Z E I T S C H R I F T D E R A R B E I T S K A M M E R … · Heft 5 August 2012 60. Jahrgang Z E I...

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Heft 5 August 2012 60. Jahrgang ZEITSCHRIFT DER ARBEITSKAMMER DES SAARLANDES www.arbeitnehmer-online.de Mobilität im Saarland Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Seite 4 Abschied vom Saarbergbau: Offizielle Feier und Mettenschicht Seite 21 Der Mensch im Bergbau: Das neue „Musée les Mineurs“ im Carreau Wendel Seite 40

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Heft 5 August 2012 60. Jahrgang

Z E I T S C H R I F T D E R A R B E I T S K A M M E R D E S S A A R L A N D E S

www.arbeitnehmer-online.de

Mobilität im Saarland

Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Seite 4

Abschied vom Saarbergbau: Offizielle Feier und Mettenschicht Seite 21

Der Mensch im Bergbau: Das neue „Musée les Mineurs“ im Carreau Wendel Seite 40

Angst vor dem Chef?

Wir beraten! Kurzberatung Arbeitsrecht (0681) 4005-111

Arbeitskammer des SaarlandesHaus der Beratung | Trierer Straße 22 | 66111 SaarbrückenBroschürentelefon: (0681) 40 05 - 444E-Mail: [email protected] | Internet: www.arbeitskammer.de

Weitere Beratungsthemen (Telefon 0681 4005 + jeweilige Durchwahl)Arbeitslosengeld I, II (-234, -230, -270), Arbeitsrecht (-111), Arbeitsschutz (-324), BAföG/Schülerförderung (-230), Behindertenrecht (-290, -292), Betriebs- und Per-sonalräte (-241), Erwerbsminderung/Reha/Rente (-224, -234), Grenzgänger (-224), Lohnsteuer (-216, -247, -293, -294, -295), Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit (-220), Berufswegefindung/Weiterbildung/ProfilPASS (-231), Wohngeld (-270).

Terminvergabe für persönliche Beratung: (0681) 4005-100, -150, -200Online-Beratung: www.arbeitskammer.de/online-beratung

Zu diesen Themen beraten wir unsere Mitglieder* gerne. Und das kostenlos!

* Mitglieder der Arbeitskammer sind alle im Saarland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

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arbeitnehmer Heft 5/2012

A U S D E M I N H A LT

Wie sieht die Zukunft des Verkehrs im Saarland aus?

Letzter Teil der Bergbau-Serie:Der Abschied

Im Saarland denkt man beim Thema Mobilität immer noch zuerst an das Auto. Steigende Benzinpreise und ein wachsendes Interesse an der Umwelt gerade bei jüngeren Menschen lassen viele umsteigen auf Rad, Bahn oder Bus. Darauf müssen sich Verkehrsplaner und Industrie einstellen. ▶ Seiten 4 – 12

Seit dem 30. Juni 2012 ist der saarländische Steinkohlenbergbau Geschichte. Das Ende einer Epoche, die das Land in allen Bereichen geprägt hat, wurde in Ensdorf mit einem offiziellen Festakt vor geladenen Gästen und einer öffentlichen Mettenschicht würdevoll begangen. ▶ Seiten 21 – 24

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Angst vor dem Chef?

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IMPRESSUMwww.arbeitnehmer-online.de, www.arbeitskammer.deVerleger: Arbeitskammer des Saarlandes, Fritz-Dobisch-Straße 6–8,66111 Saarbrücken, Telefon (0681) 4005-0, Telefax (0681) 4005-401Herausgeber: Hans Peter Kurtz, Horst BackesChefredakteur: Peter JacobRedaktion: Gabi Hartmann (verantwortlich für diese Ausgabe),

Jürgen Matheis Anzeigen: Arbeitskammer des Saarlandes, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Telefon (0681) 4005-402Vertrieb: Christina Baltes Telefon (0681) 4005-423E-Mail: [email protected] Satz + Druck: Ottweiler Druckerei und Verlag GmbH, OttweilerTitelbild: Kurt Heinemann

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos oder sonstige Beiträge wird keine Haftung übernommen. Mit Namen oder Signum gezeich-nete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Arbeitskammer wieder. Bezugspreis jährlich für 8 Ausgaben 7,50 Euro inklusive Zustellung. Einzelheft 1,50 Euro. Gedruckt auf Umweltschutzpapier.

T I T E L T H E M A▶ 4 Mobilität muss bezahlbar bleiben 6 Interview mit Mobilitätsforscher Andreas Knie 8 Beim Radverkehr ist das Saarland noch Schlusslicht 9 ver.di und EVG engagieren sich für guten ÖPNV 10 Was die neue Landesregierung in Sachen Verkehr plant 11 Automobilzulieferer zur E-Mobilität 12 Mobilitätsberater zeigen Betrieben Alternativen

W I R T S C H A F T 13 Steigende Strompreise führen zu sozialer Schieflage 14 „Public-Private-Partnership“ in Homburg? A R B E I T S W E L T 16 Kampf der Korruption – zu Lasten der Beschäftigten 18 Das mobile Büro verschlechtert die Arbeitsbedingungen

G E S E L L S C H A F T 19 Geldleistungen für Flüchtlinge müssen erhöht werden 20 Studie untersucht Heimatgefühl im Saarland

B E R G B A U A N D E R S A A R▶ 21 Das Ende einer Ära: Der offizielle Abschied 23 Bewegende Momente bei der Mettenschicht E U R O P A 25 Kritik vom Europarat an Sozialkürzungen in der Krise 26 Das Saarbrücker Quartier Eurobahnhof wächst

B I L D U N G 28 Praktika nach dem Studium nehmen immer mehr zu

U M W E L T 29 Wie die Ökologie-Bewegung entstanden ist G E W E R K S C H A F T 30 IG Bau fordert Sanierungsprogramm für Wohnungen 31 Broschüre zeigt Übergang von Bauknecht zu ZF 32 NGG fordert gesetzlichen Mindestlohn im Saarland

T I P P S 33 Veranstaltungsreihe gibt Tipps zur Altersvorsorge 34 SZ-Telefonaktion: Was der Arbeitgeber darf 36 Was „regelmäßige Arbeitsstätte“ steuerrechtlich heißt

K U L T U R 39 Wilhelm Busch im Saarlouiser Museum Haus Ludwig 40 Das neue „Musée les Mineurs“ im Carreau Wendel

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arbeitnehmer Heft 5/2012

�Cartoon:�TOM

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Fünf Mark für den Liter Benzin. Mit dieser Aussage sorgten die Grünen 1998 für einen bundesweiten Aufschrei. 14 Jahre später, im April 2012, ging er-neut ein Aufschrei durch die Republik. Diesmal waren es nicht die Grünen, sondern die Mineralölkonzerne, die mit Spritpreisen von über 1,70 Euro für den Liter Superbenzin an deutschen Tankstel-len für Aufregung sorgten. Viele Politiker forderten eine staatliche Regulierung des Benzinpreises oder eine höhere Pendler-pauschale. Mit leicht sinkenden Preisen ist diese Diskussion über mehr Subventi-onen oder Regulierung wieder abgeebbt, doch an dem Grundproblem hat sich nichts geändert: Mobilität war noch nie so wichtig wie heute, weshalb sie auch bezahlbar sein muss.

Mobilität entscheidet wesentlich über die Möglichkeiten zur Teilhabe am Ar-beitsmarkt und am gesellschaftlichen Le-ben. Dies gilt insbesondere für Menschen in dünn besiedelten, ländlichen Regionen, die mangels Arbeit vor Ort zum Pendeln verpflichtet sind. So wundert es nicht, dass nach jüngsten Zahlen des Bundes-institutes für Bau-, Stadt- und Raumfor-schung Pendler immer längere Wege zur Arbeit in Kauf nehmen. Die Distanz von der Haustür bis zum Arbeitsplatz nahm von 14,6 Kilometern 1999 auf 17 Kilo-meter 2009 zu. Die Entwicklung macht deutlich: Eine spürbare Trendwende im Verkehrsverhalten in Deutschland ist trotz steigender Spritpreise nicht zu ver-zeichnen. Im Gegenteil: Trotz sinkender Bevölkerungszahlen nimmt das Ver-

Die Zukunft des Verkehrs im Saarland

Es muss nicht immer das Auto sein

kehrsaufkommen in Deutschland leicht zu. Die signifikantesten Zuwachsraten verzeichnet dabei der Luftverkehr. Von 1994 bis 2010 hat sich die Zahl der beför-derten Personen von 83 auf 166 Millionen verdoppelt. Beim Autoverkehr, dem so-genannten Motorisierten Individualver-kehr (MIV), ist seit 2005 eine Stagnation zu verzeichnen. Mit über 55 Prozent am Verkehrsaufkommen stellt er jedoch im-mer noch die bedeutendste Verkehrsart in Deutschland dar. In den anderen Ver-kehrsbereichen, Eisenbahn, Bus, U- und Straßenbahn, Fahrrad und Zufußgehen, hat das Verkehrsaufkommen leicht zuge-nommen. Somit ist erstmals seit vielen Jahren der Anteil des Autos am Gesamt-verkehr leicht rückläufig.

Die neuen Statussymbole:Smartphone statt Auto

Prof. Dr. Andreas Knie, Mobilitäts-forscher aus Berlin, will angesichts die-ser Zahlen jedoch noch nicht von einem Trend sprechen (siehe Interview Seite 6). Er beobachtet jedoch eine Veränderung im Mobilitätsverhalten, insbesondere bei jüngeren Menschen in den großen Bal-lungsgebieten Deutschlands. Für sie ist der Besitz eines eigenen Autos nicht mehr von zentraler Bedeutung, im Gegensatz zu Smartphone oder Tablet-Computer, die sich als unersetzliche Begleiter oder Statussymbole etabliert haben. Ihrem Wunsch nach hoher Mobilität werden

Im Saarland steht das Auto als Mittel der Wahl bei der Mobilität an erster Stelle. Andere Verkehrsmittel, wie der ÖPNV oder das Fahrrad, werden aber weiter an Bedeutung gewinnen. Das Mobilitätsverhalten ändert sich vor allem in Ballungsgebieten, insbesondere bei jüngeren Menschen.

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Jüngere gerecht, indem sie verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombinieren. Durch ein Nebeneinander von Bus, Bahn, Mietwagen, Fahrrad oder Carsharing blei-ben sie auch ohne das eigene Auto vor der Tür flexibel und mobil.

Ist das ein Modell für das Saarland? Bisher nicht. Im Saarland ist die Domi-nanz des Autos noch stärker als in vie-len vergleichbaren Regionen Deutsch-lands mit gleicher Bevölkerungsdichte. Am deutlichsten wird dies bei der An-zahl der Pkw pro Einwohner. Seit Jah-ren verzeichnet das Saarland die höchste Pkw-Dichte in Deutschland. Während im Bundesdurchschnitt die Zahl seit 2002 mit 517 Pkw auf 1.000 Einwohner sta-gniert, ist sie im Saarland von 558 auf 577 weiter angestiegen. Ein Fakt, der sich nicht mit mangelnden Alternativen begründen lässt. Das bestehende An-gebot im Nahverkehr ist seit Gründung des saarländischen Verkehrsverbundes saarVV attraktiver und leistungsfähiger geworden. Insbesondere Pendler können im Saarland mit Bus und Bahn erheblich günstiger unterwegs sein als Autofahrer (siehe Artikel über den saarVV auf Seite 9). Trotzdem liegt der ÖPNV im Saar-land bei der Verkehrsmittelwahl nur im Bundesdurchschnitt. Eigentlich müsste er aber stärker genutzt werden, wenn man berücksichtigt, dass das Saarland mit 396 Ein wohnern pro Quadratkilometer nach Nordrhein-Westfalen das am dichtesten besiedelte Flächenland in Deutschland ist.

Das Fahrrad – der schlafende Riese

Auffällig ist jedoch, dass eine Ver-kehrsart im Saarland weitgehend unge-nutzt bleibt, obwohl ihr Verkehrsexperten die größten Zuwachsraten prognostizie-ren: Das Fahrrad. Was für viele auf den ersten Blick eher wie ein Scherz anmutet, könnte sich bei näherer Betrachtung je-doch durchaus als ernsthafte Alternative im bestehenden Verkehrsmix entwickeln. Die Zahlen sprechen dabei für sich. Wäh-rend im Bundesdurchschnitt 2008 der Anteil des Radverkehrs bei 10 Prozent lag, waren es im Saarland gerade mal 1,9 Prozent (siehe den Bericht über den Rad-verkehr auf Seite 8).

Was ebenfalls für den Radverkehr spricht, sind die geringen Kosten bei der Schaffung der notwendigen Infrastruktur. Der Bau von Radwegen oder Fahrradab-stellanlagen ist im Vergleich zum Stra-ßenbau extrem günstig. Und während frü-her die hügelige Landschaft im Saarland manchen vom Radfahren abgehalten hat, so ist heute dank moderner E-Bikes fast jede Steigung auch hierzulande leicht zu überwinden.

Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Potenziale des Radverkehrs nur dort genutzt werden, wo es ein starkes öffentli-ches Engagement für diese umweltfreund-liche Verkehrsart gibt. So will die däni-sche Hauptstadt Kopenhagen den Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrs-aufkommen von derzeit 36 Prozent auf 50 Pro zent erhöhen. Aus saarländischer Perspektive (2 Prozent) kaum vorstellbar. Die bisherigen Erfolge in Dänemark zei-gen aber, dass sich das Fahrrad als starke Säule im städtischen Verkehr etablieren kann. Vorausgesetzt, es gibt einen erkenn-baren Willen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Ob es jedoch im Saarland jemals so weit kommt, scheint fraglich. Das Auto ist und bleibt im Saarland das Verkehrsmittel Nr. 1, was sich auch in der Verkehrspolitik der neuen Landesregierung niederschlägt. Mit dem Bau der Nordsaarlandstraße soll die Verkehrsinfrastruktur insbesondere im ländlichen Raum gezielt gestärkt werden. Weitere Neubaumaßnahmen im Straßen-bereich sind die Umgehung der B423 bei Homburg und der Ausbau des Autobahn-anschlusses Homburg/Bexbach. Parallel zum Ausbau des Straßennetzes werden aber auch sichtbare Investitionen in die saarländischen Bahnhöfe getätigt (siehe Artikel auf Seite 10). Dabei wurden, wie in Merzig Stadtmitte oder aktuell in Saar-brücken-Burbach, ganz neue Haltepunk-te gebaut. Bestehende Bahnhöfe werden behindertengerecht und somit barrierefrei ausgebaut, was bei einer immer älter wer-denden Gesellschaft unerlässlich ist. Mit dem Ausbau der Saarbahn bis Lebach – geplante Fertigstellung Ende 2013 – wird der ÖPNV im Saarland weiter barriere-frei und leistungsfähiger. Einen weiteren Ausbau der Saarbahn in Richtung Forbach oder Universität scheint die neue Landes-regierung vor dem Hintergrund der knap-per werdenden Mittel für den ÖPNV je-doch eher kritisch zu sehen. Dazu kommt, dass – wegen der Schuldenbremse – über-all nach Einsparpotenzialen gesucht wird, auch im ÖPNV.

Die zu diesem Zweck von der Staats-kanzlei beauftragte Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft PWC hat ein Konsolidie-rungsvolumen im ÖPNV von elf Millio-nen Euro ermittelt. Dieses Volumen soll überwiegend durch Einsparungen bei Ausschreibungen von Verkehrsleistungen generiert werden. In der Praxis bedeutet dies, dass das Land nach Ablauf bestehen-der Verträge die zu erbringende Leistung, zum Beispiel im Regionalverkehr der Bahn, für weniger Geld einkaufen will. Ein Vorhaben, das von Seiten der für den Nahverkehr im Saarland zuständigen Ge-werkschaften sehr kritisch gesehen wird. Sowohl die Vereinte Dienstleistungs-gewerkschaft (ver.di) im Bereich Straße

als auch die Eisenbahn- und Verkehrsge-werkschaft (EVG) im Bereich Schiene se-hen solche Sparversuche äußerst kritisch. Aus ihrer Sicht wird der vermeintliche Wettbewerb im ÖPNV immer auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, da Preisvorteile in der Regel nur durch Lohn- und Sozialdumping erreicht werden (siehe Artikel „Fairer Wettbewerb“ auf Seite 9). Um dem einen Riegel vorzuschie-ben, kämpfen beide Gewerkschaften für einen Branchentarifvertrag, der faire Löh-ne für gute Arbeit garantiert. Der ÖPNV ist eine Kernaufgabe der öffentlichen Da-seinsvorsorge und sollte von daher nicht zu Spar zwecken missbraucht werden.

Sparmaßnahmen hätten auch die vielen Beschäftigten in der saarländischen Auto-mobil- und Zulieferindustrie zu befürch-ten, wenn der Hype um die Elektromo-bilität plötzlich Wirklichkeit würde. Die Bundesregierung hatte 2010 die nationale Plattform Elektromobilität eingesetzt, um Empfehlungen für eine erfolgreiche und klimapolitisch sinnvolle Markteinführung von Elektrofahrzeugen zu erarbeiten. Ihr Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen eine Mil-lion Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen rollen. Eine Zahl, die angesichts von über 42 Millionen 2011 in Deutsch-land zugelassenen Pkw nicht erschreckend hoch wirkt. Insofern wird die Elektromobi-lität nicht zu einer kurzfristige Revolution im Bereich der Automobil- und Zulieferin-dustrie führen. Eine Einschätzung, die auch die Betriebsräte aus den Unternehmen der saarländischen Automobil- und Zulieferin-dustrie teilen (siehe Artikel Seite 11).

Das Saarland sollte die Entwicklung nicht verschlafen

Genauso klar ist aber auch, dass Mo-bilität, die auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe beruht, endlich sein wird. Der weltweit steigenden Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas stehen nur begrenzte Rohstoffvorkommen gegenüber. Die be-schlossenen Klimaschutzziele – sei es auf europäischer oder auf nationaler Ebene – können nur erreicht werden, wenn sich auch CO2-ärmere Antriebstechnologien etablieren. Für das Saarland wird es daher wichtig sein, von Anfang an Teil dieser Entwicklung zu sein, um nicht als Verlie-rer aus einem zukünftigen Strukturwandel in der Automobilbranche hervorzugehen.

Ohne zu wissen, was die Zukunft bringt, sowohl die Verkehrstechnik als auch das Verkehrsverhalten, alles wird einem anhaltenden Veränderungsprozess unterliegen. Spannend bleibt dabei, ob das Saarland bei diesen Entwicklungen seinen Platz im Führerstand findet oder in einem der vielen angehängten Waggons.

Jürgen Meyer, Arbeitskammer

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T I T E L

Knie: An sich ist das Saarland ideal für Forschungsvorhaben oder Projekte, da es in seinem Mobilitätsverhalten ge-nau dem Bundesdurchschnitt entspricht. Das bedeutet aber auch, dass im Saarland positive wie negative Extreme fehlen. Es gibt nicht den urbanen Verdichtungsraum mit allen Optionen von Verkehr, es gibt aber auch nicht den ländlichen Raum, wo überhaupt kein Bus mehr fährt. Das Saarland bietet den klassischen deutschen Einheitsbrei in Sachen Verkehr, wo das Auto das Maß aller Dinge ist.

arbeitnehmer: Was sind die größten Herausforderungen, die das Saarland bei der Mobilität in den kommenden Jahren bewältigen muss?

Knie: Das Saarland muss in den kom-menden Jahren Alternativen zum pri-vaten Auto ernsthaft und wirkungsvoll darstellen. Dazu wird es auch notwendig sein, eine andere Siedlungsentwicklung anzustreben. Das ist kein leichtes Unter-fangen im Saarland. Aus Gründen des Klimaschutzes muss es jedoch zu erheb-lichen CO2-Einsparungen im Verkehr kommen. Dies gelingt zum einen durch CO2-ärmere Arten der Fortbewegung und zum anderen durch Vermeidung von Ver-kehr; einfach dadurch, dass die Menschen wieder Leben, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit möglichst an einem Ort bündeln.

arbeitnehmer: Glauben Sie, dass der Elektromobilität dabei eine tragende Rolle zufällt? Beim Blick in die brum-mende Automobil- und Zulieferindustrie entsteht ja der Eindruck, dass dies nur ein Randthema ist.

Knie: Das ist aus meiner Sicht nur ein oberflächlicher Eindruck. Elek- tromobilität – nicht alleine, sondern ge-mischt mit anderen Verkehrsformen – hat eine Schlüsselrolle bei der anstehenden Verkehrswende. Mit dem Elektroauto wird eine Art Trojaner geschaffen. Auf den ersten Blick fährt man weiter Auto. Durch die eingeschränkte Reichweite des Elektroautos wird jedoch die bisherige Bindung an nur eine Fortbewegungsform aufgebrochen. Es wird sich dann ein an-lassbezogener Verkehr entwickeln, wo dem Fahrrad, dem ÖPNV oder der Bahn eine zunehmend wichtigere Rolle zukom-men wird.

arbeitnehmer: Wie sieht Ihre Vision von Mobilität im Saarland für das Jahr 2030 aus?

Knie: Die bundesweite Entwicklung wird sich auch im Saarland niederschla-gen. Weg von der Singlelösung Auto für alle Wege, hin zu einem stärker multimo-dalen Verkehr. Dabei kann das Fahrrad schon heute als der große Gewinner ange-sehen werden. Denn kein Verkehrsmittel ist so günstig und so flexibel einsetzbar. Dazu kommt, dass der Ausbau der dazu benötigten Infrastruktur konkurrenzlos

Im Interview

Abschied von der Singlelösung AutoÜber die Mobilität der Zukunft sprach Jürgen Meyer mit Professor Dr. Andreas Knie, Geschäftsführer des Innovations-zentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH. Das InnoZ ist ein Unternehmen der Deutschen Bahn AG, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), der T-Systems sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

arbeitnehmer: Was verstehen Sie un-ter Mobilität?

Knie: Mobilität findet im Kopf statt. Was sich auf der Straße abspielt, ist Ver-kehr. Wenn wir von Mobilität reden, reden wir über die Möglichkeit, durch Denken unsere Ansichten zu verändern und da-mit auch unseren Horizont zu erweitern. Umgekehrt ist es aber so, und da kommt wieder der Verkehr ins Spiel, wenn ich mich nicht physisch verändere, mich also von einem Ort zum anderen bewege, dann gibt es auch keine geistige Veränderung.

arbeitnehmer: Was bedeutet das für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, sei es aus finanziellen Gründen oder weil sie körperlich eingeschränkt sind?

Knie: Gesellschaftliche Teilhabe defi-niert sich zu einem großen Teil auch über Mobilität. Wo diese Mobilität nicht ge-währleistet ist, droht ein Stück Teilhabe an der Gesellschaft verloren zu gehen.

arbeitnehmer: Hat sich ihrer Mei-nung nach das Mobilitätsverhalten der Menschen in den vergangenen Jahren verändert?

Knie: Ja. Der Anteil des Autos am Gesamtverkehr ist leicht rückläufig. Das ist eine empirisch belastbare Aussage. Ob sich daraus jedoch ein Trend ablei-ten lässt, kann man noch nicht sagen. Der moderne Mensch bewegt sich heute mul-timodal. Was heißt das? Er nutzt nicht nur ein Verkehrsmittel, sondern kombiniert verschiedene Möglichkeiten intelligent miteinander. Egal ob mit dem Fahrrad, der Straßenbahn, mit Carsharing, mit dem Bus, zu Fuß, mit der Bahn oder dem Miet-wagen.

Für jeden Anlass wird das geeignete – und wenn möglich auch wirtschaftlichs-te – Transportmittel gewählt. Dabei muss ich jedoch eine Einschränkung machen: Diese kombinierte Art von Mobilität fin-det überwiegend in den großen Ballungs-räumen statt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

arbeitnehmer: Würden Sie das Saar-land als einen solchen Ballungsraum ver-stehen?

Knie: Nein. Auch wenn der Ballungs-raum zwischen Neunkirchen, Saarbrü-cken und Saarlouis über eine hohe Bevöl-kerungsdichte verfügt, so fehlt es noch an einem genügenden Angebot. Wer mobil sein will, muss jederzeit zwischen diesen unterschiedlichen Angeboten wechseln können – dafür ist die Fläche im Saarland zu groß und das Angebot noch zu gering.

arbeitnehmer: Sie begleiten auch im-mer wieder Projekte im Saarland. Sind Ihnen dabei Unterschiede im Mobilitäts-verhalten der Menschen im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands aufgefal-len?

Für Mobilitätsforscher Prof. Dr. Andreas Knie ist das Fahrrad der große Gewinner bei den Verkehrsmitteln: „Keines ist so günstig und so flexibel einsetzbar“ |�Foto:�InnoZ

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günstig ist im Vergleich zum Bau neuer Straßen. Nicht zu unterschätzen ist dabei die rasant wachsende Zahl von Pedelecs, also Fahrräder mit elektrischer Unter-

stützung. Damit wird es einfacher, auch bei schwieriger Topografie wie teilweise im Saarland, mit dem Rad unterwegs zu sein.

arbeitnehmer: Wird die von Ihnen erwartete Verkehrswende für alle be-zahlbar bleiben oder droht Mobilität in Zukunft zu einem Luxusgut zu werden?

Knie: Die Ausgaben für den Verkehr haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verringert. Der aktuelle Sprit-preis mag hoch sein, gemessen an den allgemeinen Lebenshaltungskosten ist er jedoch nur moderat gestiegen. Trotzdem müssen wir bei der Verkehrswende die Kosten im Blick behalten. Dazu müssen Umverteilungsspielräume genutzt wer-den. Konkret bedeutet dies: Das, was am wenigsten sinnvoll ist, nämlich die Nutzung des eigenen Autos im Verdich-tungsraum, muss teurer werden, zum Beispiel durch eine Citymaut oder höhe-re Parkgebühren. Die dadurch erzielten Erlöse müssen verstärkt in den Ausbau des Umweltverbundes aus Bus, Bahn und Fahrrad investiert werden.

arbeitnehmer: Halten Sie einen sol-chen Ansatz für durchsetzbar?

Ohne politischen Willen gibt es kei-ne Verkehrswende. Wir brauchen einen starken Staat, der diesen Prozess gestalten und begleiten will. Wenn dem so ist, gibt es gute Chancen für eine Verkehrswende in Deutschland.

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Radverkehr im Saarland

Den schlafenden Riesen wecken

„Radfahren liegt im Trend, immer mehr Menschen steigen aufs Rad“, so berichten die Medien seit einigen Jahren unter Berufung auf Politik und Verbän-de. Auch warum das gut ist, ist weithin bekannt: Wer Rad fährt, tut etwas für die Gesundheit und für das Klima und ent-lastet die Straßen vom motorisierten Ver-kehr.

Studien über das Mobilitätsverhalten der Deutschen im Alltag bestätigen einen – wenn auch nur leichten – Aufwärtstrend für das Rad. Danach legten die Deutschen 2008 im Bundesdurchschnitt jeden zehn-ten Weg mit dem Fahrrad zurück, 2002 lag der Radverkehrsanteil hingegen noch bei 9,2 Prozent. Das Saarland bildete nicht nur beide Male das Schlusslicht un-ter den Bundesländern, hier stellten die Forscher sogar einen Abwärtstrend fest. Der Radverkehrsanteil schrumpfte von 3,1 Prozent im Jahr 2002 auf nur noch 1,9 Prozent 2008.

Auf Kurzstrecken hat das Fahrrad seine Vorzüge

Generell sehen Experten ein großes „Umsteigepotenzial auf das Fahrrad“, für das Schlusslicht Saarland gilt das ganz besonders. Gerade auf Kurzstrecken hat das Fahrrad seine Vorzüge, hier wird es auch am meisten genutzt, doch noch nicht genug. Distanzen bis fünf Kilometer le-gen die Deutschen laut Statistik eher zu Fuß zurück als mit dem Rad, überwiegend aber mit dem Auto. Über 30 Prozent der mit dem Pkw zurückgelegten Wege sind kürzer als drei Kilometer und fast 50 Pro-zent kürzer als fünf Kilometer.

Da stellt sich die Frage: Wie gewinnt man die Saarländerinnen und Saarländer für das Rad und was hält sie bisher davon ab? Hauptgrund für die geringe Radnut-zung sei die „bewegte Topografie“, also die hügelige Landschaft mit großen Hö-henunterschieden und Steigungen. Dieses – auch im Saarland gängige – Argument bekamen die Autoren der Studie „Fahr-

|�Foto:�Buss

Beim Radverkehrsanteil ist das Saarland Schlusslicht. Dabei ist die „Topografie“ schon lange keine hinreichende Begründung mehr; hier helfen Elektrofahrräder. Mit einer verbesserten Infrastruktur und Öffentlichkeitsarbeit könnte auch in unserer Region einiges bewegt werden.

radmobilität in Hessen“ oft zu hören. Hinreichend zur Erklärung der hessi-schen Fahrradmuffeligkeit fanden sie es aber nicht, zumal es große flache Gebiete gebe. Das trifft ebenso auf das Saarland zu. Ist auch Saarbrücken auf sieben Hü-geln gebaut, so sind Städte wie Dillingen, Homburg und Saarlouis so gut wie stei-gungsfrei.

Eine Untersuchung über „Radver-kehrsförderung in topografisch bewegten Räumen“, die acht Großstädte vergleicht, kommt zu einem ganz anderen Fazit: Weniger die Topografie als die lokalen Entscheidungsträger seien das größte Hin-dernis. „Durch Vorurteile gegenüber dem Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel und Unwissenheit über die Möglichkeiten zur Fahrradförderung in bewegter Topografie wird diese abgelehnt oder verzögert sich stark“, so die Autorin Theresa Maiwald. Die Städte Bern, Mainz und Aachen etwa, die sie untersucht hat, haben trotz Höhen-unterschieden im Stadtgebiet einen Rad-verkehrsanteil zwischen zehn und über zwölf Prozent – weil hier eine politische

Akzeptanz des Radfahrens vorhanden war und der Wille, es zu fördern.

Die Autostädte Luxemburg und Stutt-gart holen mit verspäteter, dafür umso entschlossenerer Radverkehrsförderung inzwischen in Richtung Zehn-Prozent-Marke auf. Das ist ein Wert, den auch Saarbrücken anstrebt. Dafür müsste es aber einen Gang höherschalten, wie die Studie zeigt. Von den anderen Saar-Kom-munen ganz zu schweigen.

Das Konzept für die Radverkehrsför-derung in den erfolgreichen Städten be-ruht auf mindestens drei Säulen: Ausbau der Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit und Service; in Luxemburg betreibt man sogar noch „Monitoring“ – Erfolgskon-trolle.

Nur für den Tourismus ist das Radwegenetz gut ausgebaut

Zu einer guten Infrastruktur – wich-tigste Voraussetzung, um mehr Leute aufs Rad zu bringen – gehören ein möglichst lückenloses Netz von Radwegen, zielnah platzierte Abstellanlagen, radfreundliche Ampelschaltungen, Ausschilderungen, Öffnung von Einbahnstraßen und Fuß-gängerzonen, um Umwege für Radler zu vermeiden, und bei Steigungen soge-nannte „Aufstiegshilfen“. Im Saarland ist bisher nur das touristische Radwegenetz landesweit gut ausgebaut. Doch bei den innerörtlichen Routennetzen, die für den Alltagsverkehr maßgeblich sind, klaffen immer noch große Lücken.

Die zweite Säule Öffentlichkeitsarbeit wird im Saarland gänzlich vernachlässigt – sowohl von den Kommunen als auch vom Land. Je geringer aber der Radver-kehrsanteil, desto mehr muss man wer-ben. Ob Luxemburg, Stuttgart, Mainz oder auch Metz – sie alle machen das mit Fahrradaktionstagen, längeren Kampag-nen, Plakataktionen, Flyern und Internet-seiten, die über Themen wie Sicherheit und Rücksichtnahme oder Neuerungen informieren. Hinzu kommen Service-Angebote wie Fahrradstationen, Fahrrad-leihsysteme, Fahrradkurse für ungeübte Erwachsene wie auch für Kinder.

Gerade in hügeligen Städten bieten Fahrräder mit elektrischer Tretkraftun-terstützung, sogenannte Pedelecs, eine Chance, auch ältere und unsportliche Menschen zum Radfahren zu animieren. Innovative Städte nutzen diese Chance: Sie bieten Pedelecs an Fahrradleihstati-onen an und gewähren den Bürgern bei der Anschaffung eines Pedelecs sogar ei-nen Zuschuss. Saarbrücken aber hat das Projekt „Fahrradleihstation“ kürzlich be-erdigt. Für die Radverkehrsförderung im Saarland kann das alles nur heißen: Es gibt noch viel zu tun. Silvia Buss

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T I T E L

Öffentlicher Personennahverkehr

Fairer Wettbewerb

Guter Personennahverkehr zeichnet sich immer dadurch aus, dass die unter-schiedlichen Verkehrsträger – Zug, Stra-ßenbahn und Bus – optimal aufeinander abgestimmt sind. Wichtigste Vorausset-zung dafür: Eine gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Verkehrsunter-nehmen. Nur so kann es am Ende ein gu-tes Angebot für die Kunden geben.

Nicht anders ist es auch bei den für den ÖPNV auf Straße und Schiene zuständi-gen Gewerkschaften im Saarland. Sowohl die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft als auch die Eisenbahn- und Verkehrsge-werkschaft engagieren sich gemeinsam für einen guten ÖPNV. Grundvorausset-zung dafür ist jedoch, dass der ÖPNV un-ter fairen Wettbewerbsbedingungen statt-findet. Große Teile der Politik versuchten in den vergangenen Jahren, durch mehr Wettbewerb zwischen den Verkehrsunter-nehmen Geld zu sparen. Dieser vermeint-liche Wettbewerb wurde und wird aber auf dem Rücken der Beschäftigten ausge-tragen. Denn Preisvorteile können in der Regel nur durch Lohn- und Sozialdum-ping erreicht werden. Dem versuchen die Gewerkschaften im Saarland einen Riegel vorzuschieben. Mit Erfolg. Ohne einen einheitlichen Tarifvertrag kann es nach Auffassung von ver.di-Fachbereichsleiter Bernd Oleynik keinen fairen Wettbewerb im ÖPNV geben. Das gemeinsame Ziel

von ver.di und EVG ist deshalb ein Bran-chentarifvertrag, der dann für alle Be-schäftigten im saarländischen Nahverkehr Gültigkeit hat. Oleynik: „Diese Ziel könn-te mit der Ausweitung des Tarifvertrages Nahverkehr (TV-N Saar) noch in diesem Jahr erreicht werden.“

Die Verbesserung der Arbeitsbedin-gungen bildet einen weiteren Schwer-punkt. Bei Denise Groß, Gewerkschafts-sekretärin der EVG, häufen sich die Mel-dungen von Kolleginnen und Kollegen, die sich bei der Arbeit nicht mehr sicher fühlen. „Gewaltsame Übergriffe auf Zug-begleiter kommen leider viel zu häufig vor“, sagt sie. Ohne einen verstärkten Einsatz der Bundespolizei an Bahnhöfen und in Zügen wird dieses Problem nicht zu lösen sein. Die EVG will aber nicht nur warten, bis sich die Verhältnisse än-dern. Aus diesem Grund bietet sie ihren Mitgliedern Deeskalationskurse an, um in Gefahrensituationen angemessen reagie-ren zu können. Damit erhöht sich nicht nur die Sicherheit für die Zugbegleiter, sondern auch für die Fahrgäste.

Insgesamt sehen beide Gewerkschaften den ÖPNV im Saarland gut aufgestellt. Dem weiteren Ausbau steht jedoch die anhaltende Diskussion um die Schulden-bremse entgegen. Es gilt also, ein flä-chendeckendes Bus- und Bahnangebot zu sichern. Jürgen Meyer, Arbeitskammer

Denise Groß (EVG) und Bernd Oleynik (ver.di) setzen sich für die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr ein |�Foto:�D‘Angiolillo

ver.di und EVG engagieren sich für faire Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Davon profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Nutzer von Bussen und Bahnen.

saarVV

Attraktivität gesteigert

Sieben Uhr morgens. Holger M. macht sich zu Hause in St. Wendel-Dörrenbach auf den Weg zur Arbeit. Früher bedeutete dies für ihn: ab ins Auto, 45 Minuten Fahrt – sofern kein Stau – für die 40 Kilometer bis nach Saarbrücken. Heute geht er fünf Minuten bis zur Bushaltestelle. Fährt mit dem Bus zum Bahnhof Ottweiler. Steigt um auf den Zug und ist nach 33 Minuten Bahnfahrt in Saarbrücken. Während der Fahrt mit Bus und Bahn, die morgens 49 Minuten dauert, nachmittags zurück sind es nur 37 Minuten, liest er Zeitung, oder kommuniziert mit der Web-Gemeinde über sein Smartphone. Das Allerschönste ist jedoch, dass er seitdem jedes Jahr fast 350 Euro spart.

Mit dem Auto kam er im Jahr auf rund 16.000 km. Bei einem Spritpreis von 1,40 Euro pro Liter und einem Verbrauch von 7 Liter auf 100 Kilometer, kamen so Spritkosten von 1.568 Euro pro Jahr – der Wertverlust nicht mitgerechnet – zusam-men. Mit dem Bürgerticket im saarVV, gültig für das ganze Saarland in allen Bus-sen und Bahnen des Nahverkehrs, kostet ihn der Weg zur Arbeit nur 102 Euro im Monat. Pro Jahr also nur 1.224 Euro. Und an den Wochenenden spart er nochmals, wenn er dann mit seinem Bürgerticket kostenlos zwei weitere Personen mitneh-men kann. Auch wenn man im Nordsaar-land wohnt, kann man mit Bus und Bahn zur Arbeit kommen. Dieses Modell lässt sich nicht auf alle übertragen, aber der ÖPNV im Saarland ist besser und vor al-lem günstiger, als mancher glaubt.

Diese Qualitätssteigerung ging einher mit der Gründung des saarländischen Verkehrsverbundes saarVV im Jahr 2005. Seitdem gibt es einen einheitlichen Ta-rif, einen Liniennetzplan für das ganze Saarland und eine zentrale Fahrplanaus-kunft im Internet (www.saarfahrplan.de) für alle Busse und Bahnen. Insbesonde-re junge Menschen profitieren von dem landesweiten Netz an Nachtbussen. Mit ihnen wird der Discobesuch am Wochen-ende auch ohne eigenes Auto möglich. Im Aufbau befindet sich zurzeit das Informa-tionssystem „Saarland in Time“. Damit kann man in Echtzeit erfahren, ob der Bus den Fahrplan einhält oder verspätet ist. Besonders Pendler und Fahrgäste in länd-lichen Regionen bekommen damit eine bessere Planungssicherheit.

Infos zu Tarifen – wie z. B. dem Job-ticket speziell für Berufspendler – sind zu finden unter www.saarvv.de.

Jürgen Meyer

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T I T E L

Meine Meinung

Bezahlbare Mobilität

Eine hohe Mobilität bleibt wesent-liche Voraussetzung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt und am gesellschaftli-chen Leben. Aus diesem Grund muss die Politik dafür Sorge tragen, dass sich die Menschen im Saarland die erforderliche Mobilität auch leisten können. Das bedeutet nicht zwangs-läufig, dass es darum geht, die Ben-zinpreise zu senken. Das wäre wün-schenswert, liegt aber leider außer-halb des Wirkungsbereiches saarlän-discher Politik.

In unserem Einflussbereich liegt es aber, dafür Sorge zu tragen, dass neben dem Auto im Saarland auch andere Verkehrsformen gefördert und weiter ausgebaut werden. Die Menschen sind auf Alternativen zum Auto angewiesen. Von daher darf der ÖPNV nicht als Spardose für den Landeshaushalt dienen. Weder zu Lasten der Fahrgäste noch zu Las-ten der Beschäftigten. Im Gegenteil. Wer „Gute Arbeit“ im ÖPNV will, der muss sich auch darum kümmern, dass die Löhne und Arbeitsbedingun-gen stimmen. Deshalb freue ich mich, dass immer mehr Landkreise die Ver-gabe von Buslinien an die Einhaltung vernünftiger Tarifverträge koppeln.

Es muss in den kommenden Jah-ren gelingen, die verschiedenen Ver-kehrsarten miteinander und nicht gegeneinander zu entwickeln. Wir brauchen Innovationen nicht nur in der Automobil- und Zulieferindust-rie. Wir müssen auch den Alltagsver-kehr innovativ gestalten. Dazu zählt der Ausbau des Radverkehrs genauso wie die Verknüpfung von ÖPNV mit dem eigenen Auto oder Carsharing. Am Ende kommt es darauf an, dass wir im Saarland mobil bleiben. Nicht nur auf der Straße, sondern auch in den Köpfen.

Hans Peter Kurtz AK-Vorstandsvorsitzender

Im Folgenden sind nach Verkehrsart die wesentlichen Maßnahmen aufgelistet, die das saarländische Verkehrsministe-rium für diese Legislaturperiode geplant hat.

1. StraßenbauSchon lange diskutierte Straßenbaupro-

jekte will die Landesregierung endlich in die Tat umsetzen. Dazu zählen die Umge-hung der B423 bei Homburg, der Ausbau des Autobahnanschlusses Homburg/Bex-bach und der Bau der Nordsaarlandstra-ße inklusive der Nordumfahrung Merzig. Bereits laufende Baumaßnahmen, wie der Neubau der B269 bei Überherrn und der Ortsumgehung Besseringen (B51), sollen bis 2012 bzw. 2013 fertig gestellt sein.

2. RadverkehrDas Alltagsradwegenetz soll auf Ba-

sis des Radverkehrsplans Saarland weiter ausgebaut werden. Dabei geht es um die Herrichtung vorhandener Wege, einzelne Neubaumaßnahmen, um Lückenschlüsse im bestehenden Netz und um eine einheit-liche Beschilderung.

3. BahnverkehrDie Attraktivität der Strecke Frankfurt

–Saarbrücken–Paris soll weiter verbessert werden. Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und dem Département Moselle wird der Einsatz von zwei weiteren Zugpaaren auf dieser Strecke ebenso gefordert wie Maß-nahmen zum Ausbau der Infrastruktur, um die Fahrzeit zu verkürzen.

Ab 2015 sollen schnellere Nahver-kehrsverbindungen zwischen Saarbrücken und Mannheim realisiert werden. Damit soll ein schnelles Angebot im Ein-Stun-den-Takt von Saarbrücken zum Drehkreuz Mannheim geschaffen werden. Durch den Einsatz von neuen Wagen mit mehr Kom-fort (Ledersitze und kostenlose Zeitungen in der 1. Klasse, Videoüberwachung des Fahrgastraumes, mobiles Catering, Sitz-platzreservierung für Stammgäste, Wa-genstandsanzeiger an Bahnhöfen, Zugbe-gleiter in allen Zügen) sollen fernverkehrs-ähnliche Standards geschaffen werden.

4. BahnhöfeDas seit den 90er Jahren laufende Pro-

gramm zur Verbesserung der Bahnhofsin-frastruktur wird fortgesetzt. Zurzeit im Bau sind die Projekte neuer Haltepunkte zwischen IT-Park und Markt in Saarbrü-

cken-Burbach und die Modernisierung der Bahnhöfe Dillingen und Völklingen. Für die Bahnhöfe Neunkirchen, Merzig, Sulzbach, Quierschied und Türkismühle sind die Planungsvereinbarungen mit der Bahn abgeschlossen. Insgesamt sind noch zwölf weitere Projekte in der Ausführung bzw. Planung. Zur Verbesserung der An-bindung der Gemeinde Nohfelden soll bis 2015 der Streckenabschnitt Türkismühle –Neubrücke elektrifiziert werden. Damit kann Nohfelden mit Regionalbahnen er-reicht werden, die bisher in Türkismühle endeten.

5. SaarbahnDer Ausbau der Saarbahn bis Lebach

soll bis 2013 abgeschlossen sein. Ein wei-terer Ausbau der Saarbahn, zum Beispiel zwischen St. Ingbert und Völklingen oder ins französische Forbach, soll geprüft wer-den.

6. saarVVDie Landesregierung strebt an, den

Saarländischen Verkehrsverbund zu einem Verbund der Aufgabenträger weiterzuent-wickeln. Sie will eine bessere Vernetzung der einzelnen Verkehrsgesellschaften und Verkehrsformen, um landesweit auch in Zukunft eine zeitgemäße Versorgung mit ÖPNV-Angeboten zu gewährleisten.

Jürgen Meyer

Die Verkehrspolitik der neuen Landesregierung

Nur wenig ExperimenteDas Verkehrsministerium mit Heiko Maas an der Spitze will Bewährtes fortführen, nimmt teils umstrittene Straßenbau- projekte in Angriff. Innovative Konzepte für neue Formen der Mobilität, wie zum Beispiel die Elektromobilität, bleiben noch unkonkret.

Der Bahnverbindungen sollen attraktiver werden |�Foto:�D‘Angiolillo

� |�Foto:�D‘Angiolillo

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T I T E L

Saarländische Automobilzulieferer

Keine Angst vor dem „E“

Werner Cappels IG-Metaller nehmen das Thema „Elektromobilität“ sehr ernst. Vor ein paar Monaten erst waren viele seiner ehrenamtlichen Kollegen aus dem Bereich der Verwaltungsstelle Homburg-Saarpfalz bei einer Arbeitskammer-Fach-veranstaltung im Bildstocker Rechts-schutzsaal, die sich intensiv mit der Zukunft der automobilen Fortbewegung befasste. Doch im Moment, so der 1. Be-vollmächtigte, „hat das Thema nach der anfänglichen Euphorie im Alltag nicht diese Priorität“.

In der Verwaltungsstelle sind rund 10.000 Männer und Frauen bei Bosch, Bosch-Rexroth, ThyssenKruppGerlach und INA-Schaeffler und mehreren klei-neren Firmen in der Automobilzuliefer-industrie beschäftigt. In den Produktions-stätten, so zum Beispiel bei Bosch, schiele man eher in Richtung Effizienzsteigerung für herkömmliche Pkw. „Die Potenziale sind noch nicht ausgeschöpft“, sagt Cap-pel im Blick auf die in Homburg herge-stellten Einspritzpumpen für Dieselfahr-zeuge.

Franz Fehrenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, hat Elektromobilität und erneu-

|�Foto:�D‘Angiolillo

Der Industriestandort Saarland lebt in hohem Maße von der Automobil(zuliefer)industrie. Dort sind heute rund 40.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Elektromobilität sehen befragte Betriebsräte kaum als direkte Konkurrenz zu ihren aktuellen Produkten. Für viele ist die neue Antriebstechnologie noch in weiter Ferne.

erbare Energien als Zukunftsfelder von Bosch definiert. Davon, so Bosch-Be-triebsratsmitglied Oliver Simon, sei in Homburg nichts zu spüren. Seiner Mei-nung nach lohnt es sich, in diesen Markt zu investieren, „weil dort eine Alternative für Bosch ist“. Nach Simons Ansicht wird der Anteil an Diesel-Pkw langfristig zu-rückgehen. „Das bedeutet einen Verlust von Arbeitsplätzen, wenn es keine Al-ternativproduktion in Homburg gibt“, so seine Einschätzung. Im Bereich von Nutz-fahrzeugen werde die Elektromobilität auf lange Sicht keinen Einzug halten. Wobei diese Fahrzeugsparte etwa 60 Prozent der anteiligen Produktion ausmache.

Ein anderer Automobilzulieferer, der bald größter saarländischer Priva-tarbeitgeber sein wird, hat Standorte in Saarbrücken und Neunkirchen: Die ZF Getriebe GmbH, die Automatgetriebe produziert. Zurzeit boomt deren Geschäft, weil der Automobilwirtschaft große Li-mousinen auf den Auslandsmärkten aus den Händen gerissen werden. Für den Be-triebsratsvorsitzenden Wolfgang Schuler trägt das neue ZF-Achtgang-Automatge-triebe auch zu geringerem Verbrauch bei und werde deshalb so stark nachgefragt.

„Da Premiumfahrzeuge der Mittel- und Oberklasse mit Verbrennungsmotoren und Automatgetrieben ausgerüstet sind, die im Kraftstoffverbrauch bei zukünftig drei bis fünf Litern liegen – mit einer Hy-bridisierung und weiteren energieeinspa-renden Fahrzeugsystemen vielleicht sogar noch darunter –, wird es in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren keine großar-tigen Veränderungen bei der Antriebs-technik geben“, ist sich Schuler sicher. Der Markt für elektrisch angetriebene Fahrzeuge, sagt der ZF-Betriebsratsvor-sitzende weiter, werde bei maximal 15 Prozent des Automobilmarktes insgesamt liegen „und stellt keine sehr ernst zu neh-mende Gefahr für die ZF-Automatgetrie-be dar“.

Bei ZF werde viel entwickelt und ge-forscht, um auch bei der Elektrifizierung der Antriebstechnik im Wettbewerb mit dabei zu sein, aber, gibt Schuler zu be-denken, „die volle Elektrifizierung von Fahrzeugen hat noch große Defizite: Sie ist zu teuer, es gibt keine angemessene Batterielösung und die Reichweite ist zu niedrig“.

Noch direkter von einer sich durch-setzenden Elektromobilität wäre Abgas-anlagenhersteller Eberspächer mit Pro-duktionssitz in Neunkirchen betroffen. Betriebsrat Jörg Hollinger weiß zurzeit nicht, welche Produkte sein Unternehmen anbieten will, sollte der Anteil an Fahr-zeugen mit Verbrennungsmotor stark zu-rückgehen.

Die Autoindustrie ist in Deutschland eine Schlüsselbranche, in der direkt mehr als 700.000 Menschen arbeiten. Im Saar-land sind rund 40.000 Männer und Frauen in der direkten Produktion (bei Ford Saar-louis) oder bei Zulieferern beschäftigt. Auf die Frage, ob er denn Angst habe, dass es in dreißig, vierzig Jahren Zehntau-sende weniger sein werden, sagte der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber im letzten Jahr dem Handelsblatt: „Ich sehe in der Elektromobilität eher eine Chance für die Beschäftigten denn eine Gefahr. Erste Studien, die sich mit dem Thema be-schäftigen, sagen voraus, dass durch neue Komponenten wie Batterie und Elektro-motor unter dem Strich weltweit bis ins Jahr 2020 250.000 Arbeitsplätze entstehen können. Ich erwarte deshalb, dass es über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu einem positiven Beschäftigungseffekt durch den Umbruch zur Elektromobilität kommen wird.“ Huber geht davon aus, dass die Elektromobilität kein Jobkiller sein wird.

Bei Ford soll Ende des Jahres der ers-te Elektro-Focus vom Band rollen. Dann hätten die Saarlouiser zwei Trümpfe in der Hand. Ob der elektrische schnell Sti-che machen wird, bleibt abzuwarten.

Peter Jacob

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Mobilitätsberater für Betriebe und Dienststellen

Besser zur Arbeit

Der Weg zur Arbeit mit dem Pkw ist für die meisten Arbeitnehmer mit Stress verbunden. Mike Scharnweber kennt das: „Man steht im Stau, sucht einen Parkplatz und das Benzin wird auch immer teurer.“ Doch gibt es eine Alternative? Genau das ist die Frage, mit der sich Scharnweber von Berufs wegen beschäftigt. Scharnwe-ber ist Mobilitätsberater beim Netzwerk Mobilität Saar. Er berät Betriebe, die ihren Beschäftigten praktikable Alterna-tiven zum Pkw für den Weg zur Arbeit aufzeigen wollen.

Wenn es gelingt, den Pkw-Verkehr zu reduzieren, lohnt sich das für alle Betei-ligten, sagt Petra Stein, Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale, die die Arbeit des Netzwerks koordiniert. Das Unternehmen spart Stellplätze, dadurch Kosten und ver-bessert seine Umweltbilanz. Auch für die Beschäftigten ist es fast immer kosten-günstiger, wenn sie auf das Fahrrad oder den ÖPNV umsteigen oder Fahrgemein-schaften bilden. Außerdem fördert es die Gesundheit. Laut Berufsgenossenschaften führt ein hoher Anteil von Pkw-Fahrten auch dazu, dass Beschäftigte im Berufs-verkehr ein höheres Unfallrisiko tragen als am Arbeitsplatz.

„Viele Unternehmen haben sich schon Gedanken über Fahrgemeinschaften oder

Auch wer regelmäßig im Stau steht, sollte über Alternativen nachdenken |�Foto:�D‘Angiolillo

Der eigene Pkw ist nicht immer die günstigste Art, um zur Arbeit zu kommen. Das Netzwerk Mobilität Saar berät Betriebe, die ihren Beschäftigten Alternativen aufzeigen wollen. Das ist gut fürs Klima, aber auch für‘s Portemonnaie.

auch Jobtickets gemacht“, weiß Scharn-weber. Doch ein systematisches betrieb-liches Mobilitätsmanagement für den Bereich Pendlerverkehr geht über sol-che Einzelmaßnahmen hinaus. Im Saar-land gebe es bisher nur wenige Betriebe, die ein solches Mobilitätsmanagement durchgeführt hätten, sagt der Mobilitäts-Fachmann. Deshalb schlossen sich 2010 auf Initiative der Verbraucherzentrale des Saarlandes Verbände, Kammern, das Land und die Landeshauptstadt unter Be-teiligung der Arbeitskammer zum Netz-werk Mobilität zusammen, mit dem Ziel, kleine wie große Betriebe und Behörden dafür zu gewinnen und sie als Dienstleis-ter bei der Durchführung zu unterstützen.

„Wenn sich ein Betrieb dafür ent-scheidet, machen wir zunächst eine ge-naue Betriebsstandort-Analyse und eine Wohnortanalyse“, erklärt Scharnweber. Anhand der Personaldaten schaut er sich an, in welcher Distanz die Beschäftigten zum Betrieb wohnen und wie die Er-reichbarkeit mit ÖPNV-Linien und die Arbeitszeiten aussehen, um so festzustel-len, wer potenziell mit dem Fahrrad zum Betrieb kommen könnte, wer mit öffentli-chen Nahverkehrsmitteln, wer durch eine Kombination von beidem oder wer in be-nachbarten Orten wohnt und eine Fahrge-

meinschaft bilden könnte. „Auf Wunsch bieten wir auch eine Personalbefragung an“, sagt Petra Stein, „um herauszufinden, wer grundsätzlich dazu bereit wäre, und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen.“ Anschließend erarbeitet das Netzwerk ein Maßnahmepaket und begleitet auf Wunsch den Betrieb auch bei der Umsetzung.

Die Kreisverwaltung Düren/Nord-rhein-Westfalen etwa, die 2011 mit einem Mobilitätsmanagement die Radnutzung erhöhen wollte, hat ihre Mitarbeiter in einer Online-Befragung abstimmen las-sen, welche Standorte auf dem Betriebs-gelände sie für Fahrradabstellanlagen nutzen möchten. Anhand der Ergebnisse konnte sie die Kapazitäten bedarfsgerecht etwa in der Tiefgarage ausbauen und hat Ladestationen für Pedelecs eingerichtet. Auch durch den Einbau von Duschen und Umkleideräumen hat die Verwaltung den Fahrradanteil erhöht, sogar ein „Duschan-meldesystem“ fürs Intranet entwickelt, so dass die Mitarbeiter beim Duschen nicht Schlange stehen müssen. Die Fahrrad-freundlichkeit brachte den Dürenern 2012 den „Deutschen Fahrradpreis“ ein.

Suche nach praktikablen und bequemen Lösungen

Doch nicht für alle Beschäftigten kommt das Fahrrad in Frage, andere sind vielleicht besser mit öffentlichen Nahver-kehrsmitteln bedient. Das Netzwerk suche nach der jeweils besten Lösung, betont Stein. Die muss praktikabel und auch be-quem sein und sich rechnen. „Wenn man beim Auto nicht nur das Benzin, sondern auch Verschleiß und Fixkosten mit ein-rechnet, sind ÖPNV-Karten fast immer deutlich billiger, das wissen nur die meis-ten nicht“, sagt Stein. Etliche Betriebe bieten ihren Mitarbeitern vergünstigte Jobtickets an. „Wenn ein Betrieb die dafür notwendige Mindestzahl von 20 Beschäf-tigten nicht erreicht, versuchen wir, mit den Verkehrsunternehmen zu verhandeln oder zu erreichen, dass sich mehrere klei-ne Betriebe zusammenschließen können“, so Stein weiter. Denn mit den ÖPNV-An-bietern stehe man in regem Kontakt. Auch mit vielen Betrieben hat das Netzwerk bereits erste Gespräche geführt. „Das In-teresse war ganz erfreulich“, sagt Stein. „Das Problem für die Betriebe ist meist, dass sie keinen Zuständigen und keine Kapazitäten haben, um ein Mobilitätsma-nagement durchzuführen.“ Deshalb startet jetzt das Ministerium für Wirtschaft, Ar-beit, Energie und Verkehr des Saarlandes, das ebenfalls zum Netzwerk gehört, eine unterstützende Kampagne. „Dadurch kön-nen wir in zwei Betrieben nun beginnen“, freut sich Petra Stein. Silvia Buss

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Die Strompreise steigen immer weiter

In der sozialen FalleIm Zuge der Energiewende verteuert sich Elektrizität drastisch, was in erster Linie Einkommensschwache trifft. Sozial- und Verbraucherverbände schlagen Alarm. Zwar kursieren viele Vorschläge zur Entschärfung der sozialen Schieflage, schnelle konkrete Hilfen zeichnen sich indes nicht ab.

„Mehr und mehr Menschen werden wohl bald ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können“, warnt EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Rund 600.000 privaten Haushalten wer-de bundesweit bereits heute jedes Jahr die Elektrizität abgedreht, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können, so Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. „Jeder Mensch hat ein Recht auf bezahlbare Stromprei-se“, insistiert Thomas Beyer als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz. „Strom darf nicht zum Luxusgut werden“, pos-tuliert Bundesumweltminister Peter Alt-maier. Die Energiewende dürfe kein „so-ziales Problem“ werden, mahnt der aus dem Saarland stammende CDU-Politiker. Mit „saftigen Strompreiserhöhungen“ für 2013 auch in der hiesigen Region rechnet Werner Spaniol, Vorsitzender des Ver-bands kommunaler Unternehmen (VKU) im Saarland, eine wachsende Zahl ein-kommensschwacher Kunden könne auch an der Saar schon jetzt die Rechnung nicht mehr begleichen.

Elektrizität wird seit Jahren stetig teurer, was besonders Niedriglöhnern, Erwerbslosen, Hartz-IV-Empfängern, Kleinrentnern oder Studenten zu schaffen macht. Mit der Energiewende beschleu-nigt sich der Preisauftrieb noch weiter, ein explosives soziales Gemisch. Wie tief die Verbraucher fürderhin tatsächlich in die Tasche greifen müssen, ist unklar, es gibt nur diverse Schätzungen. So erwartet man beim VKU 2013 im Saarland je Haus-halt im Schnitt Mehrkosten von etwa 100 Euro. Laut Verbraucher-Bundesverband können auf einen Vier-Personen-Haushalt 2013 und 2014 zusätzliche Belastungen von bis zu 240 Euro jährlich zukommen.

Der Atomausstieg, die Förderung rege-nerativer Energien und das Zurückdrängen der Kohle sind nicht umsonst zu haben. Künftig sollen wesentlich mehr Kilowatt-stunden aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse stammen. Um entsprechende Investitionen zu forcieren, wird den Pro-duzenten eine über dem Marktpreis lie-gende Vergütung für den ins öffentliche Netz eingespeisten Strom garantiert. Fi-

nanziert wird dies von den Konsumenten über eine Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), zurzeit sind dies 3,5 Cent pro Kilowattstunde. 2013 dürfte diese EEG-Umlage auf über fünf Cent steigen – ein dicker Faktor auf der Elekt-rizitätsrechnung.

Zudem muss das Leitungsnetz erheb-lich ausgeweitet und technisch ertüchtigt werden – um etwa Windstrom von der Nordsee in den Süden zu transportieren oder um die Belastungen des Netzes infol-ge der je nach Wetterlage schwankenden Einspeisung von Ökostrom auszubalan-cieren. Die Kosten für den Netzausbau werden sich auf bis zu 25 Milliarden Euro summieren.

Die Preisexplosion hat jedoch noch ei-nen Grund. Schon seit Bestehen des EEG sind energieintensive Unternehmen wie etwa die Aluminiumbranche im Interesse internationaler Wettbewerbsfähigkeit von der EEG-Umlage weitgehend befreit. 2011 hat die schwarz-gelbe Koalition be-schlossen, industrielle Großverbraucher auch von der Zahlung der Netzentgelte zu entbinden. Überdies wurde die Zahl der begünstigten Unternehmen erheblich erhöht. Der Verbraucherverband beziffert diese Entlastung der Wirtschaft auf neun

Milliarden Euro jährlich. Im Gegenzug werden die Bürger zusätzlich geschröpft.

Es kursieren viele Vorschläge, um Ver-brauchern und besonders Einkommens-schwachen zu helfen. Verbraucherzentra-len-Chef Billen verlangt, die Rabatte für die Industrie spürbar einzuschränken. Wie Billen fordert der Sozialverband VdK, die Energiewende aus dem Bundesetat und damit über Steuern zu finanzieren, die der Progression unterliegen: „Dann würden jene, die ökonomisch stark sind, mehr beitragen“, so VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.

Der Bund der Energieverbraucher plä-diert dafür, Kunden die ersten 500 Ki-lowattstunden im Jahr gratis zu liefern und stattdessen den restlichen Bezug zu verteuern. Die Armutskonferenz macht sich dafür stark, an Bedürftige Zuschüs-se bei den Energiekosten zu zahlen und etwa Hartz-IV-Leistungen anzuheben. Maschers Vereinigung denkt an staat-lich geförderte Sozialtarife für Einkom-mensschwache. Billen will mehr Anreize zum Energiesparen, etwa eine bessere Verbrauchskennzeichnung bei Haushalts-maschinen wie Kühlschränken. Mascher weist indes darauf hin, dass sich etwa Kleinrentner neue stromsparende Geräte nicht leisten könnten. Der VKU fragt, ob man vielleicht das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien drosseln sollte. Altmaier setzt auf eine intensive Bera-tung von Privathaushalten und kleinen Firmen über den effizienten Einsatz von Energie. Im September will der Minister mit Sozial- und Verbraucherverbänden sowie Kommunalpolitikern über die so-ziale Abfederung steigender Strompreise diskutieren – nach allen Erfahrungen mit solchen Gesprächskreisen dürfte es frei-lich eine gute Weile dauern, bis konkret etwas geschieht. Karl-Otto Sattler

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Diskussion um „Public-Private-Partnership“

Auf die Zukunft verlagerte Risiken

„Nimm’s jetzt, bezahl später!“ Was dem Privatmann recht ist, ist einer Kom-mune billig. Oder eben nicht. Denn das verlockende Angebot des Bauens auf Kredit ist keines, auch wenn es den wohl-klingenden Namen „Public-Private-Part-nership (PPP)“ trägt und die klammen Kommunen scheinbar aus der „Zwick-mühle“ befreit, so attac-Aktivist und Jour-nalist Martin Busche. „Kaum eine Stadt oder Gemeinde ist angesichts der leeren Kassen heute noch in der Lage, einen Bä-derbetrieb wie in der Vergangenheit dar-zustellen. Dies gilt für finanzschwache Kommunen – wie die im Saarland – in besonderem Maße“, bestätigt Wilhelm Offermanns, stellvertretender Leiter der Arbeitskammer-Wirtschaftsabteilung.

„Auch wenn nichts mehr geht, kann eine Stadt, die pleite ist, ihr Schwimm-bad bauen“, fasst Martin Busche die Pro-blematik von PPP zusammen. In Hom-burg lud er gemeinsam mit attac Saar ins Siebenpfeifferhaus ein, auch dort wurde eifrig diskutiert. Die Kreisstadt Homburg plant genau das, wovor attac und die AK unabhängig voneinander warnen: Sie will

Wie könnte ein neues Schwimmbad finanziert werden? |�Foto:�Graf

In Homburg wird überlegt, ein neues Kombibad im Rahmen einer „Public-Private-Partnership“ bauen zu lassen, bei der private Investoren zum Zug kommen. Fachleute und Politiker lehnen eine solche Partnerschaft ab, weil die finanziellen Risiken für die Kreisstadt zu hoch sind.

das geplante Kombibad durch PPP finan-zieren und betreiben lassen. Lediglich das Grundstück an der B41 in Richtung des Stadtteils Bruchhof bleibt in ihrem Besitz, für alles andere zahlt die Stadt Miete an einen Investor. Nach 25 Jahren geht das Objekt dann in den Besitz der Stadt über. Das klingt „wirklich attraktiv“, so Bu-sche, zumal ein PPP-Projekt nicht unter die Schuldenbremse falle, fügt er hinzu. Doch „ist PPP letztlich nichts weiter, als eine von mehreren Finanzierungsformen, verstellt allerdings den Blick auf die wirk-liche Schuldensituation vor Ort“, erläutert Offermanns näher.

Für Busche werden daher „die Risiken auf die Zukunft übertragen.“ Oder sind schon in der Gegenwart fällig, wenn ein Investor nach zwei, drei Jahren aufgibt, weil seine Einnahmen nicht stimmen. Dann muss die Stadt doppelt ran und nicht nur den auf 25 Jahre geschlossenen Miet-vertrag zahlen, sondern gleich auch noch die Kosten für den Betrieb eines Bades übernehmen, wie mehrere eingespielte Beiträge aus dem ZDF-Magazin „Fron-tal“ zeigten. Zudem fehle in Verwaltung

und Rat die Erfahrung im Umgang mit In-vestoren und ihren Fachanwälten, die bei der Abwicklung des Vertrags oft genug „meterweise Akten“ produzieren, weiß Busche: „Das hat Prinzip, denn es ist nicht gewollt, dass eine demokratische Kontrol-le stattfindet.“ Vor allem aber seien die Verträge geheim, so dass die Abgeordne-ten, die darüber abstimmen müssen, sie nicht kennen. „Das ist keine Demokratie. Das ist die Ausschaltung der demokrati-schen Kontrolle von Kommunalpolitik“, betont er.

Selbst der linken Positionen eher ent-fernt stehende bayerische Landesrech-nungshof warne vor PPP-Projekten, von denen es derzeit republikweit 255 gibt. Im Saarland sind es drei, außer in Homburg sind der Umbau der Hochschule für Tech-nik und Wirtschaft und das „Spaßbad“ Calypso in Saarbrücken in öffentlich-pri-vater Verbindung entstanden.

„Das Bad wird nicht billiger, wenn wir es privat bauen“, sagt Peter Müller, par-teilos als „Fraktion für Homburg“ (FFH) im Stadtrat vertreten, bei der Podiums-diskussion. Zumal Homburg Geld habe, wie sich für ihn gerade beim Kauf einer ehemaligen Diskothek sowie beim Kauf und Abriss der Entenmühle gezeigt hat. „Die Gefahr, dass sich Investitionen durch PPP verteuern, ist evident, Finanzdienst-leistungen müssen schließlich bezahlt werden“, erinnert AK-Fachmann Offer-manns noch einmal.

„Großprojekte sind nicht das, was die Menschen wollen. Sie wollen kleine Lö-sungen, die finanzierbar sind“, sagt auch Barbara Spaniol, Fraktionsvorsitzende im Homburger Stadtrat und Landtagsab-geordnete der Linken in der von Werner Langefeld geleiteten Abschlussdiskussion und plädierte für „Schadensbegrenzung“: Ja zum Kombibad, aber unter der Bedin-gung der Rekommunalisierung des Pro-jektes. Diese Ansicht teilt auch Wilhelm Offermanns: „In Zeiten, in denen sich Städte und Gemeinden wieder verstärkt mit dem Thema Rekommunalisierung be-fassen, weist PPP ganz sicher in die fal-sche Richtung.“

Für Marc Piazolo, Grünen-Ortsver-bandsvorsitzender in Homburg, geht es darum, die Antwort auf die Frage „Wollen wir die Kosten und den Schuldenberg auf uns nehmen?“ zu finden. Denn endgültig sei noch nichts entschieden, fügt er hinzu. Die Antwort können nur die Bürgerin-nen und Bürger der Stadt selbst geben, so der Appell von Andreas Guckert von der Piraten-Partei: „Keine Partei im Stadt-rat wird da etwas machen können. Die Bürger können was machen. Sie können entscheiden, wie es in ihrer Stadt weiter-geht. Da sollte im Endeffekt die Richtung hingehen.“ Denn sie werden am Ende die Zeche zahlen müssen. Sabine Graf

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FAO reguliert Agrarinvestitionen in Dritter Welt

Den Landraub ins Visier genommen

Die Rebellion auf Madagaskar 2009 war etwas völlig Neues: Ein Volksauf-stand brach los, weil ein südkoreanischer Konzern 1,3 Millionen Hektar Staatsland pachten wollte, um Mais und Palmöl für den Export nach Asien zu kultivieren. Die Regierung musste gehen, das umstrittene Projekt wurde gestoppt.

Solchen Eskalationen will die FAO, die UN-Welternährungsorganisation, künf tig vorbeugen. Fast 100 Nationen haben unter dem Dach der FAO Leitlinien verabschie-det, um das in sinnvolle Bahnen zu len-ken, was als „Landgrabbing“ (Landraub) für Zoff sorgt: Regierungen, Staatsunter-nehmen, private Konzerne und Investoren wie etwa nordamerikanische oder europä-ische Pensionsfonds kaufen oder pachten vor allem in Afrika Boden, um Agrarpro-dukte oder Biospritpflanzen anzubauen und zu exportieren. Neue FAO-Richtlini-en sollen nun dafür sorgen, dass vor Ort die Interessen der Kleinbauern und öko-logische Belange berücksichtigt werden.

Über 200 Millionen Hektar Land wurden schon verkauft

Nach Schätzungen von Entwicklungs-organisationen haben Investoren weltweit schon über 200 Millionen Hektar unter ihren Fittichen. Betroffen sind vor allem afrikanische Länder wie etwa Kongo, Sambia, Tansania, Mosambik, Sudan, Äthiopien oder Madagaskar, in Asien sind es besonders die Philippinen, Kam-bodscha, Laos oder Kasachstan. Ölstaa-ten wie die Golf-Scheichtümer oder ein Schwellenland wie China haben kaum oder nicht genügend Agrarböden und wollen über den Erwerb von Äckern die Versorgung ihrer Bevölkerung sicher-stellen. Konzerne gewinnen nicht selten Palmöl oder Rohrzucker, um Biosprit zu erzeugen. Private Investoren rechnen mit steigenden Preisen für Lebensmittel und Agrarland und erhoffen sich gute Rendi-ten.

In Berlin protestierten Mitglieder des Vereins „Gemeinsam für Afrika e.V.“ vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto „Stopp Landraub“ gegen Landnahme in afrikanischen Entwicklungsländern |�Foto:�picture�alliance

Mit neuen Leitlinien will die Welternährungsorganisation (FAO) Missstände beim Erwerb von Agrarflächen in armen Nationen durch ausländische Regierungen oder Konzerne eindämmen und vor allem die Rechte einheimischer Kleinbauern wie auch ökologische Belange wahren. Ziel sind „verantwortungsvolle Investitionen“.

Katar verfügt über 40.000 Hektar Nutzfläche in Kenia. Ein chinesisches Staatsunternehmen zieht im Kongo eine fast drei Millionen Hektar große Palmölplantage auf. Ein Investor aus Indien betreibt in Äthiopien auf 300.000 Hektar eine Baumwollfarm. Der Sene-gal plant, 70 Prozent seiner Anbauflä-chen für Reis an eine saudische Firma zu verpachten, China will in dem afrikani-schen Land auf 100.000 Hektar Erdnüsse ernten. Das arabische Bahrein engagiert sich in Indien, während der südasiatische Riesenstaat seinerseits Gelände in Uru-guay oder Äthiopien erwirbt. Im Sudan sind auf vier Millionen Hektar bis zu 130 Projekte verschiedener Länder vorgese-hen.

„Landgrabbing“ ist nicht von vornher-ein etwas Schlechtes. Beträchtliche Sum-men fließen in oft arme Länder, modernes landwirtschaftliches Know-how gelangt in Regionen, wo meist mit alten Methoden ineffizient produziert wird. Investitionen im Agrarsektor sind unverzichtbar, be-sonders auf bislang ungenutzten Flächen – eine wachsende Weltbevölkerung muss schließlich ernährt werden. Arbeitnehmer auf Großfarmen können mit sicheren Löh-nen rechnen.

Doch „Landgrabbing“ bringt häufig erhebliche Probleme mit sich. So können Rodungen, Bodenauszehrung oder ein rie-siger Wasserverbrauch das ökologische Gleichgewicht stören. Wird die Ernte komplett exportiert, verschlechtert sich die Versorgung der Einheimischen. Oft ist „Landgrabbing“ mit Entrechtung oder selbst Vertreibung lokaler Kleinbauern verbunden. Der Grund: Vielerorts existie-ren keine formellen, in Katastern verbrief-ten Eigentumsrechte an Boden, sondern nur tradierte Gepflogenheiten. „90 Prozent des Landbesitzes in Afrika beruhen auf in-formellen Rechten“, so die Hilfsorganisa-tion Misereor. In Uganda mussten 22.000 Leute der Holzplantage eines britischen Konzerns weichen.

Einheimische informieren

Die FAO zielt nun auf „verantwor-tungsvolle Investitionen“, die auch im In-teresse der Zielländer sind und etwa dazu beitragen, Hunger zu beseitigen. Verträge über den Erwerb oder das Pachten von Agrarflächen sollen offengelegt werden. Vor dem Abschluss solcher Deals haben die Behörden die Auswirkungen auf Natur und Bevölkerung zu prüfen. Der wichtigs-te Punkt: Einheimische müssen informiert und konsultiert werden, wobei Eigentums- und Nutzungsrechte von Kleinbauern auch dann gelten, wenn sie nicht auf formellen Katasterparagrafen, sondern auf überlie-fertem Erb- und Gewohnheitsrecht fußen. Zwangsvertreibungen sollen nicht mehr möglich sein. Die FAO-Richtlinien seien ein „historischer Meilenstein in der Ent-wicklungspolitik“, so die deutsche Agrar-ministerin Ilse Aigner, „sichere Zugangs-rechte zu Land“ seien für Bauern lebens-notwendig.

Allerdings sind die neuen Regelungen freiwillig, kein Staat kann auf deren Be-achtung verpflichtet werden. Gleichwohl wertet FAO-Generaldirektor Jose Grazi-ano da Silva die Leitlinien als „bahnbre-chend“. Man hofft, dass die neuen Stan-dards Regierungen und Investoren poli-tisch unter Druck und unter öffentlichen Rechtfertigungszwang setzen und auf diese Weise Missstände beim „Landgrab-bing“ beseitigt werden. Karl-Otto Sattler

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Beratungsstelle für sozialverträgliche Technologiegestaltung e.V.

Nachforschungen. Die Verhältnismäßig-keit der Untersuchung muss im Hinblick auf den Eingriff in die Persönlichkeits-rechte der Mitarbeiter gewahrt sein. Das fordert das Bundesdatenschutzgesetz. Un-tersuchungen zur Korruptionsbekämpfung und anderer Verstöße dürfen mit Beschäf-tigtendaten nur nach einem konkreten An-lass zielgerichtet durchgeführt werden. In diesem Sinn sind Datenschutz und Com-pliance, also die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter als auch die berechtigten Inte-ressen des Arbeitgebers, durchaus mitei-nander zu vereinbaren.

Über diesen Sachverhalt sind die Verantwortlichen der Deutschen Bahn gestolpert. Das, was verharmlosend als Massenscreening bezeichnet wurde, war letztlich nichts anderes als eine anlassun-abhängige Zweckentfremdung von Be-schäftigtendaten, für die es keine gesetz-liche Grundlage gab. Das Erschreckende daran ist, dass die Untersuchungen durch einen Dienstleister erfolgten, der sich auf solche Aufgaben spezialisiert hat. Inzwi-schen ist eine ganze Branche entstanden, die anbietet, durch Datenverdichtung und Datenana lyse schwarzen Schafen auf die Spur zu kommen. Dabei ist faszinierend, was alles möglich ist und mit welcher Effektivität die größten Datenmengen durchsucht und zu Erkenntnissen verdich-tet werden können. Die Leistungsfähigkeit solcher Verfahren ist unbestritten. Aller-dings drängt sich der Eindruck auf, dass gerne nach der Devise verfahren wird: Irgendwas werden wir schon finden und dann heiligt zwar nicht der Zweck, aber das Ergebnis die Mittel. Doch diese Igno-ranz der Rechtslage bleibt nicht immer ohne Folgen.

Die Deutsche Bahn hatte mit den „Massenscreenings“ den größten Skandal ihrer Geschichte erlebt. Sie hat aber offen-sichtlich daraus gelernt. Der neue Anti-korruptionsbeauftragte Werner Grebe ver-folgt deshalb eine neue Strategie. Er will „mit Hilfe von Prävention der Korruption den Nährboden entziehen“ und setzt vor allem auf die Schulung von Führungskräf-ten. Für den beschriebenen Datenskandal hat die Deutsche Bahn letztlich eine zwei-stellige Millionensumme gezahlt, die vor allem durch Ermittlungskosten, Anwälte, aber auch durch Bußgelder entstanden ist. Schwerer wog jedoch der Imageschaden und der Vertrauensverlust der Mitarbeiter. „Das“, so Grebe in der Berliner Zeitung, „sind Wunden, die nur langsam heilen. Unterm Strich hat uns das Massenscree-ning letztlich nichts gebracht, außer jede Menge Ärger.“ Mit anderen Worten: Nicht der Anbieter solch unzulässiger Untersuchungen ist letztlich der Geschä-digte, sondern das Unternehmen, das den Auftrag dafür gab.

Thomas Hau, BEST e.V.

Bekämpfung der Korruption

Rasterfahndung im BetriebKorruption war früher fast ausschließlich für die Chefetage ein Thema. Doch mit neuen Überwachungsmöglichkeiten und der zunehmenden Verbreitung amerikanischer Geschäftsethik geraten immer mehr einfache Beschäftigte unter Verdacht.

Dass Hartmut Mehdorn jetzt als Vor-standsvorsitzender der Fluggesellschaft airberlin arbeitet, ist einem der größten Datenschutzskandale der Bundesrepublik geschuldet. Seinen Posten als Vorstands-vorsitzender der Deutschen Bahn musste er nämlich zuvor räumen. Und zwar nach-dem bekannt geworden war, dass das Un-ternehmen stillschweigend, routinemäßig und über Jahre hinweg die Bankkonten von 175.000 Mitarbeitern überprüft hatte, um Anhaltspunkte für korruptes Verhalten zu finden.

Dass Korruption und Bestechlichkeit – vornehm ausgedrückt „Vorteilsnahme“ – nicht hingenommen werden kann, steht außer Frage. Wenn man jedoch als Mit-arbeiter ohne begründeten Anlass unter Generalverdacht gestellt und ausspioniert wird, ist das sehr problematisch. Denn hier ergibt sich ein Dilemma. Es stellt sich vor allem die Frage: Wie weit gehen die berechtigten Interessen des Arbeitge-bers und wo gebieten die schutzwürdigen Belange der Beschäftigten dem Einhalt?

Dass es eine Grenze geben muss, ist klar. Wo sie liegt, hingegen nicht.

Um Klarheit zu schaffen, muss man sich von verschiedenen Seiten an diese Problematik herantasten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Strafrecht. Sofern Un-tersuchungen vorgenommen werden, die die Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern berühren, muss zunächst einmal über-haupt ein Anlass für ein solches Verfahren gegeben sein. Man spricht von einem so-genannten „objektiven Tatbestand“. Eine aufgebrochene Tür, ein nachweisbarer Fehlbetrag sind objektive Tatbestände. Die bloße Äußerung, jemand habe etwas verbrochen, ist eben nur eine Behauptung ohne Nachweis und kann sogar als üble Nachrede oder Rufschädigung ausgelegt werden. Und auch im Laufe einer Unter-suchung gilt immer die Unschuldsvermu-tung. Es muss niemand seine Unschuld beweisen. Schuldhaftes Verhalten muss nachgewiesen werden. Auch nach einem Vorfall darf es nicht zu einer Rasterfahn-dung kommen, sondern nur zu gezielten

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Für Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen ist das Thema Compliance schwierig zu bearbeiten. Keine Arbeitnehmerver-tretung möchte die Aufdeckung von korruptem oder gesetzeswidrigem Verhalten ver hindern. Allerdings gilt es auch im Voraus zu unterbinden, dass einzelne Mitarbeiter, Beschäf-tigtengruppen oder die gesamte Be-legschaft unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Die Lösung dieses scheinbaren Wi derspruchs liegt dabei in der Mit-bestimmung: Grundsätzlich müssen Betriebs- und Personalräte mit sicher-stellen, dass von Seiten der Untersu-chenden gesetzeskonform gehandelt wird. Es darf also nur Überprüfungen nach einem tatsächlichen Anlass ge-ben – unter Wahrung der Verhältnis-mäßigkeit – und nicht grundsätzlich. Sofern hierzu Computer verwendet werden, etwa um Mitarbeiterdaten zu analysieren, greift die Mitbestim-mung beim Einsatz von technischen Einrichtungen. Solche Untersuchun-gen sind an die Zustimmung der Ar-beitnehmervertretung bzw. an den Ab-schluss einer Betriebs- oder Dienst-vereinbarung gebunden. Weiter hin hat das Bundesarbeitsgericht festge-stellt, dass auch die Aufstellung von Ethikrichtlinien in weiten Teilen mit-bestimmungspflichtig ist. Und zwar insbesondere dann, wenn das Verhal-ten der Mitarbeiter oder die Ordnung des Betriebes berührt wird.

BEST, die gemeinsame Beratungs-einrichtung der Arbeitskammer des Saarlandes und des DGB Saar, un-terstützt saarländische Arbeitnehmer-vertretungen in diesen Fragen und hilft, geeignete Lösungen zu finden. Kontakt: www.best-saarland.de TH

Was Betriebsräte tun können

Generalverdachtverhindern

Whistleblowing und Compliance

„Verpfeifen“ von Verstößenauf moderne und spezielle IT-Werkzeuge zur Datenanalyse angewiesen, aber auch ganz traditionell auf Hinweise von Mitar-beitern, Kunden oder Geschäftspartnern.

Zu diesem Zweck richten immer mehr Unternehmen sogenannte „Whistle blo-wing-Hotlines“ ein. „Whistleblowing“ ist der englische Begriff für Verpfeifen. Und um nichts anderes geht es. Das Prinzip des Whistleblowing stammt aus der US-ame-rikanischen Geschäftsethik und geht weit über ein Beschwerdemanagement hin aus. Beim Whistleblowing geht es nicht nur darum, den Verdacht von Straftaten wie Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Korruption anzuzeigen, sondern auch Verstöße gegen Verhaltensrichtlinien, die sich die Unternehmen selbst gegeben ha-ben.

Das kann für europäische Moralvor-stellungen zum Teil groteske Formen an-nehmen. So galt auch für die deutschen Niederlassungen der US-Warenhauskette Walmart die Ethikrichtlinie, dass Liebes-

Wer ein Unternehmen betreiben will, hat eine Fülle von Vorgaben zu erfüllen: Die Umsetzung von Gesetzen, die Einhal-tung von Auflagen der Verwaltung und vieles mehr. Hinzu kommen oft Verhal-tensregeln, die sich Unternehmen selbst schaffen. Diese werden oft als Ethikricht-linien, aber auch mit angloamerikani-schen Begriffen bezeichnet als „Code of Conduct“ oder „Mission Statement“. In diesen unternehmensinternen Regeln wer-den Abläufe und Verfahren, der Umgang mit Kunden, Kapitalseignern und Ge-schäftspartnern festlegt, aber auch Ver-haltensregeln, denen die Mitarbeiter zu folgen haben. Die Einhaltung aller Regeln – angefangen von gesetzlichen Vorgaben bis hin zu internen Ethikrichtlinien – wird inzwischen gerne mit dem Begriff „Com-pliance“ bezeichnet. Damit einhergehend ist ein neues Berufsbild entstanden, das des Compliance-Beauftragten.

Ganz so neu ist dieses Berufsbild auch in der deutschen Geschäftswelt nicht,

denn zu den Hauptaufgaben in einem Unternehmen gehört die Korruptions-bekämpfung, eine Aufgabe, die in der Vergangenheit mit den unspektakulären Begriffen „Rechnungsprüfung“ oder „In-nenrevision“ bezeichnet wurde. Doch Compliance meint mehr als nur Finanz-kontrolle. Es geht auch darum, Informati-onslecks zu stopfen. Etwa wenn Betriebs-geheimnisse oder Insider-Informationen das Unternehmen verlassen und es zu kontrollieren gilt, ob das Verhalten von Mitarbeitern zum Beispiel bei der Inves-titionsplanung und Auftragsvergabe kor-rekt ist und keine unerwünschten Risiken für das Unternehmen entstehen. Im Fokus stehen hier leitende Angestellte genauso wie „einfache“ Mitarbeiter. Wer solche Dinge kontrollieren will oder muss, ist

beziehungen zwischen Mitarbeitern nicht geduldet werden und bei einer Whist-leblowing-Hotline zur Anzeige gebracht werden sollten, um personelle Maßnah-men einzuleiten. Begründet wurde dies damit, dass eine solche Intimität der Nährboden für Vorteilsnahme sei. Wal-mart hat sich inzwischen aus Deutschland zurückgezogen.

Anonyme Hinweise sind oft genug der Ausgangspunkt für Untersuchungen, an deren Ende aufgedeckte Korruptionsfälle stehen. Anonymes Whistleblowing kann allerdings auch gezielt als Mobbinginstru-ment eingesetzt werden, indem Personen eines Vergehens bezichtigt werden und eine Untersuchung anläuft. Auch wenn diese Untersuchungen negativ verlaufen, steht immer noch die Frage im Raum, ob

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die Person sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, oder ob man nur nichts gefunden hat. Deshalb ist es sehr wich-tig, sensibel vorzugehen. Sensibel vor-zugehen heißt aber auch, dass auch bei Compliance-Untersuchungen Regeln ein-gehalten werden, allen voran das Bundes-datenschutzgesetz zum Schutz der Per-sönlichkeitsrechte von Mitarbeitern. TH

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A R B E I T S W E LT

Arbeiten in der IT-Branche

Weltweit vernetzt, aber ohne festen JobImmer mehr Menschen arbeiten nicht mehr im Büro, sondern am heimischen Bildschirm. Welche Folgen das hat, beleuchtete eine Veranstaltung von ver.di Saar.

Keine Hierarchie, also kein Chef, ar-beiten zu Hause, wo und wann man will, kein Stau auf dem Weg zur Arbeit, kei-ne Parkplatzprobleme und erst recht kein Gedränge am Kaffeeautomat, zählt Dieter Weiskircher auf, Vorsitzender des Fach-bereichs 9 (Telekommunikation, Informa-tionstechnologie, Datenverarbeitung) des ver.di Landesbezirks Saar. Das Arbeiten daheim am Computer scheint die „schö-ne neue Arbeitswelt“ zu sein, mutmaßt Holger Meuler, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich IT/Telekommunikation bei der ver.di-Bundesverwaltung und dort zu-ständig für den südwestdeutschen Raum. Schließlich war, so der frühere Jugendse-kretär beim DGB Saar, „die IT-Industrie einst Vorreiter in Sachen Zukunft der Arbeit.“ Dienstleistungen entstanden auf der Basis individueller Leistungen. Es gab keine festen Hierarchien mehr, Aufgaben wurden ganzheitlich angegangen.

Doch davon ist nichts mehr übrig. Heute drängelt sich eine „Crowd in der Cloud“, so der Titel seines Vortrags. Denn längst ist die IT-Dienstleistung in globale Wertschöpfungsketten eingebun-den. Holger Meuler spricht dabei von der „Taylorisierung der Arbeit“, als wär’s ein Stück aus dem 19. Jahrhundert, als Arbei-ter jeweils nur ein Teil eines Werkstücks

am Fließband fertigten und nie das gan-ze Produkt zu sehen bekamen. Nur dass jetzt dank Internet an einer „verlängerten Werkbank in weltweiten Zusammenhän-gen in der Cloud zu allen möglichen und unmöglichen Arbeitszeiten gearbeitet wird“, fasst er zusammen.

Was für einfache Tätigkeiten gilt, greift nun aufgrund der Globalisierung auch auf die hochqualifizierten Angestellten wie Softwareentwickler über. „Wertschätzung ist gleichgesetzt mit Wertschöpfung“ heißt es jetzt und bedeutet in der Konsequenz, dass die „Arbeit ins nächstbilligere Land weiterzieht“ bzw. zum nächstgünstigeren IT-Dienstleister. Das zwingt Informatiker und Programmierer in ein „System der permanenten Bewährung“. Welche For-men das annehmen kann, zeigten jeweils ein Beitrag der „Rundshow“ des Bayeri-schen Rundfunks und von „Streik-TV“ im Auftrag von ver.di: Viel Arbeit, wenig Geld und hoher Leistungsdruck charakte-risieren das „Arbeitsmodell der Zukunft“ am heimischen Bildschirm, so Meuler. Dementsprechend hoch ist die Zahl der an Burnout Erkrankten im IT-Bereich, zi-tierte er eine Krankenkassenstudie. Fielen Beschäftigte 1999 aufgrund psychischer Belastung im Schnitt fünf Tage im Jahr aus, waren es 2009 schon 62 Tage.

|�Foto:�D‘Angiolillo

Das Büro daheim mag nur für den Ar-beitgeber billig sein. Alle anderen zahlen drauf. Das ist der Trend, wenn etwa IBM Anfang 2012 ankündigte, 8.000 Stellen abzubauen. Eine Kernbelegschaft sichert den Kundenkontakt, alles andere wird von dazugebuchten IT-Dienstleistern erledigt. Dafür hat IBM vorgearbeitet und ein Pro-fil seiner Beschäftigtenstruktur erstellen lassen. Vom „Traditionalisten“, der es ge-wohnt war, in klarer Hierarchie an seinem Schreibtisch acht Stunden zu arbeiten, bis zur „Gaming Generation“, die flexibel, vernetzt und prekär ihre Dienste auf Zeit anbietet. Auf sie setzt die IT-Industrie und bedient sich der freiberuflichen „Cloud-worker“, die ohne Netz und doppelten Bo-den, „zwar mit der ganzen Welt vernetzt sind“, aber „keine feste Anstellung“ mehr haben.

Von Steuerausfällen bis zur völligen Prekarisierung

„Wer das will, okay, aber wenn das IBM in Deutschland mit 8.000 Menschen machen will, ist das ein gewerkschaftli-ches Problem“, betont Holger Meuler. Denn die Folgen dieses Vorgehens betref-fen alle: Steuerausfälle, Einnahmeausfälle der Sozialversicherung, Prekarisierung qualifizierter Arbeitnehmer sowie eine Verschlechterung der Arbeits- und Le-bensbedingungen. Darum hat ver.di spe-ziell für die IT-Branche die Kampagne „Ich bin mehr wert“ gestartet, weil „es gilt, gute Arbeit zu sichern“, fasst Holger Meuler zusammen.

Dabei bestehe durchaus Nachfrage für bestimmte Aufgaben im Bereich der Soft-wareentwicklung, wie die anschließende Diskussion ergab, worauf eher Ratlosig-keit zum Prinzip des Cloudworking füh-re. Kurzsichtig auch die Entscheidung für Telearbeit, bekannte ein anderer Mitdisku-tant: „Es fehlen die Zwischentöne. Zudem sorgen ausgelagerte Arbeitsschritte für fehlende Kompetenz. Die Beschäftigten haben keinen Blick mehr für den Zusam-menhang.“

Auch die Kaffeepause, die dank „Co-Working-Spaces“, den Mietbüros für Te-learbeiter, wieder möglich wird, hat ihren Wert, wie ein Stimme betonte: „Das beste Gespräch entsteht bei einer Tasse Kaffee. Da haben wir schon mehr Probleme gelöst als bei einer Telefonkonferenz.“ Über Zu-sammenarbeit geht nichts, ob beim Kaffee oder um die Entwicklung der Crowd in der Cloud in eine für die Beschäftigten akzeptable Richtung zu lenken: „Wir sind noch am Anfang“, heißt es am Ende des von Streik-TV entworfenen Horrorbilds, „wir können diese Entwicklung aufhalten, wenn wir zusammenarbeiten.“

Sabine Graf

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G E S E L L S C H A F T

Menschenwürde gilt auch für Asylbewerber

Mehr Geld für Flüchtlinge

Die Bundesregierung will das Gesetz nun überarbeiten. Wie lange das dauert, ließ sie offen. Dem Richterspruch zufol-ge muss der Staat bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung 336 Euro im Monat statt bisher rund 225 Euro an Flüchtlinge und Asylbewerber zahlen. Auch Bundesländer wie Bayern, die vor allem Sachleistungen gewähren, müssen einem erwachsenen Asylbewerber ab so-fort 130 Euro monatlich auszahlen, das sind 90 Euro mehr als bisher.

Die Höhe der Geldleistungen sei un-zureichend, weil sie seit 1993 trotz erheb-licher Preissteigerungen in Deutschland nicht verändert worden ist, urteilte das Gericht. „Zudem ist die Höhe der Geld-leistungen weder nachvollziehbar berech-net worden noch ist eine realitätsgerechte, am Bedarf orientierte und insofern aktuell existenzsichernde Berechnung ersicht-lich“, sagte der Vizepräsident des Ge-richts, Ferdinand Kirchhof.

Das Bundesverfassungsgericht berief sich in seiner Entscheidung auf Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist: „Dieses Grund recht steht deutschen und ausländi-

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Die Geldleistungen für Flüchtlinge müssen erhöht werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Demnach verstößt das Asylbewerberleistungsgesetz gegen das Grundgesetz, weil die Leistungen unterhalb des Existenzminimums liegen. Sozialverbände, Kirchen und Flüchtlingsinitiativen begrüßten das Urteil.

schen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“ Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbe-werber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um „Wanderungsbewegungen“ zu ver-meiden, seien nicht zu rechtfertigen. „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“, erklärte Kirchhof.

Der Gesetzgeber ist der Entscheidung zufolge verpflichtet, eine neue Regelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums für Flüchtlinge und Asylbewerber zu treffen. Bis zum Inkraft-treten gilt eine Übergangsregelung, die sich an der Hartz-IV-Gesetzgebung orien-tiert. Statt 224 Euro erhalten die Betroffe-nen 336 Euro, und zwar rückwirkend ab dem 1. Januar 2011. Der berechnete Be-trag enthält keinen Bedarf für Hausrat wie die Hartz-IV-Sätze, die aktuell für einen alleinstehenden Erwachsenen Leistungen in Höhe von 374 Euro vorsehen.

„Das ist ein Erfolg auf ganzer Linie“, sagte Eva Steffen, Anwältin der beiden Beschwerdeführer. Erwachsenen Flücht-lingen, die Grundleistungen erhalten, müsse nun ab sofort ein Geldbetrag in

Höhe von insgesamt 336 Euro monatlich gewährt werden. Der Betrag orientiere sich an den Hartz-IV-Leistungen. „Der Geldbetrag für Flüchtlinge liegt aller-dings etwas niedriger, weil der Bedarf für den Hausrat herausgerechnet worden ist“, erläuterte Steffen. Man sei davon aus-gegangen, dass Flüchtlinge in einer Ge-meinschaftsunterkunft wohnen und daher keinen Hausrat benötigen.

Offen sei die Frage, ob in einer Pri-vatunterkunft lebenden Flüchtlingen auch Geld für den Hausrat zusteht. „Ich gehe davon aus, weil die Hartz-IV-Regelleis-tung vom Bundesverfassungsgericht als Grundlage genommen wurde“, sagte die Anwältin. Ihrer Einschätzung nach wer-den nun viele Flüchtlinge eine rückwir-kende Nachzahlung erhalten können.

Der Präsident des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johannes Stockmeier, zeigte sich zufrieden. Das Gericht habe klargestellt, dass die Höhe der Sozialleistungen für Flüchtlinge nicht als Abschreckungsinst-rument fungieren dürfe. Die Kirchen seien seit 20 Jahren gegen diese Politik vorge-gangen. Das Gericht mache der Verweige-rungshaltung der Länder und des Bundes ein Ende, die seit Jahren ablehnten, die unzureichenden Leistungen zu erhöhen, betonte der Diakoniechef.

Auch Flüchtlingsorganisationen be-grüßten die Entscheidung. „Das Gericht beendet ein jahrelanges Unrecht“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burk-hardt: „Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse.“ Die Menschenrechtsor-ganisation Amnesty International erklärte: „Seit langem war offensichtlich, dass die bisher gewährten Leistungen für ein men-schenwürdiges Leben nicht ausreichen.“ Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sprach von einem „Erfolg für die rund 130.000 Menschen“, die bislang mit dem niedrigen Regelsatz auskommen mussten.

Auf Kritik stieß, dass das Gericht sich nicht konkreter zu den Sachleistungen äu-ßerte, die einige Bundesländer gewähren. „Auch Sachleistungen haben die Funk-tion, Flüchtlinge abzuschrecken“, sagte Burkhardt. „Wir gehen davon aus, dass bundesweit die Kommunen für die Mehr-kosten der Asylbewerberleistungen insge-samt rund 250 Millionen Euro zusätzlich zu schultern haben“, sagte Agneta Krüger, Sprecherin vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. „Die Länder müssen den Kommunen die durch das Urteil entste-henden Mehrkosten vollständig erstatten“, forderte Uwe Zimmermann, stellvertre-tender Hauptgeschäftsführer des Verban-des. Die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sei schließlich eine staatliche und keine kommunale Aufgabe. Bund und Länder müssten diese finanzie-ren. epd-sozial

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G E S E L L S C H A F T

Gesprächsrunde befasste sich mit dem Heimat-Begriff

„Wo ich michgeborgen fühle“

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Orientierung in Zeiten der Globalisierung“ des Vereins Ramesch stellte Olaf Kühne seine Studie über das Heimatgefühl im Saarland vor. Diskutiert wurde aber auch über den Begriff aus Sicht der Migranten.

Junge Menschen verlassen nach der Berufsausbildung das Saarland, weil sie hier keinen adäquaten Job finden – oder auch aus freiwilligen Stücken. Anderer-seits ziehen Menschen zu. In Saarbrücken leben 41.000 Bürger mit Migrationshin-tergrund und 120 verschiedene Nationa-litäten. Was bedeutet „Heimat in (diesen) Zeiten erhöhter Flexibilitätsanforderun-gen“? Das war die Frage, der der Verein „Ramesch – Forum für interkulturelle Be-gegnung“ in einer öffentlichen Gesprächs-runde nachging. Bevor man im Saarbrü-cker Rathausfestsaal vor und mit zahlrei-chen Zuhörern in die Diskussion einstieg, erhielt Olaf Kühne das Wort. Zusammen mit der Kaiserslauterer Stadtsoziologin Annette Spellenberg hatte der Stiftungs-Professor für Nachhaltige Entwicklung der Europäischen Akademie Otzenhausen nämlich ebendiese Frage, das Thema „Re-gionale Identitäten und heimatliche Ori-entierungen“, in einer empirischen Studie untersucht.

Da gilt es vorab zu klären: Was mei-nen wir eigentlich, wenn wir von Hei-mat sprechen? Heimat ist ein im Laufe

der Geschichte mit vielen verschiedenen Bedeutungen beladener Begriff. Sah man im Mittelalter noch, wie Kühne darleg-te, das Himmelreich als die „Zielheimat des Menschen“ an, so bedeutete Heimat im 19. Jahrhundert eher ein (irdisches)Rechtsverhältnis, und zwar den Besitz des vollen Bürgerrechts. Im Zuge der Indus-trialisierung erfuhr der Begriff durch die Romantik dann eine starke Emotionalisie-rung, im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde er politisiert. Auf die nationalisti-sche Ideologisierung durch die Nazis folg-te nach dem Krieg eine Kommerzialisie-rung der Heimat durch die idealisierenden Heimat-Kitschfilme. In den 1980er Jahren dann erhielt der Begriff durch die Um-weltbewegung eine Neuorientierung und verband sich mit Eigenschaften wie nach-haltig und fortschrittlich. Was davon ist wirklich überwunden, was schwingt alles mit, wenn heute das Wort Heimat fällt?

Kühne und Spellenberg haben 1.200 Saarländerinnen und Saarländer befragt, was für sie Heimat ist. Die meiste Zustim-mung, jeweils über 70 Prozent, erhielten die Aspekte: Wo ich mich geborgen füh-

Der Bliesgau ist laut Studie die idealtypische Landschaft für den Saarländer |�Foto:�D‘Angiolillo

le, wo ich meine Kindheit verbracht habe, wo mein Haus steht, meine Freunde sind. 59 Prozent kreuzten an „mein Dialekt/meine Sprache“, fünf Prozent „ein idealer Ort, den es nicht gibt“. Viele Dimensio-nen kommen im Verständnis von Heimat zusammen, hat Kühne in seiner Analyse festgestellt: Soziales, Wohlgefühl, Zeit, Landschaft, geistige Heimat und nicht zu-letzt Ab- und Ausgrenzung.

Welche Erkenntnisse lassen sich daraus für die Beantwortung der Frage ziehen, mit der Ursula Kimoto, stellvertretende Ramesch-Präsidentin, den Abend eröff-nete: „Wo ist die Heimat von Menschen, die seit vielen Jahrzehnten dort leben, wo sie nicht geboren sind?“ Mit Migranten, musste Kühne einräumen, habe sich die-se Studie nicht befasst. Doch dazu solle noch eine folgen. Fragt sich, ob sich ein Heimat-Gefühl nur mit dem Geburts-ort verbinden kann. Heiner Zietz, Fach-bereichsleiter der Volkshochschule des Regionalverbands und zuständig für die Deutsch-Sprachkurse, erklärte, laut Duden sei das Wort Heimat zwar im Deutschen nicht im Plural gebräuchlich, im Engli-schen aber sehr wohl. Seine These: „Man kann mit mehreren Heimaten leben.“ Das sieht auch Veronika Kabis, Leiterin des Saarbrücker Zuwanderungs- und Integra-tionsbüros (ZIB), so. „Man kann sich auch neu beheimaten, man kann sich auch die alte Heimat neu aneignen“, sagte sie. Ent-scheidend dafür sei jedoch, ob das Umfeld dies zulässt und fördert. „Man kann sich nicht beheimaten, wenn man ständig aus-gegrenzt wird“, betonte die Integrations-Fachfrau. „Heimat muss offen sein für die, die dazu kommen.“ Auch sei Heimat sehr divers, der eine finde seine geistige Hei-mat in Adorno, für den anderen seien die Freunde ausschlaggebend.

„Heimat ist dort, wo die Familie ist, wo Arbeit ist und wo echte Freunde sind. Das kann hier sein, das kann auf dem Mond sein“, meldete sich ein italienischstäm-miger Zuschauer zu Wort. Er hat inzwi-schen die deutsche Staatsbürgerschaft an-genommen und fragt sich, wieso so viele Italiener im Saarland dies ablehnten. Die soziale Dimension sei heute viel wichtiger geworden, bekräftigte auch Zietz, sich auf regionale „Heimat-Typen“ festlegen zu wollen, daher viel zu eng gedacht. Stellt sich die Frage, wie produktiv der Begriff „Heimat“ überhaupt ist, um über Migrati-on und Integration zu diskutieren.

„Wenn wir uns nachhaltig regional ent-wickeln wollen, müssen wir die Stereo-typen-Matrix des Heimatlichen aufgeben und mehr die Frage der Gerechtigkeit in den Fokus stellen“, lautet eine der Emp-fehlungen, die Kühne aus seiner Studie für die Regional-Politik ableitet. Auch über Gerechtigkeit ließe sich ausgiebig disku-tieren. Silvia Buss

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Bergbau an der Saar, Teil 6

Mit Stolz und RespektVor 500 geladenen Gästen fand auf der Grube Duhamel die offizielle Feier zur Verabschiedung des Bergbaus im Saarland statt. Feierliche Musik umrahmte die Ansprachen, die das Ende einer Ära in Worte zu fassen versuchten.

Zum Auftakt spielte die Bergkapelle der RAG den „Trauermarsch zum Ge-denken an Rikard Nordraak“. Edvard Grieg hatte die Musik 1866 zum Tode seines Freundes komponiert und sie sich dann auch für seine eigene Beerdigung gewünscht. Nun erklang sie in der Maga-zinhalle des Bergwerks Saar in Ensdorf zur letzten Schicht des Saarbergbaus und ging den Gästen aus Politik, Medien und Gesellschaft sichtlich unter die Haut. Das Gefühl, an einem historischen Moment teilzunehmen, war mit Händen zu greifen.

Von einem bedeutenden Einschnitt der Landesgeschichte sprach Bergwerks-direktor Friedrich Breinig bei seiner Be-grüßung. Ein großer Industriezweig, der Land und Menschen tief geprägt habe, verabschiede sich. „Voller Respekt bli-cken wir an diesem Tag insbesondere auf die Mannschaften, die das über Generati-

onen hinweg geschaffen haben“, sagte er. Nun gelte es, diese enormen Leistungen durch eine nachhaltige Erinnerungskultur wachzuhalten, um nach der Trauer Stolz und Selbstbewusstsein entstehen zu las-sen.

Auch Bernd Tönjes, der Vorstands-vorsitzende der RAG Aktiengesellschaft, verwies auf die historische Dimension des bewegenden Augenblicks – und sei-ne Endgültigkeit, die Land und Menschen innehalten lasse. Jetzt, da der Bergbau ende, werde ihm von Gesellschaft und Medien wieder Sympathie und Aner-kennung entgegengebracht. „Gerade die fehlende politische Rückendeckung hier im Lande in den schwierigen Jahren der Erderschütterung haben die Bergleute schmerzlich vermisst – und auch noch nicht ganz verwunden“, sagte er in Rich-tung Politik.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer packte den Stier dann quasi gleich bei den Hörnern. In diesen Tagen sei sie häufig mit der Frage konfrontiert worden, ob es richtig sei, dass die Poli-tik auch diesen letzten Tag noch mitbe-stimme und sich zu Wort melde. Diese schwierige, aber berechtigte Frage könne sie klar und deutlich mit „Ja“ beantwor-ten. „Die Politik muss hier sein, weil sie zu dem zu stehen hat, was sie beschlossen hat und weil sie Verantwortung trägt für die Zukunft“, erklärte Kramp-Karrenbau-er. Dies sei ein besonderer Tag, voller Gefühle, ein Tag der Trauer, der Wut, der Ungläubigkeit, der Verunsicherung, auch ein Tag der Erleichterung für jene, die unter dem Bergbau gelitten hätten, nur eines gewiss nicht: ein Tag der Gleich-gültigkeit.

Ein Stück saarländische Geschichte gehe nun zu Ende, es gelte, Abschied zu nehmen von dieser großen Ära. Jetzt habe die Politik die Aufgabe, für die Söhne und Töchter der Bergleute, ihre Enkelin-nen und Enkel Zukunftsperspektiven zu schaffen, und das hier im Saarland. Von daher bedeute dieser Abschied auch einen Aufbruch.

Dass dieser Abschied allerdings keine unausweichliche Entwicklung war, dar-auf wies Michael Vassiliadis, Vorsitzen-der der IG BCE, eindringlich hin: Die Be-

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B E R G B A U A N D E R S A A R

endigung des Saarbergbaus war politisch gewollt!“ Wenn er das in Erinnerung rufe, gehe es ihm um die Verantwortung, die Entscheidungen dieses Ausmaßes nun mal nach sich zögen – wirtschaftlich wie sozial. Dass es zu keinen betriebs-bedingten Kündigungen kommen werde, so Vassiliadis weiter, sei das Ergebnis gewerkschaftlicher Solidarität, gemein-samen Kampfes und harter Arbeit.

Die IG BCE sei nie für das Ende des Saar-Bergbaus eingetreten, bekräftigte ihr Vorsitzender noch einmal, und halte das Förderende in Deutschland 2018 nach wie vor für falsch – gerade in der aktuel-len Energie- und Rohstoffsituation. Beim Blick in die Zukunft müsse klar sein: Das Saarland ist ein Energieland. Es müssten deshalb Bedingungen geschaffen werden, um konventionelle wie erneuerbare Ener-

gien in einem guten Mix als wirtschaftli-chen Standortfaktor zu etablieren.

Der RAG-Gesamtbetriebsratsvorsit-zende Ludwig Ladzinski erinnerte dann noch einmal daran, dass die Bergleute in turbulenten Zeiten mit Solidarität, Kraft und Zuversicht und den bergmännischen Eigenschaften von Fleiß und Treue viel erreicht hätten. Auch in Krisenzeiten hät-ten sie Spitzenleistungen erbracht. Aber gerade die Eigenschaften der Bergleute würden ihnen jetzt helfen, mit dem Ende einer großen Industriegeschichte umzu-gehen: „Die Bergleute können hocher-hobenen Hauptes und mit Stolz auf das Geleistete zurückschauen!“ Das bewies dann auch der Saarknappenchor, der beim Einmarsch mit fester Stimme das Barbara-Lied intonierte.

Gabi Hartmann

Der Saarknappenchor sorgte für bewegende Momente |�Foto:�D‘Angiolillo

Friedrich Breinig, Direktor des Bergwerks Saar |�Foto:�D‘Angiolillo

Bernd Tönjes, Vorstandsvorsitzender der RAG Aktiengesellschaft |�Foto:�D‘Angiolillo

Ludwig Ladzinski, RAG-Gesamtbetriebsrats-vorsitzender |�Foto:�D‘Angiolillo

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE |�Foto:�D‘Angiolillo

Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes |�Foto:�D‘Angiolillo

23B E R G B A U A N D E R S A A R

arbeitnehmer | Heft 5/2012

Die letzte Schicht im Saarbergbau

„Ein ganz schwarzer Tag“Über 10.000 Saarländerinnen und Saarländer kamen am 30. Juni zur Mettenschicht nach Ensdorf. Der saarländische Bergbau wurde feierlich und würdig verabschiedet. Dabei war viel Wehmut im Spiel.

Wie Klaus Dieter Woll, dem Betriebs-ratsvorsitzenden der Steag Power Saar, geht es vielen an diesem späten Nachmit-tag. Nachdenklich, ganz allein und in sich ge kehrt steht der ehemalige Bergmann vor der Hauptbühne und lauscht der proben den Bergkapelle und dem Saarknappenchor der RAG. Der schwarze Anzug passt ins Bild. Obwohl auch viel gelacht wird beim Schwelgen in Erinnerungen, beim Wieder-sehen alter Freunde, hat die Mettenschicht den Charakter einer Beerdigung. Der Bergbau wird zu Grabe getragen.

Um Punkt 20 Uhr dann Gänsehautstim-mung. Bergkapelle und Saarknappenchor spielen und singen das „Steigerlied“. Mit ihnen Tausende vor der Bühne. Tränen fließen. Rhythmisches Klatschen ab der zweiten Strophe. Am Ende ein tosender Applaus, „Bravo-Rufe“ aus dem Publi-kum. Mit dem Läuten der Anfahrtsglocke kehrt wieder Stille ein. Es geht emotional weiter: Die Berg-, Hütten- und Knappen-vereine ziehen ein. Stolz tragen die in Uni-form gekleideten Männer ihre Banner und Fahnen, viele mit einem schwarzen Trau-erflor dekoriert. Überall im Land werden Kirchenglocken geläutet, es fließen wie-der Tränen.

RAG-Arbeitsdirektor Peter Schrimpf spricht als erster Redner den Anwesenden

aus der Seele: „Es ist ein schwerer Tag für uns, wir allen empfinden heute Trauer.“ Eine persönliche Botschaft richtet er an die Bergleute: „Ihr habt bis zum Schluss alles gegeben. Wir vom RAG-Vorstand sind stolz auf Euch!“

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie, nutzt den Augenblick, um noch einmal die Haltung seiner Gewerkschaft deutlich zu machen: „Die IG BCE wollte nie, dass der Berg-bau ausläuft. Die Entscheidung halten wir auch heute für falsch“, sagt er und be-kommt viel Beifall.

„Bergleute können eben alles, nur nicht aufgeben“, spricht ein emotional sehr bewegter Hans-Jürgen Becker, Be-triebsratsvorsitzender des Bergwerks Saar, aus, was viele denken. „Heute ist ein ganz schwarzer Tag, denn jetzt heißt es Abschied nehmen.“ Er kritisiert die po-litisch Verantwortlichen, die 2008 nicht hinter den Bergleuten gestanden hätten. Anhaltender Applaus.

Klaus Hiery, Präsident des Landesver-bandes der Berg-, Hütten- und Knappen-vereine des Saarlandes, versichert, dass die Bergbautradition weiterleben werde: „Der Barbaratag am 4. Dezember bleibt, daran werden wir festhalten.“

Nach den religiösen Gedanken von Bischof Dr. Stephan Ackermann und Oberkirchenrätin Barbara Rudolph ist dann endgültig die Stunde des Abschieds gekommen: Die in orangen Anzügen ge-klei deten Männer der Grubenwehr ziehen mit ihren Fackeln vor die Bühne. Noch so ein bewegender Moment. Um 22.40 Uhr ist endgültig Schluss. Der Bergbau an der Saar ist fortan Geschichte.

Peter Jacob

Der Andrang vor der großen Bühne war groß. Mehrere Tausend Menschen verfolgten eine bewegende Mettenschicht auf der Anlage Duhamel. Die Heilige Barbara stand den Bergleuten auch in den letzten Stunden bei |�Fotos:�D‘Angiolillo

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arbeitnehmer | Heft 5/2012

B E R G B A U A N D E R S A A R

Eine Tradition, die weiter gepflegt werden soll: Die Männer der Berg-, Hütten- und Knappenvereine durften bei der letzten Schicht nicht fehlen |�Foto:�D‘Angiolillo

Traurig und nachdenklich: Wie Klaus Dieter Woll ging es vielen in Ensdorf |�Foto:�D‘Angiolillo

Das bunte Farbenspiel passte zum würdigen Abschied |�Foto:�D‘Angiolillo Die letzte Grubenlampe... |�Foto:�D‘Angiolillo

Die Männer der Ensdorfer Grubenwehr als Fackelträger |�Foto:�D‘Angiolillo …und die letzte Saarkohle |�Foto:�D‘Angiolillo

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arbeitnehmer Heft 5/2012

E U R O P A

Europarat kritisiert Sozialkürzungen in der Krisenpolitik

Alarmruf aus Straßburg

Zur Verteidigung des europäischen Sozialmodells ruft der Europarat auf. Die Parlamentarier des Staatenbunds kritisieren die soziale Schlagseite der Sparpolitik in der Schuldenkrise. Die Demokratie werde gefährdet, wenn die Politik zusehends unter den Druck der Finanzmärkte gerate.

Für den Schweizer Delegierten An-dreas Gross ist die „Demokratie das Hauptopfer der Krise“, in vielen Staaten gerate die Politik unter den Druck der internationalen Finanzmärkte, klagt der Sozialdemokrat. „Die junge Generation wird der Krise geopfert“, ruft der italie-nische Konservative Luca Volontè zornig aus. Der slowenische Liberale Roman Ja-kic warnt, die in nicht wenigen Ländern dramatisch hohe Jugenderwerbslosigkeit berge „Sprengsatz“ für die Zukunft in sich, etwa für die Rentensysteme.

Der britische Labour-Deputierte Alan Meale erregt sich, dass viele Kommunen im Zuge der Krise zusehends finanziell ausbluten, und dies, wo doch gerade Städ-te und Gemeinden gefordert seien, die fa-talen Auswirkungen von wirtschaftlicher Rezession und staatlicher Austeritätspo-litik auf Ältere, Kinder oder Behinderte mit Hilfsprojekten sozial abzufedern. Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Linke) verlangt, ein „klares Signal“ an Regierungen und Parlamente auf dem Kontinent zu senden, Fehlentwicklungen bei der Sparpolitik zu korrigieren. Sozi-al schwache Gruppen dürften nicht die

Hauptlasten der Krise aufgebürdet wer-den, mahnt der deutsche Volksvertreter.

Im Straßburger Palais de l’Europe waren jüngst bei der Sommersession der Parlamentarischen Versammlung des Eu-roparats ungewohnte Töne zu vernehmen. Eigentlich ist es dessen Aufgabe, sich für freiheitliche Rechtsstaatlichkeit und po-litische Grundfreiheiten zu engagieren. Doch die drastischen sozialen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise wie der staatlichen Gegenstrategien, die in nicht wenigen Ländern breite Bevölkerungs-schichten treffen, haben selbst den pan-europäischen Staatenbund alarmiert. Die nachdrückliche Botschaft der 318 Dele-gierten aus den nationalen Abgeordne-tenhäusern der 47 Mitgliedsnationen: Die massive, vor allem auf Einschnitte im So-zialbereich zielende Sparpolitik „bedroht die sozialen Rechte“, und dies besonders bei den „am stärksten betroffenen Bevöl-kerungsschichten“.

So steht es in einer von Hunko im Auf-trag des Sozialausschusses eingebrachten Resolution, die zwar von manchen kon-servativen und liberalen Parlamentariern kritisiert, dann aber von einer breiten

|�Foto:�D‘Angiolillo

Mehrheit verabschiedet wird – und dies, obwohl Sozialdemokraten und Linke kei-ne Mehrheit haben, weswegen also auch viele Konservative und Liberale zuge-stimmt haben müssen.

Nun lassen sich soziale Rechte an-ders als etwa die Meinungsfreiheit oder die Wahrung rechtsstaatlicher Standards bei Prozessen vor dem Straßburger Men-schenrechtsgerichtshof, einer Einrichtung des Europarats, nicht einklagen. Das Parlament des Staatenbunds hat bei der schwierigen Suche nach einem Ausweg aus der Finanzkrise auch nicht das Ei des Kolumbus gefunden. Im internationalen politischen Konzert ist es jedoch durchaus von Gewicht, wenn eine Instanz wie der Europarat angesichts der sich verschär-fenden sozialen Probleme von steigender Arbeitslosigkeit bis wachsender Altersar-mut die Stimme erhebt und auf die Wah-rung sozialer Standards wie der Würde der Krisenopfer pocht – und dies eben parteiübergreifend.

Die Straßburger Abgeordneten fordern ein Ende der Kürzungen im Sozialbereich, Steuererhöhungen für Besserverdienen-de, Impulse zur Förderung eines nach-haltigen Wachstums mit der Schaffung „qualifizierter Jobs“, eine konsequente Regulierung des Finanzsektors und kon-krete Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugenderwerbslosigkeit. Vor allem beim Übergang von der Ausbildung in den Be-ruf müsse jungen Leuten gezielt geholfen werden. Die heranwachsende Generation dürfe nicht „mit Absichtserklärungen ab-gespeist werden“, insistiert der Italiener Volontè.

In der verabschiedeten Resolution Hunkos heißt es, nötig sei eine „tiefgrei-fende Neuorientierung der Sparprogram-me“, die sich nicht mehr in erster Linie auf Einschnitte bei Renten, Gesundheits-leistungen, Familienhilfen oder bei der Unterstützung für Behinderte konzentrie-ren dürften. Die Staatsverschuldung sei in vielen Ländern gestiegen, so der deut-sche Abgeordnete während der Debatte, weil die Regierungen kriselnden Banken helfen müssten, und da sei es ungerecht, zur Bewältigung der staatlichen Finanz-misere vor allem im sozialen Sektor zu streichen.

Dem Europarat ist es im Übrigen nicht zuletzt darum zu tun, die Demokratie nicht unter die Räder geraten zu lassen. Die Abgeordneten verlangen deshalb mehr Mitsprache der nationalen Parlamen te und auch Volksentscheide, wenn es um Krisenpolitik geht. Eine von dem Schwei-zer Gross vorgelegte und mehrheitlich ge-billigte Resolution mahnt, die Politik in die Lage zu versetzen, „das europäische Sozialmodell und die Freiheit der Bürger zu verteidigen“.

Karl-Otto Sattler

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E U R O P A

merken, wird die frühere Buswerkstatt, in Nachbarschaft des künftigen QBus II, von innen völlig umgekrempelt, dafür erst mal entkernt. Gerade mit diesem alten Bestandsgebäude aus der Eisenbahnzeit, schien die GIU lange Zeit nicht voranzu-kommen. Was die Fans und Macher des deutsch-französischen Theaterfestivals Perspectives allerdings freute. Denn so konnte das Festival die Halle zwischen-nutzen: als Theaterbühnen-Saal und gleichzeitig Festival-Club. Das brachte „Leben ins Quartier“. Und dafür sollte auch eine künftige Nutzung der Halle sorgen, so war es von Anfang an Ziel der GIU und ihres Geschäftsführers Jürgen Schäfer.

Denn aus der Entwicklung des Gewer-begebiets Saarterrassen in Burbach hatte die GIU eines gelernt: Ein reines Büro- und Dienstleister-Quartier ist nach 18 Uhr abends so gut wie tot. „Das wollten wir beim Quartier Eurobahnhof vermeiden, deshalb haben wir damals auch mit dem KuBa begonnen“, sagt GIU-Chef Schä-fer. Das KuBa, das Kulturzentrum am Eurobahnhof, das 2007 als Atelierhaus für bildende Künstler und kultureller Ver-anstaltungsort eröffnete, hat als kreatives Zentrum seitdem auf das ganze Quartier ausgestrahlt. Kreative, die man auch gern „Raumpioniere“ nennt, fördern, selbst mit geringen Investitionskosten, das Image, wie man in Metropolen wie Hamburg und Berlin schon lange weiß. „Im KuBa fin-den immer Aktionen statt, Ausstellungen, Vernissagen“, sagt Schäfer und ist darü-ber froh. Deshalb hat die GIU auch die ehemalige Sonderwerkstatt gleich dane-ben mit niederschwelliger Sanierung für Kreative zur Verfügung gestellt. Neben bildenden Künstlern und Vereinen hat sich auch die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Saar mit ihren Master-klassen für Architektur darin installiert. Als Ausgründung der HTW Saar ist hier inzwischen ein Unternehmen entstanden: die Modellwerkstatt Saar. „Sie hat einen innovativen Ansatz“, sagt Schäfer. In der Modellwerkstatt werden Produktionspro-zesse, die Firmen einführen wollen, vor-her simuliert und optimiert. Kreative und Innovation – für den US-Ökonom Richard Florida gehört das zusammen. Er stellte in seiner Theorie die These auf, dass das Vorhandensein einer „kreativen Klasse“ mitentscheidend sei für die ökonomische Stärke einer städtischen Region. Und löste damit den Hype um die Kreativwirtschaft aus, der mittlerweile auch die Landespo-litik an der Saar erreicht hat. Sie fördert ein „Zentrum für Kreativwirtschaft“, das ab September im KuBa als Anlaufstelle für junge Existenzgründer aus der Krea-tivbranche dient.

Doch für die Buswerkstatt brauchte die GIU eine Nutzung, die sich finanzi-

Das Saarbrücker Quartier Eurobahnhof

Das Viertel wächst

Nicht alles läuft wie ursprünglich geplant, doch mittlerweile füllen sich die Baulücken auf dem neuen Gelände hinter dem Saarbrücker Hauptbahnhof.

Dass sich in Saarbrückens neuem Stadtquartier Eurobahnhof nur wenig tue, kann man in diesem Jahr nicht mehr behaupten. Auf dem zehn Hektar gro ßen Gelände zwischen Hauptbahnhof und Rodenhof, das die städtische Gesellschaft für Innovation und Unternehmensför-derung GmbH (GIU) entwickelt, trifft man auf Baustellen in allen Ecken. Vom Ludwigskreisel kommend über die neue Rodenhofbrücke sieht man rechterhand zwischen den von Zacken gekrönten Au-ßenmauern des ehemaligen Lokschuppens neue Wände wachsen. Hier plant und baut der St. Ingberter Architekt Gerlando Giarrizzo zusammen mit einer Eigentü-mergemeinschaft ein sechsgeschossiges Bürohaus, das zwischen Alt und Neu eine spannende Verbindung stiften soll. Linkerhand leuchtet ein nahezu fertiger Neubau in der Sonne. Ein quadratischer Atriumbau, mit vier Geschossen nicht ganz so hoch wie der künftige Nachbar, doch mit 5.000 Quadratmetern Gesamt-fläche das bisher größte neue Gebäude im Quartier. Elf Millionen Euro hat die GIU hier investiert und vermietet den Bau an die Kassenärztliche Vereinigung (KV).

2012 wird das Jahr mit dem meisten Einweihungen im Quartier. Sogar Kunst gehört dazu. Noch heller als das Haus der KV strahlt im Kreisverkehr einige Me-ter weiter die aus stilisierten Toren zum

Rondell gefügte Skulptur des Künstlers Michael Sailstorfer. Ihr schmaleres Ge-genstück erblickt man vierhundert Meter weiter, am Ende der Europaallee. Auch sie wurde in diesem Jahr fertig, zugleich mit dem Nordterminal des Eurobahnhofs und dem Tagungs- und Bürohaus „Ent-rez!“, das der zentralen Verkehrsader des Quartiers einen gläsernen Abschluss ver-schafft.

Auf dem Weg dorthin passiert man ei-nen weiteren Neubau, der in diesem Früh-jahr seine Vollendung feierte: Der QBus, das erste Passivenergie-Bürohaus des Saarlandes, gleich neben dem schon 2010 bezogenen Medizinerhaus Medizeum. Bauherr des fünfgeschossigen QBus war die Ottweiler OBG-Gruppe im Verbund mit einer Investorengemeinschaft. Weil es für dieses 3-Millionen-Objekt mehr Nach-frage gab, als es auf seinen fast 2.000 Quadratmetern Nutzfläche bieten konnte, beginnt die OBG-Gruppe in Kürze mit dem Bau des noch ein Geschoss höheren QBus II, das auf der anderen Seite des Medizeums die nächste Baulücke an der Europaallee schließen wird. Einige Meter weiter baut demnächst ein Saarbrücker In-genieursbüro für den Eigenbedarf.

Und damit ist man mit der Aufzählung der Bauvorhaben, die schon begonnen haben oder in Vorbereitung sind, noch nicht am Ende. Von außen kaum zu be-

Im ehemaligen Lokschuppen entsteht ein Bürohaus, das Altes und Neues verbindet |�Foto:�D‘Angiolillo

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E U R O P A

ell allein trägt. Bei diesem Bestandsbau geht es nicht um Peanuts. „Die Halle hat 1.700 Quadratmeter auf einer Ebene, drei Ebenen sind aufgrund der Höhe möglich“, erklärt Schäfer. Lange Zeit verfolgte die GIU die Idee, aus dieser Halle eine „Schauwerkstatt“ für Oldtimer zu ma-chen. „Meilenwerk“ heißt das Vorbild, ein Erfolgskonzept in Berlin, München, Basel. Doch obwohl das Saarland die höchste Quote an zugelassenen Oldtimern habe, sagt Schäfer, fanden sich dafür nicht genügend Interessenten.

Das neue Konzept heißt: Gastronomie, Fitness, Wellness, Beauty und „Werk-lofts“: „Handwerk und Dienstleistung verbunden mit Wohnen für Inhaber oder Mitarbeiter – alles in einer Funktion und unter einem Dach“, wie die GIU auf ih-rer Homepage wirbt. Und das wird jetzt umgesetzt. Für 2,3 Millionen Euro lässt die GIU die Halle modernisieren, wobei der „Charme des Alten“ erhalten blei-ben soll – nach einem Grundkonzept der GIU-eigenen Architekten, zu denen man Markus Ott für die weitere Ausgestaltung der Planung hinzuzog. Schrittweise könne man dabei vorgehen, nennt Schäfer einen Vorteil, die Halle innen segmentweise auf die Bedürfnisse der späteren Nutzung auszubauen. In das erste Segment soll Erlebnis-Gastronomie auf drei Ebenen einziehen. „Wir hätten gern ein Konzept wie Vapiano, nur erweitert“, erläutert Schäfer. „Mit Live-Cooking-Stationen in der unteren Ebene, mit Themencountern, an denen live gekocht wird, vielleicht mexikanisch“. Oben soll es eine Galerie geben, von der aus man beim Essen in die Tiefe runterschauen kann, auch außen soll man sitzen können. Zurzeit sei man in Verhandlungen mit mehreren Brauereien, sagt Schäfer. Im nächsten Segment soll

ein Fitnesscenter-Betreiber einziehen, In der unteren Ebene sei dann der Fitnessbe-reich, in der Mitte Duschen, Umkleiden, oben Wellness, Beauty und ein großer Saunabereich. Kein MacBillig, sondern ein etwas exklusiveres Niveau, auch die Gastronomie solle etwas bieten, was es bisher in Saarbrücken noch nicht gebe. Denn nur so könne man an dem neuen Standort genügend Zugkraft entwickeln. Im April oder Mai 2013 sollen die beiden Einrichtungen bereits eröffnen. Für ein weiteres Segment hat die GIU laut Schä-fer gerade einen Vertrag mit einem be-kannten Unternehmen für Künstlerbedarf abgeschlossen, das bisher in Saarbrücken noch nicht vertreten war.

Inzwischen tritt die GIU verstärkt selbst als Bauherr auf. Als sie vor einigen Jahren das Tagungszentrum „Entrez!“, das damals noch „Vitrine de France“ hei-ßen sollte, selbst bauen wollte, wollte der Aufsichtsrat noch nicht, dass sie selbst investiert. Als die Stadt, nach einem po-litischen Mehrheitswechsel, sich dazu durchrang, die GIU zu entschulden, er-folgte damit auch ein Strategiewechsel. Dadurch dass die Stadt, die alleinige Ge-sellschafterin der GIU ist, die GIU-Schul-den übernahm und mit eigenen Kommu-nal-Krediten zu günstigeren Konditionen gegenfinanzierte, flossen 47 Millionen frisches Kapital in das städtische Ent-wicklungs-Unternehmen. Damit kann die GIU jetzt investieren, allerdings unter der strengen Maßgabe, wirtschaftlich zu sein. Dass muss sie jetzt beweisen, sowohl bei der Buswerkstatt als auch beim „Entrez!“ Dieses Tagungshaus sollte einmal fran-zösische Unternehmen anlocken, sich mit Geschäftspartnern in Saarbrücken zu treffen, nur 110 ICE-Minuten von Paris entfernt. „Wir haben alles versucht, haben Broschüren aufgelegt, Veranstaltungen in Paris gemacht, hatten einen Mitarbeiter,

der durch Frankreich getourt ist, aber wir haben es einfach nicht geschafft“, sagt Schäfer ganz offen. Nur noch der Name der Sailstorfer-Skulptur „Tor de France“ erinnert an diese Marketing-Idee, von der Schäfer meint, sie sei einen Versuch wert gewesen.

Das „Entrez!“ jedoch ist voll ver-mietet: größtenteils (1.000 qm) an die Saarbrücker Anwaltskanzlei Gottschalk & Partner, zwei weitere Dienstleister, wovon einer von außerhalb gekommen sei. Diese Mischung von ortsansässigen und neu angesiedelten Unternehmen fin-det sich auch in anderen Neubauten im Quartier. Dass viele Unternehmen nur innerhalb von Saarbrücken hierher umge-zogen seien, werfe man ihnen oft vor, sagt Schäfer. Dagegen argumentiert er: Man sollte bedenken, dass diese Unternehmen meist in das Quartier wechselten, weil ihre bisherigen Räumlichkeiten zu klein geworden seien. Man müsse auch etwas dafür tun, um Unternehmen, die wachsen und so neue Arbeitsplätze schaffen, am Standort Saarbrücken zu halten. Ein bun-desweiter Verband habe eine Option für eine Fläche direkt am Nordterminal, ein Familienunternehmen wolle gegenüber der KV bauen, mit drei weiteren sei man im Gespräch über größere Bauprojekte, zählt Schäfer auf, alle sind schon in Saar-brücken und wollen sich vergrößern oder Standorte zusammenlegen. Wenn daraus etwas wird, blieben nur noch „drei Rest-grundstücke und dann sind wir durch“, er-klärt der GIU-Chef. 2014 werde das letzte Grundstück verkauft sein, ist er gewiss. 30 Millionen Euro öffentlicher Mittel, in-klusive Landes- und EU-Förderung wer-den dann in das Quartier investiert sein, und das Vier- bis Sechsfache an Privatin-vestitionen generiert haben, sagt Schäfer. 1.200 Arbeitsplätze würden so im Quar-tier entstehen. Silvia Buss

Direkt neben den Gleisen steht das Gebäude der Firma AD Systems |�Foto:�D‘Angiolillo

„Tor de France“: Eine der beiden Skulpturen von Michael Sailstorfer |�Foto:�D‘Angiolillo

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arbeitnehmer Heft 5/2012

B I L D U N G

Praktika nach dem Studium werden zur Regel

Leistung ohne LohnIm Audimax an der Saar-Uni ging es um die Zukunft nach dem Studium. Ein Film mit anschließender Diskussion sollte auf die Unsitte der fortlaufenden Praktika aufmerksam machen.

Till ist seit Jahren Praktikant und wird wiederholt nicht in eine Festanstellung übernommen. Seinen Freunden Tamara und Toto geht es ebenso. Auch die ex-tra aus Frankreich angereiste Sydelia wird nicht für einen festen Job angestellt, sondern soll ein einjähriges Praktikum absolvieren. Eigentlich düstere Zukunfts-aussichten. Aber Till lässt sich nicht un-terkriegen und macht aus der Not eine Tugend: Er gründet mit Tamara und Toto eine Praktikantenberaterfirma, um die Be dingungen der Praktikanten zu verbes-sern und dabei eine nicht unerhebliche Provision einzustreichen. Trotz der Skep-sis von Tills Alt-68er-Eltern glaubt Syde-lia, in seiner Idee etwas Gutes zu sehen und will bei ihm in der Firma einsteigen.

Sie packt das Übel an der Wurzel, kri-tisiert das System und will einen Auf-stand der Praktikanten organisieren. Mit französisch-revolutionärem Geist und viel Elan versucht sie, Till auf ihre Seite zu kriegen und ihn von seinem Profit-Denken abzubringen. Er bleibt jedoch von Sydelias antiquiertem Bemühen, welches er nur zu gut von seinen kämpfe-rischen Eltern kennt, unbeeindruckt. Für ihn ist klar: Es geht um Umsatz, nicht um Umsturz!

Die Wirtschaft versucht unterdessen mit Hilfe des Moguls Magnum Tills ge-winnbringende Firma zu übernehmen und schüch tert die Praktikantenriege rigoros ein. Als Sydelia und Till merken, dass sie nicht mit- aber auch nicht ohne einander können, haben sich bereits die Praktikan-ten um sie herum formiert und sind bereit für den Gegenschlag: ein Praktikanten-Ge ne ralstreik, der ganz Deutschland lahm legen soll.

So etwas gibt es natürlich nur im Film. „Résiste – Aufstand der Praktikan-ten“ heißt er und stammt von 2009. Doch aktuell ist er immer noch, und deshalb lief er jetzt auch im Audimax in einer gemein samen Veranstaltung von Unifilm, DGB-Jugend und Arbeitskammer. Über das Ausmaß der unbezahlten Praktika und ihre Folgen wollten Experten der AK dann aufklären. Doch die Realität hat wenig mit Kino zu tun, und die meisten Studierenden zeigten nach dem Film kein Interesse an weitergehender Aufklärung. So gab es nur ein kurze Diskussion, in der Arbeitsrechtsexperte Timm Lau Betroffe-

nen riet, auf jeden Fall den ausstehenden Lohn einzuklagen. Denn zwei Drittel der Praktikanten verrichteten reguläre Arbeit, so Lau, „und deshalb haben sie Rechte wie normale Arbeitnehmer auch“. Dabei geht es etwa um Anspruch auf Urlaub oder reguläre Arbeitszeiten. Lau machte auch klar, dass Klagen durchaus Aus-sicht auf Erfolg haben. Dazu sollten sich Prakti kanten aber unbedingt fachmän-nischen Rat einholen, etwa bei den Be-triebs- und Personalräten der Unterneh-men oder bei der Arbeitsrechtsberatung der Arbeitskammer.

Praktika verdrängenreguläre Beschäftigung

Wie nah der Film an der Realität ist und den Nerv der Zeit trifft, zeigen die Zahlen, so Dr. Carolin Lehberger, Refe-ratsleiterin Wissenschaft und Hochschu-len bei der Arbeitskammer: 40 Prozent aller Absolventen haben innerhalb der ersten dreieinhalb Jahre nach Ende ih-res Studiums mindestens ein Praktikum durchlaufen. Davon sind rund die Hälfte unbezahlt, und selbst die bezahlten Prak-tika liegen nur bei durchschnittlich 550 Euro im Monat. „Dabei wird unter dem Label Praktikum zunehmend Missbrauch betrieben – denn Praktika verdecken oder

ersetzen immer öfter reguläre sozialver-sicherungspflichtige Beschäftigung“, betonte Lehberger. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, aber auch auf den Sozialstaat. Denn wenn keine Anwartschaften in der Sozial- und Rentenversicherung erworben werden, bedeutet dies Ausfälle in den Sozialver-sicherungssystemen, Mehrausgaben bei ALG II und letztlich für den Staat fehlen-

de Konsumkraft. Damit verursachen die ausufernden Praktika nach Lehbergers Ansicht erheblichen Schaden für die ge-samte Volkswirtschaft.

Die einzigen Profiteure bei diesem System sind die Firmen. Sie sparen Lohn und Sozialabgaben, erhalten dafür in der Regel aber qualifizierte Arbeit von hoch-motivierten jungen Menschen. Die wer-den von der Aussicht auf Praxiserfahrung gelockt, die sie in ihren sechssemestrigen Bachelorstudiengängen schlicht nicht erwerben konnten, erläutert die Hoch-schulexpertin. Und natürlich durch die Aussicht auf eine spätere Übernahme oder zumindest bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch diese Erwartung ist reine Spekulation. Oft reiht sich ein un-bezahltes Praktikum an das andere. Eine Zukunfts- und Familienplanung wird für die Betroffenen damit fast unmöglich.

Trotzdem scheinen sich die meisten, anders als im Film, relativ widerspruchs-los in ihr Schicksal zu fügen, so die Beob-achtung von Lehberger. Angelernte Ein-zelkämpfermentalität durch das Studium, Angst vor Repressalien und Unkenntnis über ihre Rechte mögen die Ursachen sein. „Dabei müssten sie sich eigentlich wie im Film solidarisieren und die Miss-stände bei ihrem versuchten Berufsein-stieg öffentlich machen“, mahnt Lehber-ger. Gabi Hartmann

Die aufständischen Praktikanten im Film von Jonas Grosch |�Foto:�Movienet

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U M W E LT

Die Geschichte der Ökologie-Bewegung

Die Signaturunserer EpocheWie die weltweite Umweltbewegung entstanden ist, darüber hat der Historiker Joachim Radkau ein Buch geschrieben. In der Stiftung Demokratie in Saarbrücken stellte er es jetzt vor.

Keine große Bewegung der neueren Zeit habe sich bisher so wenig für ihre eigene Geschichte interessiert wie die Umweltbewegung, hat der kürzlich eme-ritierte Bielefelder Historiker Joachim Radkau festgestellt. Er nahm das als He-rausforderung und schrieb ein Buch über die Weltgeschichte der Ökologie. Denn die Umweltbewegung ist kein rein deut-sches Phänomen, stellt er klar, vielmehr eine weltumspannende, „weltgeschichtli-che Macht“. Mehr noch ist sie für ihn, der sich seit 40 Jahren mit Öko-Themen beschäftigt, die Signatur unserer Epoche, da sie anders als Definitionen wie „Zeital-ter der Informationsgesellschaft oder der Globalisierung“ einen Sinnentwurf ent-halte, eine neue produktive Seite, die Welt zu sehen. „Die Ära der Ökologie – Eine Weltgeschichte“ betitelte Radkau deshalb sein rund 800 Seiten dickes Werk.

2011 erschienen und in Medien viel-fach gelobt, machte es den Historiker nach der Reaktorkatastrophe von Fuku-shima zu einem vielgefragten Referenten. Die kritischen Fragen, denen er sich seit-dem stellen musste, machte er zum Leitfa-

den seiner Buchvorstellung in der Stiftung Demokratie Saar. Auch auf die Schwie-rigkeiten, die sich ihm als Historiker vor-ab stellten, ging er ein. Wie soll man die Geschichte der ökologischen Bewegung erzählen? Im klassischen Historiker-Stil, merkte Radkau schnell, „funktioniert das nicht“. Zu disparat sei diese Geschich-te, von unterschiedlichsten Akteuren, Spannungen, Konflikten, aber auch er-staunlicher Konsensbereitschaft geprägt. Deshalb habe er sich entschieden, das Thema „zu umkreisen“, sich dabei an den Spannungen orientiert und unter anderem zwölf internationale „Heldinnen“ der Be-wegungen beschrieben, an denen sich die Spannungen besonders deutlich zeigten, wie etwa Petra Kelly.

Noch ein Problem: Wann etwa soll man den Anfang dieser Ära datieren? Im 18. Jahrhundert? Bei Rousseau, der Naturromantik oder um die Wende zum 20. Jahrhundert? Viele Einzelelemente, die die Umweltbewegung prägten, sagt Radkau, seien da schon vorhanden gewe-sen wie etwa Wald-, Wasser- und Land-schaftsschutz, gesunde Ernährung und

Den Einsatz für Landschaftsschutz und gesunde Ernährung gab es zwar schon früher, doch erst ab 1970 wurden diese und andere Forderungen gebündelt |�Foto:�D‘Angiolillo

Stadthygiene. Doch erst um 1970 gelang es, alle diese Themen zusammenzubrin-gen. Wie es dazu gekommen ist? Letzt-gültige Antworten habe er bis heute nicht, sagt Radkau. „Aber es war ein erstaunli-cher Vorgang.“ Erstaunlich präzise lasse sich der Beginn der Umweltbewegung, von Kalifornien bis Japan, auf diese Zeit datieren. Womit sich auch die Frage, ob die Ökobewegung nicht etwas „typisch Deutsches“ sei, leicht beantworten lässt. Der Earth Day am 22. April 1970, sagt der Historiker, „war so etwas wie eine Ouver-türe, da war ein bisschen Woodstock drin“ – und er fand in den USA statt. Im ersten Umwelttitel des Spiegels, 1970, wurden die Amerikaner als Vorbild hingestellt. „Am Anfang waren die Deutschen nicht vorne gewesen“, betont Radkau. Noch nicht mal bei der Anti-AKW-Bewegung, meint er. „Die erste Besetzung eines AKW-Bauplatzes fand im elsässischen Fessenheim statt, da waren die Franzosen vorne, auch wenn man das heute gar nicht mehr glauben mag.“

„Entspringt die populäre Ökologie einer kollektiven Angst, oder handelt es sich eher um eine neue Aufklärung?“, greift Radkau eine weitere Frage auf, die für Kontroversen sorgt. Wenn man nur bestimmte Einzelgruppen betrachte, da mögen irrationale Ängste eine zentrale Rolle spielen, aber nicht wenn man den großen historischen Rahmen sieht, lautet Radkaus Befund. Der Protest sei nicht von „durchgeknallten Wirrköpfen“ ausgegan-gen, sondern eindeutig von den geistigen Eliten. Zum Beispiel von der Internati-onalen Naturschutzorganisation IUCN, die die Rote Artenschutzliste begründe-te. Rachel Carson, die 1962 mit „Silent Spring“ über die Gefahren von Pestiziden für Ökosysteme eines der einflussreichs-ten Bücher des Jahrhunderts vorlegte, war Zoologin. Es habe außerdem zwar regio-nal viele kleine Giftskandale gegeben, wie etwa in Japan oder das saure Umkippen von Seen in Schweden, aber keinen öko-logischen Urknall, der der Umweltbewe-gung vorausgegangen sei, unterstreicht Radkau.

Ist die Ökobewegung eine Erfolgs-geschichte? Für Radkau ist dies gerade im Hinblick auf die ernüchternden Rio-Gipfel „die allerschwierigste Frage“. Man sollte sich vielleicht bewusst machen, was sie verhindern konnte, rät der prag-matische Optimist. Zu nennen seien etwa einstige Pläne der Sowjets, mit Atomkraft die Ströme Asiens in die Wüste Asiens umzuleiten oder auch die der USA, mit Atomwaffen den „Panatomic Canal“ zu bauen. Die Umweltbewegung habe doch eine „gewaltige Wende des Denkens“ bewirkt, so sein Fazit, aber man brauche einen langen Atem, vieles zeige sich erst auf lange Sicht. Silvia Buss

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arbeitnehmer Heft 5/2012

G E W E R K S C H A F T

IG BAU

Viele Baustellen

„Wir müssen die Binnennachfrage ankurbeln“, sagt Markus Andler. Der stellvertretende Regionalleiter der Indus-triegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Rheinland-Pfalz-Saar vertritt die Beschäf-tigten einer Branche, die fast ausschließ-lich in der Region aktiv ist. „Ein Haus, wird nicht im Saarland gebaut und dann exportiert...“, erklärt er einleuchtend die Unabhängigkeit von anderen Märkten. Der Gewerkschafter sieht insbesondere bei der Gebäudesanierung einen großen Nachholbedarf im Saarland, wobei er auf die energetische Sanierung abzielt, damit der CO2-Ausstoß gesenkt werden kann. „Wir haben 260.000 Wohnungen, die aus den Jahren 1950 bis 1970 stammen, knapp 180.000 Wohnungen wurden vor 1950 errichtet. Bei 440.000 Altbauwohnungen tickt also die Sanierungsuhr.“ Nach Be-rechnungen der IG BAU fließen bei ei-ner Investition von 50.000 Euro in Wär-medämmung an Gebäuden rund 12.000 Euro an Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag an den Staat zurück. Hinzu kämen rund 15.000 Euro Sozial-abgaben. „Jeder in den Bau investierte Euro bringt 54 Cent, an Einnahmen für den Staat“, nennt Andler durch das Pestel-Institut Hannover ermittelte Zahlen. Der Bund müsse für Wohnungs- und Haus-

|�Foto:�D‘Angiolillo

Die IG BAU in der Region fordert ein staatliches Programm zur energetischen Sanierung saarländischer Wohnungen, um die Binnenkonjunktur zu stützen. Außerdem sieht man großen Handlungsbedarf beim Straßen- und Kanalbau. Für die Bauarbeiter sei die Rente mit 67 nicht zumutbar.

besitzer Anreize schaffen, fordert Andler, der rund 6.000 Mitglieder aus den Berei-chen Bau, Gebäude, Forst, Malerei und Lackiererei sowie Floristik an der Saar vertritt. Derzeit werde zwar ein Programm beraten, doch im Vermittlungsausschuss des Bundes und der Länder habe zum zweiten Mal keine Einigung erzielt wer-den können.

Beim Straßenbau sieht der Gewerk-schafter ebenfalls Investitionsfelder der öffentlichen Hand. „Wegen der Schulden-bremse werden Gelder zurückgehalten“, warnt er. „Die IG BAU lehnt diese Schul-denbremse ab, weil es nur um das Sparen geht. Man kann sich auch kaputt sparen“, kritisiert Andler. Nach seiner Auffassung müssten im Land viele marode Kanäle grundlegend saniert werden. Hier ticke eine Zeitbombe. Ähnlich sehe das bei einigen Brückenbauwerken im Land aus. So könne er es nicht verstehen, dass auf der A6 bei St. Ingbert seit vielen Monaten eine Fahrspur wegen Brückenschäden ge-sperrt ist: „Ein Industriestandort wie das Saarland benötigt eine gute Infrastruktur. Da muss dringend gehandelt werden.“

Weiterhin ein Dorn im Auge der Bau-gewerkschaft ist das Thema „Rente mit 67“. Wenn Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sage, dass niemand bis ins hohe Arbeitsalter stark belastende Tätigkeiten ausführen müsse, weil er am Ende seiner Schaffenszeit ins Büro wechseln könne, „dann ist das fernab jeder Realität“, so Andler. Wobei die Forderung der IG BAU klar formuliert ist: „Wir sagen, dass jeder, der 44 Jahre gearbeitet hat, ohne Abschlä-ge in die Renten darf!“

Aktuell, so Andler, schafften lediglich 13 Prozent den direkten Übergang vom Berufsleben in die Rente. Bei vielen ent-stünden folglich Lücken. Die Erwerbs-minderungsrenten, die 2010 an Bauar-beiter ausgezahlt wurden, betrugen im Schnitt 640 Euro. 43 Prozent aller Anträ-ge auf diese Rentenart wurden abgelehnt. 48 Prozent der Bau-Rentner müssten Ab-schläge hinnehmen, so die Zahlen der IG BAU.

Der Gewerkschafter wünscht sich in diesem Zusammenhang ein „Tarifliches Altersübergangsgeld“, eine Altersteilzeit für seine Kollegen. Die vollen Renten-kassen sollten nicht geopfert werden, insofern plädiert er für die Beibehaltung des Rentenbeitragssatzes von 19,6 Pro-zent und lehnt die geplante Senkung auf 19 Prozent ab. Bei einem Beitragssatz von 19,9 Prozent ließe sich bis 2020 ein Plus von 95 Milliarden aufbauen. Andler: „Da-mit könnte der frühere Renteneintritt fi-nanziert werden.“ Von der saarländischen Politik wünscht er sich hierzu Initiativan-träge über den Bundesrat.

Für die Baubranche hat Andler eine Überalterung festgestellt. „Die Berufe auf dem Bau sind hart, im Sommer ist es heiß, im Winter kalt, oft gibt es wenig soziale Einrichtungen wie Umkleiden oder Toi- letten.“ Die Nachfrage ließe sich auch über bessere Löhne regeln, zum Beispiel bei der Übernahme nach der Lehre. Von den Arbeitgebern wünscht er sich mehr Unterstützung für die Auszubildenden, notfalls durch Nachhilfe. Peter JacobMarkus Andler von der IG BAU |�Foto:�D‘Angiolillo

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G E W E R K S C H A F T

Erfolgreicher Betriebsübergang in Neunkirchen

„Adieu weiße Ware“Vor einem Jahr wurde das Geschirrspülerwerk Bauknecht in Neunkirchen vom Automobilzulieferer ZF übernommen. Die IG Metall Neunkirchen dokumentiert in einer Broschüre den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze.

Unter das Motto „Es geht auch anders!“ hat die Neunkircher Verwaltungsstelle der IG Metall ihre 54-seitige Broschüre ge-stellt und pünktlich zum Jahrestag an die Belegschaft am Standort verschickt. Sie enthält die erstaunliche Geschichte, wie der gemeinsame Einsatz von Betriebsrat und Gewerkschaft die Arbeitsplätze am Standort des Wellesweiler Bauknecht-Werkes erhalten hat – wenn auch in einer anderen Branche.

1971 war das Werk in Neunkirchen gegründet worden, über 18 Millionen Geschirrspüler sind bis zum Betriebsende dort produziert worden, rund 1.300 Mitar-beiter waren in der Hochphase 1991 dort beschäftigt. 1982 macht der Bauknecht-Konzern Konkurs, die Firma Philipps, bis her als Gesellschafter dabei, über-nimmt das Neunkircher Werk. Zehn Jahre später wird der amerikanische Hersteller von Haushaltsgroßgeräten, die Whirlpool Corporation, Alleineigentümer. Schritt für Schritt werden dort nun Arbeitsplätze ab-gebaut, in drei Sozialplänen 500 Beschäf-tigte entlassen.

Doch „der beste Sozialplan bringt keine Arbeitsplätze“, das erkannten Betriebsrat und Gewerkschaft damals, erinnert sich

der 1. Bevollmächtigte Jörg Caspar, der gemeinsam mit dem 2. Bevollmächtigten und damaligen Betriebsratsvorsitzenden Stefan Biehl die Broschüre vorstellte. Und sie handelten entsprechend, bemüh-ten sich zusammen mit Werksleitung und Geschäftsführung um die Übernahme des Werks durch ein anderes Unternehmen. Zuerst hätten sie an einem Betrieb aus der „Weiße-Ware-Branche“ gedacht, später war sogar ein Unternehmen aus der So-larbranche im Gespräch.

Doch dann zeigte der Automobilzulie-ferer ZF Friedrichshafen AG Interesse an dem Gelände, um seine Produktionskapa-zitäten zu erweitern – und konnte schließ-lich überzeugt werden, auch den größten Teil der Belegschaft zu übernehmen. Bis 28. Oktober 2011 produzierte Bauknecht in Wellesweiler noch Geschirrspüler, zeit-gleich lief bereits der Umbau der Hallen für ZF. 240 der damals noch 288 Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter wurden über-nommen und im Saarbrücker ZF-Werk für ihre neue Aufgabe qualifiziert. Die restlichen 48 Beschäftigten gingen in den Vorruhestand. Die ganze gewerkschaftli-che Erfolgsgeschichte ist nun in der Bro-schüre nachzulesen. Gabi Hartmann

Rente erst mit 70?

Alfred Staudt: „Völlig aberwitzig“

Als „völlig aberwitzig“ und weltfremd kritisierte ver.di-Landesbezirks leiter Al-fred Staudt die Forderung der Jungen Union Südwest, aus Gründen des de-mografischen Wandels und sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels das ge setzliche Rentenalter auf 70 zu erhöhen. „Wer den Renteneintritt mit 70 propagiert, hat von der deutschen Arbeitswirklichkeit offenbar keine Ahnung.“ Schon heute sei nur jede/jeder zehnte 64-Jährige über-haupt noch sozialversicherungspflichtig be schäftigt. Vor allem körperlich und psychisch belastende Tätigkeiten könnten vielfach nicht bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Dies betreffe nicht nur Bauarbei-ter, son dern Krankenschwestern, Alten-pfleger, Erzieherinnen, Busfahrer, Müll-werker und viele andere mehr. Deshalb sei es ein Irrweg, das Renteneintrittsalter, losgelöst von der tatsächlichen Arbeitssi-tuation, zu diskutieren.

Wer potenziellem Arbeitskräftemangel vorbeugen wolle, müsse zunächst dafür sorgen, dass Deutschland ein attrak tiver Arbeitsmarkt wird. „Voraussetzung da-für ist die Einführung eines allgemeinen ge setz lichen Mindestlohnes, wie es ihn bei unseren westeuropäischen Nachbarn längst gibt. Wir brauchen gute Ar beits-bedin gungen und eine höhere Wertschät-zung von Dienstleistungsarbeit, damit sich mehr Menschen für diese Berufe in te-ressieren und von dieser Arbeit auch aus-kömmlich leben können“, so Staudt. red

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arbeitnehmer Heft 5/2012

G E W E R K S C H A F T

Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG)

Für faire Bedingungen In einem Pressegespräch hat die Gewerkschaft NGG Saar über Misstände informiert und ein Landesmindestlohngesetz wie in Bremen gefordert.

Die Zustände am Lyonerring, dem Zentrum der saarländischen Fleischwirt-schaft, sind seit gut einem Jahr bekannt. Teilweise bis zu 50 Prozent ersetzten in einzelnen Betrieben Leiharbeiter mit Werkverträgen dort die Facharbeiter. Das geht zu Lasten der Qualität, erklärte Mark Baumeister, Geschäftsführer der NGG-Region Saar, und nannte auch Namen: So habe die insolvente Firma Höll die Um-strukturierungen „auf dem Rücken der Mitarbeiter“ versucht. Mittlerweile aber schöpften sie wieder etwas Hoffnung, weil die Sanierung jetzt in Gang komme. Derzeit laufen Tarifverhandlungen.

Bei Schröder mit gut 500 Mitarbeitern liege der letzte Tarifabschluss schon vier Jahre zurück und habe nur ein Prozent betragen, so Baumeister. Das führe dazu, dass sich die Beschäftigten die eigenen Produkte nicht mehr leisten könnten. Auch hier wird verhandelt. Der nicht tarifgebundenen Firma Schwamm (400 Mitarbeiter) biete man seit zwei Jahren erfolglos eine Zusammenarbeit an. Dass Schwamm trotzdem auch den saarländi-schen Landtag beliefere, konterkariere die Bemühungen der Gewerkschaft, am Ly-onerring faire Bedingungen herzustellen.

Doch es ist nicht nur die Fleischwaren-industrie, die der NGG Sorgen bereitet. „Werkverträge sind ein Problem in der gesamten Lebensmittelindustrie“, erklärte

der Südwest-Chef der NGG, Uwe Hilde-brandt. Deshalb brauchte man dringend einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro. Das Bremer Landesmindest-lohngesetz sei hier ein Schritt in die richti-ge Richtung, sagte er und forderte es auch für das Saarland.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe klagt derzeit über Fachkräftemangel. Das wundere ihn überhaupt nicht, so der Ge-werkschafter, denn das Problem sei haus-gemacht. Statt sich zu beklagen, sollte die Branche vernünftige Löhne zahlen und eine qualifizierte Ausbildung anbie-ten. Eine Abbruchquote von 40 Prozent spreche eine deutliche Sprache. Und um über 30 Prozent habe die Nachfrage nach Rechtsberatung bei der Gewerkschaft zugenommen. So sei es etwa keine Sel-tenheit, erzählte Mark Baumeister, dass Auszubildende die Stunden in der Be-rufsschule am Wochenende im Betrieb nacharbeiten müssten. Als Fachkräftesi-cherung könne man ein solches Verhalten kaum bezeichnen.

Zum Schluss forderten die Gewerk-schafter eine Offenlegung der Förderpra-xis seitens des Landes im Bereich Tou-rismus. Bisher hätten dabei Tarifverträge offenkundig keine Rolle gespielt. So sei etwa die von der Jamaika-Regierung ge-förderte Kette Burger King aus der Tarif-bindung ausgestiegen. Gabi Hartmann

Zum dualen Ausbildungssystem gehört die Berufsschule dazu |�Foto:�D‘Angiolillo

Saarbrücken: ver.di lehnt

Sanierungstarifvertrag ab

StrukturellesProblem

Der Forderung des Landesverwal-tungsamtes an die Landeshauptstadt Saar brücken, im Zusammenhang mit der Genehmigung des Haushaltes 2012 ei-nen sogenannten Sanierungstarifvertrag zur Absenkung der Löhne der Beschäf-tigten abzuschließen, erteilte ver.di-Lan-desbezirksleiter Alfred Staudt eine klare Absage. Wie bereits im Februar 2010 gegenüber der Saarbrücker CDU- und FDP-Stadtratsfraktion formuliert, werde ver.di Forderungen nach Lohnkürzun-gen für die rund 1.700 Beschäftigten der Landeshauptstadt mit aller Entschieden-heit entgegentreten. Schließlich habe die Landeshauptstadt ein geltendes Tarifrecht durch die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV), das nach der Tarifeinigung im März 2012 eine Laufzeit bis Februar 2014 habe.

Staudt sagte, wer solche Forderungen formuliere, wolle an einem Pulverfass zündeln. Schließlich wäre dies durch die Landeshauptstadt nur durch einen Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberver-band (KAV) und somit aus dem Flächen-tarifvertrag zu realisieren und bedürfte der Unterschrift von ver.di. Dies würde sicher, wenn ver.di es nicht im Arbeits-kampf abwehren könnte, einen Flächen-brand in der Bundesrepublik entfachen.

Im Gegenteil fordert ver.di für die Be-schäftigten der Landeshauptstadt in der Bäderbetriebsgesellschaft Saarbrücken, die derzeit bis zu 50 Prozent unter Tarif vergütet werden, faire Tariflöhne durch die Einführung des Tarifrechtes des öf-fentlichen Dienstes. Das solle notfalls er-kämpft werden. In den letzten 20 Jahren hätten die Beschäftigten der Landeshaupt-stadt Saarbrücken bereits einen Abbau von 1.400 Arbeitsplätzen hingenommen und damit eine massive Arbeitsverdich-tung erfahren. Das Haushaltsdefizit der Landeshauptstadt Saarbrücken sei struk-tureller Natur. Weitere Streichungen im Personalbereich würden das Finanzpro-blem nicht lösen. Hier helfe nur eine grundlegende Gemeindefinanzreform, beispielsweise die Einführung einer Ge-meindefinanzsteuer, die die bestehende Gewerbesteuer ersetze. „Statt zu versu-chen die Beschäftigten der Kommunen weiter einzuschüchtern, sollte die Lan-despolitik lieber Vorschläge unterbreiten, wie die Einnahmeseite der saarländischen Kommunen gestärkt werden kann“, so Staudt abschließend. red

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T I P P S

Wege zur sinnvollen Altersvorsorge

Nicht alles für jeden

Die gesetzliche Rente wird künftig oft nicht mehr reichen. Um Altersarmut vorzubeugen, empfiehlt sich zusätzlich eine private Altersvorsorge.

Am Anfang jeder soliden Altersvor-sorgeberatung steht eine Bestandsauf-nahme über die aktuelle Lebens- und Versorgungssituation. Ist die Absiche-rung gegen wichtige Lebensrisiken durch entsprechende Versicherungen (Risiko-leben, Berufsunfähigkeit, Haftpflicht) angemessen und kostengünstig geregelt? Wie sieht die Lebensplanung (Familie, Immobilienfinanzierung) im Hinblick auf die vorgesehene Altersabsicherung aus? Dann erfolgt ein Kassensturz. Wie hoch ist die voraussichtliche Rentenlücke im Alter und welche Mittel stehen zur Ver-fügung, um sie weitgehend zu schließen?

Erst danach können geeignete Vorsor-gewege und -produkte auf ihre Zweckmä-ßigkeit untersucht werden. Viele Finanz-vermittler gehen den umgekehrten Weg, indem sie versuchen, ihr Vertriebspro-dukt als passend zu beschreiben, ohne auf die Lebenssituation oder die Risikomen-talität des Kunden einzugehen. Spätere Änderungen sind dann meist mit hohen Kosten verbunden. Daher ist es besonders wichtig, sich bereits vor Abschluss eines Altersvorsorgevertrages unabhängigen Rat einzuholen.

Hinsichtlich der Altersvorsorgewege und -produkte hat der Gesetzgeber ein breites Spektrum an staatlich geförder-ten und nicht geförderten Möglichkei-ten geschaffen. So kann die betriebliche Altersvorsorge ein wichtiges Standbein

neben der gesetzlichen Rente darstellen, insbesondere dann, wenn der Arbeitge-ber eine Zuzahlung leistet. Arbeitnehmer sollten sich daher in jedem Fall über ent-sprechende Möglichkeiten in ihrem Be-trieb informieren. Die Riester-Rente kann eine sinnvolle Zusatzrente darstellen, wenn die Förderquote möglichst hoch ist. Dies kann bei Familien durch meh-rere Kinderzulagen, bei Singles aufgrund eines hohen Steuervorteils der Fall sein. Auch sollte auf einen ertragsstarken und kostengünstigen Anbieter geachtet wer-den. Die Vertragsform (Banksparplan, klassische, fondsgebundene Rentenver-sicherung oder Investmentfondsspar-plan) sollte nach dem persönlichen Ri-sikoprofil bestimmt, kostengünstige und ertragsstarke Anbieter sollten bevorzugt werden. Die Basis- oder Rürup-Rente ist ein reines Steuersparmodell, das auf die Zielgruppe „Selbstständige“ zugeschnit-ten ist. Arbeitnehmer sollten daher bei ei-nem entsprechenden Angebot besonders kritisch sein und sich gegebenenfalls bei der Arbeitskammer steuerlich beraten las-sen.

Niedrig verzinste Banksparpläne ohne Riester-Förderung stellen zwar eine kos-tengünstige, jedoch ertragsschwache Al-tersvorsorge dar. Sie sind als langfristig angelegte Vorsorgeverträge auch eher ungeeignet. Kapitallebens- oder Renten-versicherungen, die nicht direkt staatlich

Wer seinen Lebensstandard im Alter halten will, muss rechtzeitig vorsorgen |�Foto:�D‘Angiolillo

gefördert werden, können in Betracht gezogen werden, wenn im Alter ein hö-herer Steuersatz erwartet wird oder die Verfügungsbeschränkungen der staatlich geförderten Produkte abgelehnt werden.

Eine Anlage in Einzelaktien oder In-vestmentfonds birgt hohe Risiken und empfiehlt sich bei der Altersvorsorge in der Regel nur als Beimischung. Über geeignete Produkte berät die Verbrau-cherzentrale. Schließlich sollte in der derzeitigen Niedrigzinsphase eine Immo-bilienfinanzierung in Betracht gezogen werden, wenn das erforderliche Eigenka-pital vorhanden und der Bau oder Kauf einer Immobilie geplant ist.

Viele Arbeitnehmer fragen angesichts der anhaltenden Krisenstimmung oft auch nach der Sicherheit ihrer Altersvorsorge. Betriebsrenten des Arbeitgebers sind über den Pensionssicherungsverein, Direktver-sicherungen über die Auffanggesellschaft Protector abgesichert. Bei der Riester- Rente ist gesetzlich vorgeschrieben, dass zum Auszahlungsbeginn mindestens die eingezahlten Beiträge und staatlichen Zu-lagen vorhanden sein müssen. Bankspar-pläne unterliegen der gesetzlichen Einla-gensicherung und einer möglichen zusätz-lichen freiwilligen Einlagensicherung der Bank. Während Versicherungsprodukte über die Auffanggesellschaft Protector abgesichert sind, stellen Investmentfonds Sondervermögen dar, das nicht in die In-solvenzmasse der Depotbank fällt. Eine weitere Absicherung der einzelnen Fonds besteht jedoch nicht. Werner Kiefer, Verbraucherzentrale

In einer gemeinsamen Veranstal-tungsreihe von Arbeitskammer und Ver braucherzentrale gibt Werner Kie-fer Tipps für eine sinnvolle Altersvor-sorge.• 6. September 2012, Saarbrücken,

Haus der Beratung, Trierer Straße 22• 10. September 2012, Neunkirchen,

Rathaus, Oberer Markt 16• 13. September 2012, Dillingen,

Rathaus, Merziger Straße 51• 17. September 2012, St. Wendel,

Un ternehmer- und Technologie zen-trum (UTZ), Werschweiler straße 40

• 20. September 2012, Merzig, Land-ratsamt, Bahnhofstraße 44

• 24. September 2012, Kirkel, AK- Bildungszentrum, Am Tannenwald 1Alle Termine von 19 – 21 Uhr.Weitere Infos (0681) 4005-243.

Tipps zur Altersvorsorge

Was sinnvoll ist

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arbeitnehmer Heft 5/2012

T I P P S

SZ-Telefonaktion

Aufgaben müssen dem Berufsbild entsprechenDreimal im Jahr stehen die Beraterinnen und Berater der Arbeitskammer am Telefon der Saarbrücker Zeitung für Fragen zum Arbeits- und Sozialrecht zur Verfügung. Diesmal gabAK-Juristin Samia Wenzl Auskunft zum Weisungsrecht des Arbeitgebers, zu Änderungen von Arbeitszeit und Arbeitsort, Abmahnungen und Versetzungen.

Frage: Ich arbeite seit neun Jahren in einem größeren Unternehmen mit meh-reren Standorten. Bislang war ich immer wohnortnah in derselben Niederlassung eingesetzt. Nun soll ich aus betrieblichen Gründen an einen Ort versetzt werden, der so weit von meinem Wohnort entfernt ist, dass ich nicht mehr täglich pendeln kann. Meine Familie sähe ich dann nur noch am Wochenende. Muss ich die Ver-setzung akzeptieren?

Antwort: Enthält Ihr Arbeitsvertrag ausdrücklich einen festen Arbeitsort, ohne dass sich Ihr Arbeitgeber den Ein-satz an einem anderen Ort vorbehalten hat, ist eine Versetzung ohne Ihre Zu-stimmung nicht ohne Weiteres zulässig, sondern bedarf eines Änderungsvertrages oder einer Änderungskündigung.

Ist Ihrem Arbeitsvertrag dagegen kein fester Einsatzort zu entnehmen, be-ziehungsweise hat sich der Arbeitgeber vertraglich die Versetzung an eine an-dere Niederlassung vorbehalten, darf er Ihnen grundsätzlich – vorbehaltlich der Mitbestimmung des Betriebsrats – einen anderen Arbeitsort zuweisen. Dies ergibt sich aus § 106 Gewerbeordnung, wonach der Arbeitgeber die Arbeitspflicht durch einseitige Weisungen näher ausgestalten darf. Allerdings muss er dabei auf schutz-würdige familiäre Belange, wie zum Bei-spiel die Kinderbetreuung, Rücksicht nehmen. Die Versetzung müssen Sie also nur akzeptieren, wenn eine sorgfältige Abwägung der beiderseitigen Interessen zu dem Ergebnis führt, dass aus dringen-den betrieblichen Gründen eine Verset-zung unumgänglich ist.

Frage: Laut Arbeitsvertrag bin ich als Personalsachbearbeiterin eingestellt. In letzter Zeit werde ich immer wieder auch in der Produktion eingesetzt. Mein Arbeitgeber beruft sich auf eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach er mir auch andere Aufgaben zuweisen kann. Muss ich wirklich alle im Betrieb anfallenden Arbeiten ausführen?

Antwort: Nein, das Weisungsrecht des Arbeitgebers beschränkt sich in Ihrem Fall auf die Zuweisung von Aufgaben, die dem Berufsbild einer Personalsach-bearbeiterin entsprechen. Tätigkeiten in der Produktion sind davon nicht erfasst. Nicht zu beanstanden sind vom Arbeitge-ber vorformulierte Klauseln, wonach ein Arbeitnehmer mit anderen, gleichwerti-gen Tätigkeiten betraut werden kann, die seiner Vorbildung und seinen Fähigkei-ten entsprechen. Unwirksam ist dagegen die Regelung in Ihrem Arbeitsvertrag, wonach Sie sich ohne Einschränkung ver-pflichten, sämtliche Arbeiten im Betrieb auszuführen. Berufsbildfremde Tätigkei-ten dürfen Sie also ablehnen, wenn nicht gerade ein echter Notfall (wie etwa die Aufräumarbeiten nach einem Rohrbruch) vorliegt, bei dem jeder Arbeitnehmer auf Grund seiner Treuepflicht dem Be-trieb gegenüber zur Mithilfe verpflichtet ist.

Rechtsassessorin Samia Wenzl ist in der Beratungsabteilung der Arbeitskammer auf Arbeitsrecht spezialisiert |�Foto:�D‘Angiolillo

Frage: Ich arbeite seit 15 Jahren in einem Restaurant. Mein Arbeitsvertrag sieht eine 40-Stunden-Woche bei einer Verteilung auf fünf Tage vor. Bislang ar-beitete ich immer montags bis freitags. Nach einem neuen Dienstplan werde ich neuerdings auch am Wochenende einge-setzt. Kann ich mich auf eine betriebliche Übung berufen und die Wochenendarbeit ablehnen?

Antwort: Ist Wochenendarbeit arbeits- oder tarifvertraglich nicht ausdrücklich ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber Sie anweisen, auch am Wochenende zu arbeiten. Weder Samstage noch Sonn- und Feiertage sind dem Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen. Vor aussetzung für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist allerdings eine behörd-liche Genehmigung, die bei Betrieben, in denen regelmäßig sonntags gearbeitet wird, wie zum Beispiel in der Gastrono-mie oder im Krankenhaus, vorliegt.

Allein die Tatsache, dass Sie bislang über viele Jahre hinweg nicht zu Wo-chenendarbeit herangezogen wurden, be-schränkt das Weisungsrecht des Arbeit-gebers nicht automatisch. Um sich auf einen geschaffenen Vertrauenstatbestand berufen zu können, müssen laut einschlä-giger Rechtsprechung außerdem beson-dere Umstände hinzukommen, die erken-nen lassen, dass der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht, in Ihrem Fall bezüglich eines Einsatzes am Wochenende, dauer-haft verzichten wollte.

Wie bei allen Fällen, in denen der Arbeitgeber von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht, muss er jedoch auch in Ihrem Fall die Grenzen billigen Ermes-sens und die Zumutbarkeit im Einzelfall prüfen.

Frage: Der Betrieb, in dem ich arbeite, möchte die Belegschaft verjüngen und übt seit einiger Zeit Druck auf ältere Mitar-beiter wie mich aus, einem Aufhebungs-vertrag zuzustimmen. Ich möchte jedoch bis zur Rente arbeiten und bin an einem Aufhebungsvertrag nicht interessiert, was ich auch mehrfach zum Ausdruck brach-te. Einer erneuten Einladung zu einem Personalgespräch zu diesem Thema folg-te ich nicht und erhielt daraufhin eine Abmahnung. Ist das gerechtfertigt?

Antwort: Diese Abmahnung brau-chen Sie nicht zu akzeptieren. Ein Per-sonalgespräch, das dem Ziel dient, den Arbeitnehmer zu einer von ihm bereits abgelehnten Vertragsänderung oder Be-endigung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen, beziehungsweise sogar zu drängen, darf abgelehnt werden. Die Teil-nahme an einem solchen Gespräch kann nicht durch Weisungsrecht erzwungen werden, wie das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 23. Juni 2009 klargestellt hat.

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T I P P S

Rutscht ein Arbeitnehmer in der Werkskantine (hier: Daimler-Werk Sin-delfingen) auf Salatsauce am Boden aus, stürzt und bricht sich dabei den Arm, ist das nicht als Arbeitsunfall einzustufen, für den die Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ein-springen müsste.

Mittagessen ist Privatsache, der Auf-enthalt im Betriebsrestaurant ist daher nur in Ausnahmefällen über den Arbeitgeber unfallversichert; der Weg vom Arbeits-platz zur Kantine und von der Kantine zurück zum Arbeitsplatz steht dagegen unter Versicherungsschutz.

Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2012 – Az: S 5 U 1444/11.

gri

Unfall in der Kantine

Pause ist Privatsache

Will ein Arbeitnehmer geltend ma-chen, er sei diskriminiert worden, und be-ruft er sich auf das Allgemeine Gleichbe-handlungsgesetz, so muss er für alle An-sprüche auf Schadensersatz die Zweimo-natsfrist des Gesetzes beachten. Wird eine Bewerbung abgelehnt, so beginnt die Frist in dem Moment, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juni 2012 – Az: 8 AZR 188/11. gri

Diskriminierung

Zweimonatsfrist beachten

Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Kündigung aufgrund eines Verdachts auszusprechen, so muss er vorher den Arbeitnehmer zu den Vorwürfen hö-ren. Die Einladung zur Anhörung muss den Gegenstand des Gesprächs beinhalten und den Mitarbeiter in die Lage versetzen, eine Vertrauensper-son hinzuzuziehen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. März 2012 – Az: 10 Sa 2272/11.

dgb-einblick

Verdachtskündigung

Arbeitnehmer vorher anhören

Berufskrankheiten

Meniskusschäden von Müllmännern gehören auch dazu

Müllmänner sind bei der Arbeit den gleichen Belastungen ausgesetzt wie Pro-fisportler. Meniskusschäden können daher als Berufskrankheit anerkannt werden.

Ein Müllwerker erlitt während seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Die medizinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte Schädigung im Meniskus. Die Berufsge-nossenschaft lehnte eine Entschädigung des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Erkrankung keine Unfallfolge sei. Es liege auch keine Berufskrankheit vor, da Müllwerker nicht entsprechenden Kniebelastungen ausgesetzt seien. Die Klage des Arbeitnehmers hatte Erfolg.

Nach dem Urteil des Hessischen Lan-dessozialgerichts ist die Berufsgenossen-schaft zur Anerkennung der Berufskrank-heit verpflichtet. Müllwerker sind bei ih-rer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Belastungen der Kniegelenke ausgesetzt. Dies resul-tiert aus der häufigen und erheblichen

Bewegungsbeanspruchung insbesondere beim Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf unebenem Untergrund. Solche Belas-tungen mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen liegen auch bei Ran-gierern sowie bei Hochleistungssportlern wie Fußball-, Handball- und Basket-ballspielern vor, deren Meniskuserkran-kungen als Berufskrankheiten anerkannt werden.

Entgegen der Annahme der Berufs-genossenschaft ist die Tätigkeit von Müllwerkern auch nicht von einem kon-trollierten Besteigen des Trittbretts – vergleichbar dem Benutzen einer Leiter oder Treppe – geprägt. Diese Vorstellung entspricht allenfalls den bestehenden Ar-beitsschutzbedingungen, nicht aber der alltäglichen Lebenswirklichkeit von Müll-werkern.

Urteil des Hessischen Landessozial-gerichts vom 7. Mai 2012 – Az: L 9 U 211/09. dgb-einblick

� |�Foto:�D‘Angiolillo

Mitbestimmung

Korrekte Information muss seinDer Unternehmer hat den Wirtschafts-

ausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten. Verspä-tete, unvollständige oder unterlassene Information des Wirtschaftsausschusses kann mit einem Verfahren nach dem Paragrafen 23 Absatz 3 des Betriebsver-

fassungsgesetzes geahndet werden. Nach dieser Vorschrift kann sogar ein Ord-nungsgeld oder ein Zwangsgeld gegen den Arbeitgeber verhängt werden, urteil-ten die Richter.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Ber-lin-Brandenburg vom 30. März 2012 – Az: 10 TaBV 2362/11. dgb-einblick

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arbeitnehmer Heft 5/2012

T I P P S

Regelmäßige Arbeitsstätte oder Auswärtstätigkeit?

Wichtig für die Steuer

2011 hat der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung zur regelmä-ßigen Arbeitsstätte geändert und in drei Urteilen entschieden, dass ein Arbeit-nehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte je Beschäftigungsverhältnis innehaben kann. Damit wurde das steu-erliche Reisekostenrecht vereinfacht. Die Finanzverwaltung hat mit BMF-Schrei-ben vom 15.12.2011 zur Anwendung der BFH-Urteile Stellung genommen. Es enthält Vereinfachungsregelungen zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeits-stätte beim Arbeitgeber und lässt auch die vollumfängliche Anwendung der neuen Rechtsprechung zu.

Demnach ist die regelmäßige Arbeits-stätte:▶ Der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätig-keit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine geschuldete Arbeitsleistung schwer-punktmäßig zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebs-stätte des Arbeitgebers, der der Arbeit-nehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern fortdauernd und immer wieder aufsucht.▶ Dieser Mittelpunkt der dauerhaft ange-Dieser Mittelpunkt der dauerhaft ange-legten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen und dem konkreten Gewicht der an dieser Ar-beitsstätte zu verrichtenden Tätigkeit des Arbeitnehmers. Entgegen der bisherigen Rechtslage sind somit also Art, zeitlicher Umfang und Inhalt der Tätigkeit mit ent-scheidend für die Frage, wo sich die regel-mäßige Arbeitsstätte befindet. Das bloße Aufsuchen der Tätigkeitsstätte reicht für die Annahme einer regelmäßigen Arbeits-stätte nicht aus.

Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann demnach vorliegen, wenn:▶ der Arbeitnehmer entweder durch-der Arbeitnehmer entweder durch-schnittlich einen ganzen Arbeitstag in der Woche ausschließlich in der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig wird oder ▶ der Arbeitnehmer regelmäßig 20 Pro-der Arbeitnehmer regelmäßig 20 Pro-zent seiner regelmäßigen Arbeitszeit in der betrieblichen Einrichtung des Arbeit-gebers tätig wird.

Barbara Scheidhauer leitet das AK-Referat Lohnsteuer |�Foto:�D‘Angiolillo

Dem Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ kommt im Lohn- und Einkommensteuerrecht eine zentrale Bedeutung zu. AK-Steuerexpertin Barbara Scheidhauer klärt auf, wann die Voraussetzungen gegeben sind und erklärt die steuerlichen Auswirkungen.

Nachfolgend ein paar Beispiele für Berufsgruppen, die eine regelmäßige Ar-beitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers haben:▶ Bauleiter, Poliere, Schachtmeister,

wenn sie den Betrieb regelmäßig zur Berichterstattung und Verrichtung vor-bereitender und abschließender Arbei-ten aufsuchen;

▶ Monteure, wenn sie im Betrieb die Montage vorbereiten;

▶ Handwerker im Baunebengewerbe (Bauschreiner, Installateure, Schlosser usw.), wenn sie in der betrieblichen Werkstatt vorbereitende Arbeiten aus-führen;

▶ Bauingenieure und Architekten;▶ Verkaufsfahrer, wenn sie am Betriebs-Verkaufsfahrer, wenn sie am Betriebs-

sitz ihre Fahrzeuge be- und entladen sowie über Inkassobeträge abrechnen.Keine regelmäßigen Arbeitsstätten

dagegen sind nach der neuen Rechtspre-chung: ▶ Bus-/Straßenbahndepots bei Bus-Bus-/Straßenbahndepots bei Bus-

fahrern bzw. der Betriebshof für den LKW-Fahrer;

▶ der Heimatflughafen einer Flugbeglei-der Heimatflughafen einer Flugbeglei-terin;

▶ öffentliche Haltestellen oder Schiffs-ffentliche Haltestellen oder Schiffs-anlegestellen ohne weitere Arbeitge-bereinrichtungen;

▶ betriebliche Einrichtungen von Kun-betriebliche Einrichtungen von Kun-den des Arbeitgebers, auch wenn der Arbeitnehmer beim Kunden des Ar-beitgebers längerfristig eingesetzt ist.Der Bundesfinanzhof hat entschieden,

dass ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nur eine re-gelmäßige Arbeitsstätte haben kann. Ist der Arbeitnehmer in mehreren betriebli-chen Einrichtungen des Arbeitgebers tä-tig, so ist der ortsgebundene Mittelpunkt seiner Tätigkeit nach folgenden Kriterien zu bestimmen:▶ Welcher Tätigkeitsstätte ist der Arbeit-Welcher Tätigkeitsstätte ist der Arbeit-

nehmer zugeordnet?▶ Welche Tätigkeiten hat der Arbeitneh-Welche Tätigkeiten hat der Arbeitneh-

mer an den einzelnen Tätigkeitsstätten wahrzunehmen?

▶ Welches konkrete Gewicht kommt die-Welches konkrete Gewicht kommt die-ser Tätigkeit zu?Das bloße Aufsuchen der Tätigkeits-

stätte reicht für die Annahme einer re-gelmäßigen Arbeitsstätte nicht aus. Der einen regelmäßigen Arbeitsstätte muss eine hinreichend zentrale Bedeutung ge-genüber den weiteren Tätigkeitsstätten zukommen. Kann keiner der Tätigkeits-stätten nach den oben genannten Kriterien gegenüber den anderen Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung zu-geordnet werden, liegt keine regelmäßige Arbeitsstätte vor, mit der Folge, dass es sich insgesamt um eine beruflich veran-lasste Auswärtstätigkeit handelt.

Hier einige Beispiele: 1. Eine Filialleiterin ist in ständigem

Wechsel in vier verschiedenen Filialen ih-res Arbeitgebers tätig. Keiner der Filialen kann gegenüber den anderen eine hinrei-chend zentrale Bedeutung beigemessen werden. Folge: Die Filialleiterin hat keine regelmäßige Arbeitsstätte, sondern sie übt insgesamt eine berufliche Auswärtstätig-keit aus.

2. Eine Filialleiterin ist für die Filia-len A, B und C zuständig. In der Filiale A hat sie ein eigenes Büro, von dem sie auch die organisatorischen Arbeiten für die Filialen B und C erledigt. Folge: Die Filialleiterin hat in der Filiale A ihre re-gelmäßige Arbeitsstätte, da aufgrund der dort erledigten Arbeiten der Filiale A ge-genüber den Filialen B und C eine hinrei-chend zentrale Bedeutung zukommt.

Liegt keine regelmäßige Arbeitsstätte vor, so sind die Fahrtkosten im Rahmen des Werbungskostenabzugs als Reisekos-ten mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer abzugsfähig und auch Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen kön-nen je nach Abwesenheitsdauer geltend gemacht werden. Im Falle der Firmen-wagengestellung ist für die Fahrten im Rahmen der Auswärtstätigkeit kein geld-werter Vorteil für den Firmenwagen zu erfassen. Barbara Scheidhauer,

Arbeitskammer

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T I P P S

Krankenhaus drängte Bewerber zum Kassenwechsel

Verbotene „Mitgliederwerbung“Gängige Praxis in einer Klinik im

Land Brandenburg: Wer sich dort um ei-nen Arbeitsplatz bewarb, erfuhr im Ein-stellungsgespräch, was vom Arbeitgeber als Bedingung für den Abschluss eines Arbeitsvertrags angesehen wurde. Eine gewisse Qualifikation vielleicht ... und darüber hinaus mussten die Bewerber zu-sagen, zu der Krankenkasse zu wechseln, deren Versicherungsnehmer überwiegend die Betten der Klinik belegten.

So erging es auch einer Bewerberin, die einen befristeten Arbeitsvertrag er-hielt: Beim Antritt ihrer Stelle kündigte sie ihrer Krankenversicherung und wurde Mitglied der Krankenkasse, die der Ar-beitgeber „empfohlen“ hatte. Später wi-derrief sie jedoch den Beitritt. Daraufhin wurde die Mitarbeiterin zu einem Perso-nalgespräch einbestellt, in dem man ihr „Boykott“ des Wechsels vorwarf. Ihr Ar-beitsverhältnis wurde nicht verlängert.

Wegen dieses dubiosen Vorgehens wandte sich die arbeitslose Frau an einen Wettbewerbsverband. Der verklagte das Krankenhaus auf Unterlassung derartiger

Praktiken und setzte sich beim Landge-richt Frankfurt an der Oder durch: Es ver-stoße gegen das Wettbewerbsrecht, wenn eine Klinik Mitarbeiter bzw. Bewerber um einen Arbeitsplatz unter Druck setze, damit sie die Krankenkasse wechselten.

Das Landgericht glaubte der ehema-ligen Mitarbeiterin, die (mittlerweile eine neue Stelle fand und) als Zeugin im Prozess aussagte. Es verbot diese Art der „Mitgliederwerbung“ und drohte dem Krankenhaus bei einem Rückfall Ordnungsgeld an. Ohne Erfolg legte das Krankenhaus Berufung gegen das Urteil ein und behauptete, hier handle es sich nur um einen Rachefeldzug der Arbeit-nehmerin, die sich für den Verlust des Arbeitsplatzes revanchieren wolle.

Das Oberlandesgericht Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Landge-richts. Es sei wettbewerbswidrig, Bewer-ber oder Mitarbeiter bei der Wahl ihrer Krankenkasse auf unsachliche Weise zu beeinflussen bzw. sie zu einem Wechsel zu drängen.

Beschluss vom 27.12.2011 gri

Berufskrankheiten

Hautkrebs beiDachdeckern

Die Vorstufe von bösartigen Verände-rungen der Haut, durch Sonneneinstrah-lung verursacht, ist als Berufskrankheit anzuerkennen. Ein Dachdecker war wäh-rend seines Erwerbslebens rund 40 Jahre lang auf Dächern der Sonneneinstrahlung aus gesetzt. Als sich bei ihm bösartige Ver-än derungen der Kopfhaut gebildet hatten, beantragte er die Anerkennung als Be-rufskrankheit. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag ab: Im Katalog der Be-rufskrankheiten-Verordnung fehle bislang eine solche Berufskrankheit.

Das Sozialgericht urteilte: Es bestehen keine Zweifel an dem ursächlichen Zu-sammenhang zwischen Sonneneinstrah-lung und bösartigen Hautveränderungen. Im konkreten Fall seien die Voraussetzun-gen eines Ausnahmetatbestands erfüllt, der die Anerkennung von Erkrankungen ermöglicht, die nicht ausdrücklich in der Verordnung stehen.

Urteil des Sozialgerichts Aachen, 16. März 2012, S6U 63/10 dgb-einblick

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B Ü C H E R

Generalkonsul erinnert sich

„Eine Form des Dialogs“

Im Jahr 2008 trat Philippe Cerf – nach vielen beruflichen Stationen in der ganzen Welt – sein Amt als Generalkonsul der Republik Frankreich im Saarland an. Da-mit kehrte er in gewisser Weise zu seinen Wurzeln zurück. Als Sohn einer lothringi-schen Familie in Luxemburg geboren ist er in besonderer Weise der Grenzregion verbunden. Dies hat sicher dazu beigetra-gen, dass er ein feines Gespür für die regi-onalen Themen und Probleme mitbringt. Seine Aufgabe verstand er selbst als eine Form des Dialogs, mit der saarländischen Bevölkerung und ihrer Regierung.

Und so lag es nahe, als Rahmen für sein Buch die Gesprächsform zu wählen, um so über seine vielfältigen Aufgaben und Interessen zu berichten. Den Dialog mit Bettina Hanstein begleiten Texte aus seiner Feder: Aufsätze, Reden, Inter-views, die einen Überblick bieten über sein Wirken im Saarland. Kernpunkt ist dabei stets die Hoffnung auf dauerhafte Verständigung und Zusammenarbeit. Ge-rade in der aktuellen Krise sieht er darin – mehr denn je – die Aufgabe eines Dip-lomaten. Im Herbst beendet Cerf seinen Dienst im Saarland und wird Gesandter der französischen Botschaft in Warschau.

Philippe Cerf: „Meine Jahre als Fran-zösischer Generalkonsul an der Saar. Er-innerungen. Gespräche. Texte“, Gollen-stein-Verlag, Merzig, in deutscher und fran zösischer Sprache, 208 Seiten, gebun-den, ISBN 978-3-86390-005-2, 19,90 Euro. red

Band 2 der RAG-Reihe

„Epochale Herausforderung“

Nach dem ersten Band mit den Bil-dern aus den Archiven der RAG ist jetzt der zweite Band erschienen. 15 namhaf-te Autoren sind in zwölf umfangreichen Beiträgen die Aufgabe angegangen, eine Gesamtdarstellung der vielfältigen berg-baulichen Prägungen der Geschichte des Landes, seiner Landschaften, seiner Wirt-schaft, Kultur und seiner Gesellschaft vor-zulegen. Pohmer betonte bei der Buch-vorstellung: „Die Publikation ist zugleich auch eine Würdigung der historischen Leistungen und Verdienste der saarländi-schen Bergleute. Auch wenn der Bergbau jetzt geht, wird er noch lange allgegen-wärtig bleiben. Bergmännische Werte, Traditionen und Tugenden, Musik und Sprache sind tief in der saarländischen Kultur verankert. Sie sind das kulturelle Vermächtnis der Bergleute für kommende Generationen.“

Auf über 600 Seiten mit vielen Illus-trationen, ergänzt von Statistiken und Übersichten, wird damit eine einzigarti-ge Gesamtdarstellung des saarländischen Steinkohlenbergbaus veröffentlicht. Den Auftakt macht dabei der ehemalige saar-ländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt, der über „Das Ende des Stein-kohlenbergbaus im Saarland als epochale Herausforderung“ schreibt.

Prof. Dr. Karlheinz Pohmer (Hrsg.): „Der saarländische Steinkohlenbergbau – Dokumentation seiner historischen Be-deutung und seines kulturellen Erbes“, Krüger Druck und Verlag, Dillingen 2012, 600 Seiten, ISBN 978-3-9814952-1-8, 51 Euro. red

Leben ohne Plastik

Bericht über ein Experiment

Es war an einem Septembertag 2009. Da besuchte Sandra Krautwaschl die Pre miere des Films „Plastic Planet“ von Werner Boote. Und das änderte das Le-ben der Physiotherapeutin grundlegend. Denn die Dokumentation zeigt eindring-lich, „wie sehr unsere Welt von Plastik durchsetzt ist und im Plastikmüll zu ersti-cken droht“, so Krautwaschl im Vorwort ihres Buches. Vor allem regte sie sich auf über einen Industriezweig, der sich skru-pellos auf Fir mengeheimnisse beruft, um die schädlichen Inhaltsstoffe seiner Pro-dukte nicht preisgeben zu müssen. Ren-dite geht ihnen über die Gesundheit ihrer Kunden und den Naturschutz.

Also entschloss sich die dreifache Mutter gemeinsam mit ihrem Mann, das Experiment zu wagen: Ein Leben ohne Plastik müsste doch möglich sein. „Lehr-reich und aufregend, anstrengend und lustig“ seien diese zwei Jahre gewesen, zieht sie in ihrem Erfahrungsbericht Bi-lanz. Denn als einfach erwies sich der Versuch wahrlich nicht. Vom Zähneput-zen übers Saubermachen, vom Einkaufen bis zum Aufbewahren von Lebensmitteln, vom Spielzeug bis zum PC mussten alter-native Lösungen gefunden werden. Ein aufschlussreiches und trotzdem vergnüg-liches Buch.

Sandra Krautwaschl: „Plastikfreie Zone. Wie meine Familie es schafft, fast ohne Kunststoff zu leben“, Heyne 2012, Taschenbuch, 288 Seiten, ISBN 978-3-453-60229-8, 8,99 Euro. GH

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K U LT U R

Museum Haus Ludwig zeigt den unbekannten Busch

Der Mann hinter den Bildergeschichten

In Saarlouis präsentiert eine Ausstellung Leben und Werk des Malers Wilhelm Busch. Berühmt wurde er vor allem durch seine bissig-heiteren Zeichnungen. Doch er hatte auch andere Seiten.

Er war ein Mann, der in „so ziemlich dem aufregendsten Jahrhundert in der Geschichte Europas gelebt hat“, stellt die Stimme aus dem handtellergroßen mul-timedialen Alleskönner fest, der sich als Begleiter durch die aktuelle Ausstellung im Museum Haus Ludwig für Kunst-ausstellungen in Saarlouis empfiehlt. In Buschs Jugend rumpelte noch die Post-kutsche durch die Lande, während der alte Busch auf vier Rädern über die Straßen fuhr. Ein Zeitalter, gerade recht für einen, der ebenfalls auf seinem Gebiet Gewalti-ges erreichte: „Buschs Bilder waren ein Quantensprung. Danach war die Welt an-ders“, sagt einer, der es wissen muss, der nicht weniger mit seinen Zeichnungen die Welt bewegende Tomi Ungerer.

Doch wer ist dieser Mann, der so po-pulär ist bis heute, dass er die Generatio-nen zusammenbringt? Ein schlechter Ge-schäftsmann oder zumindest jemand, der seinem Erfolg nicht traute. Denn Wilhelm Busch verkaufte seine wohl berühmteste Bildergeschichte „Max und Moritz“ für 1.000 Gulden an seinen Verleger. Das war zwar seinerzeit eine stattliche Summe, aber gemessen an dem, was die Streiche der beiden Knaben bis heute einbringen, geradezu kläglich. 1908, im Todesjahr

Buschs, war die Geschichte bereits in 400.000 Exemplaren verkauft. Aktuell sind Übersetzungen in 200 Sprachen und Dialekten davon in Umlauf.

Dabei steckt viel Autobiografisches darin, wie die Ausstellung zeigt. Sie wirft einen Blick hinter die Kulissen und dreht den Zeichenstift um. Die in Zusam-menarbeit mit dem Deutschen Museum für Karikatur und Zeichenkunst von der Olaf-Gulbransson-Gesellschaft entwi-ckelte Ausstellung lenkt den Blick auf den Mann am Ende des Zeichenstiftes, der bei seinem Onkel, einem Pfarrer, in ver-schiedenen Käffern aufwuchs. Die Öde und der Mangel an Unterhaltung mögen den Knaben Wilhelm zu Naturstudien, etwa dem „strickenden Schäfer“, geführt haben. Jedenfalls schulte er sein Zeichen-talent und arbeitete mit seinem Freund, einem Müllerssohn, an den Vorlagen für die Streiche von Max und Moritz, wenn sich beide freudvoll im Matsch wälzten. Daraus wurde später der sechste Streich, doch bis dahin hatte Wilhelm Busch noch einiges zu erledigen.

„Viel guter Wille, etwas flüchtig“, at-testierte man ihm an der Polytechnischen Schule in Hannover, an der er ein Maschi-nenbaustudium aufnahm. Die Ausstellung

Unverkennbar Wilhelm Busch: Max und Moritz, 1865 |�Foto:�©�Wilhelm�Busch�–�Deutsches�Museum�für�

Karikatur�und�Zeichenkunst,�Hannover

legt neben den frühen Zeichnungen in der Jugend, die bereits den begabten, aber noch einigermaßen braven Porträtisten vorstellten, auch die Zeugnisse seiner Ausbildung, die sich als wild bewegt er-wies. Das Maschinenbaustudium brach er ebenso ab wie das Malereistudium an den Kunstakademien Düsseldorf, Antwerpen und München, worauf die Ausstellung mit allerlei Zeugnissen in Bild und Wort Bezug nimmt.

Doch das ist kein Ausdruck des Versa-gens eines unsteten Zeitgenossen, sondern viel mehr notwendig für die Erfindung der Bildergeschichte. Bei Busch durfte es im-mer etwas lustiger zugehen, wenn er für einen Freund, den Heraldiker Friedrich Warnecke, Wappen zeichnete und deren Symbole rustikal mit „zwei Läusekäm-me“ oder „drei Käsemesser“ bezeichnete. Das nahm er ebenso mit wie das Studium der niederländischen Malerei des 17. Jahr-hunderts in den Gemäldegalerien während seiner Antwerpener Zeit. Aus vielen ein-zelnen Erfahrungen und Fertigkeiten hat er das Beste für sich gemacht und ist dabei unvermindert aktuell geblieben.

„Meine Genre ist Genre“, erklärte Busch, der immer auch Maler blieb und hier den schnellen Strich des Zeichners auf Leinwand übertrug, worauf die Aus-stellung nach der großen Busch-Schau von 2000 in Saarlouis noch einmal hin-weist. „Die aktuelle Ausstellung kann man durchaus als deren Fortsetzung ver-stehen. Nur stellen wir nun den Mann hin-ter den Bildergeschichten vor“, sagt dazu Museumsleiterin Dr. Claudia Wiotte-Franz. Dessen Einfluss auf die Bilderge-schichte und den Comic ist unumstritten, ob auf Feiningers „Katzenjammerkids“, die als Vorbilder für Walt Disney dienten, oder für den Busch-Zeitgenossen, den aus Saarlouis stammenden Rudolf Hesse, er-innert Claudia Wiotte-Franz. Um Busch kennenzulernen, bietet das Museum alte und neue Medien mit einem Video-Guide auf, der zusätzlich zu den Blättern, Ge-mälden und Reliefen das Leben Buschs mit Videos übers Drucken sowie dem Vortrag von Briefen und Geschichten kurzweilig erzählt. Sogar den Grund, von dem buchstäblich alles ausging, hat man nach Saarlouis geholt: den Schreibtisch Buschs, der ihn auf allen Stationen seines Lebens begleitete. Auch hier darf der Be-sucher hinter die Kulissen, genauer unter die Tischplatte schauen. Denn dort steht der Name.

Ausstellung im Museum Haus Lud-wig in Saarlouis bis zum 9. September. Öffnungszeiten dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr. Samstags, sonntags, feiertags von 14 bis 17 Uhr. Katalog: 12,50 Euro. Infor-mationen zum Rahmenprogramm unter www.saarlouis.de Sabine Graf

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den damaligen Forbacher Bürgermeister bereits zu Visionen beflügelte, über ein Museum hinausgehend auch Forschungs-einrichtungen für neue Energieformen auf dem Gelände anzusiedeln.

2006 verblüfften die Lothringer ihre saarländischen Nachbarn erneut: Mit „La Mine“, dem Schaubergwerk, das man für mehrere Millionen Euro hinter dem Direktionsgebäude neu errichtete, in ei-genwilliger Architektur. In überirdischen Metallröhren simuliert es erstaunlich au-thentisch die Förderung unter Tage. 2012 folgt nun die notwendige Ergänzung: ein Museum, das die Menschen des Berg-baus in den Blick nimmt und ihre Ge-schichte der Nachwelt erlebbar macht. Ein „Musée les Mineurs“ mit 1.800 qm Ausstellungsfläche, zudem ein Museum von nationalem Rang (Musée de France). Finanziert wird es mit je 1,071 Millionen Euro von Staat und Region, 1,2 Millionen Euro kommen vom Europäischen Regi-onalentwicklungsfonds, 300.000 Euro via Denkmalstiftung vom Sponsor Total und 650.000 Euro beträgt der Eigenanteil des Zweckverbands der Kommunen. Er-gibt zusammen 4,2 Millionen Euro. Ein Budget, das den Museums(um)bauern in Petite-Rosselle offenbar reichte, um je-den Anschein von Spar- und Knauber-Lösungen auszuschließen, wie sich bei einer Vorbesichtigung mit Gérard Bruck, dem Zweckverbands-Präsidenten, zeigt.

Von außen begrüßt einen das Direk-tionsgebäude in neuem pastellfarbenem

Das „Musée les Mineurs“ im Carreau Wendel

Modernes Ambiente,nostalgische GefühleIm lothringischen Petite-Rosselle hat auf dem Gelände der ehemaligen Grube Carreau Wendel nun ein weiteres Museum eröffnet. Es will den Mensch im Bergbau in den Mittelpunkt stellen und das vorrangig zwischen 1950 und 1980.

Wer das Carreau Wendel in Petite-Rosselle zuletzt vor zwei oder mehr Jah-ren besucht hat, wird sich verwundert die Augen reiben. Das Direktionsgebäude, das von jeher als Empfangsgebäude für die Besucher diente, die die größte na-hezu vollständig erhaltene Bergwerks-Anlage Frankreichs besichtigen wollten – es ist kaum wiederzuerkennen. So sehr erstrahlt es außen wie innen in neuem Glanz. Die Straßburger Architekten vom Büro DWPA, die das Gebäude zum Mu-seum für die Geschichte der Kohle, Le-ben und Arbeit der Bergleute umgebaut haben, haben ganze Arbeit geleistet. Und die ist geglückt. Doch zunächst ein Blick zurück:

1866 war auf dem Carreau Wendel erstmals Kohle gefördert worden, 1986 wurde die Förderung eingestellt. Wie vie-le Pläne waren nicht seitdem geschmie-

det, wie viele Konzepte vorgestellt wor-den, um das Areal als „Musée du Bassin Houiller Lorrain“ herzurichten und zu beleben! Mehrere Konservatoren und ein rühriger Verein mühten sich redlich, stell-ten im Direktionsgebäude Ausstellungen etwa zum St.-Barbara-Kult auf die Beine, zeigten Filme und Tanzaufführungen. Al-lein, weil den Lothringern das große Geld fehlte, wirkte alles recht improvisiert.

Im Jahr 2000 kam erstmals Schwung in die Sache. Die Gemeindeverbände Forbach und Freyming-Merlebach, die sich zum Zweckverband Carreau Wen-del zusammengeschlossen hatten, zogen staatliche Förderung für ein Großprojekt zur frankreichweiten Jahrtausendwende-Feier an Land, renovierten (4,7 Millionen Euro) damit die Kohleaufbereitungsan-lage und präsentierten die große Expo „Abenteuer Arbeit“. Ein erster Coup, der

Das Gelände des Carreau Wendel aus der Luft, im Vordergrund in der Mitte der neue Museumskomplex |�Foto:�D‘Angiolillo

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Putz. Die Treppe zur ehemaligen Lohn-halle ist verschwunden – nicht nur der Zugang, das ganze Museum ist vorbild-lich barrierefrei. Öffnet man die Tür, schaut man in ausdrucksstarke Gesichter von weiblichen und männlichen Berg-arbeitern aus den 50er Jahren. Silbern schimmernd und in Edelstahl gefasst, wirkt diese Schwarz-Weiß-Fotogalerie sehr elegant. Ein Eindruck, der sich in der Lohnhalle, dem eigentlichen Entrée zum Museum, fortsetzt.

Hier findet man erste Informationen über die Entstehung der Kohle im Car-bon, ihre Sorten und den Verwendungs-zweck. Die meist von hinten beleuchteten Schautafeln und die Glasvitrinen sind im ganzen Museum in schwarzes Holz ein-gefasst. Das von der Straßburgerin Natha-lie Moutinho gestaltete Museumsmobili-ar mit integrierten Lampen, Hörstationen und Sitzmöglichkeiten wirkt wie aus ei-nem Guss und sehr geschmackvoll. Jedes einzelne Mobiliar, jede Textzeile musste von Paris abgesegnet werden, so viel zu den Qualitätsansprüchen eines „Musée de France“.

Durch ein Drehkreuz gelangt man in einen langen Flur, in diesem werden die Entdeckung der Saar-Kohle, die Entwick-lung der Technik und des Kohlereviers mit seinen wechselnden Grenzverläufen bis hin zum Bergbauende, die Immigrati-on und die Familie Wendel thematisiert. Das ist viel und alles leider etwas knapp gehalten. Durchgängig dreisprachig, eng-lisch, französisch und deutsch, sind die Texte in diesem Museum, durchgängig kurz und leider staubtrocken, wie Lexi-konartikel. Weiter zu den Brausegängen, die dokumentieren, wie die Bergbauge-sellschaften für ihre Arbeiter und deren

Familien sorgten: mit Krankenhäusern, Milchausgabe für die Kinder, Ferienko-lonien. Auch hier kurze Texte, dafür viele Bilder, alte Filmaufnahmen auf mit zahl-reichen Monitoren bestückten Wänden. Das wird bei manchen Besuchern nostal-gische Gefühle wecken.

Der Fokus des Museums liegt auf den 1950er bis 1980er Jahren, erklärt Bruck. Um das Alltagsleben geht es in der Um-kleide der Steiger. Sich waschen, ernäh-ren, ausruhen, feiern sind die Abschnitte überschrieben. Versinnbildlicht wird das durch eine alte Kneipentheke, diverse Kohleherde und Omas Waschmaschi-nen, aneinandergereihte Exponate wie aus dem Heimatmuseum – hier hätte man sich doch mehr gewünscht, etwa Hörsta-

tionen mit Zeitzeugenberichten. Die soll es zumindest in der Abteilung Bergbau-berufe noch geben. Bei über 300 Berufen tut Beschränkung Not: Sechs von unter Tage und sechs von über Tag werden bei-spielhaft in einer früheren Waschkaue in Einzelkojen illustriert. Hier entdeckt man auch die meisten und spektakulärsten der insgesamt 160 historischen Exponate des Museums, etwa eine sieben Tonnen schwere Druckluftlok oder ein Teufe-messgerät aus dem Saarland.

Lobenswert, dass man einige Räume im „Rohzustand“ beließ. Die Lampen-stube etwa, in der noch die alten Akku-Ladewände stehen, neben historischen Grubenlampen in Vitrinen. Auch die Schwarz-Weiß-Kaue, in der man die Klei-dung der Arbeiter an den Ketten baumeln sieht. Es ist der Raum mit der stärksten Aura. Um ein einladendes Museum zu schaffen, war es gleichwohl richtig, die meisten Räume zu modernisieren. Mit hellem Holz und Wandfarben in Lila oder auch Orange setzte man in Fluren, Toilet-ten und der Cafeteria belebende Akzente. Die Aufenthaltsqualität auf dem Carreau Wendel hat sich mit dem neuen Musée les Mineurs um einen Quantensprung er-höht. Auch im 150 Hektar großen Außen-bereich soll sich noch viel tun.

Bleibt die Gretchenfrage: Wie aber ist es nun eigentlich um die Erzählqualität des neuen Museums bestellt? Da hätte man doch mehr Lebendigkeit erwartet. Wie gut, dass das Museum 21 ehemalige Bergleute beschäftigt, die Besucher auf Wunsch führen und laut Bruck auch be-reit seien, von sich zu erzählen.

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 9 bis 18 Uhr, weitere Infos unter www.musee-les-mineurs.fr

Silvia BussDie Kohleherde und Omas Waschmaschinen sind ein bisschen wie im Heimatmuseum aufgereiht |�Foto:�D‘Angiolillo

Eindeutig der Raum mit der stärksten Aura: die Schwarz-Weiß-Kaue mit der Arbeitskleidung der Bergleute an Ketten |�Foto:�D‘Angiolillo

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A K - I N T E R N

Hans-Joachim Kühner, ehema-liger Justitiar und Leiter der Rechts-abteilung der Ar-beitskammer, ist Ende Juli im Alter von 83 Jahren ge-storben. Kühner war von 1962 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1992 in Diensten der Arbeitskammer. In dieser Zeit wurde das Beratungswesen umfassend ausgebaut. Er war Referent im AK-Bil-dungszentrum Kirkel sowie Dozent an der Akademie für Arbeit und Sozialwesen und bei der Fachhochschule des Saarlandes. Ei-nen Namen machte sich der in Völklingen geborene Jurist auch als Autor zahlreicher Broschüren. Von 1969 bis 1981 war Küh-ner zudem Vorsitzender des Personalrats der Arbeitskammer. red

AK-Zukunftsforum diskutiert Jahresbericht

„Mehr Mut zur Gleichstellung!“In ihrem Jahresbericht an die Lan-

desregierung hat die Arbeitskammer in diesem Jahr die Gleichstellung und die Arbeitsbedingungen von Frauen im Saar-land untersucht. Dabei ging es um die klassischen Fragen der Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen, die Be-setzung von Führungspositionen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch um die konkreten Arbeitsbe-dingungen und -belastungen in den Be-trieben. Mit dem Ergebnis, dass es mit der Gleichstellung nicht weit her ist. AK-Vorstandsvorsitzender Hans Peter Kurtz ruft deshalb alle Akteure zu mehr Mut auf und fordert unter anderem ein Gleich-stellungsgesetz für die Privatwirtschaft, in dem auch feste Quoten stehen sollten.

Am Montag, 10. September 2012, wer-den die Ergebnisse im AK-Zukunftsforum um 17 Uhr im Saarbrücker VHS-Zentrum (Schlossplatz) von der AK-Referatsleite-rin Frauen- und Gleichstellungspolitik, Gertrud Schmidt, präsentiert. Im An-schluss diskutieren unter der Moderati-on von Patricia Brever (Saarländischer Rundfunk): Jürgen Barke, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, Dr. Heino Klin-gen, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Heidrun Schulz,

Vorsitzende der Geschäftsführung Regi-onaldirektion RPS der Bundesagentur für Arbeit, Bettina Altesleben, Landesfrauen-sekretärin des Deutschen Gewerkschafts-bundes (DGB), und Silvia Stürmer, Mit-glied der AK-Vertreterversammlung und Betriebsrätin der Dillinger Hüttenwerke AG. Im Anschluss lädt die AK im Rah-men eines Imbisses zu weiteren Gesprä-chen ein. GH

beratenbilden

forschen

Zur wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Schwerpunktthema: Gleichstellung und Arbeitsbedingungen von Frauen im Saarland

Bericht an die Regierung des Saarlandes 2012

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Arbeitskammer des Saarlandes Körperschaft des öffentlichen Rechts

Fritz-Dobisch-Straße 6-8 66111 Saarbrücken

Tel. (0681) 4005-0 arbeitskammer.de

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Bergbau-Serie erscheint als Sonderdruck

Alle sechs Folgen in einem Heft

In einer sechsteiligen Serie hat sich der „arbeitnehmer“ seit Dezember letzten Jahres mit der Geschichte des Bergbaus an der Saar befasst: mit der Arbeitswelt wie der Kultur, der wirtschaftlichen Be-deutung, der Mitbestimmung, dem Berg-mann und seiner Familie, den Traditionen

wie den Standorten. In dieser Ausgabe en-det die Serie mit der Mettenschicht. Alle sechs Teile erscheinen Mitte September als Sonderausgabe des „arbeitnehmer“, der allen Beziehern kostenlos zugestellt wird. Außerdem wird die Serie im Inter-net als PDF nachzulesen sein. GH

|�Foto:�D‘Angiolillo

AK-Jugendzeitung„in4mation“

Mit einer bunten Palette von Themen ist die Jugendzeitung der Arbeitskammer „in4mation“ erschienen. Junge saarländi-sche Abgeordnete werden porträtiert, drei Frauen in klassischen Männerberufen vor-gestellt, junge Ehrenamtliche kommen zu Wort. Eine umfangreiche Vorschau weist auf Konzerte der angesagtesten Bands hin, die in der Region gastieren. Aber auch der Streit ums Urheberrecht wird in den Blick genommen, ebenso wie die Occupy-Be-wegung. Nicht fehlen darf dabei natürlich wie immer das Azubi-Lexikon, in dem die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen für Auszubildende zusammengefasst und mit Cartoons von TOM illustriert sind. Die Ausgabe ist auch im Internet zu finden: www.arbeitskammer.de/in4mation

Hans-JoachimKühner gestorben

� |�Foto:�privat

AK-Vertreterversammlung

NachwahlDer Landtag des Saarlandes hat für das

ausgeschiedene Mitglied der Vertreterver-sammlung Adalbert Even nachgewählt. Als ordentliches Mitglied wurde Nico Schuler (CG Metall), bisher 2. Stellvertre-ter, nominiert. 1. Stellvertreter ist künftig Dietmar Uffel, 2. Stellvertreter Hartmut Wolter. red

Seminare2012

Gute Betriebs- bzw.Dienstvereinbarungen

Grundlagen und Praxisworkshop27. bis 28. September 2012

Parkhotel Weiskirchen

Gefällt uns das?Social Media Richtlinien im Betrieb

10. bis 11. Oktober 2012Parkhotel Weiskirchen

Schlagkräftige und wirkungsvolleBetriebsratskommunikation

mit Smartphones, Pads und Social Media16. bis 17. Oktober 2012

AK-Bildungszentrum Kirkel

ProduktionssystemeMitgestalten und Mitbestimmen

27. bis 28. November 2012AK-Bildungszentrum Kirkel

Arbeitszeitgestaltungmenschen- und alternsgerecht

4. bis 5. Dezember 2012AK-Bildungszentrum Kirkel

Seminare2012für Betriebsräte, Personalräteund Mitarbeitervertretungen

Infos und AnmeldungBEST e.V.Fritz-Dobisch-Straße 6-866111 SaarbrückenFon 0681 [email protected]

Beratungsstellefür sozialverträglicheTechnologiegestaltung(BEST) e.V.

BEST e.V. ist eine gemeinsame Einrichtung der Arbeitskammer des Saarlandes und des DGB Saar

Anz_Best_A4_7.2012 17.07.2012 15:46 Uhr Seite 1

Alle Filme auf einen Blick:

Montag, 24.09.2012Kriegerin

Dienstag, 25.09.2012Taste the waste

Mittwoch, 26.09.2012Die Farbe desOzeans

Donnerstag, 27.09.2012Wadans Welt – von der Würde der Arbeit

Freitag, 28.09.2012The Help

Anmeldungen und Informationen: arbeitskammer.de

In Kooperation mit:

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