Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern · Einleitung In der zahnärztlichen...

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Einleitung In der zahnärztlichen Praxis können folgende chirur- gische Maßnahmen bei Kindern ambulant durch- geführt werden: n Extraktionen von Milch- und bleibenden Zähnen n operative Entfernung bzw. Freilegung von retinier- ten oder überzähligen Zähnen n Behandlung dentogener Abszesse n die Korrektur von Zungenbändchen n die Lippenbandexzision Wurzelspitzenresektionen oder sogenannte apikale Kürettagen bei nicht abgeschlossenem Wurzelwachs- tum sowie orale Implantate bei nicht abgeschlossenem Kieferwachstum haben nur eine sehr eingeschränkte Indikation und werden daher hier nicht abgehandelt. Das Alter des Kindes und damit verbunden seine Kooperationsbereitschaft, der Umfang des Eingriffs und vor allem die individuelle Kompetenz des Behandlers entscheiden darüber, ob der Eingriff von ihm selbst durchgeführt wird oder ob er das Kind an einen Oral- chirurgen überweist. Merke: Vor jeder chirurgischen Intervention ist der Sorge- bzw. Erziehungsberechtigte über den geplanten Eingriff und mögliche Komplikationen aufzuklären. Die kurze allgemeinmedizinische Anamnese des Kindes umfasst im Hinblick auf mögliche Komplikationen besonders folgende Punkte: n Allergien n Gerinnungsstörungen n Herzerkrankungen (Herzpass und Endokarditispro- phylaxe) n Diabetes Unabdingbar für den problemlosen Ablauf des chi- rurgischen Eingriffs sind Schmerzfreiheit und eine adäquate psychologische Führung des Kindes. Eine zuverlässige Schmerzausschaltung gelingt in der Regel mit den Methoden der Lokalanästhesie [1], die gege- benenfalls mit einer Sedierung kombiniert werden können. Eine Allgemeinanästhesie ist in folgenden Fällen an- gezeigt: n bei umfangreicher Gebisssanierung n bei schwierigen, länger dauernden operativen Ein- griffen n bei Behandlungen, die durch eine Lokalanästhesie nicht schmerzfrei gestaltet werden können n oft bei Kleinkindern Die intraoperative Lokalanästhesie dient in diesen Fällen der postoperativen Schmerzausschaltung. Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern Gabriele Viergutz, Gisela Hetzer Übersicht Einleitung 453 Lokalanästhesie 454 Milchzahnextraktion 456 Extraktion bleibender Zähne 461 Operative Entfernung oder Freilegung überzähliger bzw. retinierter Zähne 463 Therapie dentogener Abszesse 466 Korrektur von Zungenbändchen 466 Lippenbandexzision 467 Fazit 469 Zahnmedizin up2date 5 Œ 2013 Œ 453 472 Œ DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1325026 Kinder- und Jugendzahnheilkunde 453 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

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Page 1: Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern · Einleitung In der zahnärztlichen Praxiskönnen folgende chirur-gische Maßnahmen bei Kindern ambulant durch-geführt werden:

Einleitung

In der zahnärztlichen Praxis können folgende chirur-gische Maßnahmen bei Kindern ambulant durch-geführt werden:n Extraktionen von Milch- und bleibenden Zähnenn operative Entfernung bzw. Freilegung von retinier-

ten oder überzähligen Zähnenn Behandlung dentogener Abszessen die Korrektur von Zungenbändchenn die Lippenbandexzision

Wurzelspitzenresektionen oder sogenannte apikale

Kürettagen bei nicht abgeschlossenemWurzelwachs-tum sowie orale Implantate bei nicht abgeschlossenemKieferwachstum haben nur eine sehr eingeschränkteIndikation und werden daher hier nicht abgehandelt.

Das Alter des Kindes und damit verbunden seineKooperationsbereitschaft, der Umfang des Eingriffs undvor allem die individuelle Kompetenz des Behandlersentscheiden darüber, ob der Eingriff von ihm selbstdurchgeführt wird oder ob er das Kind an einen Oral-chirurgen überweist.

Merke: Vor jeder chirurgischen Intervention ist

der Sorge- bzw. Erziehungsberechtigte über den

geplanten Eingriff und mögliche Komplikationen

aufzuklären.

Die kurze allgemeinmedizinische Anamnese des Kindesumfasst im Hinblick auf mögliche Komplikationenbesonders folgende Punkte:n Allergienn Gerinnungsstörungenn Herzerkrankungen (Herzpass und Endokarditispro-

phylaxe)n Diabetes

Unabdingbar für den problemlosen Ablauf des chi-rurgischen Eingriffs sind Schmerzfreiheit und eineadäquate psychologische Führung des Kindes. Einezuverlässige Schmerzausschaltung gelingt in der Regelmit den Methoden der Lokalanästhesie [1], die gege-benenfalls mit einer Sedierung kombiniert werdenkönnen.

Eine Allgemeinanästhesie ist in folgenden Fällen an-gezeigt:n bei umfangreicher Gebisssanierungn bei schwierigen, länger dauernden operativen Ein-

griffenn bei Behandlungen, die durch eine Lokalanästhesie

nicht schmerzfrei gestaltet werden könnenn oft bei Kleinkindern

Die intraoperative Lokalanästhesie dient in diesenFällen der postoperativen Schmerzausschaltung.

Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmenbei KindernGabriele Viergutz, Gisela Hetzer

Übersicht

Einleitung 453Lokalanästhesie 454Milchzahnextraktion 456Extraktion bleibender Zähne 461Operative Entfernung oderFreilegung überzähliger bzw.retinierter Zähne 463

Therapie dentogener Abszesse 466Korrektur von Zungenbändchen 466Lippenbandexzision 467Fazit 469

Zahnmedizin up2date 5 Œ2013 Œ453–472 ŒDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1325026

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Page 2: Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern · Einleitung In der zahnärztlichen Praxiskönnen folgende chirur-gische Maßnahmen bei Kindern ambulant durch-geführt werden:

Merke: Unabdingbar für den problemlosen Ablauf

des chirurgischen Eingriffs sind Schmerzfreiheit

und eine adäquate psychologische Führung des

Kindes.

Lokalanästhesie

Zur Injektion werden derzeit Lokalanästhetika vomAmidtyp (Lidocain, Articain) empfohlen [2], wobeiArticainwegen seiner kurzen Plasmahalbwertszeit,der ausgeprägten Knochenpenetration und der hohenPlasmaproteinbindung als das Lokalanästhetikum derWahl für Kinder genannt wird. Für die Anwendung inder Kinderzahnheilkunde ist Articainmit reduziertem

vasokonstriktorischen Zusatz (Adrenalin 1:400000) gutgeeignet [1], weil selten unerwünschte Nebenwirkun-gen auftreten und die Wirkungsdauer trotzdem aus-reichend ist.

Merke: Wegen des geringen Körpergewichts

jüngerer Kinder sollte vor Behandlungsbeginn die

individuelle Grenzmenge des Lokalanästhetikums

berechnet werden.

Oberflächenanästhesie

Es hat sich bewährt, vor einer Injektion die Einstich-stelle mit einem Oberflächenanästhetikum „einschla-fen“ zu lassen. Bei einigen Maßnahmen (Extraktionstark gelockerter Milchzähne, Einsetzen von Milch-zahnkronen, Matrizenanlage) ist die Oberflächenanäs-thesie allein ausreichend.

Die Applikation des Oberflächenanästhetikums solltenicht großflächig, sondern nur punktuell (Wattepellet,Tabs) auf der getrockneten Schleimhaut für ca. 1 Minu-te erfolgen.

Merke: Oberflächenanästhetikum vor der Injektion

nur punktuell, nicht großflächig auftragen!

Es werden sowohl Präparate des Amidtyps (z.B. Lido-cain) als auch des Estertyps (z.B. Tetracain) empfohlen.Die Resorption dieser Präparate erfolgt sehr rasch.

Cave: Bei der Berechnung der individuellen Grenz-

menge (s. o.) müssen Oberflächenanästhetika mit

berücksichtigt werden.

Terminale Infiltrationsanästhesie

Für die meisten chirurgischen Eingriffe bei Klein- undVorschulkindern ist die terminale Infiltrationsanästhe-sie ausreichend.

Auch im Seitenzahngebiet des Unterkiefers sind bis zumAlter von 5–6 Jahren aufgrund der lockeren Knochen-struktur eine gute Diffusion des Anästhetikums undeine nachfolgende Analgesie gewährleistet. Die Injek-tion erfolgt langsam in die Umschlagfalte in Höhe desApex der bukkalen Zahnwurzeln (Abb. 1).

Bei der Extraktion oberer Zähne ist immer eine Anäs-thesie der palatinalen Schleimhaut erforderlich. Da diepalatinale Injektion sehr schmerzhaft ist, kann die In-jektion transpapillär erfolgen. Hierzu wird die Injekti-onsnadel unter ständiger Abgabe des Anästhetikumsvon bukkal langsam durch die Interdentalpapille ge-führt. Erst danach erfolgt eine weitere Injektion vonca. 0,2ml Anästhetikum in die bereits anästhesierteSchleimhaut von palatinal (Abb. 2).

Es ist ratsam, dem Kind vor der Injektion die Wirkungdes Anästhetikums („Ameisenkrabbeln“) zu beschrei-ben. Ebenso sollte über den „kleinen Pieks“ oder„Mückenstich“ wahrheitsgetreu gesprochen werden.

Methoden der Lokal-anästhesie beim Kind

n Oberflächenanästhesie

n Infiltrationsanästhesie

n Leitungsanästhesie

n intraligamentäre Anästhesie

Individuelle Grenzmengen vonLokalanästhetika (LA)

Wegen des geringen Körpergewichts (KG) jüngerer Kinder sollte man sich die

individuellen Grenzmengen des LA verdeutlichen, um Überdosierungen zu

vermeiden:

Individuelle Grenzmenge (ml) =

Grenzdosis des LA mg=kgKGð Þ � KGdes Kindes kgð ÞKonzentration des LA mg=mlð Þ � 10

½2�

Die Grenzdosis für Articain mit vasokonstriktorischem Zusatz bei Kindern

beträgt 7mg/kgKG. Für ein 20 kg schweres Kind wäre die individuelle Grenz-

menge demnach 3,5ml der 4%igen Articainlösung.

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Ein kurzes Zwicken auf dem Handrücken des Kindeswird von kooperativen Patienten problemlos toleriert.

Die Assistenz reicht die Spritze unterhalb der Augen-linie des Kindes. Auf diese Weise lässt sich das Lokal-anästhetikum bei bisher nicht durch eine vorherigeBehandlung verprellten Kindern meist gut applizieren.Es gibt allerdings auch Empfehlungen, dem Kind dieSpritze mit dem „Schlafwasser“ vorher zu zeigen, be-sonders wenn das Kind dies verlangt. Man sollte aberbedenken, dass sich ein Zuviel an Informationen auchnegativ auf die weitere Behandlung auswirken kann.

Merke: Dem Kind sollte die Wirkung des Anästhe-

tikums beschrieben werden, allerdings kann sich

ein Zuviel an Information auch negativ auf die Be-

handlung auswirken.

Leitungsanästhesie

Für größere chirurgische Eingriffe im Unterkiefer istnach dem Durchbruch der ersten bleibenden Molarendie Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior am Fo-ramenmandibulae die Methode der Wahl. Hierbei sinddie anatomischen Gegebenheiten hinsichtlich der Lagedes Foramens amwachsenden Unterkiefer zu berück-sichtigen. Die Kauflächen der Unterkiefermolaren undder untere Rand der Plica pterygomandibularis dienender Orientierung (Abb. 3).

Die Öffnung des Foramen mandibulae liegtn beim Kleinkind unterhalb der Kauebene,n beim 5- bis 6-Jährigen auf Höhe der Kauebene,n beim 12-Jährigen etwas über der Kauebene,n beim Erwachsenen ca. 1 cm über der Kauebene.

Merke: Zur sicheren Schmerzausschaltung sind

1–1,5 ml der 4%igen Articainlösung ausreichend.

Intraligamentäre Anästhesie

Mit dieser Methode erreicht man ohne die Betäubungangrenzender Weichteile eine rasch einsetzendeSchmerzausschaltung am einzelnen Zahn. Die Injektionerfolgt in den mesialen und distalen Desmodontalspaltdes zu extrahierenden Zahnes. Mit speziellen Spritzen-systemen (druckkontrollierend) werden jeweils 0,2mldes Lokalanästhetikums pro Zahnwurzel abgegeben(Abb. 4). Die Injektion soll langsam erfolgen.

Cave: Wegen der Gefahr der Bakteriämie ist bei

gefährdeten Kindern vor dem Einstich auf Pla-

queentfernung zu achten. Bei Kindern mit Endo-

karditisrisiko ist die intraligamentäre Anästhesie

kontraindiziert [3]!

Abb. 1 Infiltrationsanästhesie im Unterkiefer.

Abb. 2 Transpapilläre Injektion im Oberkiefer.

Abb. 3 Leitungsanästhesie im Unterkiefer.

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Milchzahnextraktion

Ein Milchzahn wird nach seiner physiologischen Wur-zelresorption in der Regel problemlos exfoliiert bzw.vom Kind selbst entfernt. Milchzahnextraktionen gel-ten daher in der Regel als einfache zahnärztliche Ein-griffe.

Abweichend davon kann jedoch auch die Extraktioneines Milchzahns mit Schwierigkeiten verbunden sein.Das ist der Fall, wennn ein Milchzahn aufgrund von Karies und Kariesfolge-

erkrankungen (Abb. 5) oder aus kieferorthopädi-schen Gründen vorzeitig extrahiert werden muss,

n wenn durch Abweichungen im Resorptionsverlaufdie Gefahr besteht, dass Milchzahnwurzeln fraktu-rieren (Abb. 6), oder

n wenn aufgrund der engen topografischen Lagebe-ziehungen zwischen Milchzahn und Zahnkeim des

Nachfolgers der Zahnkeim durch die Milchzahn-extraktion geschädigt werden kann (Abb. 7).

Unabhängig davon können eine Milchzahnextraktionund die damit verbundene Lokalanästhesie die Koope-rationsfähigkeit und ‑bereitschaft eines Kindes über-fordern und sich deshalb problematisch gestalten.

Merke: Mit Ausnahme der Entfernung bereits

gelockerter resorbierter Milchzähne ist vor der

Extraktion ein Röntgenbild unabdingbar.

Abb. 5 Frühkindliche Karies bei einem 3-jährigen Mädchen: Indika-tion zur Extraktion der zerstörten oberen Schneidezähne.

Abb. 6 Wurzelresorption am Zahn 85 nur an der mesialen Wurzelvorangeschritten, distale Wurzel persistiert.

Abb. 7 Gefahr der Zahnkeimschädigung bei Extraktion des zweitenMilchmolaren (Abb. aus Hetzer G, Dietrich G, Viergutz G. Zur Extrak-tion von Milchzähnen. Quintessenz 2002; 53: 951–958 [4]).

Abb. 4 Intraligamentäre Anästhesie an Zahn 54.

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Indikationen und Kontraindikationen

Häufiger Anlass für Milchzahnextraktionen sind durch

Karies und Kariesfolgeerkrankungen tief zerstörte

Milchzähne, deren Restauration nicht angezeigt odernicht durchführbar ist (Abb. 8). Das alleinige Trepanie-ren und „Offenlassen“ von Milchzähnen stellt nur einekurzzeitige Kompromisslösung dar.

Cave: Das längere Belassen solcher Milchzähne ist

eine „hygienische Katastrophe“ für das Mund-

höhlenmilieu und kann erhebliche Zahndurch-

bruchstörungen der Nachfolger verursachen.

Es birgt außerdem die Gefahr von Exazerbationen undder Entstehung von Strukturanomalien der darunterliegenden bleibenden Zähne in sich (sog. Turner-Zähne)(Abb. 9).

Weitere Extraktionsgründe sindn fehlgeschlagene endodontische Behandlungen von

Milchzähnen (Abb. 10),n durch Trauma geschädigte Milchzähne (Abb. 11),n ein durch den ersten bleibenden Molaren untermi-

nierend resorbierter zweiter Milchmolar im Ober-kiefer, wenn die Distalisation bzw. die Aufrichtungdes ersten Molaren scheitert (Abb. 12),

n ankylosierte Milchzähne, die den Durchbruch desNachfolgers behindern (Abb. 13), und

n in sehr seltenen Fällen eine präpubertäre aggressiveParodontitis (Abb. 14).

Abb. 8 Unbehandelte frühkindliche Karies. Abszess ausgehend vomZahn 75 bei einem 4-jährigen Jungen.

Abb. 9 Turner-Zahn bei einem 6-jährigen Mädchen. Hypoplasie undHypomineralisation der Zahnkrone.

Indikationen für dieMilchzahnextraktion

n Karies und Kariesfolgeerkrankungen

n Misserfolg nach endodontischer Therapie (Beschwer-

den, Lockerungen, interne Resorptionen, Fistel)

n unterminierend resorbierte zweite Milchmolaren im

Oberkiefer

n Trauma

n Ankylose

n präpubertäre aggressive Parodontitis

Kontraindikationen fürdie Milchzahnextraktion

Relative Kontraindikationen für Milchzahnextraktionen

sind:n Allgemeinerkrankungen des Kindes

n fehlende Kooperationsbereitschaft des Kindes

n akute Entzündungen in der Mundhöhle

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Über die Extraktion eines Milchzahns im Stadium einerakuten Entzündung bis hin zur Abszedierung divergie-ren die Ansichten. Wenn es der Allgemeinzustand desKindes erlaubt und eine einfache Extraktion zu erwar-ten ist, kann diese befürwortet werden. Anders als beibleibenden Zähnen wird auch bei fortgeschrittenerapikaler/interradikulärer Parodontitis noch eine Ent-lastung über die Extraktionswunde möglich sein.

Merke: Bei ausgedehnten Abszessen und redu-

ziertem Allgemeinzustand muss das Kind zur

stationären Behandlung überwiesen werden.

Vorgehen bei der Extraktion von Milchzähnen

Bei der Milchzahnextraktion wird zunächst –wie beider Extraktion bleibender Zähne – die marginale Gin-giva mit einem geeigneten Instrument (Bein-Hebel,Raspatorium) vom Zahn abgelöst. Danach wird der

Abb. 10 Misser-folg einer Pulpoto-mie mit Ca(OH)2:periapikale und in-terradikuläre Auf-hellungen.

Abb. 12 Unterminierend resorbierter Zahn 55 bei einem 8-jährigenJungen.

Abb. 14 4-jährigerJungemitpräpubertäreraggressiverParodontitis.IndiesemFallbestanddieIndikationzurExtraktionallerMilchzähne.

Abb. 11 Kronen-Wurzel-Fraktur bei einem 4-jährigen Jungen.

Abb. 13 Ankylose und Infraposition des Zahnes 75 und Kippung desZahnes 36.

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Milchzahn (Milchmolar) mit einem Hebel vorsichtigluxiert (Abb. 15a,b), indemman auf die mesialen unddistalen Wurzelflächen Druck ausübt. Dabei ist auf denmitbelasteten Nachbarzahn zu achten, indem diesermit auf die Kaufläche gerichtetem Daumendruck ge-schützt wird.

Cave: Bei soeben durchgebrochenen benachbarten

bleibenden Zähnen mit unvollständig ausgebilde-

ter Wurzel ist an dieser Stelle der Hebeleinsatz

kontraindiziert [4].

Nach der Lockerung des Milchzahns mit dem Hebelwird eine entsprechende Zange eingesetzt und derZahn durch Luxationsbewegungen in bukkooralerRichtung und zuletzt durch Zugbewegung entfernt.Die am besten geeignete Luxationsrichtung wird vomerfahrenen Zahnarzt „erfühlt“. Bei forcierten Luxa-tionsbewegungen können resorptionsbedingt dünnauslaufende Wurzelenden leicht frakturieren.

Cave: Stark gespreizte Milchzahnwurzeln erfordern

in der Endphase der Extraktion mehr Platz, als

durch den Kronendurchmesser des Milchzahns

zur Verfügung steht, sodass die Frakturgefahr hier

besonders hoch ist (Abb. 16).

Das Vorgehen bei der Extraktion von Front- und Eck-

zähnen gestaltet sich wie bei bleibenden Zähnen. DerMilchzahn wird durch Rotationsbewegungen entfernt(Abb. 17a,b).

Abb. 15 Extraktion von Milchmolaren. Lockerung des Zahnes 54 mitdem Hebel (a). Luxationsbewegungen mit der Zange in bukkopalati-naler Richtung, bis sich der Zahn aus der Alveole entfernen lässt (b)(Abb. aus Hetzer G, Dietrich G, Viergutz G. Zur Extraktion von Milch-zähnen. Quintessenz 2002; 53: 951–958 [4]).

Abb. 16 Gespreizte Wurzeln von Milchmolaren.

Abb. 17 Extraktion von Milchfrontzähnen. Ablösen der Gingiva (a),Rotationsbewegungen mit der Zange (b) (Abb. aus Hetzer G, DietrichG, Viergutz G. Zur Extraktion vonMilchzähnen. Quintessenz 2002; 53:951–958 [4]).

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Cave: Bei den initialen Lockerungsbewegungen ist

darauf zu achten, dass die Milchzahnwurzeln nicht

in Richtung auf den Zahnkeim hin luxiert werden.

Die Kompression der Alveolarwände kann unterblei-ben, wenn der Zahnwechsel unmittelbar bevorsteht.Bei mehr als 2 benachbarten extrahierten Milchzähnenempfiehlt es sich, die Wunde mit einer Naht zu ver-schließen. Ein steriler Tupfer schützt die Wunde vorManipulationen durch das Kind.

Merke: Abschließend sind Kind und Begleitperson

auf das Verhalten nach der Extraktion hinzuweisen.

Damit lassen sich Bissverletzungen (Abb. 18) und

„Schuldzuweisungen“ an den Zahnarzt vermeiden.

Für die Behandlung von Wundheilungsstörungengelten die gleichen Grundsätze wie im permanentenGebiss.

Entfernung ankylosierter Milchzähne

Verwachsungen zwischen Zahnwurzel und alveoläremKnochen kommen im Milchgebiss relativ häufig vor.Klinisch imponiert eine mehr oder weniger stark aus-geprägte Infraposition des betreffenden Milchzahns,weil nur in den benachbarten Kieferabschnitten dasvertikale Wachstum fortschreitet (Abb. 13).

Ankylosierte Milchzähne sollten in der Regel zum Zeit-punkt ihres physiologischen Wechsels entfernt wer-den. Kommt es dagegen zu einer Verlagerung desNachfolgers oder zu einer ausgeprägten Infrapositionmit subgingivaler Lage der Zahnkrone, muss derankylosierte Milchzahn frühzeitig und gegebenenfallsoperativ entfernt werden (Abb. 19a,b).

Bei partieller Ankylose gelingt die Extraktion in derRegel ohne größere Probleme.

Cave: Zeigt sich nach vorsichtiger Luxationsbewe-

gung keine deutliche Lockerung, so besteht die

Gefahr einer Wurzelfraktur. Es ist dann sinnvoller,

den ankylosierten Milchzahn vertikal zu trennen

und die Wurzeln einzeln zu luxieren.

Komplikationen

Abb. 19 11-jähriger Junge mit Infraposition des Zahnes 65 (a).Röntgenologisch zeigen sich der ankylosierte Zahn 65 und eineKeimverlagerung des Nachfolgers. Indikation zur operativen Ent-fernung von Zahn 65. Man beachte die Verlagerung von Zahn 26,vermutlich ist dieser ebenfalls ankylosiert!

Abb. 18 Bissverletzung nach Leitungsanästhesie im Unterkiefer.

Komplikationen beiMilchzahnextraktionen

n Wurzelfrakturen

n Schädigung des nachfolgenden Zahnkeims

n versehentliche Entfernung des nachfolgenden

Zahnkeims

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n Wurzelfrakturen

Die Gefahr, dass Milchzahnwurzeln bei der Extraktionfrakturieren, besteht sowohl bei anatomischen Ab-weichungen (Abb. 16) als auch bei Besonderheiten im

Resorptionsmuster. Dazu zählen Resorptionslakunen inder Wurzelmitte oder asymmetrische Resorptionen(Abb. 6), wo dünne, scherbenartige Wurzelenden ent-stehen.

Cave: Eine Fraktur von Milchzahnwurzeln ist auch

bei sorgfältiger Inspektion der Wurzelenden nicht

immer von resorptionsbedingten Befunden zu

unterscheiden.

Ein knackendes Geräusch während der Extraktionbestärkt jedoch den Verdacht auf eine Wurzelfraktur.In solchen Fällen trägt erst ein Röntgenbild zur Auf-klärung der Situation bei.

Handelt es sich um einen infizierten Wurzelrest, sosollte dieser unbedingt entfernt werden. Das gelingtaufgrund osteolytischer Prozesse im umliegendenKnochen meist problemlos.

Merke: Infizierte frakturierte Wurzelreste müssen

unbedingt entfernt werden.

Frakturierte Wurzelreste vitaler Milchzähnemüssennicht in jedem Fall entfernt werden, da sie in der Regelnach einiger Zeit resorbiert werden. Solche Wurzelres-te können jedoch auch von sklerosiertem Knochenumgeben werden und den Durchbruch des Nachfolgersoder orthodontische Bewegungen der Nachbarzähnestören. In diesen Fällen müssen die Wurzelreste durchAufklappung entfernt werden. Falls solche heikle Situa-tionen vorhersehbar sind, ist es besser, den Milchzahnvon vornherein zu trennen und die Wurzeln einzeln zuluxieren.

n Schädigung oder versehentliche Entfernungvon Zahnkeimen

Besonders bei vorzeitig notwendig werdenden Milch-zahnextraktionen besteht die Gefahr, in der Furkationliegende Zahnkeime durch rigoroses Kürettieren derMilchzahnalveole zu schädigen.

Bei noch wenig mineralisierten Zahnkeimen könnenZahnkeime sogar versehentlich mit entfernt werden(Abb. 7).

Cave: Werden Zahnkeime versehentlich mit ent-

fernt, ist der Zahnkeim sofort zu replantieren und

durch eine Naht zu sichern.

Anschließend sind die Eltern des Kindes zu informie-ren. Die Chancen für eine Weiterentwicklung diesesZahnkeims stehen relativ gut.

Merke: Die hier angeführten Komplikationen kön-

nen bei exakter Diagnostik und Behandlungspla-

nung sowie entsprechender Sorgfalt während der

Behandlung weitgehend vermieden werden.

Extraktion bleibender Zähne

Trotz eines deutlichen Kariesrückgangs und modernerzahnerhaltender Therapiemöglichkeiten ist auch heutenoch die Extraktion von bleibenden Zähnen im Kin-desalter in einigen Fällen unvermeidbar.

Die Entscheidung für die Entfernung eines bleibendenZahnes erfolgt individuell auf der Grundlage einer aus-führlichen Anamnese und Behandlungsplanung unterBerücksichtigung der Compliance des Kindes.

Indikationen

Die Extraktion von bleibenden Zähnen kann bei kariöszerstörten, nicht erhaltungswürdigen Zähnen indiziertsein (Abb. 20).

Nicht selten müssen erste bleibende Molaren schonfrühzeitig entfernt werden, wenn sie infolge einer Mi-neralisationsstörung (Molaren-Inzisiven-Hypominera-lisation –MIH) umfangreiche Hartsubstanzverlusteaufweisen und eine Restauration auf lange Sicht nichtErfolg versprechend ist (Abb. 21).

Indikationen für eine Ex-traktion bleibender Zähne

n Karies und Kariesfolgeerkrankungen

n schwere Formen der Molaren-Inzisiven-Hypominerali-

sation (MIH)

n Zahntrauma

n Zahnanomalien

n kieferorthopädische Indikationen

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Weiterhin besteht die Indikation zur Extraktion fürlängsfrakturierte Zähne nach einem Trauma.

Durchgebrochene überzählige Zähne, die den Durch-bruch der regulären Zähne behindern, müssen eben-falls extrahiert werden (Abb. 22a– c).

Häufig sind bleibende Zähne im Rahmen einer kiefer-orthopädischen Therapie zu entfernen (Abb. 23).

Während aus Kariesgründen häufig die ersten bleiben-den Molaren extrahiert werden müssen, sind zurPlatzbeschaffung bei Engständen i.d.R. Prämolaren zuentfernen. Welcher bleibende Zahn im Rahmen derkieferorthopädischen Therapie extrahiert wird, ist je-doch immer individuell zu entscheiden. In manchenFällen ist z.B. die Entfernung eines bereits umfangreichrestaurierten ersten Molaren der Extraktion eines ge-sunden Prämolaren vorzuziehen.

Vorgehen bei der Extraktionbleibender Zähne

Aufgrund entwicklungsbedingter Besonderheiten ge-staltet sich die Extraktion von bleibenden Zähnen beiKindern einfacher als beim Erwachsenen: Der Knochenist spongiös und elastischer, das Knochenfach dehnba-rer und das Wurzelwachstum noch nicht immer abge-schlossen.

Abb. 20 Karies im Wechselgebiss bei einer 7½-jährigen Patientin:Unbehandelte Milchzahnkaries und tief kariös zerstörte erste blei-bende Molaren im Unterkiefer.

Abb. 22 Überzähliger Zahn im Oberkieferfrontzahnbereich. Derzapfenförmige Zahn befindet sich im Durchbruch (a,b). Der Zahn 11ist angelegt (c).

Abb. 21 Zahn 26 mit einer schweren Form der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation bei einem 6-jährigen Mädchen.

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Bei der Durchführung der Extraktion ist wie bei derExtraktion von Milchzähnen vorzugehen. Zu Beginnwird die marginale Gingiva mit einem Bein-Hebel oderRaspatorium vom Zahn gelöst. Es folgt die Lockerungdes Zahnes, indem der gerade Hebel im rechtenWinkelzur Zahnachse in den Interdentalspalt eingeführt undvorsichtig rotiert wird.

Cave: Bei soeben durchgebrochenen benachbarten

bleibenden Zähnen mit unvollständig ausgebilde-

ter Wurzel ist an dieser Stelle der Hebeleinsatz

kontraindiziert.

In diesen Fällen wird unmittelbar nach dem Ablösender Gingiva eine adäquate Zange so tief wie möglichangesetzt und der Zahn entsprechend der Form seinerWurzel(n) langsam und mit Gefühl in bukkooralerRichtung luxiert bzw. rotiert und zuletzt durch Zug-bewegung entfernt.

Bei einem tief zerstörten oder frakturierten Zahn ist dieHauptluxationsrichtung die Seite mit der tief zerstör-ten Kronenwand, um ein Abrutschen der Zange zuvermeiden.

Cave: Es ist darauf zu achten, dass die zweite

Hand des Zahnarztes zum Halten und zum Schutz

des Alveolarfortsatzes eingesetzt wird.

Außerdem stützt die Helferin während der Zahnex-traktion den Kopf des Kindes mit beiden Händen ab.Das wirkt einerseits beruhigend auf den Patienten undzum anderen unterstützend für den Zahnarzt.

Bricht die Zahnkrone ab, oder ist eine tief zerstörteZahnkrone von vornherein nicht mit der Zange fassbar,ist eine Trennung der Wurzeln mit einem schmalenLindemann-Fräser oder einem Diamantschleifer vor-zunehmen, sodass jede Wurzel einzeln entfernt wer-den kann.

Nach der Extraktion ist der Zahn auf Vollständigkeit zuüberprüfen. Das Auflegen eines sterilen Tupfers be-endet die Extraktion.

Merke: Abschließend sind der Patient und die

Begleitperson über das Verhalten nach der Extrak-

tion aufzuklären.

Komplikationen

Wurzelfrakturen an bleibenden Zähnen treten seltenerauf als anMilchzähnen. Kommt es dennoch dazu, mussdie frakturierteWurzel entfernt werden. Gelingt es nicht,siemittelsWurzelzange, Hebel oder Kralle über die Al-veole zu entfernen,muss der Alveolarfortsatz freigelegtund dieWurzel durch Osteotomie entfernt werden.

Eine durch Zahnextraktion eröffnete Kieferhöhle liegtbei Kindern selten vor, da die Nasennebenhöhlen nochnicht vollständig ausgebildet sind. Trotzdem ist ausGründen der Sorgfaltspflicht eine Eröffnung der Kie-ferhöhle mit dem Nasenblastest auszuschließen. Alter-nativ kann die Integrität der Alveole mit einer kleinenKnopfsonde geprüft werden.

Bei gesunden Kindern heilen die Extraktionswunden inder Regel komplikationslos.Wundheilungsstörungen oderNachblutungen sind sehr selten. Siewerden nach dengleichen Grundsätzenwie bei Erwachsenen therapiert.

Operative Entfernung oderFreilegung überzähligerbzw. retinierter Zähne

Überzählige Zähne sind zusätzliche Zahnanlagen, diesowohl retiniert (s.u.) als auch in die Mundhöhledurchgebrochen sein können. Sie treten mit einer Prä-valenz von 1–3% im Oberkieferfrontzahnbereich undvon ca. 0,1% im Prämolarenbereich auf [5].

Abb. 23 Platzmangel in allen Quadranten nach vorzeitigem Milchzahnverlust. Indikation zurExtraktion der Zähne 14, 24, 34 und 44 im Rahmen einer kieferorthopädischen Therapie.

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Merke: Überzählige Zähne, die den Durchbruch

regulärer bleibender Zähne behindern, müssen

entfernt werden.

Retinierte Zähne sind Zähne, die zum Zeitpunkt ihresobligaten Durchbruchs im Kiefer verbleiben. Davon be-troffen sein können einzelne Zähne, Zahngruppen odersehr selten alle Zähne (Tab. 1). Retinierte Schneide-zähne treten mit einer Prävalenz von 0,1–0,5% auf.Bei oberen Eckzähnen beträgt die Prävalenz 0,8–2,3%und bei oberen Prämolaren 0,5% [5].

Ob ein retinierter regulärer Zahn operativ entfernt oderfreigelegt und in den Zahnbogen eingeordnet wird,hängt von einer Reihe von Faktoren ab, z.B. von derLage, Form undWertigkeit des Zahnes, von den Platz-verhältnissen und nicht zuletzt von der Compliance desKindes. Die Therapieentscheidung wird in der Regelgemeinsam von Zahnarzt, Kieferorthopäden und Elterngetroffen.

Tabelle 1

Ursachen von Zahnretentionen.

Betroffene Zähne Ursachen

Frontzähne n überzählige Zähne (Abb. 24)

n Kronen- und/oder Wurzelmissbildungen nach Milchzahntrauma(Abb. 25a– c)

n odontogene Tumore (z.B. Odontom; Abb. 26)

n Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten

obere Eckzähne n abnorme Keimlage

n follikuläre Zyste

Prämolaren n Platzmangel infolge vorzeitigenMilchzahnverlusts in der Stützzone

n ektopische Lage des Zahnkeims

n odontogene Tumoren

n Verlagerungen des Zahnkeims durch ankylosierte Milchzähneoder durch große radikuläre Zysten an Milchmolaren

alle Zähne n Syndromerkrankung, z.B. Dysostosis cleidocranialis (Abb. 27)

Abb. 24Mesiodens undRetention desZahnes 21.

Abb. 26 Ein Odontom verursacht die Retention von Zahn 33.Abb. 25 Retention von Zahn 11 infolge eines Milchzahntraumas. 4-jähriger Junge nach Avul-sion von Zahn 51 (a). Im Alter von 8 Jahren Retention von Zahn 11 mit Lückeneinengung (b).Nach chirurgischer Freilegung und orthodontischer Einordnung zeigt sich eine Missbildung derWurzel (c).

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Page 13: Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern · Einleitung In der zahnärztlichen Praxiskönnen folgende chirur-gische Maßnahmen bei Kindern ambulant durch-geführt werden:

Operative Entfernung retinierter Zähne

Nach der klinischen und einer genauen röntgenologi-schen Lagediagnostik, gegebenenfalls ergänzt durcheine digitale Volumentomografie, wird der retinierteZahn durch Aufklappung derWeichteile und Abtragungdes bedeckenden Alveolarknochens freigelegt. DieSchnittführung entspricht derjenigen bei Erwachsenen.Danach wird der Zahn mittels Hebel oder Zange ent-fernt. Zur Vermeidung unnötigen Knochenverlustes istmanchmal eine Trennung indiziert, sodass der Zahn in2 Teilen entfernt werden kann. Nach der Beseitigungdes Zahnsäckchens und dem Glätten der Knochenkan-ten erfolgt die Adaptation der Wundränder mit Einzel-knopfnähten.

Operative Freilegung retinierter Zähne

Ziel der Freilegung eines retinierten Zahnes ist dessenEinordnung in den Zahnbogen. Üblicherweise werdendiese Zähne zum Zeitpunkt ihres physiologischenDurchbruchs freigelegt, d.h. das Wurzelwachstum desretinierten Zahnes sollte noch nicht abgeschlossen sein.Ebenso muss die vorgesehene Lücke in der Zahnreiheausreichend groß sein, oder es sollte zumindest dieMöglichkeit der orthodontischen Lückenöffnung be-stehen.

Bei sehr oberflächlicher Lage des retinierten Zahnes undeiner geringen Lageabweichung genügen oft die Eröff-nung der Schleimhaut über dem Zahn und ein Offen-halten der Verbindung zur Mundhöhle durch Einschla-gen des Lappens und dessen Nahtfixierung. DerDurchbruch des freigelegten Zahnes wird kontrolliert.Er erfolgt in der Regel während der nächsten 6 Monate.Wenn nötig, ist eine abschließende Feineinstellung desZahnes mittels kieferorthopädischer Apparatur mög-lich [6].

Bei tieferer Lage des retinierten Zahnes sind nach obenbeschriebener Freilegung das Anbringen eines Klebe-brackets mit Zugelementen (Ligaturen oder Kettchen)und der anschließende primäre Verschluss der Mund-höhle indiziert. Um denHart- undWeichgewebeverlustzu minimieren, sollte nur so viel Knochen abgetragenwerden, wie für das Kleben des Brackets notwendig ist.Außerdemwerden so unnötige Manipulationen an derSchmelz-Zement-Grenze oder imWurzelbereich desZahnes oder benachbarter Zähne vermieden, die zuKomplikationen führen können. Nach Abschluss derWundheilung kann der Zahn unter Zugbelastung aktivbewegt und in den Zahnbogen eingeordnet werden.

Eine operative Freilegung der Zahnkrone kann auch inden seltenen Fällen einer totalen Intrusion eines blei-

benden Schneidezahns indiziert sein (Abb. 28a–d). ZurVermeidung von Ankylosen und/oder Wurzelresorp-tionen sind die umgehende Freilegung, ggf. eine chi-rurgische Teilreposition des intrudierten Zahnes unddas Anbringen eines Klebebrackets zur orthodonti-schen Reposition angezeigt. Die orthodontische Extru-sion erfolgt sofort nach dem Eingriff. Nach maximal4 Wochen sollte der Zahn wieder an seiner Ausgangs-position stehen. Über notwendige klinische und rönt-genologische Kontrollen und die endodontische Thera-pie nach Intrusionen wird an dieser Stelle nicht nähereingegangen.

Komplikationen

Intraoperative Komplikationen wie Verletzungen derWurzeln benachbarter Zähne, Blutungen oder dieEröffnung der Kieferhöhle können durch ein schonen-des Vorgehen weitgehend verhindert werden. Post-operative Schmerzen, Schwellungen, Nachblutungenoder Wundheilungsstörungen werden nach den glei-chen Therapiegrundsätzen wie bei Erwachsenen be-handelt.

Abb. 27 Retention der bleibendenSchneidezähne und des ersten permanen-ten Molaren bei einem 10-jährigen Jungenmit Amelogenesis imperfecta hereditaria undeiner Zahndurchbruchstörung unbekannterGenese.

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Mitunter lassen sich ankylosierte Zähne trotz aktiverorthodontischer Maßnahmen nicht in die Zahnreiheeinstellen. Sie müssen dann in einer zweiten Operationentfernt werden.

Therapie dentogener Abszesse

Unbehandelte pulpatote oder endodontisch behandelteMilchzähne oder jugendliche permanente Zähne kön-nen zu Abszedierungen in der Mundhöhle führen. Esgelten die gleichen Behandlungsgrundsätze wie beimerwachsenen Patienten.

Obwohl die Extraktion im akuten Entzündungsstadium

unter ausreichend dosierter Antibiose umstritten ist,

kann bei betroffenen Milchzähnen anstelle der Inzisiondie sofortige Extraktion durchgeführt werden, weilsich das eitrige Exsudat ausreichend über die Alveoleentleert. Allerdings ist diese Therapie bei Klein- undVorschulkindern wegen mangelnder Kooperations-bereitschaft infolge Angst und Schmerzen oft nur inAllgemeinanästhesie durchführbar.

Die symptombezogenen Maßnahmen zielen auf dieÜberführung des akuten entzündlichen Prozesses ineine chronische Form. Sobald es die klinischen Bedin-gungen erlauben, muss sich die kausale Therapie an-schließen.

Merke: Bei Kindern mit massiven Weichteilinfil-

trationen, progredienten Entzündungsverläufen,

Phlegmonen, Logenabszessen und/oder einem

reduzierten Allgemeinzustand ist eine stationäre

Behandlung angezeigt [7].

Korrektur von Zungenbändchen

Mit einer Häufigkeit von 3–5% aller Neugeborenen in-seriert das Frenulum linguae als kurzes, dünnes, blut-gefäßarmes häutiges Band unter der Zungenspitze [8](Abb. 29).

Klinisches Bild

Durch das verkürzte Zungenbändchen ist die Zungen-beweglichkeit eingeschränkt (Ankyloglossum). Bei star-ker Verkürzung erscheint die Zunge beim Herausstre-cken zweigeteilt bzw. an der Zungenspitze eingekerbt.In sehr seltenen Fällen kann sich das Frenulum linguaebis nach vestibulär ausdehnen und analog dem Frenu-

lum labiale ein Diastema zwischen den unteren zentra-len Schneidezähnen verursachen (Abb. 30).

Abb. 28 Intrusion von Zahn 11 bei einem 8-Jährigen. Diagnosestellung bei der Erstversor-gung: Avulsion. Die Wunde wurde mit einer Naht versorgt (a). Bei der röntgenologischenDiagnostik zeigte sich der intrudierte und weit nach apikal verlagerte Zahn (b). Er wurde um-gehend freigelegt (c), teilreponiert und anschließend orthodontisch reponiert (d).

Kausaltherapie dentogenerAbszesse

n Extraktion des ursächlichen Milch- oder permanenten

Zahnes oder

n endodontische Therapie, ggf. mit Wurzelspitzen-

resektion (in der Regel bei einwurzeligen bleibenden

Zähnen)

Alternative symptombezo-gene Therapiemaßnahmenin der ambulanten Praxis

n Trepanation des ursächlichen Zahnes, kombiniert mit

der Gabe eines Antibiotikums (Amoxicillin und Clavu-

lansäure); eine Antibiose allein reicht nicht aus.

n Intraorale Inzision unter Leitungsanästhesie fernab vom

entzündlichen Geschehen (bei älteren Schulkindern).

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Durch ein kurzes Frenulum linguae können beimSäugling Schwierigkeiten beim Stillen, Trinken undSchlucken oder später bei der Lautbildung auftreten.Außerdem ist die Reinigungsfunktion der Zunge imMolarenbereich beeinträchtigt. Gelegentlich findetman jedoch auch Schulkinder und Jugendliche, denenein Ankyloglossum subjektiv keine Probleme bereitethat.

Da zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen für Säuglin-ge und Kleinkinder künftig in das kinderärztliche Vor-sorgeheft aufgenommenwerden (sollen), wird derZahnarzt vermutlich häufiger mit dem Befund des„angewachsenen Zungenbändchens“ konfrontiert undum Beratung bzw. Behandlung ersucht werden.

Korrekturmethoden

Abhängig vom Ausmaß des Attachments werden ver-schiedene Korrekturverfahren angegeben. Im einfachs-ten Fall wird die Zunge angehoben, und nach Ober-flächenanästhesie kann das Zungenband entlang derZungenunterseitemit einem Scherenschlag durchtrenntwerden. Die Carunculae sublinguales dürfen nicht ver-letzt werden. Nähte sind in diesen Fällen meist nichterforderlich.

Bei stärker ausgeprägtem Gewebestrang empfiehlt sichwegen fehlender Blutung und eines problemlosen Hei-lungsverlaufs die Laseranwendung [9].

Erstreckt sich das Zungenband bis nach vestibulär undverursacht ein Diastema der unteren Schneidezähne,wird es analog der Frenektomie im Oberkiefer unterLokalanästhesie entfernt. Im Bereich des Mundbodenswird die Wunde mit Knopfnähten verschlossen. Die

Wunde im Bereich des Alveolarfortsatzes verheiltsekundär.

Lippenbandexzision

Ein Diastema mediale superior findet sich im frühenWechselgebiss bei ca. 7% der Kinder [6]. Es kann ver-ursacht werden durch einen Mesiodens, durch Nicht-anlage der seitlichen Schneidezähne oder, am häufigs-ten, durch ein tief ansetzendes, straffes Frenulum labiisuperior (Abb. 31). In diesen Fällen zieht das Frenulumals derber Strang von bukkal nach palatinal in diePapilla incisiva.

Merke: Wird die Papilla incisiva unter Zug beim

Anheben der Oberlippe ischämisch, ist eine Fren-

ektomie indiziert.

Abb. 29 Ankyloglossum bei einem 6 Monate alten Säugling. Abb. 30 Nach vestibulär ausgedehntes Zungenbändchen im frühenWechselgebiss.

Abb. 31 Diastema mediale superior, verursacht durch ein tiefansetzendes, straffes Frenulum labii.

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Ein Diastema mediale inferior wird sehr selten diagnos-tiziert, kann aber analog zum Oberkiefer mit einemstraffen Frenulum verbunden sein.

Frenektomie

Eine chirurgische Intervention ist erst in der Wechsel-gebissphase während des Durchbruchs der lateralenInzisivi angezeigt, wenn das dicke, bis in die palatinaleSchleimhaut ziehende Lippenbändchen ein Diastema

mediale zwischen den oberen Schneidezähnen ver-ursacht.

Merke: Die prophylaktische Korrektur des tief

ansetzenden Frenulum labii im Oberkiefer ist im

Milchgebiss nicht erforderlich.

Die Frenektomie ist ein kleiner chirurgischer Eingriff,der das Frenulum in toto entfernt. Der optimale Zeit-punkt für die Frenektomie liegt während des Durch-bruchs der lateralen Schneidezähne, im Alter von ca.

Frenektomie nach Eismann [10]

Nach Infiltrationsanästhesie vestibulär im

Frenulum (0,5ml Lokalanästhetikum sind

ausreichend) und palatinal im Foramen inci-

sivum hebt der Operateur die Oberlippe ab,

sodass das Frenulum gestrafft zwischen

2 Fingern liegt.

Mit dem Skalpell wird zunächst das Lippen-

bändchen mit kurzen, nachsetzenden

Schnitten von der Gingiva getrennt. Das

Skalpell wird dabei parallel zur Gingivaober-

fläche in Richtung Umschlagfalte geführt

(Abb. 32a). Ist eine deutliche Entspannung

zu spüren, wird nach ca. 5mm ein bis auf den

Knochen reichender Querschnitt gesetzt, der

das Frenulum beidseitig um 3mm überragt

(Abb. 32b). Von den Enden des Querschnitts

führen 2 Schnitte in Richtung auf die mesiozer-

vikalen Flächen der zentralen Schneidezähne

(Abb. 32c).

Nun folgt die Trennung des Bandes von palati-

nal analog dem Vorgehen im Vestibulum. Ein

kurzer Querschnitt wird unter Schonung der

Papilla incisiva vorgenommen. Von seinen En-

den führen wieder 2 schräge Schnitte zu den

mesiozervikalen Flächen der Schneidezähne.

Sie treffen dort auf die von vestibulär gesetzten

Schnitte.

Die so in Form einer Sanduhr umschnittenen

Weichgewebe werden einschließlich des Peri-

osts mit einem scharfen Löffel komplett he-

rausgelöst (Abb. 32d,e).

Zur Blutstillung wird ein Kollagenkegel einge-

legt (Abb. 32f). Eine Naht ist nicht erforderlich;

die Wunde heilt sekundär. Bereits nach

4 Wochen ist sie vollkommen verheilt.

a b c

d e f

Abb. 32 Frenektomie: a Trennen des Lippenbändchens von der Gingiva. b Querschnitt zur Begrenzung in Richtung Umschlagfalte. c Seitliche Begrenzungsschnittevon den Endpunkten des Querschnitts zu den mesiozervikalen Flächen der Zähne 11 und 21. d Wundfläche nach dem analogen Vorgehen von palatinal (Querschnittund seitliche Begrenzungsschnitte) und Entfernen der umschnittenen Weichgewebe mit einem scharfen Löffel. e Der Schnittverlauf ähnelt der Form einer Sanduhr.f Einlage eines Hämostyptikums (Kollagenkegel).

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8–9 Jahren, da der Durchbruchsdruck zum Lücken-schluss beiträgt.

Merke: Vor dem Eingriff ist ein Mesiodens

röntgenologisch auszuschließen.

In der Box auf der vorherigen Seite wird die von denAutorinnen über viele Jahre erfolgreich durchgeführteFrenektomie nach Eismann beschrieben.

Merke: Das Kind darf bis zum 3. Tag nach dem

Eingriff keine harte Nahrung abbeißen. Die Mund-

hygiene sollte wie üblich durchgeführt werden.

Erfahrungsgemäß sind die Kinder bezüglich derMundhygiene nach dem Eingriff sehr zurückhaltend,sodass zur Unterstützung eineMundspüllösung ver-ordnet werden kann.

Die Anwendung der Frenektomie nach Eismann wäh-rend des Durchbruchs der seitlichen Schneidezähnegewährleistet in ca. 70% der Fälle eine Selbstaushei-lung, ohne Anwendung kieferorthopädischer Appara-turen [10].

Fazit

Die zahnärztliche Behandlung von Kindern schließtauch eine breite Palette chirurgischer Maßnahmen ein.Entscheidend für den Therapieerfolg ist neben derKompetenz des Behandlers vor allem eine adäquatepsychologische Führung des Kindes.

Literatur

1 Krämer N, Daubländer M, Frankenberger R. Zur Anwendung eines

adrenalinreduzierten Lokalanästhetikums in der Kinderzahnheil-

kunde. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 2011; 33:

174–180

2 Daubländer M. Schmerzausschaltung und Sedierung. In: Einwag J,

Pieper K, Hrsg. Kinderzahnheilkunde. 3. Aufl. München: Urban

und Fischer; 2008: 233–248

3 Glockmann E, Taubenheim L. Die intraligamentäre Anästhesie.

Stuttgart, New York: Thieme; 2002

4 Hetzer G, Dietrich G, Viergutz G. Zur Extraktion von Milchzähnen.

Quintessenz 2002; 53: 951–958

5 Neubauer DG, Saiidi B, Becker J. Operative Zahnentfernung. In:

Reichart PA, Hausamen JE, Becker J, Neukam FW, Schliephake H,

Schmelzeisen R, Hrsg. Curriculum Zahnärztliche Chirurgie, Band I.

Berlin: Quintessenz; 2002: 185–208

6 Harzer W. Lehrbuch der Kieferorthopädie. München, Wien: Han-

ser; 1999: 234–240

7 Kühnisch J, Heinrich-Weltzien R, Schäfer E. Endodontie im Milch-

gebiss. Wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft

für Kinderzahnheilkunde und der Deutschen Gesellschaft für

Zahnerhaltung, 2011: 7. www.dgzmk.de

8 Hall DMB, Renfrew MJ. Tongue tie. A Review. Arch Dis Child 2006;

91: 541–542

9 Kotlow L. Diagnosis and treatment of ankyloglossia and tied

maxillary fraenum in infants using Er :YAG and 1064 diode lasers.

Europ Arch Paediatr Dent 2011; 12: 106–112

10 Eismann D. Frenulotomie zur Behandlung des Diastema mediale.

In: Künzel W, Toman J, Hrsg. Kinderstomatologie. Berlin: Volk und

Gesundheit; 1965: 426–427

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Über die Autorinnen

Gisela Hetzer

Prof. Dr., Studium der Zahnmedizin in

Greifswald und Dresden, Promotion

1963. Seit 1968 Fachzahnärztin für Kin-

derzahnheilkunde, 1983 Habilitation,

Hochschuldozentin für das Fachgebiet

Kinderzahnheilkunde. 1990–1993

Direktorin der Poliklinik für Kinderzahn-

heilkunde und Kieferorthopädie der

Medizinischen Akademie Dresden. 1992 Außerplanmäßige

Professur, 1994 Professur für Kinderzahnheilkunde.

1996–2000 Erste Vorsitzende der Gesellschaft für Kinder-

zahnheilkunde und Primärprophylaxe in der DGZMK.

1993–2005 Leiterin der Abteilung Kinderzahnheilkunde der

Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden.

2005 Emeritierung.

Gabriele Viergutz

Dr. med., 1973–1978 Studium der

Zahnmedizin, seit 1978 zahnärztliche

Approbation und wissenschaftliche

Assistentin im Bereich Kinderzahnheil-

kunde. 1983 Promotion zum Dr. med.

Seit 1984 Fachzahnärztin für Kinder-

zahnheilkunde. 2004–2006 Studium

Master of Medical Education (MME‑D).

Seit 2001 Oberärztin im Bereich Kinderzahnheilkunde, Poli-

klinik für Zahnerhaltung im Universitätsklinikum Carl Gustav

Carus, Technische Universität Dresden.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Gabriele Viergutz

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

Poliklinik für Zahnerhaltung – Bereich Kinderzahnheilkunde

Fetscherstr. 74

01307 Dresden

Telefon: 0351/458-3724

Fax: 0351/458-5303

E-Mail: [email protected]

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CME

1Welche Aussage zum Articain

trifft nicht zu?

A Articain ist das Lokalanästhetikum der Wahl bei Kindern.

B Die Metabolisierung von Articain wird nicht durch das Alter beeinflusst.

C Articain hat eine lange Plasmahalbwertszeit.

D Articain verfügt über eine ausgeprägte Knochenpenetration.

E Articain hat eine hohe Plasmaproteinbindung.

2Die Grenzdosis für Articain mit

vasokonstriktorischem Zusatz

bei Kindern beträgt

A 5mg/kgKG.

B 6mg/kgKG.

C 7mg/kgKG.

D 8mg/kgKG.

E 9mg/kgKG.

3Welche Aussage zur Lokal-

anästhesie bei Kindern ist falsch?

A Die Applikation des Oberflächenanästhetikums sollte nur punktuell erfolgen.

B Bei der Berechnung der individuellen Grenzmenge des Anästhetikums muss das Oberflächen-

anästhetikum berücksichtigt werden.

C Für die meisten zahnärztlichen chirurgischen Eingriffe im Milchgebiss ist die terminale

Infiltrationsanästhesie ausreichend.

D Bei der Anästhesie des N. alveolaris inferior ist die altersabhängige Lage des Foramen mandibulae

zu beachten.

E Die intraligamentäre Anästhesie ist im Milchgebiss kontraindiziert.

4Welches ist der häufigste Anlass

für Milchzahnextraktionen?

A Karies und Folgeerkrankungen

B Misserfolg nach endodontischer Therapie

C Trauma

D Ankylose

E parodontale Erkrankungen

5Benennen Sie die Therapie

der Wahl bei einem tief zerstörten

Milchzahn mit chronischer apikaler

Parodontitis und Fistelbildung!

A Trepanation des Milchzahns

B kontrollierendes Abwarten

C regelmäßiges Spülen der Fistel

D Pulpektomie und Wurzelkanalfüllung

E Extraktion des Milchzahns

CME‑Fragen

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Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern472

6Welche Aussage ist richtig?

Sogenannte Turner-Zähne

entstehen

A durch ein Milchzahntrauma.

B durch toxische Einflüsse von Wurzelfüllmaterialien im Milchgebiss.

C durch Ankylose eines Milchzahns.

D durch eine chronische apikale Parodontitis am Milchzahn.

E aufgrund genetischer Determinierung.

7Welche Aussage trifft nicht zu? A Frakturierte Milchzahnwurzelreste können grundsätzlich belassen werden, da sie innerhalb kurzer

Zeit resorbiert werden.

B Wurzelreste vitaler Milchzähne müssen nicht unbedingt entfernt werden.

C Milchzahnwurzelreste müssen entfernt werden, wenn der Durchbruch des Nachfolgers behindert

ist.

D Milchzahnwurzelreste müssen entfernt werden, wenn orthodontische Bewegungen der Nachbar-

zähne gestört werden.

E Infizierte Milchzahnwurzelreste müssen unbedingt entfernt werden.

8Welche Aussage trifft nicht zu?

Ankylosierte Milchzähne entfernt

man

A frühzeitig bei Verlagerung des nachfolgenden bleibenden Zahnes.

B frühzeitig bei Kippung des Nachbarzahns.

C bei Infraposition von 1mm zum Nachbarzahn.

D bei Infraposition mit subgingivaler Lage der Zahnkrone.

E zum Zeitpunkt des physiologischen Zahnwechsels.

9Wie häufig findet sich ein Ankylo-

glossum bei Neugeborenen?

A 1–3%

B 2–4%

C 3–5%

D 4–6%

E 5–7%

10Welche Aussage ist zutreffend?

Ein tief ansetzendes Frenulum labii

im Oberkiefer, welches ein Diastema

mediale verursacht, sollte korrigiert

werden

A bereits nach Durchbruch der Milchschneidezähne.

B während der Funktionsperiode des Milchgebisses.

C kurz vor dem Zahnwechsel.

D beim Durchbruch der lateralen Inzisivi.

E erst nach Abschluss der zweiten Wechselgebissphase.

CME

CME‑Fragen Zahnärztlich-chirurgische Maßnahmen bei Kindern

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