Wo stehe ich? - Klaus FrielerÄhnlichstes/r Solo/Solist Teilnehmer Solo Vorherges. Solist...

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Wo stehe ich? Verortung von Nachwuchsjazzmusikern im Stiluniversum des Jazz Klaus Frieler, Wolf-Georg Zaddach, Martin Pfleiderer Institut für Musikwissenschaft, Weimar-Jena

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Wo stehe ich? Verortung von Nachwuchsjazzmusikern

im Stiluniversum des Jazz

Klaus Frieler, Wolf-Georg Zaddach,

Martin PfleidererInstitut für Musikwissenschaft, Weimar-Jena

Motivation

• Die WJD enthält nur kanonische Soli von anerkannten

Meistern.

• Um den Improvisationsprozess tiefer verstehen zu

können, bräuchte man eigentlich (Longitudinal-)daten

von Lernenden und Nachwuchsmusikern.

• Ansatz: Lernende improvisieren lassen und anhand der

Aufnahme zum Improvisationsprozess befragen (vgl.

Noorgard, 2012).

→ „Novizenstudie“ (n.vö.)

Idee

• Könnte die computergestützte Analyse für

automatisierter Rückmeldungen benutzt werden?

• Feedback ist wichtig für den Lernprozess.

• Automatisierte Rückmeldungen in Ergänzung zum

Lehrerfeedback.

• Ansatz:

1. Verortung von Soli anhand von Features im

Vergleich zu einem Korpus kanonischer Soli.

2. Analyse von Patterns.

• Im Folgenden: Exploration dieser Idee.

Assessment

• Automatic Assessment ist Hot Topic in der Pädagogik.

• Auch im Musikbereich (z.B. Molina, 2012; Dittmar, Abeßer,

Grollmisch, Lehmann & Hasselhorn, 2012; Schramm, Nunes, Jun, 2015;

Songs2See: Cano, Dittmar, Grollmisch, 2011).

• Moderne Analysemethoden (MIR) erlauben z.B. die

Bestimmung von Intonationsgüte und Timing.

• Assessment kreativer oder ästhetischer Tätigkeiten

allerdings eher schwierig, da keine „objektiven“

Zielgrößen vorhanden.

Handwerk und/oder Kunst?

• Ist die Improvisation eines Jazzsolos mehr kreative

Tätigkeit oder mehr Skill? Oder beides?

• Gilt das Modell einer definierten Musiksprache, in

deren Rahmen man dann kreative Freiräume ausnutzen

kann?

• Analogie: Rechtschreibung und Grammatik vs.

Literatur.

• Wichtige Unterscheidung:

Richtig/Falsch vs. Gut/Schlecht.

• Besser:

Typisch/Untypisch vs. Gut/Schlecht

Daten

Datensatz (Novizenstudie)

• Interviewsessions wurden mit vier Probanden

ausgeführt (jeweils ca. 3 h).

• Je drei Improvisationen mit zwei Chorussen zu

Aebersold-Playalongs:• Good Bait (Medium Tempo, Standard),

• Freddie Freeloader (Medium Tempo, Blues),

• Impressions (Up Tempo, Modal).

• Extensive Leitfadeninterviews aufgenommen und

transkribiert (hier nicht berücksichtigt).

• Soli im Jazzomat-Format transkribiert.

• Vergleichskorpus: Weimar Jazz Database (WJD).

Teilnehmer

• Proband JB (tp): 10. Semester Schulmusik, 3. Semester

Jazztrompete, ca. 25 Jahre alt

• Proband NA (ts): Anfang 4. Semester Jazz, vor der

Zwischenprüfung, ca. 20 Jahre alt

• Proband NF (ts): 8. Semester Jazz, kurz vor Abschluss,

25 Jahre alt.

• Proband NZ (ts): Absolvent Jazz, Profi, ca. 35 Jahre alt.

• Alle haben an der HfM Franz Liszt Weimar studiert.

Analyse

Features

• Ansatz:

• Bestimme globale, skalare Features.

• Verortung der Featurewerte der Probandensoli in

den Verteilungen im Vergleichskorpus (z-Werte,

Perzentile).

• Reduzierter Satz von 24 Features, die sich in einer

Vorgängerstudie zur Feature History des Jazz als

signifikant erwiesen haben (Frieler 2018).

• Weitere Reduktion auf 16 Features, aufgrund von

Korrelationen.

Features

• Tonale Features• Rel. Häufigkeiten von Akkordtönen: Grundton (1), Terz (3),

Quinte (5), Sexte (6), kleine None (b2), gr. Terz über

Mollakkord (10), kleine Terz über Durakkord/Bluesterz (B),

Tritonus/#11 (T)

• Entropie der Tonhöhenverteilung,

• Entropie der Verteilung über Intervallpaare.

• Rhythmische Features:

• Entropie der absoluten Dauerklassenverteilung.

• MLA Features:• Rel. Häufigkeit von lick, line, expressive, void, fragment,

rhythm (Frieler et al., 2015).

Ergebnisse

z-Werte-Plot

• z-Standardisierung der Featurewerte des

Vergleichskorpus inklusive Teilnehmersoli.

• Vergleich nur mit passenden Teilkorpus, um die

musikalische Charakteristik der Soli zu berücksichtigen

(Standard, Blues, Modaler Jazz).

• Plot der z-Werte per Soli und Teilnehmer.

• [z-Werte sind Variablenwerte in Einheiten der

Standardabweichung um den Mittelwert. ]

Beispiel: z-Werte

z = -1 MW z = 1

Teilnehmer JB

Teilnehmer NA

Teilnehmer NF

Teilnehmer NZ

Alle Teilnehmer

Stilklassifikation

• Training eines Random Forests zur Stilklassifikation mit

Hilfe der Features (TRADITIONAL, SWING, BEBOP,

HARDBOP, COOL, POSTBOP).

• Klassifikationsgenauigkeit: ca. 50%.

• Probandensoli wurden mit Hilfe dieses Random Forest

klassifiziert:

Freddie Freeloader Good Bait Impressions

JB TRADITIONAL TRADITIONAL TRADITIONAL

NA BEBOP BEBOP POSTBOP

NF HARDBOP POSTBOP POSTBOP

NK POSTBOP BEBOP POSTBOP

Ähnlichstes/r Solo/Solist

• Idee: Finde das ähnlichste Solo / den ähnlichsten

Solisten.

• Frage: Wie operationalisiert man „ähnlich“?

• Naiver Ansatz: Euklidischer Abstand im z-

standardisierten Featureraum.

• Validität unklar, da

• Gewichtung der Features?

• Ähnlichstes Solo muss kein ähnliches Solo sein.

• Ähnlichster Solist kann per Solo durch Random Forest

für Solistenklassifikation bestimmt werden.

Ähnlichstes/r Solo/Solist

Teilnehmer Solo Vorherges. Solist Ähnlichstes Solo

JB Freddie Freeloader Zoot Sims Branford Marsalis - Housed From Edward 2

Good Bait Louis Armstrong Zoot Sims - Dancing In The Dark 2

Impressions Kid Ory John Coltrane - So What

NA Freddie Freeloader Charlie Parker John Coltrane - Blues By Five

GoodBait Charlie Parker Dizzy Gillespie - Hot House

Impressions Lee Konitz Milt Jackson - Softly As In A ...

NF Freddie Freeloader Sonny Rollins Joshua Redman- I Got You

Good Bait David Liebman Kenny Dorham - Lady Bird

Impressions John Coltrane John Coltrane - So What

NZ Freddie Freeloader Freddie Hubbard Phil Woods - Strollin' With Pam

Good Bait Charlie Parker Wynton Marsalis - Johnny ComeLately

Impressions John Coltrane John Coltrane - So What

Patterns

• Automatisierte Analyse erlaubt Rückmeldungen über

den Gebrauch von Patterns.

• Häufigste Patterns.

• Patterns, die sich im Korpus finden lassen.

• Patterns, die sich nicht im Korpus finden lassen.

• Statistiken zum Patterngebrauch.

• Allerdings oft erst sinnvoll, wenn mehrere Soli

vorhanden sind.

• Hier exemplarisch: Intervallpatterns mit mindestens 5

Elementen, die mind. dreimal vorkommen.

Patterns: Beispiele

• Teilnehmer JB hat 5 verschiedene Pattern der Länge 5,

die genau dreimal auftauchen.

• Alle tendenziell pentatonisch, alle auffindbar in der

WJD.

• Alle Patterns finden sich in Good Bait.

• Beispiel: [1, 1, -3, -2, -2] (JB: 3, WJD: 12)

JB Lee Morgan

Patterns: Beispiele

• Teilnehmer NA hat 42 verschiedene Pattern der

Längen 5-9, die zwischen 3 und 28 mal auftauchen.

• Viele Patterns sind Varianten einer aufsteigenden

chromatischen Linie.

• 22 der 42 Pattern haben mindesten 3 aufsteigende

Halbtöne in Folge.

• Beispiel: [1,1,1,1,1,1,1,1,1] (NA:4, WJD: 12)

NA Phil Woods

Patterns: Beispiele

• Teilnehmer NF hat 9 verschiedene Pattern der Längen

5 und 8, die zwischen 3 und 7 mal auftauchen.

• Diese Patterns sind eher selten oder gar nicht in der

WJD zu finden.

• Beispiel: [5, 2, 4, 3, -4, 2] (NZ: 2, WJD: 0)

NF Freddie Freeloader NF Impressions

Patterns: Beispiele

• Teilnehmer NZ hat 29 verschiedene Patterns der

Längen 5-7, die zwischen 3 und 11 mal auftauchen.

• Unter den häufigsten finden sich einige klassische

(Bebop-)Patterns, die häufig in der WJD zu finden sind.

• Beispiel: [-1, -2, -3, 1, 1] (NZ: 7, WJD: 57)

NZ Benny Carter

Zusammenfassung

Stand Features Stil Patterns

JB Anfängerin Viele untypische Traditional/Swing Anfänge

eigener

NA Fortgeschritten Viele typische Bebop/Hardbop Einige

klassische

NF Fortgeschritten Einige untypische Postbop Einige eigene

NZ Amtlich Viele typische Postbop Viele

klassische

Fazit

Fazit

• Vielfältige Möglichkeiten mit Hilfe von

computerisierten Methoden, Rückmeldung über

gespielte Soli zu geben.

• Details der Rückmeldung sollten in Zusammenarbeit

mit Jazzlehrern/lernenden ermittelt werden.

• Sinnhaftigkeit & Nutzen im Lehr/Lernkontext müsste

getestet werden.

• Bereits jetzt ergaben sich interessante Hypothesen

über die Lernprozesse von Jazzimprovisation.

(Ontogenese folgt Phylogenese?)

Vision

The Jazzbarry PiTM

Das eigentliche Ziel

Barry Harris: Legendärer Jazzlehrer, der viel Wert auf das korrekte Erlernen der Bebopsprache legt.

Raspberry Pi: Minilerncomputer.

Danke!