Wolfgang Petzke Muskelleistung und Wirkungsgrad beim Radfahren Leistung der Gelenkbewegung beim...

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1. Einleitung Physikalische Gesetze lassen uns Zusammen- hänge der uns umgebenden Welt erkennen. Die Biomechanik beschäftigt sich mit einem Teilbe- reich daraus, den Vorgängen der belebten Na- tur, insbesondere des Menschen. Sehnen, Ge- lenke, Knochen lassen sich in ihren Eigenschaf- ten sehr genau mit den bekannten Methoden für starre und elastische Körper beschreiben. Der Muskel hingegen mit seinen komplexen Ei- genschaften (Aktivierbarkeit, Aktivierungszu- stand, Dehnung, Ermüdung und nicht zuletzt der Steuerung nach den Vorstellungen des „Kopfes“ und des freien Willens unterworfen) muss in der Regel separat betrachtet werden. Er lässt sich jedoch, seiner Lage und Funktion nach, gut abgrenzen. Die Leistungen der Bewegung von Knie-, Hüft- sowie Becken- und Sprunggelenk im Radsport zu erfassen und für das Training zu nutzen, ist eine bislang nicht gängige Methode. Dies hat zwei wesentliche Ursachen. Zum einen war in der Vergangenheit keine technisch praktikable Messmöglichkeit vorhanden (in Zukunft wird es bestimmt Angebote hierzu geben), zum ande- ren fehlte nach verbreiteter Meinung in der Li- teratur eine genaue Vorstellung davon, wie Muskelleistung beim Radfahren abgegeben wird und wie Energieverluste entstehen kön- nen. Die Erkenntnis, dass die Leistung der Gelenk- bewegung – negativ wie positiv – von Hüfte und Knie eins zu eins auch an der Tretkurbel wirkt, und dass gerade die sich automatisch für die Übertragung der Energie einstellende Kraft zwischen Fuß und Kurbel nicht verändert wer- den darf, um die Arbeitsweise der Muskulatur in Bezug auf den Antrieb des Bewegungssystems (den Wirkungsgrad) nicht zu verschlechtern, ist noch nicht allgemein bekannt. Der Sachver- halt soll mit dem vorliegenden Beitrag erklärt werden. Außerdem soll eine Vorstellung davon vermittelt werden, wie sich eine gesunde oder trainierte Muskelleistung beim Radfahren von einer Leistungsschwäche durch Krankheit, Verletzung oder falschem Training unterschei- det. Vorüberlegung: Das Fahrzeug ‚Rad’ verlangt nach Antriebsleistung, die der transportierte Fahrgast Mensch selbst über seine Muskulatur erbringt. Daher ist es von Vorteil, beim Radfah- ren eine darauf gut abgestimmte Muskellei- stung zu haben. Diese kann auf unterschiedli- che Prozesse und Eigenschaften hin betrachtet und untersucht werden, etwa die biochemische Stoffwechsel-Funktion oder die Arbeitsweise – als konzentrische, exzentrische oder isometri- sche. Wie kann diese Arbeitsweise beim Rad- fahren erfasst werden? 2. Technische Voraussetzungen Bei der Tretbewegung bilden die Beine zusam- men mit der Tretkurbel ein Antriebs- und Bewe- gungssystem, um Muskelenergie auf den Fahr- zeugantrieb zu übertragen. Schwenkbewegun- gen der Beinglieder werden in eine umlaufende Rotationsbewegung an der Kurbel überführt. An Becken, Ober-, Unterschenkel und Fuß an- greifende Muskeln üben Spannungen aus und erzeugen an den dazwischen liegenden Gelen- ken Momente, welche eine Bewegung bewir- ken. Die Momente rufen zudem Reaktionskräf- te hervor, beispielsweise zwischen Bein und Kurbel am Pedal, wodurch wiederum eine Be- wegung und ein Drehmoment an der Kurbel- achse entsteht, das über den Kettenstrang zum Antrieb des Fahrzeugs dient. Das Pedal ist das nächste tragende Element außerhalb des Beines. Hier lässt sich gleicher- maßen Kraft-Größe und Kraft-Richtung in Be- zug zum Bein als auch zur Kurbel erfassen. Um Einblick in die verborgen liegenden Bewe- gungsleistungen an den Gelenkpunkten zu er- halten, müssen auch deren effektive Stellun- gen erfasst und mit einbezogen werden. BIOMECHANIK 47 LEISTUNGSSPORT 3/2006 Wolfgang Petzke Muskelleistung und Wirkungsgrad beim Radfahren Leistung der Gelenkbewegungen – Erklärung zum „runden Tritt“ Dass die unter dem Begriff „runder Tritt“ diskutierte Idealvorstellung vom Radfah- ren und die damit verbundene Bezeich- nung „biomechanischer Wirkungsgrad“ im Widerspruch zu den Gesetzen der technischen Physik steht, ist seit langem bekannt; diese Diskrepanz wurde ver- schiedentlich sogar als Besonderheit der Biomechanik gesehen. Messreihen – man denke an Tretkraftuntersuchungen mit Radsportlern und Nichtsportlern – ließen niemals eine befriedigende Korre- lation mit erwarteten Ergebnissen erken- nen, und die Diskussion von Qualitätskri- terien blieb, weil auf irrtümlichen Annah- men beruhend, ergebnislos. Entwicklung und Einsatz eines Messsys- tems für die Muskelleistung an Hüfte und Knie beim Radfahren brachte den Ver- fasser des vorliegenden Beitrags zu der Erkenntnis, dass gerade das Bemühen, nach der bisherigen Idealvorstellung mit einer bestimmten definierten Kraft zu tre- ten, keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Leistungsabgabe bewirkt. Sowohl von den Massenträgheitsphä- nomenen als auch von den Muskeln ver- ursachte Kräfte der Beine sind beim Rad- fahren am Pedal zu spüren und mess- technisch zu erfassen. Jedoch nur die Muskelkraft und die Bewegungen von Becken, Hüfte, Knie- und Sprunggelenk entsprechen den ursächlichen Leistun- gen. Diese Leistungswerte zeigen direkt an, bei welchen Bewegungsphasen es sich um Energie abgebende (konzentri- sche) oder um Energie verzehrende (ex- zentrische) – gegen die Bewegung wir- kende – Anteile handelt. Für das Verständnis und die Beurteilung der Energieabgabe beim Radfahren ste- hen Muskelspannung und Gelenkbewe- gung, also die Leistung dieser Bewegun- gen, im Mittelpunkt und nicht, wie bisher angenommen, die Kraft zwischen Fuß und Kurbelbewegung. Bei gutem Gesundheitszustand und kor- rekter Fahrweise liegt der Anteil konzentri- scher Bewegungen typisch nahe 100 Prozent. Die häufig geäußerte Empfeh- lung, die Muskelaktion anhand der Kraft auf die Kurbel zu steuern, führt jedoch dazu, dass der Anteil konzentrischer Be- wegungsphasen auf bis ca. 75 Prozent sinkt. Damit verbunden entstehen hohe Energieverluste. Wegen der ungünstige- ren und höheren Belastung der Gelenke bei exzentrischen Bewegungsanteilen könnte diese Praktik auch Hüfte und Kniegelenk schädigen. Nach Beobachtungen sind als Folge von Verletzungen teilweise große Unterschie- de in der Leistung bestimmter Muskel- gruppen zwischen dem gesunden und dem betroffenen Bein vorhanden. Der Lösungsansatz dient dazu, Schäden auf- zudecken, besser zu beheben und Hei- lungsmöglichkeiten zu verbessern. Eingegangen: 19.12.2005

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1. Einleitung

Physikalische Gesetze lassen uns Zusammen-hänge der uns umgebenden Welt erkennen. DieBiomechanik beschäftigt sich mit einem Teilbe-reich daraus, den Vorgängen der belebten Na-tur, insbesondere des Menschen. Sehnen, Ge-lenke, Knochen lassen sich in ihren Eigenschaf-ten sehr genau mit den bekannten Methodenfür starre und elastische Körper beschreiben.Der Muskel hingegen mit seinen komplexen Ei-genschaften (Aktivierbarkeit, Aktivierungszu-stand, Dehnung, Ermüdung und nicht zuletztder Steuerung nach den Vorstellungen des„Kopfes“ und des freien Willens unterworfen)muss in der Regel separat betrachtet werden.Er lässt sich jedoch, seiner Lage und Funktionnach, gut abgrenzen. Die Leistungen der Bewegung von Knie-, Hüft-sowie Becken- und Sprunggelenk im Radsportzu erfassen und für das Training zu nutzen, isteine bislang nicht gängige Methode. Dies hatzwei wesentliche Ursachen. Zum einen war inder Vergangenheit keine technisch praktikableMessmöglichkeit vorhanden (in Zukunft wird esbestimmt Angebote hierzu geben), zum ande-ren fehlte nach verbreiteter Meinung in der Li-teratur eine genaue Vorstellung davon, wieMuskelleistung beim Radfahren abgegeben

wird und wie Energieverluste entstehen kön-nen. Die Erkenntnis, dass die Leistung der Gelenk-bewegung – negativ wie positiv – von Hüfteund Knie eins zu eins auch an der Tretkurbelwirkt, und dass gerade die sich automatisch fürdie Übertragung der Energie einstellende Kraftzwischen Fuß und Kurbel nicht verändert wer-den darf, um die Arbeitsweise der Muskulatur inBezug auf den Antrieb des Bewegungssystems(den Wirkungsgrad) nicht zu verschlechtern,ist noch nicht allgemein bekannt. Der Sachver-halt soll mit dem vorliegenden Beitrag erklärtwerden. Außerdem soll eine Vorstellung davonvermittelt werden, wie sich eine gesunde odertrainierte Muskelleistung beim Radfahren voneiner Leistungsschwäche durch Krankheit, Verletzung oder falschem Training unterschei-det. Vorüberlegung: Das Fahrzeug ‚Rad’ verlangtnach Antriebsleistung, die der transportierteFahrgast Mensch selbst über seine Muskulaturerbringt. Daher ist es von Vorteil, beim Radfah-ren eine darauf gut abgestimmte Muskellei-stung zu haben. Diese kann auf unterschiedli-che Prozesse und Eigenschaften hin betrachtetund untersucht werden, etwa die biochemischeStoffwechsel-Funktion oder die Arbeitsweise –als konzentrische, exzentrische oder isometri-

sche. Wie kann diese Arbeitsweise beim Rad-fahren erfasst werden?

2. Technische VoraussetzungenBei der Tretbewegung bilden die Beine zusam-men mit der Tretkurbel ein Antriebs- und Bewe-gungssystem, um Muskelenergie auf den Fahr-zeugantrieb zu übertragen. Schwenkbewegun-gen der Beinglieder werden in eine umlaufendeRotationsbewegung an der Kurbel überführt.An Becken, Ober-, Unterschenkel und Fuß an-greifende Muskeln üben Spannungen aus underzeugen an den dazwischen liegenden Gelen-ken Momente, welche eine Bewegung bewir-ken. Die Momente rufen zudem Reaktionskräf-te hervor, beispielsweise zwischen Bein undKurbel am Pedal, wodurch wiederum eine Be-wegung und ein Drehmoment an der Kurbel-achse entsteht, das über den Kettenstrang zumAntrieb des Fahrzeugs dient. Das Pedal ist das nächste tragende Elementaußerhalb des Beines. Hier lässt sich gleicher-maßen Kraft-Größe und Kraft-Richtung in Be-zug zum Bein als auch zur Kurbel erfassen. UmEinblick in die verborgen liegenden Bewe-gungsleistungen an den Gelenkpunkten zu er-halten, müssen auch deren effektive Stellun-gen erfasst und mit einbezogen werden.

BIOMECHANIK

47LEISTUNGSSPORT 3/2006

Wolfgang Petzke

Muskelleistung und Wirkungsgrad beim RadfahrenLeistung der Gelenkbewegungen – Erklärung zum „runden Tritt“

Dass die unter dem Begriff „runder Tritt“diskutierte Idealvorstellung vom Radfah-ren und die damit verbundene Bezeich-nung „biomechanischer Wirkungsgrad“im Widerspruch zu den Gesetzen dertechnischen Physik steht, ist seit langembekannt; diese Diskrepanz wurde ver-schiedentlich sogar als Besonderheit derBiomechanik gesehen. Messreihen –man denke an Tretkraftuntersuchungenmit Radsportlern und Nichtsportlern –ließen niemals eine befriedigende Korre-lation mit erwarteten Ergebnissen erken-nen, und die Diskussion von Qualitätskri-terien blieb, weil auf irrtümlichen Annah-men beruhend, ergebnislos.Entwicklung und Einsatz eines Messsys-tems für die Muskelleistung an Hüfte undKnie beim Radfahren brachte den Ver-fasser des vorliegenden Beitrags zu derErkenntnis, dass gerade das Bemühen,nach der bisherigen Idealvorstellung miteiner bestimmten definierten Kraft zu tre-ten, keine Verbesserung, sondern eineVerschlechterung der Leistungsabgabebewirkt.

Sowohl von den Massenträgheitsphä-nomenen als auch von den Muskeln ver-ursachte Kräfte der Beine sind beim Rad-fahren am Pedal zu spüren und mess-technisch zu erfassen. Jedoch nur dieMuskelkraft und die Bewegungen vonBecken, Hüfte, Knie- und Sprunggelenkentsprechen den ursächlichen Leistun-gen. Diese Leistungswerte zeigen direktan, bei welchen Bewegungsphasen essich um Energie abgebende (konzentri-sche) oder um Energie verzehrende (ex-zentrische) – gegen die Bewegung wir-kende – Anteile handelt. Für das Verständnis und die Beurteilungder Energieabgabe beim Radfahren ste-hen Muskelspannung und Gelenkbewe-gung, also die Leistung dieser Bewegun-gen, im Mittelpunkt und nicht, wie bisherangenommen, die Kraft zwischen Fußund Kurbelbewegung. Bei gutem Gesundheitszustand und kor-rekter Fahrweise liegt der Anteil konzentri-scher Bewegungen typisch nahe 100Prozent. Die häufig geäußerte Empfeh-lung, die Muskelaktion anhand der Kraft

auf die Kurbel zu steuern, führt jedochdazu, dass der Anteil konzentrischer Be-wegungsphasen auf bis ca. 75 Prozentsinkt. Damit verbunden entstehen hoheEnergieverluste. Wegen der ungünstige-ren und höheren Belastung der Gelenkebei exzentrischen Bewegungsanteilenkönnte diese Praktik auch Hüfte undKniegelenk schädigen.Nach Beobachtungen sind als Folge vonVerletzungen teilweise große Unterschie-de in der Leistung bestimmter Muskel-gruppen zwischen dem gesunden unddem betroffenen Bein vorhanden. DerLösungsansatz dient dazu, Schäden auf-zudecken, besser zu beheben und Hei-lungsmöglichkeiten zu verbessern.

Eingegangen: 19.12.2005

3. Massen- und Muskelkräfte

Es wirken auf dem Pedal nicht nur Reaktions-kräfte auf die Muskelspannungen, sondern eslasten hierauf auch (vgl. Hammer und Hammer,1978, Addition von Kräften und Vektoren) Kräf-te, die bei Systemen der unbelebten Natur auf-treten und die eine Wirkung der beteiligtenMassen sind. In erster Linie stützt sich die un-tere Extremität samt Bekleidung und Schuh ge-gen die Schwerkraft am Pedal ab. Bei der Bewe-gung der Kurbel treten zudem wechselnde Be-schleunigungen bei der Schwenkbewegung aufund verursachen zusätzliche Kräfte (vgl. Ma-gnus und Müller, 1982, Kapitel 6, Kinetik).Diese Kräfte sind unter dem Begriff ‚konserva-tiv’ – Energie erhaltend, nicht verbrauchendoder erzeugend – bekannt, da sie in der Wir-kung auf das Gesamtsystem (Fahrer und Fahr-zeug) Antriebsenergie neutral sind. Bei der Aus-wertung der Kräfte an der Kurbel sind diesekonservativen „passiven“ Kräfte unbedingt vonden durch die Muskeltätigkeit erzeugten „akti-ven“ Kräften zu unterscheiden1.Konservative Kräfte ändern nicht die mechani-sche Energie eines Systems (vgl. Energiesatzder Mechanik Epot + Ekin = const), konzentri-sche oder exzentrische Bewegungsleistungenan den Gelenken schon, dies ist deren Wirkungund Zweck. Ein Teil des an der Kurbel wirkenden Drehmo-ments (dieses ist proportional zur Leistung)wird durch die Wirkung der konservativen Kräf-te verursacht, ein Teil durch konzentrische undexzentrische Gelenkbewegungen. Abb. 1 zeigt

den Anteil exemplarisch bei 80 Watt/Bein und86 Umdrehungen pro Minute. Autoren, die bereits das Phänomen der Tret-kraft untersuchten, (vgl Hillebrecht, Schwirtz,Stapelfeldt, Stockhausen und Bührle, 1998,Abb. 5; u. v. a.) kommen zu den gleichen Resul-taten bei der Brutto-Drehmoment-Messung ander Kurbel.

4. Messprinzip für Muskelkraft Wie kann die zwischen Fuß und Pedal wirkendeund gemessene Summenkraft in der Praxisnach ursächlichen aktiven Muskel- und passi-ven konservativen Anteilen unterschieden undaufgeteilt werden? Hierfür lässt sich der Umstand nutzen, dass diekonservativen Kraftanteile zwar von den betei-ligten Massen, von der Sitz- und Griffpositionsowie der Drehzahl der Beine abhängen, abernicht vom Widerstand der Kurbel, wenn sich

Hüft- und Kniepositionen bei unterschiedlichenBelastungen näherungsweise nicht ändern. Messreihen gehen typischerweise über mehre-re Laststufen. Für die Auswertung bietet es sichan, auf die Differenz von Laststufen mit ansons-ten gleichen äußeren Bedingungen zurückzu-greifen. Dabei wiegen sich die jeweils gleichgroßen konservativen Kraftanteile gegeneinan-der auf und fallen weg. Das Ergebnis ist die in-duzierte Muskelkraft am Pedal, die für die Dif-ferenz der Leistungsstufen in Erscheinung trittund ausschließlich auf die unterschiedlichenMuskelaktivitäten bei der Überwindung des Wi-derstandsmoments zurückzuführen ist. Durch die Anwendung der „Differenzstufen“-Meßmethode werden untereinander vergleich-bare Werte geschaffen, die äußere Bedingun-gen, wie etwa unterschiedliche Muskelvorspan-nung unter verschiedenen Sitzpositionen, aufdie Messapparatur ausgleichen. Die Differenzstufen-Messmethode ist einKunstgriff für die Ermittlung der Leistung derGelenkbewegung an Hüfte und Knie. Dabeiwird der Anteil der konservativen Kräfte – der„leblosen“ Natur – vor der Ermittlung der Mus-kelleistungen herausgefiltert. Beim idealentechnischen System verursachen, leisten oderkosten konservative Systemkräfte keinen Ener-giebeitrag; vergleiche Gewicht am Ende eineswaagrechten Balkens, am hängenden oderwaagerecht ausgestreckten Arm, Kniebeugeohne und mit zusätzlichem Gewicht. Neben derBerechnung der Netto-Leistung für die Bewe-gung der Gelenke ist zu untersuchen, welcheMuskel-Momente notwendig sind, um zu denkonservativen Kräften im System ein Gleichge-wicht aufzubauen, und welche Energie dafürnötig ist. (Um zu beurteilen, ob konservativeKräfte im biologischen System Energiekostenverursachen, stelle man sich am besten denKörper mit erschlaffter Muskulatur vor!) Wenn das Sprunggelenk in einer Lage erstarrt,so können wir uns nach Abb. 2 ein vereinfach-tes, äquivalentes Ersatzmodell für das Beindenken. Es ist leicht zu erkennen, dass konser-vative Kräfte kein zusätzliches Moment aufKnie- und Hüftgelenk ausüben, wenn sich diesean Becken und Pedal über die eingezeichneteHilfsgerade, die in ihrer Wirkung der Stabilisie-rung entspricht, zentral abstützen. Unter derVoraussetzung, dass das Sprunggelenk die anihm angreifenden Lasten abstützt – gleichesgilt für das Becken – wird der Einfluss der kon-servativen Kräfte auf die Muskelspannungen anHüfte und Knie zu Null.

5. Aufschlüsse über die Muskelleistungaus den dynamometrischen Daten, Kri-tik zum bisherigen Gebrauch

In der Vergangenheit wurde mehrfach unter-sucht, wie die Kraft zwischen Fuß und Kurbelauf die Bewegung der Tretkurbel zu beziehensei; in der Hoffnung, auf diese Weise biome-chanisch relevante Werte zu erhalten. Als Beispiele unter vielen: Hillebrecht et al.(1998) teilen den Kurbelkreis in vier Sektoren:Schub-, Druck-, Zug- und Hub-Phase. Ückert

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1 Folgende Ausführung soll den Sachverhalt verdeutli-chen. Das Gewicht eines Beines lastet auf dem Pedal.Bei der Bewegung der Kurbel nach oben übt diesesBein eine Kraft gegen die Kurbelbewegung aus, undgegenwirkend die Kurbel eine Kraft in Richtung derBeinbewegung. Befindet sich das Bein nach einer hal-ben Kurbeldrehung in der oberen Kurbelstellung, hat esetwa eine gegenüber der unteren Kurbelstellung umzwei mal die Kurbellänge erhöhte potentielle Energie.Diese potentielle Energie wurde durch die Kraft der Kur-bel gegen das Bein und die gleichgerichtete Bewe-gung übertragen und wird in der anschließenden Ab-wärtsbewegung der Kurbel wieder an diese abgege-ben. Dabei wirkt nun eine mit der Kurbelbewegungübereinstimmende Kraft auf die Kurbel und gegenwir-kend eine gegen die Beinbewegung gerichtete Kraftauf das Bein. Über die gesamte Kurbelumdrehung ge-rechnet führt diese Kraft jedoch zu keiner Energieab-gabe an das Fahrzeug. Bei der aus zwei um 180° ge-genüber versetzten Armen bestehenden Tretkurbelneutralisieren sich die Kräfte und Schwankungen zu-sätzlich. Es kann also kein Vorteil daraus gezogen wer-den, mit einer bestimmten Kurbelstellung die Ziellinie zuerreichen! Die Befürchtung und Argumentation, dieseKräfte würden die Bewegung bremsen, ist unbegrün-det. Die Masse des Beines wirkt wie ein Energiespei-cher, der periodisch durch Heben und Senken geladenund entladen wird. Dieser Vorgang entzieht oder liefertjedoch keine Leistung. Kräfte verhalten sich additiv. Die Gesamtwirkung einerReihe von Kräften entspricht der vektoriellen Additionder einzelnen Kräfte. Übt etwa das Bein in Folge desGewichts eine Kraft (hier vereinfachend angenommennur nach unten und gleichbleibend) von 120 Newton[N] aus, würde eine zusätzliche Muskelkraft dazuführen, dass bei der Aufwärtsbewegung der Kurbel bei-spielsweise 40 N gemessen wird und bei der Abwärts-bewegung 250 N. Daraus ergibt sich für dieses Beispiel,dass die Muskeln eine Kraft von 80 N in der Auf- und 130N in der Abwärtsbewegung erzeugen würden.

[Nm]

0

10

20

30

40

-10

-20

50

90° 180° 270°0°

Bruttodrehmoment

Drehmoment aus

konservativen Kräften

Drehmoment aus

muskelunterstützter

Gelenkbewegung

Abb. 1 Drehmoment

Bruttodrehmoment am Tretkurbelarm bei 80 Wattund 86 Umdrehungen/min.Drehmoment aus konservativen Kräften über denKurbelkreis in der Summe Null! Drehmoment aus muskelunterstützter Gelenkbe-wegung nicht nach konzentrisch und exzentrischunterschieden.

Abb. 2 Kurbel & Bein

Kurbel & Bein Ersatzschaubild:technisch umlauffähiges Gelenkfünfeck, mit Wir-kungslinie für versteiftes Sprunggelenk eindeutigbestimmtes umlauffähiges Gelenkviereck

(2005) wählt eine Aufteilung in Aufwärts- undAbwärtsphase mit je 4 Abschnitten. Diese Vor-gehensweise ist nicht zielführend, da die Kur-bel als mechanisches Bauteil daran angreifendemechanische Energie eins zu eins weitergibtund der Kraft selbst keine biomechanische Ei-genschaft innewohnt. Es besteht kein Zusam-menhang zwischen Kurbelwinkel und Muskel-kontraktion, der es ermöglichen würde, dieSitzposition und Fahrergeometrie außer Achtzu lassen. Es ist daher auch nicht zweckmäßig,dem Kurbelwinkel eine andere Bedeutung zu-zuschreiben, als eben die Angabe des Winkelsder Kurbelstellung. Von wem ursprünglich der Vorschlag stammt,aus Umfangs- und Gesamtkraft zur Kurbelbe-wegung ein Zahlenverhältnis zu bilden, und werdieser „Formel“ zuerst den leicht zu Missver-ständnissen führenden Namen „biomechani-

scher Wirkungsgrad“ gab, kann nachträglichnicht geklärt werden. Fest steht jedoch, dassdiese Verhältniszahl keine physikalische (weilBewegung des Kraftansatzpunktes nicht ent-halten) oder physiologische (weil Bezug zu denbeteiligten Muskeln fehlt) Aussagefähigkeit hat.Alle dazu angefertigten Forschungsarbeitenzeigen dies deutlich, etwa die schon erwähnteArbeit von Hillebrecht et al. (1998). Die darinenthaltene Deutung der rechnerischen Ergeb-nisse der „Formel“ – bei einer ungünstigenMuskelkoordination würden Verlustkräfte auf-treten und einen Energieverlust in der errech-neten Höhe durch Lagerreibung und eine Deh-nung oder Stauchung der Kurbel bewirken –führt sich selbst ad absurdum, als es dann kei-ne ungünstige Muskelkoordination gäbe, son-dern nur nicht leicht genug laufende Lager undnicht ausreichend stabile Fahrradkurbeln. DieInterpretation rechnerisch mit den Methodender Elasto-Statik überschlägig nachgeprüft, er-gibt, dass Energieverluste an typischen Tretkur-beln durch Verformung und Lagerreibung sehrgering sind (ca. 0,1% max.) und zudem weitge-hend unabhängig von der Kraftrichtung. Dievon den Autoren ausgesprochene Einschätzungund Empfehlung „Die Radialkraft (…) verur-sacht lediglich eine Längung und Stauchungder Kurbel oder eine Reibung im Lager. Sie soll-te demnach möglichst gering gehalten wer-den.“ zeigt das grundlegende Missverständnis.Die Funktion der Kurbel ist es ja gerade, alleanfallenden Kräfte durch ihre Führung auf dieKreisbahn aufzunehmen und abzustützen. Wür-de der Fahrer diese Kräfte sinnloserweise überdas Bein abstützen, so würden hier extrem ho-he und ungünstige Momente und über großeBewegungsanteile exzentrische Bedingungenan Hüfte und Kniegelenk nötig. Warum sich eine zweifelhafte Hypothese unddaraus abgeleitete Trainingsempfehlungen überJahrzehnte halten können, wäre sicher ein The-ma für eine interessante soziokulturelle Studie. Die Faszination, die zweifellos von der „Kraft“-Leitvorstellung ausgeht, auch wenn sie verkehrtist, beruht auf der Einfachheit und Bedingungs-losigkeit und präzisen Handlungsanweisung;ferner besteht die Möglichkeit, diesem Idealohne technische Hilfsmittel nachzuspüren undes ist auch nicht so nahe liegend –widersprichtder automatisch gewählten Handlungsweise, sodass es wohl ein gewisses Exklusivitätsgefühlder „Eingeweihten“ auslöst. Existiert kein Leitbild zu „guten und schlech-ten“ Kräften an der Kurbel, das übrigens jaauch keinerlei Klärung der biomechanischenZusammenhänge mit sich bringt, müssen an-dere Maßstäbe gefunden werden.

6. Wie lässt sich die Muskelleistung beschreiben?Wird der Anteil der konservativen Kräfte – nachdem vorgezeigten Messprinzip für Muskelkraft– von der Pedalkraft abgezogen, so ist die Net-tokraft der unteren Extremität auf die Kurbeldie Folge der mit der Belastungsänderunggeänderten Muskelmomente. Nach dem schonvon Newton zitierten Gegenwirkungsprinzip

wirkt die Kraft auf die Kurbel auch in umge-kehrter Richtung auf das Bein. Diese Nettokraftkann – und muss!–, wenn biomechanische Fra-gestellungen der Energieerzeugung beantwor-tet werden sollen, eben auf das Bein und dieBewegungen von Becken, Hüfte, Knie- undSprunggelenk hin ausgewertet werden. Die biomechanisch relevanten Eigenschaftenam Bein-Kurbelgetriebe, technisch „umlauf-fähiges Gelenkfünfeck“, zeigt Abb. 2. Die Gelenkpositionen werden zweckmäßig überein Körpermodell des Fahrers ermittelt, das diegeometrischen Verhältnisse: Position von Hüft-gelenk zu Kurbelachse, Gliederlängen sowieKurbel- und Fußstellung beschreibt. Die Ein-gangsdaten dazu werden in der Praxis optischund manuell erfasst. Fehler können einfließen, wenn die Abständeder Drehpunkte von Hüfte zu Kurbelachse, Hüf-te zu Knie, Knie zu Sprunggelenk und diesemzur Pedalachse nicht genügend genau erfasstwerden. Neptune und Hull (1995) geben eine Abschät-zung, wie genau die Hüftgelenkstellung mit un-terschiedlichen Methoden ermittelt wird. Wird für die obere Grenze der Abweichungenvom tatsächlichen Wert zwei Zentimeter ange-nommen und werden die Eingangswerte fürdas Körpermodell mit diesen Größen variiert,so zeigt sich, dass die Abweichung für die Lei-stungsanteile der Gelenkbewegungen bei etwafünf (im Einzelfall bei zehn) Prozent absolutliegt. Abb. 3 zeigt dies exemplarisch.

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84

0m

m

205

225

245

Abb. 3 Ergebnisfeld

(unten) Ergebnisfeld für Einfluss der GeometrieErfassung (x-Achse) auf errechnete Leistungsmit-telwerte konzentrischer und exzentrischer Bewe-gung an Hüfte, Knie und Sprunggelenk. Ablesefehler in Richtung der Reaktionskräfte(hier in y-Achse) haben geometrisch bedingt ei-nen wesentlich geringeren Einfluss auf die Hebel-armbestimmung.(oben) Vektoren der Muskelreaktionskraft undLeistung (positiver Betrag nach außen) an derKurbel.

Y-Achse [mm] 840X-Achse [mm] 245 225 205

e: exzentrisch; k: konzentrisch

Hüftstreckung (Watt) 96 0 90 0 85 0Hüftbeugung (Watt) 10 -4 10 -4 9 -4Kniestreckung (Watt) 61 -14 65 -12 70 -11Kniebeugung (Watt) 31 -1 31 -1 31 -2Fußstreckung (Watt) 9 0 9 0 9 0Fußbeugung (Watt) 0 -9 0 -8 0 -8

Bewegungsform k e k e k e

konzentrisch

exzentrisch

90° 180° 270°0°

[W]

0

-100

100

200

300Hüfte strecken Hüfte beugen

Knie strecken Knie beugen

Hüfte

Knie

Becken

Fuss

Kurbel

Abb. 4 Bewegungsleistungen

Bewegungsleistungen von Becken, Hüfte, Knie,Sprunggelenk bei 80 Watt durchschnittlicher Kur-belleistung (pro Bein). Am Kurbelkreis symboli-sierte Muskelkraftvektoren (unten). Leistungenexzentrischer Bewegungen vom Kurbelkreis nachinnen, konzentrischer nach außen angetragen

Wird aus dem Muskelkraftvektor und den Ge-lenkpositionen das ursprüngliche Gelenkmo-ment bei der Tretbewegung nach den Gleichge-wichtsbedingungen ermittelt, so ergeben sichfolgende Informationen: das wirksame Mo-ment am Gelenk, die Anstiegs- und Abfall-Ge-schwindigkeit des Momentes. Das Moment am Gelenk wird zweckmäßiger-weise in Verbindung mit der Gelenkbewegungausgewertet. Dadurch können folgende Infor-mationen gewonnen werden: die Übereinstim-mung des Momentes mit der Bewegung, ob essich um einen konzentrischen oder exzentri-schen oder isometrischen Bewegungsanteilhandelt. Durch Multiplikation von Winkelgeschwindig-keit und Moment ergibt sich die Leistung fürdie Gelenkbewegung. Beachtenswert ist, dass die Summe der Lei-stungen für alle Gelenkbewegungen Null Wattbeträgt. Vom Bewegungssystem Bein-Kurbelaus gesehen, ist eine abfließende Leistung – ty-pischerweise über den Kettenstrang an derKurbelachse – negativ. Weil mechanische Ener-gie eine Erhaltungsgröße ist, wenn sie nichtdurch Reibung oder Dämpfung in Wärmeener-gie umgewandelt wird, ist dieses Ergebnis zuerwarten und eine gute Kontrollmöglichkeit fürdie durch separate Operationen ermitteltenWerte. Typische Leistungen der Bewegungen anBecken, Hüfte, Knie und Sprunggelenk sowieder Kurbelachse über den Kurbelwinkel ange-tragen zeigt Abb. 4 als illustrierendes Beispiel. Die ermittelten Leistungen der Beuge- undStreckbewegung von Hüfte und Knie stimmenübrigens qualitativ genau mit bereits von Eric-son (1986) ermittelten Leistungen dieser Be-wegungen überein. Die dynamometrische Messmöglichkeit er-streckt sich auf den an einem Gelenk wirken-den Moment Nettowert aus der Summe allerdaran angreifenden Muskelspannungen. Esmag als Beschränkung erscheinen, dynamo-metrisch die Spannung einer einzelnen Muskel-gruppe nicht absolut ermitteln zu können.Überlagern sich die Spannungen von ge-gensätzlich arbeitenden Muskeln, heben diesesich in ihrer Moment-Wirkung teilweise auf. Die intermuskuläre Koordination sorgt wohldafür, dass eine unwillkürlich gleichzeitige Ak-tivierung von Strecker- und Beugermuskulaturbei der Bewegung nicht auftritt, wenn keineNeigung zu Krampfanfällen besteht. Werden beim Tretkurbelantrieb willentlichgleichzeitig die ein Gelenk betreffenden Mus-keln angespannt, kommt es zu signifikant unre-gelmäßigen und unangepassten Momenten2,

so dass eine solche Koordination sicher zu er-kennen ist. Die Leistung der Gelenkbewegungzeigt die funktionelle Einheit der Muskelgrup-pen, wie diese am Gelenk wirksam ist.

7. Muskelleistung und WirkungsgradGebräuchlicherweise werden Energie oder dieLeistung betreffende Prozesse nach ihrem Wir-kungsgrad bewertet. Dieser sagt aus, welcherAnteil der eingesetzten Energie, in diesem Fallfür den Antrieb der Kurbel, zur Verfügung stehtund wie viel den internen Prozessen der Um-setzung oder Weiterleitung zum Opfer fällt. Diedazugehörige Frage lautet: Wie viel kann mit(einem Minimum an) zur Verfügung stehenderEnergie erreicht werden? Die in vielen Beiträgen, etwa auch in Hille-brecht et al. (1998) getroffene Unterscheidungvon Kräften nach vortriebswirksam und nicht-vortriebswirksam bildet keine Grundlage, umden Wirkungsgrad zu untersuchen und zu be-stimmen. Werden Kräfte betrachtet, muss im-mer die Frage gestellt werden, mit welchemEnergieaufwand deren Erzeugung verbundenist. Wird die Wirkung von beliebigen Kräften aufdie Leistung einer reibungsfreien Tretkurbel be-rechnet, so erhält man immer den Wert 1,gleich 100 Prozent. Es müssen dazu nicht nurdie Kräfte, sondern auch die Geschwindigkei-ten der entsprechenden Kraftansatzpunkte(vgl. Magnus & Müller, 1985, 1.4.1 Kraft undDrehmoment) ins Verhältnis gesetzt werden.Die Gesamtkraft (F) und die Geschwindigkeit(v) kann in die Anteile radial (Fr und vr) undtangential (Ft und vt) zur Kurbel zerlegt wer-den. Da die radiale Richtung der Geschwindig-keit des Kraftansatzpunktes, wegen der Kon-stanz der Kurbellänge mit guter Näherung denWert Null hat, bleibt nur der tangentiale Anteiloberhalb und unterhalb der Bruchtrennungs-linie stehen und kürzt sich heraus.

Dieser Wert deckt sich mit der Erfahrung ausder Praxis, dass sich eine Fahrradkurbel im Be-trieb nicht erwärmt, hier folglich kein bemerk-barer Energieanteil verloren geht.

Wirkungsgrad der der Kurbel-bewegung an der Tretkurbel (Kb)

�Kb =Ft * vt =

Ft * vt=

F * v (Ft * vt+Fr * vr)

=Ft * vt =

Ft * vt =1(100%) (Ft * vt+Fr * 0) Ft * vt

Der Wirkungsgrad der Leistung (P) des gesam-ten Beines zur Leistung der Bewegung der ein-zelnen Gelenke lässt sich folgendermaßen aus-drücken:

Wird der innere Reibungsanteil zu Null, so er-gibt sich PBeinbewegung=∑PGelenkbewegung undfür den Wirkungsgrad der Bewegung des Bei-nes 1 (= 100 Prozent). Auch dieses Ergebnisbefindet sich mit den Erfahrungen mit techni-schen Getrieben im Einklang und ist daher zuerwarten. Steht der Fuß, ohne zu rutschen, auf dem Pe-dal, ist die Geschwindigkeitskomponente (vB)des Beines am Berührpunkt zur Kurbel und de-ren Geschwindigkeit (vK) gleich groß. Auch dieKraft (FK) auf die Kurbel ist nach dem Gegen-wirkungsprinzip gleich groß wie die Kraft aufdas Bein (FB) und es gilt: PBeinbewegung = vB * FB = vK * FK = PKurbelantriebEs wird folglich die komplette zur Verfügungstehende Bewegungsenergie des Beines, unab-hängig von der Größe und Richtung der Kraft,zwischen Bein und Kurbel übertragen. Da an den Gelenken exzentrische und konzentri-sche Bewegungen auftreten können und diese

Wirkungsgrad der Beinbewegung (Bb)�Bb = PBeinbewegung

�PGelenkbewegung

Die Leistung, die für die Bewegung desganzen Beines aufgewendet werden muss,entspricht der Summe der Leistungen fürdie Bewegung von Becken (B), Hüfte (H),Knie (K) und Sprunggelenk (S)�PGelenkbewegung = PB+ PH +PK+ PS

Die Leistung des Beines, die für die Bewe-gung und den Antrieb der Kurbel, aber auchfür andere Aktivitäten wie bspw. das Laufenzur Verfügung steht, ist die Bewegungs-leistung der Summe der Gelenke abzüglichder inneren Reibung (iR)3.PBb = �PGelenkbewegung – PiR

BIOMECHANIK

2 Erfahrungsbereich des Verfassers3 Ein Anhaltswert für die durchschnittliche innere Rei-bungsgröße je Bein ist nach Messungen eines einbei-nig gelähmten Fahrers mit guter Beweglichkeit der Ge-lenke und vorhandener Restmuskulatur auf ca. 1 Newtonmeter (Nm) gegeben.4 Elastische Verformungen rechne man nicht unter dieEigenart der ex- und konzentrischen Bewegungen. Ela-stische Verformungen müssen vielmehr bei der Geo-metriebestimmung berücksichtigt werden. Sie sind zu-dem konservativ (energieerhaltend).

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grundsätzlich unterschiedliche Energie-Aufwand- zu Energie-Nutzen-Verhältnisse haben, ist es nötig, diese Phasen exzentrischer und konzen-trischer Muskelleistungen separat zu bilanzieren. Aufgrund der „Bauart“ des Muskels beim Menschen, im Gegensatz zu ei-nem System mit Energiespeichermöglichkeit, ist es nicht möglich, ex-zentrische Muskelleistung zu „recyceln“ und für konzentrische Bewe-gungen zurück zu gewinnen4. Diese exzentrische Bewegung ist einer-seits mechanisch dem System für den Vortrieb entzogen, anderseits ver-ursacht diese Bewegung zusätzliche physiologische Kosten. Zum drittenfehlen Zeiten exzentrischer Bewegung für nützliche konzentrische Bewe-gung. Daraus ist bereits ersichtlich, dass das in Größenordnungen bedeutend-ste Kriterium der Muskelmechanik beim Radfahren darin besteht, ex-zentrische Bedingungen zu vermeiden oder zu minimieren.Der Wirkungsgrad zwischen der Leistung der Bewegung des Gelenkesund der aufgewendeten Muskelleistung lässt sich treffend als Wirkungs-grad der Leistung der Gelenkbewegung bezeichnen, denn er beschreibtdie Umsetzung der mechanischen Muskelenergie in Bezug auf die Lei-stung bei der Gelenkbewegung.

Zweckmäßig ist es, den Gelenkbewegungs-Wirkungsgrad auf die Ge-lenkbewegungsabschnitte Streckung oder Beugung oder die Summe derBewegungsanteile aller beteiligter Gelenke zu bilanzieren und anzuge-ben. Die Berechnung erfolgt immer nach diesem Schema. Für die Lei-stung (P) wird jeweils der Mittelwert des Betrages für den betrachtetenBewegungsabschnitt eingesetzt. Um Schwankungen in der Muskelakti-vität und zufällige Fehler zu glätten, kann es zweckmäßig sein, vor odernach der Berechnung die Ergebnisse einer Anzahl Zyklen zu einem Mit-telwert zusammenzufassen.

Wirkungsgrad der Leistung der Gelenkbewegung (Gb) zurphysiologisch aufgewendeten Muskelleistung

ηGb =Pk +Pe

=PGelenkbewegung

Pk + |Pe |* fbio PMuskelleistung

Pk: Leistung konzentrischer Bewegung (> 0)Pe: Leistung exzentrischer Bewegung (< 0)PGelenkbewegung = Pk + Pe: Gesamte, über den Bewegungsapparatmit einem oder mehreren Gelenken, mit der Außenwelt ausge-tauschte Leistung. Diese ergibt sich aus der einfachen Summierungder Leistungen konzentrischer und exzentrischer Bewegung.Nach Begriffsdefinition ist die abgegebene Leistung konzentrischerBewegung stets größer Null und die aufgenommene Leistung exzen-trische Bewegung stets kleiner Null. PMuskelleistung = Pk + |Pe| * fbio: Mechanischer, muskulärer Leis-tungsaufwand entspricht der Addition der Beträge, wobei der exzen-trische Anteil noch um einen Verhältnisfaktor gewichtet wird.Der Faktor fbio gibt die spezifischen physiologischen Kosten exzen-trischer Bewegung im Verhältnis zur konzentrischen Bewegung an.Es ist anzunehmen, dass dieser Faktor im Bereich zwischen 0 und 1liegt. Dieser beträgt • 0, wenn für exzentrische Bewegungen physiologisch keine Ener-

giekosten anfallen; • 1, wenn die gleichen physiologischen Kosten wie für die konzen-

trische Bewegung anfallen.Der Faktor fbio wird vom Verfasser vorläufig auf einen Wert zwischen0,3 und 0,5 geschätzt. Dieser spiegelt individuelle Unterschiede undGegebenheiten wider, wie die Beteiligung zweigelenkig wirkenderMuskeln an der Bewegung, und ist keine Konstante. Die Kenntnisdes exakten Zahlenwerts ist für die Praxisanwendung insofern nichterforderlich, als eine vergleichende Beurteilung des Anteils konzen-trischer Bewegung auch so möglich ist; bei 100 Prozent konzentri-scher Bewegung entfällt der Einfluss des Faktors ganz. Rasmussen, Damsgaard und Christensen (2001) gehen bei einer Be-rechnung zur Muskelspannungsenergiespeicherung bei der Tretbe-wegung von einem Wert für fbio von ca. 0,8 aus.

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51LEISTUNGSSPORT 3/2006

BIOMECHANIK

Die Zuordnung exzentrisch oder konzentrischergibt sich aus dem negativen oder positivenVorzeichen der Leistung. Der Wirkungsgrad der Leistung der Gelenkbe-wegung gibt Auskunft darüber, wie die funktio-

nelle Einheit der am Gelenk wirksamen Muskel-gruppen mit der vorliegenden Gelenkbewe-gung mitarbeitet, diese unterstützt oder ab-bremst. (Bei der Tretbewegung ist ein Abbrem-sen typischerweise nicht gewollt.)

Der Gelenkbewegungs-Wirkungsgrad drücktdie Gleichgerichtetheit zwischen Netto-Mo-ment und Gelenkbewegung aus und gibt demSportler einen Zahlenwert an die Hand, der dievon ihm während der Bewegungsausführungbeeinflussbaren Muskelaktionen widerspiegelt. Dabei entspricht ein Wert von 1 (100%) demFall, dass alle Energie dem Antrieb dient undkeine exzentrischen Muskelleistungen währendder Bewegung auftreten. Bei einem Anteil von90 % konzentrischer und 10% exzentrischer Lei-stung und einem physiologischen Kostenfaktordafür von fbio = 0,5, errechnet sich ein Gelenk-bewegungs-Wirkungsgrad von 84%.

8. Wie kommt es zu exzentrischen, energieverbrauchenden Muskel-leistungen bei der Tretbewegung

Es gibt Tätigkeiten, bei denen eine bestimmteBewegung ausgeführt wird und dabei gleichzei-tig eine festgelegte Kraft überwunden werdenmuss. Wird beispielsweise einarmig ein Stab ineiner Flüssigkeit auf einer senkrecht zu seinerAchse liegenden Kreisbahn bewegt, muss dieMuskulatur so arbeiten, dass sowohl die Kreis-bahn beschrieben als auch immer der sich tan-gential zur Kreisbahn einstellende, gegen dieBewegung gerichtete Widerstand überwundenwird. Es ist wohl für jeden möglich, eine solcheBewegung auszuführen, obgleich dies einekomplexe Koordination konzentrischer und ex-zentrischer Leistungen an den Gelenken erfor-dert. Bei der Tretkurbelbewegung ist es im Gegen-satz dazu nicht nötig, die Kraft zwischen Fußund Kurbel dieser Bewegung genau gleichzu-richten, denn es liegen äußere Bedingungenvor, welche diese Bewegung zwar eingrenzen,aber gleichzeitig die Energieabgabemöglich-keit stark verbessern. Es besteht hierbei nichtdie Notwendigkeit, den Fuß durch die Arbeit derMuskulatur auf der Kurbelbahn zu führen. DieBewegung ist vielmehr durch die Führung derKurbel, ggf. die Fixierung der Füße (bedingtauch durch Beingewichtskraft und Reibungzwischen Schuh und Pedal) und die Abstützungdes Beckens, sowie die Fußstellung „vorpro-grammiert“. Die Muskulatur ist frei, nach densich bietenden, besten Energieabgabemöglich-keiten (Verkürzung der Muskelfasern) Span-nung aufzubauen und Energie abzugeben. Die gespürte Kraft zwischen Fuß und Kurbel istfür diese Muskelsteuerung eine ungeeigneteGröße, da diese, besonders wegen der zusätzli-chen konservativen Kraft in Richtung und Be-trag nicht eindeutig erfasst und der Muskelar-beit zugeordnet werden kann.

Der Wirkungsgrad der Fahrzeugantriebs-bewegung (�Fb) folgt aus der Multiplika-tion der Einzel-Wirkungsgrade, wobei �Kbund �Bb typisch sehr nahe 1 liegen.�Fb = = �Kb * �Bb * �Gb

BIOMECHANIK

LEISTUNGSSPORT 3/200652

WinkelgeschwindigkeitMoment

Abb. 5 Leistungsbedarf

Leistungsbedarf für (links) Muskelaktion ausgerichtet nach Kurbelbewegung (tangentiale Tretkraft),(rechts) nach Körperbewegung, identische Kurbelleistung bei identischer tangentialer Komponente der re-sultierenden Muskelkraft, Flächen symbolisieren relatives Drehmoment an Hüfte und Knie mit Vorzeichen.(Unter Berücksichtigung der Vorzeichen) Summe der Flächen rechts und links gleich (!)

konzentrisch

exzentrisch

90° 180° 270°0°

[W]

0

-100

100

200

300Hüfte strecken Hüfte beugen

Knie strecken Knie beugen

Hüfte

Knie

Hüfte strecken

Hüfte beugen

Knie strecken

Knie beugen

Kurbel

Abb. 6 Verlustreiche Trettechnik

Verlustreiche Trettechnik als Folge von Muskelaktionen nach (tangentialer) Kraftrichtung zur Kurbelbewe-gung orientiert, Moment an Hüfte zur Stabilisierung der Kraft über ca. halben Bewegungsbereich gegen dieBewegung gerichtet, bei etwa halber Kniestreckung bereits Beugemoment ebenfalls gegen die Bewegung,Wirkungsgrad der Gelenkbewegungen ca. 60 Prozent. Kurve unter Null-Linie entspricht Größe der exzen-trischen, oberhalb der konzentrischen Muskelaktion, (vgl. Abb. 4 Gelenkbewegung an Becken, Hüfte und Knie beinah hundert Prozent konzentrisch, gleicheLeistungsabgabe bei um 30 Prozent niedrigeren Leistungsspitzen)

der Kurbellänge, (geringfügig) ändern. Es istjedoch nicht zweckmäßig die Einstellung derSitzposition nach der besten Übereinstimmungder Nettomomente mit der Bewegung vorzu-nehmen. Die Sitzposition muss anhand der ge-gebenen geometrischen Größen gewählt wer-den. Mit den geometrischen Daten der Bewe-gung wird der Rahmen für die Leistungsabgabeder Muskulatur gesteckt. Wie dieser Rahmentatsächlich, evtl. nach einer gewissen Gewöh-nungszeit, vom individuellen Muskelspan-nungsmuster genutzt wird, ist dann Aussagedes hier gezeigten Wirkungsgrades. Ingen Schenau, Dorssers, Welter, Beelen,Groot und Jacobs (1995) brachten eine Varian-te in die Diskussion ein, wie exzentrische Ener-gie zwischen benachbarten Gelenken überzweigelenkig angelegte Muskeln, die isome-trisch als Sehne arbeiten, übertragen werdenkönnte, ohne die spezifischen Energiekosten

der exzentrischen Bewegung zu verursachen.Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass dieEnergieabgabe der Summe der Leistung derkonzentrischen Gelenkbewegungen (Pkonzen-trisch) abzüglich des Betrages der exzentrischenGelenkbewegungen abs(Pexzentrisch) entspricht.Durch den Vorgang der Übertragung wird ansich keine Energie, die für den Vortrieb abgege-ben werden kann, hinzu gewonnen. Es fallenaber ohne entscheidende Vorteile für den Tret-kurbelantrieb die Kosten für die isometrischeArbeit des Muskels (als Sehne) an.Exzentrische Bewegungsanteile werden auchnotwendig, falls der in den Beingliedern enthal-tene und durch die Tretfrequenz bestimmte ki-netische Energiebetrag größer als der Kurbel-widerstand ist. Diese kinetische Energie mussvor jeder Schwenkbewegungsumkehr (Winkel-geschwindigkeit des Gelenks = Null!) ver-braucht werden. Bei einem 1,80 m großen und

Nach Beobachtungen bei Messungen zu ver-schiedenen Gelegenheiten mit Personen unter-schiedlicher Fahrpraxis und Leistungsfähigkeitliegt der Anteil unter exzentrischer Bedingungausgeführter Gelenkbewegungen beim Radfah-ren typischerweise zwischen 35 und 0 Prozent.Dieser Anteil schwankt mit der „Tagesform“.Vorbereitungen wie Warmfahren und Muskel-dehnung, aber auch Ermüdungseffekte in derneuronalen Ansteuerung scheinen Einfluss aufihn zu haben. Das Mitarbeiten und Unterstüt-zen der Bewegung durch die Muskulatur ge-schieht sowohl bewusst als auch autonom undunbewusst und unterliegt der gegebenenfallsvorhandenen Zielvorstellung bei der Aktion. Eserscheint grotesk, dass gerade die oft publi-zierte Vorstellung einer tangentialen als auchgleichmäßigen Kraft an der Kurbel zu einerdrastischen Erhöhung exzentrischer Anteileund damit erheblichen Verringerung der für dieAbgabe zur Verfügung stehenden Leistungführt. Als Beispiel sind in Abb. 6 Leistungsdia-gramme der Gelenkbewegungen eines Fahrersgezeigt, der diese (falsche) Zielvorstellungüber einen längeren Zeitraum verinnerlichthatte. Das Bemühen, die Kraft der Kurbelbewe-gung anzugleichen, führt hier zu etwa einemDrittel exzentrischer Leistungsanteile. Die Ef-fektivität der Tretbewegung ist entsprechendgering. In einigen Forschungsarbeiten, als Beispiel seihier Pawlik (1994) genannt, wurde untersucht,nach welchen äußeren geometrischen Randbe-dingungen eine Erhöhung der Leistungsabgabezu erwarten ist. Ob eine Bewegung abertatsächlich mit 85 oder 98 Prozent konzentri-scher Muskelleistung ausgeführt wird, blieb(bisher) unberücksichtigt oder dem „Gefühl“des Fahrers überlassen. Der Anteil exzentrischer Bewegungsphasenkann sich bei Änderungen der Sitzposition undanderer geometrischer Verhältnisse, wie etwa

Beispiel für exzentrische, energie-verbrauchende Muskelleistung:Unter der 16 Uhr Kurbelstellung bewegtsich die Kurbel nach hinten. Die Streckpha-se der Kniegelenkbewegung ist jedochnoch nicht abgeschlossen. Wird die Kraftnach der Bewegung der Kurbel ausgerich-tet und nach hinten gezogen, so muss aucham Kniegelenk ein Moment nach hinten inRichtung Beugung wirken. Da die Streckbe-wegung des Kniegelenks gegen das wirken-de Moment ausgeführt wird, geht Energieverloren (Muskelleis-tung exzentrisch). Anstatt eines Energieverlusts wird Energieabgegeben und das Kniegelenk wenigerbelastet, wenn die Muskelspannung mit derStreckbewegung in gleicher Richtungwirkt. Die Kraft (konservativer Kraftanteilausgelassen) stellt sich wie in Abb. 5 (Mus-kelaktion ausgerichtet nach Körperbewe-gung) ein: Der Betrag ist zwar größer, über-trägt die gleiche Energiemenge, „verur-sacht“ und benötigt jedoch wesentlich we-niger Leistung in der Muskulatur.

BIOMECHANIK

53LEISTUNGSSPORT 3/2006

konzentrisch

exzentrisch

90° 180° 270°0°

[W]

0

-40

40

20

80

Hüfte strecken Hüfte beugen

Knie strecken Knie beugen

Hüfte

Knie-20

60

100

Kurbel

konzentrisch

exzentrisch

90° 180° 270°0°

[W]

0

-40

40

20

80

Hüfte strecken Hüfte beugen

Knie strecken Knie beugen

Hüfte

Knie-20

60

100

Kurbel

Abb. 7 Leistung nach Knieverletzung

Leistung nach Knieverletzung und Rehabehandlung mit stark erhöhter Leistungsspitze und Gegenhalten(exzentrische Bewegung am Hüftgelenk) in der Nähe des „Schmerzpunktes“ (links), gesundes Bein(rechts)

konzentrisch

exzentrisch

90° 180° 270°0°

[W]

0

-100

100

150

200Hüfte strecken Hüfte beugen

Knie strecken Knie beugen

Hüfte

Knie

Hüfte strecken

Hüfte beugen

Knie strecken

Knie beugen

50

-50

Abb. 8 Leistungsschwäche

Leistungsschwäche zeigt sich hier durch verkürzte Phase der Leistungsabgabe bei der Bewegung von Hüf-te und Knie, mit überproportional hoher Leistungsspitze, keine auffälligen exzentrischen Bewegungsantei-le

75 kg schweren Fahrer beträgt dieser Betragüberschlägig berechnet etwa 60 Watt bei 90U/min. Kann die Kurbel diese Energie nichtaufnehmen, läuft sie dem Fuß davon; man den-ke an ein Tretkurbelgerät ohne Widerstand:schnelles Treten ist hier überraschend anstren-gend und unangenehm, weil Muskeln durch ex-zentrische Bewegungen das Bein jeweils selbstabbremsen müssen. Die Untersuchung von Ückert (2004; Abb. 3)zeigt, dass Maximalfrequenzen bei Widerstän-den im Bereich der Energieabgabe der kineti-schen Energie der Beine liegen. Es deutet allesdarauf hin, dass die exzentrischen Bewegungs-anteile bei kleineren Kurbelwiderständen dieMöglichkeit zur Erhöhung der Trittfrequenz ver-schlechtern. Die Autorin beschreibt den Effektso, dass „...für das Erreichen der absoluten Ma-ximalfrequenz ein Mindestmaß an Widerstandnotwendig ist“. Zur Vermeidung exzentrischerPhasen bei hoher Tretfrequenz und geringemKurbelwiderstand dient eine starre Schwung-masseverbindung. Diese ist bei Spinning-Bikesoder beim Frühjahrstraining mit starrem Ritzelam Fahrrad gegeben und wohl deshalb in die-sen Fällen so beliebt.

9. Welchen Nutzen hat die Kenntniseinzelner Gelenkleistungen?Die folgenden Beispiele5 sollen einen Einblickgeben, wie sich Leistungsschwächen in den er-mittelten Leistungen der Gelenkbewegungenausdrücken. Nach Beobachtungen ist der Anteilder Energieabgabe einzelner Gelenkbewegun-gen einer gewissen Variation, etwa mit dem Er-müdungszustand, unterworfen. So kann essein, dass die Beugermuskulatur einen höherenAnteil leistet, wenn die Streckermuskulaturnach einem Sprint „leer“ ist. Ein besonderes Kriterium der Theorie ist es je-doch, Schäden, die sich durch dauerhafte Lei-stungsunterschiede manifestieren, aufzu-

decken und Heilungsmöglichkeiten zu verbes-sern. Sechs Monate nach einem Eingriff amKniegelenk (nach einem Unfall) und durchge-führter Reha-Behandlung ist zu sehen, dass dieBewegung in der Nähe des „Schmerzpunktes“immer noch gehalten wird und die Leistungs-spitze höher ist, als beim nicht vom Unfall be-troffenen Bein (Abb. 7). Halten zeigt sich durchdie Erhöhung des Anteils exzentrischer Bewe-gung und damit Verringerung des Wirkungsgra-des der Muskelleistung. Abb. 8 zeigt die Leistung an Hüft- und Kniege-lenk einer Fahrerin mit einem akuten entzünd-lichen Prozess. Die konzentrische Leistungsab-gabe bei der Bewegung von Hüft- und Knie-streckung ist verkürzt und der Maximalwertvergleichsweise hoch. Die Leistungsschwächezeigt sich hier in der Verkürzung der Phasen po-sitiver Leistungsabgabe, es treten aber nicht„ersatzweise“ exzentrische Phasen auf, die ei-nen Energieverlust bedeuten würden. Ein entscheidender Vorteil, die Leistungen derGelenkbewegungen Knie und Hüfte zu erfas-sen, ist: Sie sind unabhängig von Körpergröße,Kurbellänge, Sitzposition und anderen körper-und radspezifischen Größen direkt in ihrer Qua-lität vergleichbar.

10. Abschließende Betrachtung zurMuskelleistungWorauf sollte als Resultat zu den hier vorge-stellten Überlegungen zur Tretbewegung ge-achtet werden? Die (gespürte) Kraft zwischenBein und Kurbel stellt sich als automatischeReaktion ein, insbesondere auch auf die Mus-kelleistung, welche die Bewegung optimal un-terstützt und zum besten Wirkungsgrad führt. Daraus leitet sich als wichtigste Folgerung fürdie Ausführung der Tretbewegung ab, dass sichdie Muskelleistung als Übereinstimmung vonNettomoment der Muskeln und der Gelenkbe-wegung verbessert, wenn nicht versucht wird,die Kraft auf die Kurbel willentlich zu beeinflus-sen. Die gespürte Größe Kraft ist ungeeignet,die Muskelleistung bei der Bewegung zu steu-ern, da die unbekannte konservative Kraftebenfalls gespürt wird. Vom Verfasser wird vorgeschlagen, die Muskel-leistung direkt an der zugehörigen Gelenkbe-wegung zu orientieren. Die Muskelleistung aufdiese auszurichten, gelingt nach Meinung desVerfassers am besten, wenn bei größtmögli-cher Entspannung – hier hilft auch ein starresRitzel – beim Fahren auf die (Schwenk-)Bewe-gung von Hüfte und Knie geachtet und die(Kreis-)Bewegung der außerhalb des Körpersbefindlichen Kurbel außer acht gelassen wird. Die mechanische Energie, die Muskelnwährend einer Bewegung abgeben können,hängt von ihrer Kraft (Spannung und Quer-schnitt) und dem Verkürzungsweg ab. Unter derPrämisse, dass Kraft oder Trainierbarkeit dereingelenkigen und der zweigelenkigen Muskelnetwa gleich sind, sollte im Hinblick auf denNutzen für die Energieabgabe den eingelenkigarbeitenden Muskelgruppen eindeutig der Vor-rang gegeben werden, da diese bei der Tretbe-wegung eine wesentlich größere Längenände-

rung erfahren, als die zweigelenkigen. Wird dieAufmerksamkeit auf die Bewegung von Hüfteund Knie gerichtet, werden vermutlich auch diedaran ansetzenden eingelenkigen Muskelnstärker aktiviert und eingesetzt. Die Hypothese, dass sich der biomechanischeWirkungsgrad an der Kraft zur Kurbel orien-tiert, hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Derbewusst beeinflussbare Wirkungsgrad der Tret-leistung lässt sich vielmehr durch die Muskel-leistung – als Übereinstimmung von Nettomo-ment und Gelenkbewegung, das bekannte Phä-nomen der konzentrischen und exzentrischenBewegung – beschreiben.

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Literatur

Ericson, M. (1986) On the biomechanics of cycling. Scandi-navian journal of rehabilitation medicine, Jahrgang?, Ausga-be?, Seite?.Hammer, A. & Hammer, K. (1978) Taschenbuch der Physik fürSchüler und Studierende. 5.Auflage. München. Lindauer Ver-lag.Hillebrecht, M., Schwirtz, A., Stapelfeldt, B., Stockhausen, W.& Bührle, M.(1998) Trittechnik im Radsport. Der „runde Tritt“– Mythos oder Realität? Leistungssport, 28 (4) 58-62.Ingen Schenau, G.J. van, Dorssers, W.M., Welter, T.G., Bee-len, A., Groot, G. de & Jacobs, R. (1995) The control of mono-articular muscles in multijoint leg extensions in man. J. Phy-siology, 484, 1, 247-254.Magnus, K., Müller, H.H. (1982) Grundlagen der TechnischenMechanik. Teubner Studienbücher Mechanik. Stuttgart: Ver-lag?.Neptune, R. R. & Hull, M. L. (1995) Accuracy Assessment OfMethods For Determining Hip Movement In Seated Cycling.J. Biomechanics, 28. (4), 423-437.Pawlik, R. (1994) Biomechanik des Radfahrens. Wien.1994.Rasmussen, J., Damsgaard, M. & Christensen, S.T. (2001). Si-mulation of tendon energy storage in pedaling. MEDICON2001, IX Mediterranean Conference on Medical and Biologi-cal Engineering and Computing. Pula, Croatia, June 12-15,2001.Ückert, S. (2005) Zur Tretkurbelbewegung im Radsport. Dieintrazyklische Dynamik in Abhängigkeit von Frequenz undWiderstand – oder Qualitätskriterien für hohe Maximalfre-quenzen. Leistungssport, 35 (3), 39-46.

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Der Autor

Wolfgang PETZKE ist Diplomingenieur für Maschinenbau (TUMünchen). Anschrift: Donnersbergerstr. 10, D-80634 MünchenE-Mail: [email protected]

Die für den Vortrieb zur Verfügung stehendeLeistung, ist die Summe der Leistungen derBewegung von Becken, Hüfte, Knie undSprunggelenk. Die Ursache von „Kraftver-schwendung“ sind negative Bewegungslei-stungen – Nettomomente, die nicht pha-sengleich mit der Bewegung (exzentrisch)sind. Die Größe der Nettomomente ist „freiwählbar“, darunter auch das jeweilige Opti-mum für den aktuellen Fahrzustand. DieKraft zwischen Bein und Kurbel zur Umlen-kung, Abstützung und Energieübertragungstellt sich den Bedingungen entsprechendautomatisch ein und sollte nicht aktiv be-einflusst oder als Steuerparameter verwen-det werden.

BIOMECHANIK

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5 aus dem Erfahrungsbereich des Verfassers

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