Wohnmodelle. Experimentelle Architektur aus der Sicht der … · 18–19, 10119 Berlin | 2...

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Bauwelt 3 | 2009 Bauwelt 3 | 2009 3 AUSSTELLUNG Wohnmodelle. Experimentelle Architektur aus der Sicht der Bewohner Friederike Meyer Centre Pompidou | Rue Rambuteau, Paris | www.centrepompidou.fr | bis 16.März Der Blick in die Ausstellung: Teilbereiche der vorgestellten Bauten wurden in Originalgröße nachgebaut. Foto: Wolfgang Thaler 50 Strahler bilden die Grundstruktur der Lichtinstallation des Außenraumes. Computer- generiert schaltet sich das Licht in variablen Kombinationen nach dem Zufallsprinzip an und aus. Aedes am Pfefferberg | Christinenstraße 18–19, 10119 Berlin | www.aedes-arc.de 2 Wochenschau Das Haus ist fertiggestellt, die Architekten sind zufrieden. Es wird dokumentiert, möglicherweise sogar veröffentlicht, es erhält Lob oder Tadel aus der Fachwelt. Dann ziehen die Bewohner ein. An diesem Punkt setzt die Ausstellung „Wohnmodelle. Experiment und Alltag“ an. Anhand von zwölf Wohn- bauten aus aller Welt untersucht sie die Frage nach der Alltagstauglichkeit von experimenteller Archi- tektur, zum Beispiel der 17 Reihenhäuser in Roosen- daal (Kempe Thill), die sich dem niederländischen Standard verweigern, oder der für Wanderarbeiter konzipierten Wohnungen in Alamosa, Colorado, die wie selbstverständlich in die Einfamilienhausstruk- tur der Umgebung eingepasst sind. Es werden die Minimalwohneinheiten in einem Armenviertel im chi- lenischen Iquique vorgestellt und der Ort in Öster- reich, wo man innerstädtisch aufs Land entfliehen kann: die Wiener Sargfabrik (Heft 25.01). Um herauszufinden, wie sich die Experimente der Architekten auf die Bewohner auswirken, um die Spuren der Aneignung zu ergründen, haben die Kuratoren Michael Rieper und Oliver Elser Korrespon- denten ausgesendet. Diese haben u.a. die Bewohner in Mulhouse gefragt, wie sie mit ihren Häusern aus Gewächshausbauteilen (Lacaton & Vassal) zurecht- kommen, oder Mitglieder einer Berliner Baugruppe, wie sie es fanden, an der Gestaltung ihrer Wohnun- gen partizipativ mitzuwirken. Die Präsentation der Untersuchungsergebnisse versucht ebenso wie die Recherche über das Übliche hinauszugehen: Anstelle glatt geputzter Architektur- fotografien erwarten den Besucher ratternde, auf Leitern montierte Diaprojektoren, die Zitate der Be- wohner und deren selbstgeschossene Fotos an die Wand werfen. Im größten Raum des Künstlerhauses Wien ist der Grundriss des Moriyama Hauses in Tokio (Heft 27.06) im Maßstab 1:1 nachempfunden. Es ist das mit Abstand ungewöhnlichste Wohnhaus in der Ausstellung: Jedes seiner Zimmer wird separat über den Außenraum erschlossen, der wiederum ohne Ein- friedung in den Straßenraum übergeht. Man wohnt in schmalwandigen Stahlwürfeln. Ein radikales Kon- zept, das für die Ausstellungsbesucher nachvoll- ziehbar wird, denn Studierende der TU Wien und der Akademie der Bildenden Künste haben den Grundriss mit Kartonplatten nachgebaut, wie auch elf weitere, zum Teil zweigeschossige und begeh- bare Modelle, die in verschiedenen Maßstäben Teil- bereiche der untersuchten Wohnbauten darstellen. Nebenbei wird damit auch die klassische Form der Architekturausstellung in Frage gestellt, in der die Rolle der Nutzer selten thematisiert wird. Und selbst in diesem Punkt setzt die Schau noch eins drauf, indem sie die Besucher – im Kontrast zu all den Ex- perimenten – mit dem quälend Durchschnittlichen konfrontiert: Die Werbeagentur Jung von Matt hat Daten von Möbelhäusern und Statistikern ausgewer- tet und daraus Österreichs Durchschnittswohnzim- mer zusammengestellt. Um die eigenen Mitarbeiter täglich an die wahre Lebenswelt der Kunden zu erin- nern, ist es in den Wiener Büroräumen der Agentur installiert. Nun steht das „Wozi-Konfi“ für einige Wo- chen im Künstlerhaus Wien: 26 Quadratmeter groß, zwei Fenster, Raufasertapete, fliederfarbene Sitzgar- nitur, Vorhänge mit blauen Tulpen in Kartoffeldruck- optik. Der Durchschnitt wirkt in diesem Rahmen bei- nahe originell. AUSSTELLUNG No discipline | Ausstellung über Ron Arad in Paris Ron Arad, 1951 in Tel Aviv geboren, lebt und arbei- tet seit 1973 in London. Das Centre Pompidou gab ihm jetzt Gelegenheit für eine monographische Aus- stellung. Arads Arbeiten bewegen sich häufig zwi- schen den Disziplinen, außerdem entstehen sie – zumindest in der ersten Phase – meist ohne Auf- traggeber. Dadurch unterscheidet sich Arad vom reinen Industriedesigner. Der Titel der Ausstellung „No discipline“ erklärt sich aus dieser Herangehens- weise. Die Galerie Sud im Beaubourg bietet dem Besucher mit der Retrospektive einen Parcours, der neue und alte Werke miteinander verbindet, Proto- typen neben Sonderserien und Industrieprodukten stellt. Darüber hinaus wird auch eine Reihe von Architekturprojekten präsentiert. Arad selbst ist aus- gebildeter Architekt, hat aber, sieht man von der Oper in Tel Aviv ab, bisher wenig gebaut. Die Aus- stellung ist in drei große Bereiche gegliedert. Den Anfang macht eine im Maßstab 1 : 1 in den Raum ge- drehte, ellipsenförmige Reproduktion der Eingangs- halle mitsamt Treppe der erwähnten Oper; sie erin- nert im Grundriss stark an Arads Bücherregal Book- worm. Auf der Treppe stapeln sich Stuhlobjekte, unterhalb der Treppe gibt es einen Projektionsraum, in dem das im Bau befindliche Designmuseum in Holon vorgestellt wird. An der Wand gegenüber wer- den auf Flachbildschirmen zwanzig aktuelle Architek- turprojekte Arads gezeigt – auch wenn nur einige von ihnen realisiert werden, wird deutlich, dass Arad in den letzten Jahren auf dem Terrain der Architek- tur wieder Fuß gefasst hat. Manches in dieser Ausstellung bleibt mysteriös, wie eine bis zur Decke reichende Installation, die den Raum separiert und auf einer weiß hinterleuchte- ten Wand von kreisförmigen Schattenspielen hinter- legt wird. Tritt man durch zwei mannshohe Röhren hinter den Raumteiler, stößt man auf weitere kreis- förmige Elemente, die das assoziative Gedankenspiel deutlich machen; Teile der Komposition erinnern an die Planrollen von Architekten. Man kann darüber spekulieren, ob Arad, dessen Ruf als international be- deutender Architekt weniger gefestigt ist als der des Designers, hier nicht einfach einen Anspruch klar- machen will. Unbestreitbar ist, dass Ron Arad auch in dieser Show mit der Überlagerung opulenter For- men, die ein offenes Wechselspiel zwischen den ver- schiedenen Disziplinen in Bewegung setzen, Eindruck erzeugt. Angesichts der freien Formen im Werk von Arad stellt der Kurator der Ausstellung, Marie-Laure Jousset, am Schluss die rhetorische Frage: „Warum wollen Sie dies alles in einer Kiste Sardinen verschlie- ßen?“ Man verlässt die Ausstellung, denkt an den Stuhl Tom Vac, die Lampe Pizzakobra und den Ripple Chair und gibt dem Statement schließlich recht. Cordula Rau INSTALLATION Licht an – Licht aus | Das Kunstwerk von Siegrun Appelt bei Aedes am Pfefferberg Visuelle Erinnerungen an überbunte Fassadenbeleuch- tungen und Lichtsäulen des letzten Berliner Festival of Lights kommen hoch, wenn von kontextbezogener Illuminationskunst die Rede ist. Bei einem Besuch der Lichtinstallation von Siegrun Appelt im Architek- turforum Aedes am Pfefferberg in Berlin merkt man jedoch schnell, dass man sich davon lösen muss, um ihre Kunst als solche auch auszumachen. Beim Be- treten der Hof- und Parkplatzbereiche in der Abend- dämmerung mag man sich anderenfalls fragen, ob die rote Neonschrift „Hostel“ bereits das angekün- digte Licht-Kunstwerk ist. Denn was hier sonst noch leuchtet, scheint nicht mehr zu sein als das kalte Parkplatzlicht. Doch weit gefehlt! Im Rahmen der Ausstellung LINZ TEXAS (Heft 27.08) hat die Wiener Künstlerin 50 Strahler im Hofbereich des Architek- turforums angebracht, um den unspektakulären Raum in Szene zu setzen. Die Pfefferberg-Lichter sind als permanente Hofbeleuchtung konzipiert und entspre- chend ausgeführt. Die unscheinbare weiße Beleuchtung des Hof- raumes erweckt beim unbedarften Beobachter zu- nächst den Eindruck einer Fehlplanung – werden doch architektonisch und verkehrstechnisch belang- lose Orte angestrahlt und hervorgehoben. Einzelne Scheinwerfer erlöschen plötzlich und lassen zuvor hell erleuchtete Bereiche mit einem Schlag im Dun- keln verschwinden, während andernorts langsam flutlichtähnliche Scheinwerferbatterien aufleuchten und leere Flächen, Kastenwagen und Recyclingmüll- tonnen überstrahlen, als handele es sich um Kunst- werke in einem Schauraum. Die neun Scheinwerfergruppen sind so ausge- richtet, dass sie den gesamten Hofbereich grell aus- leuchten könnten. Die „komponierte Lichtmusik“ baut auf mehreren Millionen Kombinationsmöglich- keiten auf, die ständig wechselnde Situationen er- geben. Die Wahrnehmungsfähigkeit der Besucher ist damit allerdings etwas überfordert. Die einfachen und wirkungsvollen Additionen einzelner Lichtspots zu Flächen auf dem Kopfsteinpflaster lassen sich hin- gegen eindeutig nachvollziehen. Die Intention der Künstlerin zielt darauf ab, funktionale Beleuchtung neu und „anders“ zu interpretieren. Statt um kulis- senhafte und theatralische Erleuchtung von Archi- tekturfassaden geht es ihr um das Ausleuchten sonst unbeachteter Orte und Dinge. Der Besucher kann selbst spekulieren, ob es die Abwesenheit (Licht aus) oder die Anwesenheit (Licht an) des Lichtes oder der inszenierte Wechsel zwischen beidem ist, was die Installation ausmacht. Wie schrill und überdreht mag wohl nach die- ser Erfahrung „präziser Langsamkeit“und scheinbar fehlgeleiteter Lichtkegel das nächste Lichtfestival wirken? Hannes Tappeiner Künstlerhaus | Karlsplatz 5 | 1010 Wien täglich 10–18 Uhr, Donnerstag 10–21 Uhr | www.wohnmodelle.at | bis 22. Februar | Der Katalog kostet 29,80 Euro. Ron Arad ist alles zusammen: Künstler, Pro- dukt- und Mediendesigner und Architekt. Als archaischer Fetisch taucht die Planrolle des Architekten bei der Ausstellung im Centre Pom- pidou in verschiedenen Varianten auf. Abbildungen: Cordula Rau Die Minimalhäuser zum Selbstausbau in Iqui- que/Chile und das Moriyama Haus in Tokio. Fotos: Cristobal Palma (oben), Christian Teckert

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Bauwelt 3 | 2009 Bauwelt 3 | 2009 3

AUSSTELLUNG

Wohnmodelle. Experimentelle Architektur aus der Sicht der Bewohner Friederike Meyer

Centre Pompidou | Rue Rambuteau, Paris |▸ www.centrepompidou.fr | bis 16.März

Der Blick in die Ausstellung: Teilbereiche der vorgestellten Bauten wurden in Originalgröße nachgebaut. Foto: Wolfgang Thaler

50 Strahler bilden die Grundstruktur der Lichtinstallation des Außenraumes. Computer- generiert schaltet sich das Licht in variablen Kombinationen nach dem Zufallsprinzip an und aus.

Aedes am Pfefferberg | Christinenstraße 18–19, 10119 Berlin | ▸ www.aedes-arc.de

2 Wochenschau

Das Haus ist fertiggestellt, die Architekten sind zufrie den. Es wird dokumentiert, möglicherweise sogar veröffentlicht, es erhält Lob oder Tadel aus der Fachwelt. Dann ziehen die Bewohner ein. An diesem Punkt setzt die Ausstellung „Wohnmodelle. Experiment und Alltag“ an. Anhand von zwölf Wohn-bauten aus aller Welt untersucht sie die Frage nach der Alltagstauglichkeit von experimenteller Archi-tektur, zum Beispiel der 17 Reihenhäuser in Roosen-daal (Kempe Thill), die sich dem niederländischen Standard verweigern, oder der für Wanderarbeiter konzipierten Wohnungen in Alamosa, Colorado, die wie selbstverständlich in die Einfamilienhausstruk-tur der Umgebung eingepasst sind. Es werden die Minimalwohneinheiten in einem Armenviertel im chi-lenischen Iquique vorgestellt und der Ort in Öster-reich, wo man innerstädtisch aufs Land entfliehen kann: die Wiener Sargfabrik (Heft 25.01).

Um herauszufinden, wie sich die Experimente der Architekten auf die Bewohner auswirken, um die Spuren der Aneignung zu ergründen, haben die

Kuratoren Michael Rieper und Oliver Elser Korrespon-denten ausgesendet. Diese haben u.a. die Bewohner in Mulhouse gefragt, wie sie mit ihren Häusern aus Gewächshausbauteilen (Lacaton & Vassal) zurecht-kommen, oder Mitglieder einer Berliner Baugruppe, wie sie es fanden, an der Gestaltung ihrer Wohnun-gen partizipativ mitzuwirken.

Die Präsentation der Untersuchungsergebnisse versucht ebenso wie die Recherche über das Übliche hinauszugehen: Anstelle glatt geputzter Architektur-fotografien erwarten den Besucher ratternde, auf Leitern montierte Diaprojektoren, die Zitate der Be-wohner und deren selbstgeschossene Fotos an die Wand werfen. Im größten Raum des Künstlerhauses Wien ist der Grundriss des Moriyama Hauses in Tokio (Heft 27.06) im Maßstab 1:1 nachempfunden. Es ist das mit Abstand ungewöhnlichste Wohnhaus in der Ausstellung: Jedes seiner Zimmer wird separat über den Außenraum erschlossen, der wiederum ohne Ein-friedung in den Straßenraum übergeht. Man wohnt in schmalwandigen Stahlwürfeln. Ein radikales Kon-

zept, das für die Ausstellungsbesucher nachvoll-ziehbar wird, denn Studierende der TU Wien und der Akademie der Bildenden Künste haben den Grundriss mit Kartonplatten nachgebaut, wie auch elf weitere, zum Teil zweigeschossige und begeh-bare Modelle, die in verschiedenen Maßstäben Teil-bereiche der untersuchten Wohnbauten darstellen. Nebenbei wird damit auch die klassische Form der Architekturausstellung in Frage gestellt, in der die Rolle der Nutzer selten thematisiert wird. Und selbst in diesem Punkt setzt die Schau noch eins drauf, indem sie die Besucher – im Kontrast zu all den Ex-perimenten – mit dem quälend Durchschnittlichen konfrontiert: Die Werbeagentur Jung von Matt hat Daten von Möbelhäusern und Statistikern ausgewer-tet und daraus Österreichs Durchschnittswohnzim-mer zusammengestellt. Um die eigenen Mitarbeiter täglich an die wahre Lebenswelt der Kunden zu erin-nern, ist es in den Wiener Büroräumen der Agentur installiert. Nun steht das „Wozi-Konfi“ für einige Wo-chen im Künstlerhaus Wien: 26 Quadratmeter groß, zwei Fenster, Raufasertapete, fliederfarbene Sitzgar-nitur, Vorhänge mit blauen Tulpen in Kartoffeldruck-optik. Der Durchschnitt wirkt in diesem Rahmen bei-nahe originell.

AUSSTELLUNG

No discipline | Ausstellung über Ron Arad in Paris

Ron Arad, 1951 in Tel Aviv geboren, lebt und arbei-tet seit 1973 in London. Das Centre Pompidou gab ihm jetzt Gelegenheit für eine monographische Aus-stellung. Arads Arbeiten bewegen sich häufig zwi-schen den Disziplinen, außerdem entstehen sie – zumindest in der ersten Phase – meist ohne Auf-traggeber. Dadurch unterscheidet sich Arad vom reinen Industriedesigner. Der Titel der Ausstellung „No dis cipline“ erklärt sich aus dieser Herangehens-weise. Die Galerie Sud im Beaubourg bietet dem Besucher mit der Retrospektive einen Parcours, der neue und alte Werke miteinander verbindet, Proto-typen neben Sonderserien und Industrieprodukten stellt. Darüber hinaus wird auch eine Reihe von Architekturprojekten präsentiert. Arad selbst ist aus-gebildeter Architekt, hat aber, sieht man von der Oper in Tel Aviv ab, bisher wenig gebaut. Die Aus-stellung ist in drei große Bereiche gegliedert. Den Anfang macht eine im Maßstab 1:1 in den Raum ge-drehte, ellipsenförmige Reproduktion der Eingangs-halle mitsamt Treppe der erwähnten Oper; sie erin-nert im Grundriss stark an Arads Bücherregal Book-worm. Auf der Treppe stapeln sich Stuhlobjekte, unterhalb der Treppe gibt es einen Projektionsraum, in dem das im Bau befindliche Designmuseum in

Holon vorgestellt wird. An der Wand gegenüber wer-den auf Flachbildschirmen zwanzig aktuelle Architek-turprojekte Arads gezeigt – auch wenn nur einige von ihnen realisiert werden, wird deutlich, dass Arad in den letzten Jahren auf dem Terrain der Architek-tur wieder Fuß gefasst hat.

Manches in dieser Ausstellung bleibt mysteriös, wie eine bis zur Decke reichende Installation, die den Raum separiert und auf einer weiß hinterleuchte-ten Wand von kreisförmigen Schattenspielen hinter-legt wird. Tritt man durch zwei mannshohe Röhren hinter den Raumteiler, stößt man auf weitere kreis-förmige Elemente, die das assoziative Gedankenspiel deutlich machen; Teile der Komposition erinnern an die Planrollen von Architekten. Man kann darüber spekulieren, ob Arad, dessen Ruf als international be-deutender Architekt weniger gefestigt ist als der des Designers, hier nicht einfach einen Anspruch klar-ma chen will. Unbestreitbar ist, dass Ron Arad auch in dieser Show mit der Überlagerung opulenter For-men, die ein offenes Wechselspiel zwischen den ver-schiedenen Disziplinen in Bewegung setzen, Eindruck erzeugt. Angesichts der freien Formen im Werk von Arad stellt der Kurator der Ausstellung, Marie-Laure Jousset, am Schluss die rhetorische Frage: „Warum wollen Sie dies alles in einer Kiste Sardinen verschlie-ßen?“ Man verlässt die Ausstellung, denkt an den Stuhl Tom Vac, die Lampe Pizzakobra und den Ripple Chair und gibt dem Statement schließlich recht. Cordula Rau

INSTALLATION

Licht an – Licht aus | Das Kunstwerk von Siegrun Appelt bei Aedes am Pfefferberg

Visuelle Erinnerungen an überbunte Fassadenbeleuch-tungen und Lichtsäulen des letzten Berliner Festival of Lights kommen hoch, wenn von kontextbezogener Illuminationskunst die Rede ist. Bei ei nem Besuch der Lichtinstallation von Siegrun Appelt im Architek-turforum Aedes am Pfefferberg in Berlin merkt man jedoch schnell, dass man sich davon lösen muss, um ihre Kunst als solche auch auszumachen. Beim Be-treten der Hof- und Parkplatzbereiche in der Abend-dämmerung mag man sich anderenfalls fragen, ob die rote Neonschrift „Hostel“ bereits das angekün-digte Licht-Kunstwerk ist. Denn was hier sonst noch leuchtet, scheint nicht mehr zu sein als das kalte Parkplatzlicht. Doch weit gefehlt! Im Rahmen der Ausstellung LINZ TEXAS (Heft 27.08) hat die Wiener Künstlerin 50 Strahler im Hofbereich des Architek-turforums angebracht, um den unspektakulären Raum in Szene zu setzen. Die Pfefferberg-Lichter sind als permanente Hofbeleuchtung konzipiert und entspre-chend ausgeführt.

Die unscheinbare weiße Beleuchtung des Hof-raumes erweckt beim unbedarften Beobachter zu-nächst den Eindruck einer Fehlplanung – werden doch architektonisch und verkehrstechnisch belang-lose Orte angestrahlt und hervorgehoben. Einzelne

Scheinwerfer erlöschen plötzlich und lassen zuvor hell erleuchtete Bereiche mit einem Schlag im Dun-keln verschwinden, während andernorts langsam flutlichtähnliche Scheinwerferbatterien aufleuchten und leere Flächen, Kastenwagen und Recyclingmüll-tonnen überstrahlen, als handele es sich um Kunst-werke in einem Schauraum.

Die neun Scheinwerfergruppen sind so ausge-richtet, dass sie den gesamten Hofbereich grell aus-leuchten könnten. Die „komponierte Lichtmusik“ baut auf mehreren Millionen Kombinationsmöglich-keiten auf, die ständig wechselnde Situationen er-geben. Die Wahrnehmungsfähigkeit der Besucher ist damit allerdings etwas überfordert. Die einfachen und wirkungsvollen Additionen einzelner Lichtspots zu Flächen auf dem Kopfsteinpflaster lassen sich hin-gegen eindeutig nachvollziehen. Die Intention der Künstlerin zielt darauf ab, funktionale Beleuchtung neu und „anders“ zu interpretieren. Statt um kulis-senhafte und theatralische Erleuchtung von Archi-tekturfassaden geht es ihr um das Ausleuchten sonst unbeachteter Orte und Dinge. Der Besucher kann selbst spekulieren, ob es die Abwesenheit (Licht aus) oder die Anwesenheit (Licht an) des Lichtes oder der inszenierte Wechsel zwischen beidem ist, was die Installation ausmacht.

Wie schrill und überdreht mag wohl nach die-ser Erfahrung „präziser Langsamkeit“und scheinbar fehlgeleiteter Lichtkegel das nächste Lichtfestival wirken? Hannes Tappeiner

Künstlerhaus | Karlsplatz 5 | 1010 Wientäglich 10–18 Uhr, Donnerstag 10–21 Uhr |▸ www.wohnmodelle.at | bis 22. Februar |Der Katalog kostet 29,80 Euro.

Ron Arad ist alles zusammen: Künstler, Pro-dukt- und Mediendesigner und Architekt. Als archaischer Fetisch taucht die Planrolle des Ar chitekten bei der Ausstellung im Centre Pom-pidou in verschiedenen Varianten auf. Abbildungen: Cordula Rau

Die Minimalhäuser zum Selbstausbau in Iqui-que/Chile und das Moriyama Haus in Tokio. Fotos: Cristobal Palma (oben), Christian Teckert