit von Fresenius Medical Care in Russland.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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K + S Kali GmbH

Gesprächspartner: Herr Peter Hellmuth (Leiter Business Development) K + S Kali GmbH Kassel www.kali-gmbh.com

Die K + S Gruppe mit Sitz in Kassel gehört weltweit zur Spitzengruppe der Anbieter von Standard- und

Spezialdüngemitteln. Im Salzgeschäft ist K + S mit Standorten in Europa sowie Nord- und Südamerika

gemessen an der Produktionskapazität der führende Hersteller der Welt. Die K + S Gruppe, die weltweit

mehr als 15.000 Mitarbeiter beschäftigt und in 2009 einen Umsatz von 3,6 Mrd. Euro erzielte, bietet ein

umfassendes Leistungsangebot für Landwirtschaft, Industrie und private Verbraucher. Innerhalb der

Gruppe steuert die ebenfalls in Kassel ansässige K + S KALI GmbH das Geschäft mit Kali- und Magne-

siumprodukten. Als weltweit viertgrößter Kaliproduzent und führender Anbieter in Europa bietet die K + S

KALI GmbH auf Basis der einzigartigen Rohstoffzusammensetzung ihrer deutschen Lagerstätten eine

Produktpalette, die in ihrer Vielfalt weltweit von keinem anderen Produzenten angeboten wird. Die ge-

wonnenen Rohsalze werden zu hochwertigen Düngemitteln sowie zu Vorprodukten für industrielle Er-

zeugnisse – so etwa Lebensmittel und Pharmazeutika – verarbeitet. Vor dem Hintergrund weltweiter

Megatrends – wie etwa einer wachsenden Weltbevölkerung und einem steigenden Fleischkonsum, der

eine Zunahme des Futtermittelbedarfs bewirkt, – ist es seit Jahren die Strategie von K + S, in den beiden

Kerngeschäftsfeldern Düngemittel und Salz durch Akquisitionen und Kooperationen auch extern zu

wachsen. Besonders im Bereich Kali- und Magnesiumprodukte werden rund um den Globus – auch in

Russland – alle Möglichkeiten zur Erschließung zusätzlicher Kapazitäten geprüft.

Im Bereich der Kalidüngererzeugung bestanden schon seit den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahr-

hunderts Kontakte zwischen Russland und Deutschland. Es waren deutsche Ingenieure, die bei der

Entwicklung und dem Aufbau des ersten Kalikombinats am Ural in der Region Perm mithalfen. Daraus

entwickelte sich in einem kurzen Zeitraum eine starke russische Kaliindustrie. Bis zu diesem Zeitpunkt

hatte Deutschland die Versorgung der russischen Landwirtschaft mit Kalidünger gesichert. Politisch ge-

wollt und unterstützt entwickelten sich zwischen den Kaliindustrien der ehemaligen Sowjetunion und der

ehemaligen DDR gute Beziehungen, die u. a. neben einem sozialen und kulturellen Austausch auch

eine Zusammenarbeit in technischen Bereichen beinhalteten. Anfang der 1990er Jahre löste dann der

Zusammenbruch des politischen und wirtschaftlichen Systems in Osteuropa und der ehemaligen Sow-

jetunion einen dramatischen Absatzrückgang in den Heimatmärkten der ostdeutschen und der sowjeti-

schen Kaliproduzenten aus, der die hiervon betroffenen Unternehmen zu Umstrukturierungen veranlass-

te. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands haben die ostdeutsche und die westdeutsche Kaliindust-

rie gemeinsam ein zukunftsweisendes Konzept entwickelt, um in einem Unternehmen und unter Nutzung

der besten Lagerstätten auf den Weltmärkten konkurrenzfähig zu sein. 1993 führten die Kali und Salz

AG und die Mitteldeutsche Kali AG schließlich ihre Kali- und Steinsalzaktivitäten zusammen, aus der

2001 die heutige K + S KALI GmbH hervorging. Anknüpfend an die bis 1990 bestehenden traditionellen

Beziehungen zwischen der russischen Kaliindustrie und der mitteldeutschen Kaliindustrie wurden die

Kontakte aufrechterhalten und gepflegt. Im September 2002 unterzeichneten K + S und die Industriege-

werkschaft Bergbau, Chemie, Energie mit dem russischen Kaliproduzenten Silvinit und der russischen

Partnergewerkschaft eine Vereinbarung zum Austausch von Erfahrungen auf sozialem Gebiet, in der

Aus- und Weiterbildung wie auch im Umwelt- und Arbeitschutz, wodurch neue Impulse für eine weiter-

gehende Kooperation gesetzt wurden. Beide Seiten sind hieran aktiv beteiligt. Zur Vertiefung der beste-

henden Kontakte, aber insbesondere zur Sondierung neuer Geschäftsmöglichkeiten für die K + S Grup-

pe in Russland wurde in 2008 eine Gesellschaft – die OOO K + S Rus – mit Sitz in Moskau etabliert.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Schunk-Gruppe

Gesprächspartner: Herr Peter Lob (Area Manager CIS and Baltics) Schunk Kohlenstofftechnik GmbH Heuchelheim www.schunk-group.com

Die Unternehmenszentrale der Schunk-Gruppe – eines weltweit aktiven Technologiekonzerns – liegt in

Heuchelheim bei Gießen. Als Global Player mit weltweit über 7.500 Beschäftigten und einem Umsatz

von 714 Mill. Euro (2009) ist der Technologiekonzern mit mehr als 60 operativen Tochtergesellschaften

in 26 Ländern auf allen Kontinenten präsent. Das 1913 von Ludwig Schunk gegründete Unternehmen ist

in den Kernmärkten Kohlenstofftechnik und Keramik, Umweltsimulation und Klimatechnik, Sintermetall-

technik und Ultraschall-Metallschweißtechnik aktiv und führt diese technologisch an. Die in die vier Kon-

zerndivisionen Materials, Weiss Technik, Sintermetalltechnik und Sonosystems gegliederten Gesell-

schaften der Schunk-Gruppe liefern weltweit Produkte und Dienstleistungen für alle Schlüsselindustrien.

Eine zentrale Kompetenz der Schunk-Gruppe liegt im Bereich der Stromübertragungstechnik. Mit der

Entwicklung und Produktion von Bauelementen für die Antriebssysteme in Bahnen, Automobilen und

industriellen Anwendungen hat sich Schunk zu einem der bedeutendsten Unternehmen der Branche

entwickelt. In Tausenden von Schienenfahrzeugen vertraut die Bahnindustrie weltweit auf Stromübertra-

gungssysteme, Schleifstücke, Stromabnehmer, Erdungs- oder Schaltkontakte von Schunk: Vom europä-

ischen ICE bis zur IORE, der stärksten E-Lok der Welt, die am Polarkreis über 8.000 Tonnen Eisenerz

transportiert. Die von Schunk für den speziellen Einsatz in Hochgeschwindigkeitszügen entwickelten

Schleifstücke überzeugen selbst unter extremsten Einsatzbedingungen, was sie in weiten Teilen der

Welt – auch in Russland – sehr begehrt macht.

Mit jährlich etwa einer Milliarde verkaufter Kohlebürsten, Kohlebürstenhaltern und einbaufertigen Bau-

gruppen für Elektromotoren für Automobile, Elektrowerkzeuge oder Haushaltsgeräte ist die Schunk-

Gruppe Weltmarktführer. Darüber hinaus liefert das Unternehmen Stromübertragungssysteme für nahe-

zu alle Maschinen und Anlagen in industriellen Anwendungen. Schunk entwickelt und produziert sie an

mehr als 30 Fertigungsstätten rund um den Globus. Große Stromsteilheiten, Leerlaufphasen, Schwach-

lastbetrieb, aggressive Gase und Dämpfe, Umgebungstemperaturen, Ölnebel, hoher Staub- oder

Aschegehalt sowie hohe Luftfeuchtigkeit stellen extreme Anforderungen dar. Werkstoffe mit hervorra-

gender elektrischer und thermischer Leitfähigkeit bei gleichzeitig hoher Temperaturbeständigkeit sind

hier die Basis für Qualitätsprodukte. Einsatz finden diese in Hütten- und Walzwerken, Kraftwerken,

Schiffs- und Hafenanlagen, Flur- und Fördertechnik, Messtechnik, Galvanoanlagen, Windkraftanlagen

sowie in der Kunststoff-, Draht- und der Papierindustrie.

Die Schunk-Gruppe ist seit 1999 mit eigenen Tochtergesellschaften in Russland aktiv, die vor Ort von

russischen Kooperationspartnern unterstützt werden. Bereits 10 % des Jahresumsatzes entfallen auf

das Osteuropageschäft. Der russische Markt bietet für die Schunk-Gruppe umfangreiche Potenziale, die

unter anderem aus dem geplanten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Expansion der Fahrzeug-

industrie resultieren. Weiterer Bedarf für die Produkte von Schunk entsteht durch Modernisierungen in

vielen Bereichen der Industrie (Energie, Metall, Chemie, Papier etc.).

Das Wachstum und das breite Spektrum des Unternehmens gründen sich auf ein herausragendes Qua-

litätsniveau, höchste Zuverlässigkeit, umfassendes Know-how und einer hohen Bereitschaft, Innovatio-

nen voranzutreiben. Ein besonderes Kennzeichen der Unternehmensstrategie ist das Prinzip der pro-

dukt- und marktbezogenen Selbstverantwortung der einzelnen Schunk-Unternehmen, bei gleichzeitig

weltweit einheitlichen Standards für Materialien, Prozesse und Qualität. Zu den besonderen Stärken des

Unternehmens, die auch in Russland zum Tragen kommen, zählen das technologische Know-how der

Mitarbeiter und eine ausgeprägte Kundenfreundlichkeit.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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TIS Logistic GmbH

Gesprächspartner: Herr Arkadij Rasin (Geschäftsführer) Herr Herr Marco Pey (Manager Sales) TIS Logistic GmbH Gründau-Lieblos http://www.tis.logistic.de

Die 2003 von Herrn Arkadij Rasin gegründete TIS Logistic GmbH deckt eine weite Bandbreite an Logi-

stikdienstleistungen ab. Die Gesellschaft, die in Europa und Asien operiert, gehört zur russischen FES-

CO-Gruppe, die sich weltweit in sämtlichen Sparten des Transportgewerbes – Bahntransporte, Luft-

fracht, LKW-Transporte und Seefracht – betätigt. Die Kunden sind schwerpunktmäßig in Deutschland,

Frankreich, den Benelux-Staaten und Österreich lokalisiert. Die Zugehörigkeit zu einem integrierten Lo-

gistik-Großkonzern ermöglicht es der TIS Logistic GmbH, auf konjunkturelle Veränderungen mit einer

variablen Ausnutzung unterschiedlichster Transportmittel zu reagieren. Für die Kunden bringt dies vor

allem in punkto Flexibilität und Zuverlässigkeit große Vorteile mit sich, denn es können intermodale Lö-

sungen „aus einer Hand“ angeboten werden, die bei der Preisgestaltung und der Kapazitätsauslastung

sehr variabel sind.

Die Stärken des Unternehmens, das sich als Nischenanbieter sieht, liegen vor allem in der Bündelung

von sehr fachspezifischem Know-how bei der Durchführung von Bahntransporten über lange Distanzen,

und dies insbesondere auf den sehr komplexen Märkten in Russland und Zentralasien. Gerade hier lie-

gen die Alleinstellungsmerkmale der TIS Logistic GmbH, die sowohl für Mittelständler als auch für Groß-

unternehmen sehr attraktiv sind. So befinden sich unter den Kunden auch Unternehmen wie DB Schen-

ker und Kühne & Nagel, die einerseits von der langjährigen Erfahrung der gegenwärtig sechs Mitarbeiter

der TIS Logistic GmbH profitieren, für die es jedoch andererseits zu aufwändig wäre, selber entspre-

chende Fachabteilungen aufzubauen. Die betreffenden Kompetenzen fußen insbesondere auf sehr de-

taillierten Marktkenntnissen, so etwa in den Bereichen Verwaltung, Geschäftsgebaren, kulturelle Gege-

benheiten, Außenwirtschaftsrecht und Verkehrsinfrastruktur. Beim Transport in die russische Föderation

sind beispielsweise spezifische Gefahrgut-Regelungen und Abfertigungsgepflogenheiten zu beachten,

die für die Kunden schwer zu überschauen sind. Eine besondere Herausforderung stellt in zahlreichen

Fällen allein schon die praktische Durchführung der Transporte dar, denn jenseits des Urals ist die

Transportinfrastruktur – insbesondere was das Straßennetz betrifft – in weiten Teilen rudimentär. Dies-

seits des Urals sind dagegen sowohl das Straßennetz als auch das Bahnnetz vergleichsweise dicht ge-

knüpft, und auch die Abwicklung der Bahntransporte ist bei Einhalten sämtlicher Bestimmungen durch-

aus zuverlässig. Der Logistik-Mittelständler aus Gründau-Lieblos betreibt sein Geschäft zwar standort-

ungebunden, gleichwohl profitiert er von der vorzüglichen verkehrsräumlichen Anbindung des Rhein-

Main-Gebiets. Das Unternehmen bildet auch aus; die neuen Mitarbeiter können das erworbene Kow-

how unmittelbar in die sowohl fachinhaltlich als auch organisatorisch sehr anforderungsreichen Ge-

schäftsaktivitäten einbringen, zumal in den betreffenden Kompetenzfeldern qualifiziertes Fachpersonal

sehr dünn gesät ist.

Aufgrund der hohen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsdynamik bestehen in Russland umfangreiche

Markpotenziale im Investitionsgüterbereich wie auch im Konsumgüterbereich. Beispiele sind hierfür etwa

der Ausbau der Fahrzeugindustrie und die Versorgung mit höherwertigen Haushaltsgeräten. Ein großer

Bedarf besteht auch an medizintechnischen Gütern, die für den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur

benötigt werden. All dies lässt darauf schließen, dass der Markt für Logistikunternehmen, welche die

anspruchsvollen Märkte in Russland und Zentralasien bedienen, auf mittlere Sicht stetig wachsen wird.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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VTB Bank (Deutschland) AG

Gesprächspartner: Herr Axel Breitbach Member of the Board VTB Bank (Deutschland) AG Frankfurt am Main www.vtb.de

Die VTB Bank (Deutschland) AG, die ehemalige Ost-West-Handelsbank, blickt auf eine fast vierzigjähri-

ge Geschäftstätigkeit zurück und war schon zu Zeiten der Sowjetunion sehr stark im deutsch-russischen

Wirtschaftsaustausch engagiert. Das Kreditinstitut gehört zur global operierenden VTB-Gruppe, deren

Kern die VTB-Bank in Russland bildet. Diese zählt als zweitgrößte russische Bank zu den weltweit

100 größten Banken und unterhält ein Geschäftsstellennetz aus etwa 1.000 Filialen in Russland und

zahlreichen Niederlassungen in anderen GUS-Staaten und Europa. Im Rahmen dieses Netzwerks ist die

Finanzgruppe intensiv in den Märkten Mittel- und Osteuropas wie auch Zentralasiens verankert und ver-

fügt über exzellente Geschäftskontakte zu zahlreichen bedeutenden Akteuren aus Wirtschaft, Verwal-

tung und Politik.

Während ursprünglich die Bereitstellung und Abwicklung von Dokumentenakkreditiven das Kernge-

schäftsfeld der damaligen Ost-West-Handelsbank bildete, liegt heute der Schwerpunkt der Geschäftstä-

tigkeit auf Krediten und Finanzierungen. Weitere Kompetenzfelder bilden Dienstleistungen zur Abwick-

lung des Zahlungsverkehrs mit Russland und den GUS-Staaten sowie die Vermittlung von Geschäfts-

kontakten zu russischen Unternehmen. Trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise expandiert das Geschäft

kräftig, was aus der Verdoppelung des Finanzierungsvolumens seit 2007 ersichtlich ist. Das Geschäfts-

feld M&A, das ebenfalls einer hohen Dynamik unterliegt, betreibt die VTB-Gruppe vom Finanzplatz Lon-

don aus. Grundsätzlich hat die Finanzgruppe den gesamten europäischen Markt im Visier, sie fokussiert

jedoch ihre Aktivitäten auf wirtschaftsstarke Räume, die hinsichtlich der Beziehungen zu Russland ein

hohes Potenzial aufweisen. In Deutschland bilden Großunternehmen und große Mittelständler aus den

Regionen Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Rhein-Neckar, Stuttgart und München die hauptsächliche Kunden-

gruppe. Der Finanzplatz Frankfurt bildet wegen zahlreicher Standortvorteile eine ideale Plattform für den

gesamten deutschen Markt. Zu nennen sind hier branchenspezifische Standortqualitäten wie etwa die

hohe Dichte an Banken, Versicherungen und weiteren Institutionen der Finanzbranche, das umfangrei-

che finanzwirtschaftliche Know-how und die hohe Innovationsdichte. Hinzu kommen die wirtschaftliche

Prosperität in der Rhein-Main-Region wie auch die zahlreichen Netzwerke und Plattformen mit vielfälti-

gen Möglichkeiten zur Pflege von Geschäftskontakten. Einen gewichtigen Standortvorteil bilden zudem

die vielfältigen Kontakte innerhalb der regionalen russischen Business-Community. Gegenwärtig be-

schäftigt das Kreditinstitut in Frankfurt etwa 80 Mitarbeiter, von denen ein Viertel russischer Abstam-

mung ist. Auf russische Sprachkenntnisse legt das Unternehmen größten Wert, da diese für den Ge-

schäftsbetrieb unverzichtbar sind. Die intensive Bindung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber hat einen

hohen Stellenwert, was seinen Ausdruck u. a. in günstigen Arbeitsbedingungen und einer konkurrenzfä-

higen Entlohnung findet.

Die gegenwärtige Entwicklung der russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen wird sich voraussichtlich

auch in der Finanzbranche niederschlagen, und zwar sowohl im Privatkundengeschäft als auch im Fir-

menkundengeschäft. Hierzu tragen auch die professionellen Organisationsstrukturen und die hohe Fi-

nanzkraft russischer Großunternehmen bei, was diese zu begehrten Akteuren bei M&A-Transaktionen

macht. Aber auch im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen ist eine große Dynamik – verbun-

den mit einer zunehmenden Branchendifferenzierung – deutlich erkennbar.

Page 47: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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5 Zusammenarbeit im Bereich Lehre, Forschung und Entwicklung

Die hessischen Hochschulen pflegen vielfältige Kooperationen mit russischen Part-

nerhochschulen, und dies in zahlreichen Fachgebieten. Die in weiten Teilen sehr in-

tensiven Kontakte reichen vor allem in den Naturwissenschaften und Kulturwissen-

schaften häufig bis weit in die Zeit der Sowjetunion zurück. In den vergangenen

zwanzig Jahren wurde die bilaterale Hochschulzusammenarbeit deutlich ausgebaut:

Die gilt nicht zuletzt auch für spezielle Fachgebiete der Wirtschaftswissenschaften,

so etwa die Bereiche Finanzwirtschaft, Logistik und Management. Nachfolgend

werden ausgewählte Lehr- und Forschungskooperationen zwischen russischen und

hessischen Hochschulen vorgestellt.

Hochschule Darmstadt

Die Hochschule Darmstadt unterhält seit mehr als zehn Jahren partnerschaftliche Beziehungen zur

Technischen Universität Ulyanovsk an der Wolga. Im Rahmen dieser Partnerschaft finden zahlrei-

che Aktivitäten im Bereich des Austausches von Studierenden und Lehrenden statt, wie etwa Auf-

enthalte zu Projekt- und Abschlussarbeiten, wechselseitige Exkursionen, jährliche Fachkonferenzen

und gemeinsame Publikationen, Delegationsbesuche der Hochschulleitungen, Sommerkursaufent-

halte und gemeinsame Forschungsprojekte. Besonders engagiert sind die Fachbereiche Bauinge-

nieurwesen und Informatik; aber auch die Fachbereiche Wirtschaft sowie Sozial- und Kulturwissen-

schaften sind beteiligt. Diese Aktivitäten werden seit vielen Jahren durch den Deutschen Akademi-

schen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Programms „Ostpartnerschaften“ gefördert. Hierbei

spielt auch das Erlernen der jeweiligen Fremdsprache (Deutsch oder Russisch) eine große Rolle.

Weiterhin konnten durch zahlreiche Besuche bei Unternehmen und öffentlichen Institutionen im

Rhein-Main-Gebiet wertvolle Firmenkontakte für Großprojekte (z.B. Brückenbau über die Wolga)

geknüpft werden. Da die Technische Universität Ulyanovsk nur sehr wenige internationale Hoch-

schulpartnerschaften unterhält, ist für ihre Studierenden und Lehrenden der Austausch mit Darm-

stadt besonders wertvoll und fungiert sozusagen als ein „Tor zur – westlichen – Welt“.

Technische Universität Darmstadt/

Gesellschaft für Schwerionenforschung Darmstadt

Kooperationen bestehen mit dem "State Scientific Center of the Russian Federation - Institute for

Theoretical and Experimental Physics" (ITEP), Moskau, und dem Institute of Problems of Chemical

Physics (Russian Academy of Sciences), Chermogolovka, Region Moskau.

Page 48: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland · HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung – I Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland – Strategien und

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Frankfurt School of Finance & Management

Die Frankfurt School of Finance & Management bietet seit 2007 gemeinsam mit der Finance Acad-

emy under the Government of the Russian Federation einen MBA-Finance-Studiengang an. In

diesem Studiengang werden Praktiker aus Kreditinstituten sowie Finanzabteilungen von Unterneh-

men im Bereich General Management und Finance ausgebildet. Darüber hinaus besteht zwischen

beiden Hochschulen seit 2007 ein Programm zum Austausch von Studenten im Bereich der Bache-

lor-Ausbildung. Auch auf der Ebene der Lehrenden findet ein Austausch statt, so beispielsweise

über Aufenthalte als Visiting Professor (2008 und 2009) oder Vortragsreihen, Seminare und Vorle-

sungen an der Finanzakademie in Moskau.

Seit 2004 fanden wechselseitige Besuche und gemeinsame Workshops von Professoren der Fi-

nance Academy und der Frankfurt School in Moskau und in Frankfurt statt. In 2006 wirkte ein Pro-

fessor der Frankfurt School als Ko-Autor an einem Gutachten zur Stabilisierung des russischen

Finanzsektors im Auftrag des Ministerpräsidenten der Russischen Föderation mit und organisierte

Workshops auf verschiedenen Fachkonferenzen in Moskau. Im Jahr 2009 organisierten Finance

Academy und Frankfurt School gemeinsam eine internationale Fachkonferenz in Moskau zum

Thema „Moscow as an Emerging Financial Centre“. Ein weiterer Professor hielt Vorträge und orga-

nisierte Panels auf dem „Russian Economic Congress“ in Moskau 2009. An der Frankfurt School

wurde 2009 ein „East-West Centre“ gegründet, das auch mit dem Institute of Economics der Russ-

ian Academy of Science kooperiert.

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften unterhält Kooperationen mit der Lomonosov Moscow

State University und der St. Petersburger Staatliche Universität für Wirtschaft und Finanzen. Die

Zusammenarbeit erstreckt sich hauptsächlich auf den Studentenaustausch.

Der Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften (Institut für Afrikanische Sprachwissenschaften)

pflegt enge Kontakte mit der Akademie der Wissenschaften Moskau und der Lomonosov State

University. Diese umfassen den Dozentenaustausch und die Forschungskooperation, u.a. im The-

mengebiet Vergleichende Tschadistik.

Fachhochschule Frankfurt am Main

Die Fachhochschule Frankfurt am Main hat eine Beziehung (derzeit ruhend) zum Moskauer Archi-

tekturinstitut (MARCHI). Seit diesem Sommer ist sie darüber hinaus verbunden mit der Moskauer

Staatlichen Akademie für Business Administration (MSABA) in Selenograd. In diesem Fall ist an

Studierenden- und Dozentenaustausch gedacht; die russischen Partner sind an einer Mitarbeit im

House of Logistics and Mobility (HoLM) interessiert, und es soll eine Kooperation für den geplanten

Master-Studiengang MBA Aviation Management aufgebaut werden.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Hochschule Fulda

An der Hochschule Fulda sind vor allem die Fachbereiche Wirtschaft, Elektrotechnik, Sozial- und

Kulturwissenschaften wie auch Informatik in Russland aktiv.

Staatliche Industrie-Universität Moskau, Zweigstelle Sergiev Posad:

Fachbereiche: Elektrotechnik bzw. Sozial- und Kulturwissenschaften;

Forschungsprojekt PRÄVENT: Klimamessung und -simulation in historischen Gebäuden

Kuban State University Krasnodar, Institut für Allergologie

Fachbereiche: Informatik (bis Ende 2009 auch noch Ökotrophologie);

Forschungsschwerpunkt bis Ende 2009: Allergologie

St. Petersburg State University of Service and Economy:

Fachbereiche: Soziale Arbeit bzw. Wirtschaft (im Aufbau), Kooperation umfasst u.a. den Studenten-

und Dozentenaustausch

Interregional Institute of Economics and Law St. Petersburg

Fachbereiche: Soziale Arbeit bzw. Wirtschaft (im Aufbau), Kooperation umfasst u.a. den Studenten-

und Dozentenaustausch

Ivanovo State Textile Academy, Ivanovo, Fachbereich Wirtschaft

Fachbereich Wirtschaft (Kooperationsvertrag abgeschlossen)

Justus-Liebig-Universität Gießen

Die JLU Gießen pflegt schon seit langer Zeit intensive Kontakte zu russischen Hochschulen und

Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftlern. Insbesondere die Partnerschaft zur Staatlichen Uni-

versität Kazan/ Tatarstan (KSU) sei hier genannt, die 2009 ihr 20-jähriges Jubiläum feierte. Aus

diesem Anlass reiste eine 47köpfige Delegation vom 4.-8.6. nach Tatarstan und folgte damit einer

Einladung der KSU-Partner. Im Fokus einer deutsch-russischen Standortbestimmung standen aktu-

elle Forschungsprojekte aus der Mikrobiologie, aus Wirtschaft, Politik und Recht, aus den Erzie-

hungs- und Kulturwissenschaften. Die breite Themenpalette der Konferenz spiegelte die große

Beteiligung an der Partnerschaft mit Kazan wider, an der sich 20 Jahre nach Unterzeichnung des

Partnerschaftsvertrags am 16.10.1989 alle Fachbereiche bzw. fast alle Fachgebiete der JLU beteili-

gen. Überall präsent war während des Aufenthaltes in Kazan der Deutsche Akademische Aus-

tauschdienst (DAAD), der die internationale Konferenz in großem Stil unterstützte und mit seinem

Ostpartnerschaftsprogramm maßgeblich dazu beiträgt, dass häufige Besuche und Gegenbesuche

beider Partner möglich sind. Wichtig ist den Verantwortlichen sowohl des DAAD als auch beider

Hochschulen, dass der Austausch von Studierenden gefördert wird: So besuchten seither 312 Stu-

dierende der JLU einen mehrwöchigen Russisch-Intensivsprachkurs, für 85 Teilnehmer schloss sich

ein Betriebspraktikum in Russland an. Umgekehrt haben bisher 118 Studierende und Graduierte

aus Kazan durch Stipendien in Gießen Einblicke in das Alltagsleben in Deutschland erhalten.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Anlässlich des Jubiläums wurde eine International Summer School vom 4.-20. September 2009

zum Thema „Kulturkontakt in Transformationsgesellschaften“ an der Staatsuniversität Kasan, als

Kooperation der Kasaner Staatlichen Universität mit der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie

dem Graduate Centre for the Study of Culture Giessen, ausgerichtet.

Außerdem hervorzuheben sind neben dieser universitätsübergreifenden Partnerschaft ein Koopera-

tionsabkommen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit der Staatlichen Universität Samara

seit 2007 (ein Doppel-Master ist in Planung) sowie die Zusammenarbeit mit der Universität St. Pe-

tersburg – eine Kooperation ist auch hier angestrebt. Darüber hinaus ist das Gießener Zentrum

Östliches Europa (GiZO) stark in (Drittmittel-)projekte, Tagungen und Konferenzen eingebunden.

Im Folgenden wird eine Auflistung ausgewählter Projekte und Projektbeteiligungen mit russischen

Partnern präsentiert (aufgrund der Fülle der Kooperationsprojekte mussten stellvertretend einige

Projekte und Beiträge herausgegriffen werden):

Sprachwissenschaft: DFG-Projekt (Februar 2009 - Januar 2012): „Typen slavischer Standardspra-

chen. Theoretische und empirische Untersuchungen von aktuellen Merkmalskorrelationen im Kroa-

tischen und Russischen“; DFG-Projekt (Januar 2010 - Dezember 2011): „Mehrheit oder Minderheit?

Identitätskonstruktionen im sprachpolitischen und -rechtlichen Diskurs russisch-turksprachiger

Sprachgemeinschaften“;

Slavistik – Sprach- und Kulturwissenschaft: Die Aufschriften der Fresken in der Entschlafenskathed-

rale auf Svijažsk;

Slavistik – Literaturwissenschaft: Interkulturelle Rezeptionsprozesse in der russischen Gegenwarts-

literatur (gemeinsam mit der Universität Kazan);

Slavistik – Literaturwissenschaft: Vladimir Nabokov als Dramatiker (geplante Monographie), Struktu-

ren und Funktionen des Fests in der russischen Dramatik;

Osteuropäische Geschichte: Politik und Gesellschaft nach Tschernobyl. Belarus, Ukraine, Russ-

land, Litauen und Deutschland in vergleichender und beziehungsgeschichtlicher Perspektive (1986-

2006) (in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V., der Euro-

päischen Humanistischen Universität Vilnius/ Minsk und der ukrainischen Nationaluniversität Kie-

wer-Mohyla Akademie; VW-Stiftung, 2008 - 2011); http://www.after-chernobyl.de/;

Politikwissenschaft: Pilotregion Kaliningrad? Prozessbegleitende Forschung über Konfliktprävention

(Kooperation mit dem Schleswig-Holsteinischen Institut für Friedenswissenschaften (SCHIFF) an

der Universität Kiel; gefördert durch die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung GmbH, München).

In den Politikwissenschaften besteht eine Lehrkooperation zum Themenfeld „Konfliktanalyse und

Konfliktprävention", und zwar im Rahmen des DAAD-Programms "Konfliktprävention in der Region

Südkaukasus/ Zentralasien und Moldau"; in Zusammenarbeit mit dem ZEU (Zentrum für internatio-

nale Entwicklungs- und Umweltforschung) fand eine zehntägige englischsprachige Lehrveranstal-

tung an der JLU mit insgesamt vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Gießen, Russland

(Tatarstan), Georgien, Moldau, Kirgistan, Aserbaidschan, Usbekistan statt (20.-29.11.2009); Aus-

wertung und Follow-Up in Vorbereitung;

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Sonstige Projektbeteiligungen:

Association of International Experts on the Development of the Kaliningrad Region (AIKE), Consul-

tant im Projekt "New Terms in Russian - Glossary in Conflict and Peace Studies, Conflict Manage-

ment and Training", Institute of Ethnology and Anthropology, Russian Academy of Sciences, Mos-

kau, gefördert durch Berghof-Stiftung für Konfliktforschung GmbH, München;

Consultant in einem gerade anlaufenden Projekt zur Integration der Russischen Minderheit in Lett-

land, Institute of Ethnology and Anthropology, Russian Academy of Sciences, Moskau, gefördert

u.a. durch Berghof-Stiftung für Konfliktforschung GmbH.

Universität Kassel/ Ost-West-Wissenschaftszentrum

Die Universität Kassel pflegt Kooperationen mit ca. 50 russischen Hochschulen, darunter 34 ver-

traglich verankerte Kooperationen im Rahmen von Fernstudienprojekten in Zusammenarbeit mit

dem Goethe Institut. Zu den Kooperationspartnern gehören u.a. die International University of Busi-

ness and New Technologies in Krasnojarsk, die Moscow State Institute of International Relations

(MGIMO), die Moscow State Linguistic University, die Moscow State University of Civil Engineering

und die Niznji Novgorod State Linguistic University. Zu nennen sind ferner die Rostov State Univer-

sity, die Rostov State University of Transport Communications, die Russian Academy of Sciences,

die St. Petersburg State Polytechnical University wie auch die St. Petersburg State University of

Architecture and Civil Engineering, die Staatliche Pädagogische Universität Omsk, die Yaroslavl

State Technical University und die Yaroslavl International University of Business and New Tech-

nologies. Ein bedeutendes Kompetenzfeld bildet hierbei neben den vielfältigen Forschungsaktivitä-

ten die Fremdsprachen-Ausbildung (auch über weiterbildende Fernstudienkurse).

Besondere Beziehungen pflegt die Universität Kassel mit Hochschulen der Stadt und dem Oblast

von Jaroslawl. Diese sind vor allem geprägt durch die Aktivitäten des Ost-West-

Wissenschaftszentrums. Im Berichtszeitraum September 2007-Oktober 2009 wurden folgende

Aktivitäten durchgeführt:

Regionalpartnerschaft mit Oblast Jaroslawl: Organisatorische Unterstützung des Hessischen Minis-

teriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei dem Workshop "Fortschritt-

liche getrennte Abfallsammlung in Kommunen" am 23. Oktober 2008 in Moskau im Rahmen des

Deutsch-Russischen Umweltforums, Moskau, 21. bis 24. Oktober 2008;

Städte-/Hochschulpartnerschaft mit der Stadt Jaroslawl: Initiative zum Aufbau einer Weiterbildungs-

akademie für Energieeffizienz im Wohnungsbau mit Demogebäude; Einbindung der TU Jaroslawl in

das vom OWWZ koordinierte und vom BMBF finanzierte Deutsch-Russische Netzwerk Umwelt-

technologien; TU Jaroslawl ist offizieller Partner;

Teilnahme eines Nachwuchswissenschaftlers der TU Jaroslawl an der vom OWWZ organisierten

"German-Russian Week for Young Scientists" vom 11. bis 15. Mai 2009;

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Vorbereitung der Beteiligung der Universität Kassel an der 1000-Jahr-Feier der Stadt Jaroslawl im

Jahr 2010. Im Rahmen eines vom OWWZ veranstalten Workshops im September 2010 wird dar-

über hinaus die Präsentation des Projekts KLIMZUG-Nordhessen (Klimaanpassungsnetzwerk für

die Modellregion Nordhessen) überlegt.

Philipps-Universität Marburg

Lomonosov-Universität Moskau:

Die Lomonosov-Universität Moskau spielt seit Abschluss des Vertrages im akademischen Leben in

Marburg eine wesentliche Rolle. Sie wurde 1982 als erste Partnerschaft der Lomonosov-Universität

mit einer ausländischen Universität, die sich nicht in einer Hauptstadt befindet, geschlossen. Aus-

schlaggebend war hierbei das Studium Lomonosovs in Marburg. Die Kooperation wird getragen von

den Fachbereichen Chemie. Neuere Kooperationsbemühungen und -aktivitäten haben die Fachbe-

reiche Wirtschaftswissenschaften und Geographie unternommen. U.a. werden gemeinsame Pro-

gramme auf Master- und Doktorandenebene entwickelt. Ein weiterer Bestandteil der Partnerschaft

mit der Lomonosov-Universität ist das dort angesiedelte Russisch-Deutsche Institut (RDI), das in

Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum und der Humboldt-Universität Berlin in einem Pro-

gramm des DAAD besonders gefördert wurde.

Medizinische Akademie Setchenov Moskau:

Der Abschluss der Medizinischen Akademie Setchenov Moskau gilt in Anerkennung des wissen-

schaftlichen Niveaus ohne weitere Prüfung als Promotionsvoraussetzung im Fachbereich Medizin

der Philipps-Universität. Schwerpunkt dieser Kooperation ist die Nachwuchsförderung, aber auch

die Vermittlung von Forschungskontakten und die Zusammenarbeit auf ausgewählten Gebieten der

Medizin wie etwa der Neurologie, Kardiologie und Pathologie.

Kant-Universität Kaliningrad:

Der Fachbereich Rechtswissenschaften führt mit der Kant-Universität Kaliningrad ein gemeinsames

Studienprogramm durch (in Kooperation mit den Rechtsfakultäten der Universitäten Göttingen,

Augsburg, Leipzig, Halle, Kiel, Bergen/ Norwegen und Turku/ Finnland). Das Internationale Pro-

gramm für Studien im europäischen Recht ist ein an der Juristischen Fakultät der Kant-Universität

Kaliningrad eingerichteter, auf zwei Jahre angelegter und nach ECTS-Punkten zertifizierter Zusatz-

Studiengang. Der Studiengang knüpft an die Arbeit und den Erfolg der Eurofakultät Kaliningrad,

Abteilung Rechtswissenschaften, an, ein Projekt des Ostseerats vom Herbst 2000 bis Juli 2007.

Jurastudenten der Kant-Universität wird studienbegleitend zum russischen Rechtsstudium ein Er-

gänzungsstudium angeboten. Inhalte sind Recht der Europäischen Union und der Europäischen

Menschenrechtskonvention, europäisches Privat-, Wirtschafts- und Verfahrensrecht, Recht der

europäischen Staaten, europäische Rechtsvergleichung und Allgemeines Völkerrecht.

Staatliche Wirtschafts- und Finanzuniversität St. Petersburg (Finec):

Mit der Staatlichen Wirtschafts- und Finanzuniversität St. Petersburg (Finec) hat die Philipps-

Universität im Jahre 2008 einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen, der die Fachbereiche bzw.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Fachgebiete Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaft, das Marburg Center for Institutional

Economics, die Forschungsstelle Arbeit, Demokratie und Geschlecht sowie die Fachgebiete Poli-

tikwissenschaft und Soziologie umfasst. Geplant ist neben Projekten zur Vernetzung von gestuften

Studiengängen und zum Qualitätsmanagement in der Lehre ein multilaterales Forschungsprojekt

zum Thema „Ökonomische und politische Partizipation – eine genderzentrierte Analyse“.

European Business School Oestrich-Winkel

Seit 2006 ist das Supply Chain Management Institute (SMI) der European Business School (EBS) in

Russland aktiv und in Moskau auch mit einem eigenen Standort vertreten. Schwerpunkt der Arbeit

dort ist zum einen die Forschung, die sich vor allem mit den Herausforderungen des russischen

Marktes für europäische Unternehmen im Bereich Logistik und Supply Chain Management beschäf-

tigt; fünf Studien haben SMI-Forscher hierzu bislang veröffentlicht. Zweites Standbein in Russland

ist der Bereich Lehre: Im Februar 2008 fiel der Startschuss für das erste deutsch-russische MBA-

Programm für Logistik und Supply Chain Management, das das SMI in Moskau gemeinsam mit der

Graduate School of Business Administration (GSBA) der Moscow State University (MSU) anbietet.

Das berufsbegleitende Programm wird vom deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD)

gefördert und von der Deutschen Botschaft in Moskau unterstützt.

Graduate School of Management der Staatlichen Universität St. Petersburg (GSOM):

Im Rahmen einer Hochschulkooperation soll ein Kompetenzzentrum für anwendungsnahe For-

schung zu aktuellen und innovativen Themen aus dem Bereich Logistik und Supply Chain Mana-

gement aufgebaut werden (in Zusammenarbeit mit der Deutsche Bahn AG und der Russischen

Bahngesellschaft). Geplant sind außerdem die akademische Ausbildung von Studenten in Bache-

lor- und Masterprogrammen sowie die Weiterbildung von Mitabeitern beider Bahngesellschaften.

Das Center soll nach der Aufbauphase einen Senior- und einen Juniorprofessor, vier Dozenten und

zwei Doktoranden beschäftigen. Ein Doppeldiplomabkommen auf Bachelorebene wird 2010 anlau-

fen.

Hochschule für Gestaltung Offenbach

Die Hochschule für Gestaltung Offenbach plant aktuell im Fachbereich Produktgestaltung eine

Kooperation mit der Moscow State University of Industrial and Applied Arts.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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6 Fazit

Die seit Beginn der 1990er Jahre erfolgten Umbrüche in Russland haben weite Teile

der dortigen Wirtschaft und Gesellschaft erfasst. Insbesondere während des welt-

weit sehr günstigen konjunkturellen Umfeldes im Zeitraum 2003 bis 2007 verzeich-

nete die russische Volkswirtschaft einen tiefgreifenden und zahlreiche Wirtschafts-

zweige umfassenden Aufschwung, der allerdings durch die Wirtschafts- und Finanz-

krise unterbrochen worden ist. Letzteres hat die russische Regierung dazu veran-

lasst, politische Konzeptionen zur Behebung der nach wie vor bestehenden struktu-

rellen Schwächen der russischen Volkswirtschaft zu entwickeln. An erster Stelle sei

hier auf die hohe Abhängigkeit von der Rohstoff- und Energiewirtschaft hingewie-

sen, die zudem mit einer vergleichsweise geringen Innovationsfähigkeit einhergeht.

Darüber hinaus sind gravierende Mängel in der Verwaltung wie auch in der Ge-

sundheits- und Verkehrsinfrastruktur zu nennen. Ferner liegen erhebliche wirt-

schaftsräumliche Disparitäten und eine sehr ungleiche personelle Einkommensver-

teilung vor, was allerdings für zahlreiche Schwellenländer typisch ist. Aufbauend auf

bereits in der jüngeren Vergangenheit ansatzweise zu beobachtenden wirtschafts-

strukturellen Verschiebungen, die auf eine Erhöhung der Wertschöpfungsintensität

der russischen Industrie hinweisen, versucht die russische Regierung, über eine ge-

zielte Industriepolitik eine nachhaltige Modernisierung der russischen Volkswirt-

schaft in Angriff zu nehmen. Die hierbei anvisierten Bereiche – u. a. die Fahrzeugin-

dustrie, die Ernährungswirtschaft, der Finanzsektor wie auch die Luft- und Raum-

fahrtindustrie – sind allesamt Wirtschaftszweige, in denen die hessische Wirtschaft

umfangreiche Kompetenzen aufweist und sich daher auf vielfältige Weise einbrin-

gen kann.

Zahlreiche hessische Unternehmen nutzen die umfangreichen Chancen in den rus-

sischen Investitions- und Konsumgütermärkten und sind bereits in Russland über

Vertriebszentren oder eigene Fertigungsanlagen vertreten. Sie sehen sich an ihren

Standorten mit komplexen Herausforderungen konfrontiert, die mit spezifischen – in

weiten Teilen historisch tradierten – sozialen und politischen Gegebenheiten, aber

auch mit der Vielgestaltigkeit – so etwa hinsichtlich der ethnischen Zusammenset-

zung – und der Größe des russischen Wirtschaftsraumes zusammenhängen. Er-

wähnt seien beispielsweise die langen Transportdistanzen, die den Export in euro-

päische oder ostasiatische Absatzmärkte erschweren und eine Ausrichtung auf den

russischen Binnenmarkt bewirken. Im Fokus einer Geschäftstätigkeit in Russland

stehen in erster Linie die wirtschaftsstarken Ballungsregionen, so etwa der Groß-

raum Moskau bzw. der Wirtschaftsraum des Goldenen Rings, der Großraum St. Pe-

tersburg, die Republik Tatarstan mit ihrem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum

Kazan und die Region Nischni Nowgorod.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Im Zuge einer verstärkten außenwirtschaftlichen Integration betätigen sich mittler-

weile umgekehrt russische Großunternehmen als internationale Investoren, und dies

auch in Hessen. Die betreffenden internationalen Wirtschaftsverflechtungen werden

dadurch gefördert, dass insbesondere zwischen Russland und Deutschland sehr

vielfältige wie auch intensive kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen beste-

hen, die teilweise bis in die Zarenzeit und die Epoche der Sowjetunion zurückrei-

chen. Insgesamt besteht also eine reichhaltige Basis für den weiteren Ausbau der

russisch-hessisch Wirtschaftsbeziehungen.

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

50

7 Kontaktadressen

Erstinformationen zum Wirtschaftsstandort Hessen können von der HA Hessen

Agentur GmbH, Ansprechpartnerin: Frau Natascha Uffmann, bezogen werden oder

sind als Download unter www.hessen-agentur.de bzw. www.invest-in-hessen.de

verfügbar.

HA Hessen Agentur GmbH

Frau Natascha Uffmann

Abraham-Lincoln-Straße 38-42

65189 Wiesbaden

Telefon: 0611 774 8661

Telefax: 0611 774 58661

www.hessen-agentur.de

www.invest-in-hessen.de

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Herr Bernd Kistner

Kaiser-Friedrich-Ring 75

65185 Wiesbaden

Telefon: 0611 815 2182

www.wirtschaft.hessen.de

Kooperationsbüro Hessen-Jaroslawl

Herr Sergej Alexandrow

Uliza Deputaskaja No. 1

150000 Jaroslawl,

Russische Föderation

Telefon: 007 4852 328084

Telefax: 007 4852 328424

Beauftragter des Landes Hessen

Deutsch-Russische Auslandshandelskammer

Herr Jens Böhlmann

1. Kasatschi per., 7

119017 Moskau

Russische Föderation

Telefon: 007 495 234 4950

Telefax: 007 495 234 4951

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Generalkonsulat der Russischen Föderation

Herr Vladimir G. Lipaev, Generalkonsul

Eschenheimer Anlage 33-34

60318 Frankfurt am Main

Telefon: 069 59674501/03

Telefax: 069 59674505

www.ruskonsulatfrankfurt.de

Ost-West-Wissenschaftszentrum

UniKasselTransfer | Ost-West-Wissenschaftszentrum

Frau Dr. Gabriele Gorzka

Gottschalkstraße 22

34109 Kassel

Telefon: 0561 804 3609

Telefax: 0561 804 3792

www.owwz.de

Repräsentanz der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation

Herr Sergeij W. Rodionov, Stellv. Leiter

Wilhelm-Leuschner-Straße 41

60329 Frankfurt am Main

Telefon: 069 299 21 651

Telefax: 069 299 21 654

www.www.hik-russland.de

Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Herr Andreas Metz

Breite Straße 29

10178 Berlin

Telefon: 030 2028 1452

Telefax: 030 2028 2452

www.ostausschuss.de

Germany Trade and Invest -

Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH

Außenhandelsberatung: Investorenberatung:

Agrippastraße 87-93 Friedrichstraße 60

50676 Köln 10117 Berlin

Telefon: 0221 2057-0 Telefon: 030 200 099 0

Telefax: 0221 2057-212 Telefax: 030 200 099-111

www.gtai.com

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Darüber hinaus bieten verschiedene spezialisierte Veranstaltungen Möglichkeiten

zum Erfahrungsaustausch und zur Netzwerkbildung. Regelmäßig finden z.B. die

Wirtschaftstage der Stadt Moskau in Hessen, die Wirtschaftstage des Landes Hes-

sen in Moskau und der Wirtschaftstag Russland statt.

Wirtschaftstage der Stadt Moskau in Hessen

Dieses Forum dient der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Hessen in den Bereichen Wirtschaft,

Wissenschaft, Technologie und Industrie. Hierbei sollen Wege für die Anbahnung und den Ausbau

von Geschäftsbeziehungen zwischen russischen und hessischen Unternehmen bzw. Institutionen

geebnet werden. Hierzu stellen Vertreter der Stadt Moskau aktuelle Entwicklungen und Projekte vor.

Wirtschaftstage des Landes Hessen in Moskau

Diese Plattform für hessische Unternehmen soll Investoren bei der Geschäftsanbahnung und Stand-

ortwahl in Russland unterstützen. Im Mittelpunkt stehen in Hessen besonders bedeutsame Wirt-

schaftszweige, die in Russland bereits intensiv verankert sind, nämlich die Chemie- und Pharmain-

dustrie, die Automobilindustrie, die Umwelttechnologiebranche und die Finanzwirtschaft.

Wirtschaftstag Russland

Der Wirtschaftstag ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Deutsch-Russischen AHK, der IHK

Rhein-Neckar, IHK Darmstadt, IHK Frankfurt am Main, IHK Region Stuttgart und IHK Pfalz. In der

Veranstaltung wird auf aktuelle Erfahrungen und Strategien deutscher Unternehmen auf dem russi-

schen Markt und auf gegenwärtige gesamtwirtschaftliche und politische Entwicklungen in Russland

eingegangen.

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Liste der Gesprächspartner

Unternehmen/ Institution Ansprechpartner Branche/ Bereich

DEG Licht GmbH, Bad Homburg

Dmitry Chernyak (Geschäftsführer)

Beleuchtungstechnik

Deutsche Bank AG, Central and Eastern Europe, Frankfurt a.M.

Herr Peter Tils (Managing Director); Herr Ralph Fiermann (Director Regional Management)

Finanzwirtschaft

EnviroChemie GmbH, Rossdorf

Herr Gottlieb Hupfer (Vorsitzender der Geschäftsleitung); Herrn José Canga Rodriguez (Assistent der Geschäftsleitung)

Umwelttechnologie

Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg

Herr Julius F. Krüger (Senior Manager Projects and Governmental Relations Russian Federation + CIS)

Medizintechnik

Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation, Repräsentanz in Deutschland, Frankfurt a.M.

Herr Sergej W. Rodionov (Stellv. Leiter der Repräsentanz); Herr Denis Antipov (Projektmanager)

Wirtschaftsförderung

Jurinvest Immobilien GmbH, Frankfurt a.M.

Frau Kira Suess (Geschäftsführerin)

Immobilienbranche

K + S Kali GmbH, Potash Business Development, Kassel

Herr Peter Hellmuth (Leiter der Business Unit); Herr Alexander Palinkasch (Projektmanager)

Düngemittelindustrie

MK Verlag GmbH (Moskowski Komsomolez), Frankfurt a.M.

Frau Natalia Surodina (Projektleitung)

Medien- und Verlags-branche

Ost-West-Wissenschaftszentrum/ Uni Kassel Transfer

Dr. Gabriele Gorzka (Leiterin)

Wissenschaft/ Lehre und Forschung

Schunk Kohlenstofftechnik GmbH, Heuchelheim

Herr Peter Lob (Area Manager CIS and Baltics)

Verarbeitendes Gewerbe

STADA Arzneimittel GmbH, Bad Vilbel

Herr Dr. Axel Müller (Senior Vice President, Unternehmenskommunikation)

Pharmaindustrie

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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TiS Logistic GmbH, Gründau-Lieblos

Herr Arkadij Rasin (Geschäftsführer); Herr Marco Pey (Manager Sales)

Transport- und Logistik-branche

Viessmann Werke GmbH & Co. KG, Allendorf (Eder)

Herr Herbert Finger (Verkaufsleiter Osteuropa)

Heiztechnikbranche

VTB Bank (Deutschland GmbH), Frankfurt a.M.

Herr Axel Breitbach (Member of the Board)

Finanzwirtschaft

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HA Hessen Agentur GmbH – Standortentwicklung –

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung Seite

1 Die Russische Föderation mit den acht Föderationskreisen 5

2 Bruttoinlandsprodukt in Russland: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2010 8

3 Öffentliche Haushaltsbilanz in Russland: Relation zum BIP in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2009 8

4 Preisindizes für Rohstoffe bzw. Rohstoffpreise 2000 bis 2010, 2005 = 100 10

5 Inflationsrate in Russland: Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr in v. H. im Zeitraum 2000 bis 2010 11

6 Saldo der russischen Handelsbilanz, absolut und in Relation zum Bruttoinlands- produkt, 2003 bis 2008 12

7 Hauptlieferländer 2008 14

8 Hauptabnehmerländer 2008 16

9 Entwicklung der Exporte nach Russland von 2000 bis 2008 17

10 Volumen der hessischen Exporte nach Russland in 1.000 Euro 2008 18

11 Entwicklung der Importe aus Russland von 2000 bis 2008 20

12 Volumen der hessischen Importe aus Russland in 1.000 Euro 2008 21

13 Entwicklung des Bestandes der hessischen bzw. bundesdeutschen Direkt- investitionen in Russland 2000 bis 2007 22

14 Entwicklung des Bestandes an russischen Direktinvestitionen in Hessen und in Deutschland im Zeitraum 2000 bis 2007 23

15 Motive für die Geschäftstätigkeit und die Standortwahl hessischer Unternehmen in Russland (n = 6) 28

16 Herausforderungen bei der Geschäftstätigkeit und der Standortwahl hessischer Unternehmen in Russland (n = 6) 30

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Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hessen und Russland

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Quellenverzeichnis

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Russland: Kampfarena zwischen internationalen und einheimischen Handelsriesen.

In: Russland-Analysen, 195/10, S. 2-8.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Deutsche Werkzeugma-

schinen sind in Russland gefragt. Pressemeldung vom 6. November 2009, Berlin.

Deutsche Bundesbank (verschiedene Jahrgänge): Direktinvestitionsstatistik. Frank-

furt am Main.

Germany Trade & Invest (2009): Wirtschaftsdaten kompakt: Russland.

Hessisches Statistisches Landesamt (verschiedene Jahrgänge): Die hessische Aus-

fuhr. Wiesbaden.

Hessisches Statistisches Landesamt (verschiedene Jahrgänge): Die Einfuhr nach

Hessen. Wiesbaden.

Internationaler Währungsfonds (verschiedene Jahrgänge): Diverse Datenbanken.

Washington.

Moser, Evelyn (2007): Der Finanzsektor in Russland – vielversprechende Entwick-

lung der Finanzmärkte sollte Wirtschaftswachstum langfristig stützen. Deutsche

Bank Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 402, Frankfurt am Main.

Nestmann, Thorsten, und Peter Kompalla (2009): Die russischen Regionen – Mos-

kau ist nicht alles. Deutsche Bank Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 465, Frank-

furt am Main.

Neue Zürcher Zeitung (10. Februar 2010): Russland will das Investitionsklima

verbessern. S. 9.

Neue Zürcher Zeitung (13. Februar 2010): Fiat spannt mit Sollers zusammen. S. 9.

Schröder, Hans-Henning (2009): Modernisierung „von oben“ – Medwedews zweiter

Bericht zur Lage der Nation. In: Russland-Analysen, Nr. 192/09, S. 2-11.

Statistisches Amt der Russischen Föderation (verschiedene Jahrgänge), Diverse

Datenbanken. Moskau.

Statistisches Bundesamt (verschiedene Jahrgänge): Außenhandel - zusammenfas-

sende Übersichten für den Außenhandel. Wiesbaden.

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