Zeit: Der Gute Mensch Von Meidling
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8/8/2019 Zeit: Der Gute Mensch Von Meidling
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12 25. November 2010 DIE ZEIT No 48
Innenministerin Maria Fekter verdankt esder Bauunternehmer Hans Jrg Ulreich,dass er heute ein populrer Mann ist. EinTrupp der Fremdenpolizei, der AnfangOktober in einem seiner Zinshuser die
beiden achtjhrigen Mdchen Dorentinya undDaniela Komani festnahm, um sie in das Kosovoabzuschieben, bescherte der sterreichischen Zi-vilgesellschaft einen neuen Helden. Das Hausgehrt Ulreich, er hat darin Quartiere fr Asyl-suchende eingerichtet.
Nun nicken dem 42-jhrigen Wohltter gnz-lich fremde Menschen auf der Strae anerken-nend zu. Seine Mieter senden ihm SMS-Nach-
richten, in denen sie sich fr seine couragierteHaltung bedanken. Sogar FP-Whler klopfenihm auf die Schulter und sagen: Gut gemacht!Kinder abschieben, das gehrt sich nicht. ImOnlineforum einer Tageszeitung steht: Personenwie Sie halten meinen Glauben an die Mensch-heit am Leben. Ulreich geniet die Zustim-mung. Weil er wei, dass die Sache auch ganzanders htte ausgehen knnen.
Als er sich entschloss, den Asylberatern des Ver-eins Purple Sheep kostenlos ein Haus fr Flcht-linge zur Verfgung zu stellen, frchtete er, erwerde sich nur rger mit Anrainern und hsslicheSchlagzeilen in den Boulevardzeitungen einhan-deln. Nun ist aber der graue, etwas verlebt wirken-de Altbau in der Meidlinger Arndtstrae mit demFreunde schtzen-Plakat an der Fassade ein Sym-bol fr gelebte Zivilcourage geworden. Sich inZeiten einer von rechten Tnen geprgten Inte-grationsdebatte fr Asylwerber einzusetzen hltUlreich bis heute fr eine riskante Wette die erberraschend gewann. Besser gesagt: Das hilfloseLcheln der achtjhrigen Zwillinge hat sie gewon-nen. Nachdem sie gemeinsam mit ihrem Vater
bereits ins Kosovo verfrachtet worden waren, muss-te die Innenministerin angesichts anhaltender Pro-teste einlenken. Nach einigen Wochen durften siezurck nach sterreich, vor Kurzem erhielten sieeine unbeschrnkte Aufenthaltserlaubnis. Dochweshalb hat sich der erfolgreiche Unternehmer aufdieses Wagnis eingelassen?
Auf diese Frage gibt es im Grunde genommennur eine Antwort: Hans Jrg Ulreich hatte seinVertrauen in den sterreichischen Rechtsstaat ver-loren. Also nahm der Selfmademan die Dinge selbstin die Hand. Ulreich ist ein gro gewachsener, ver-heirateter Mann mit strengen Gesichtszgen undleicht gewelltem Haar. Der hochgeklappte Kragenseines eng anliegenden Mantels flattert im Wind.
Als eloquenter Manager und Citoyen wurde er inden Medien gelobt. Als Ulreich das las, fhlte ersich geschmeichelt und schlug im Duden nach,was das berhaupt bedeuten soll: Citoyen.
Risikofreude brachte den Unternehmernach oben in mehrfacher Hinsicht
Nein, dieser Mann ist kein Salonsamariter, niemand,
der in noblem Ambiente darber faselt, wie sehrsein Herz fr die armen Teufel dieser Welt schlage.Der Bauernsohn aus dem Burgenland hat es weitnach oben gebracht und das im wahrsten Sinnedes Wortes: Den Gutteil seines Vermgens ver-diente er damit, in Grnderzeithusern die Dach-bden auszubauen. In Wien besitzt er mittlerweile30 revitalisierte Zinshuser. Sein Erfolgsgeheimnis,sagt er, sei es, dass er immer ehrlich und anstndiggewesen sei. Ein ironisches Lcheln huscht ber seinGesicht, als wollte er sich dafr entschuldigen,keine bessere Erklrung parat zu haben. Immerwieder durchbricht er seinen sonst so ruhigen so-noren Redefluss mit Stzen, die so gar nicht zu demBild eines rhrigen Gutmenschen passen: MeineGeschfte laufen so gut, weil ich einen Massen-geschmack habe und sofort spre, wenn aus einerBruchbude ein richtig geiles Haus werden kann.
Dem Aufstieg des Immobilientycoons war al-les andere als eine Bilderbuchkarriere voraus-gegangen. Bald musste er als BWL-Student er-kennen, dass es trotz allem Eifer nur fr mittel-mige Noten reichte. Zum Durchschnitt wollteeiner wie Hans Jrg Ulreich jedoch nicht geh-
ren. Wenn ich etwas mache, will ich vorne dabeisein, gibt er zu. Als ihm die Eltern zwei kleine,
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m Nachbarland Tschechien ersann die Politik end-ich eine Mglichkeit, das miserable Ansehen ihrerProtagonisten ein wenig zu verbessern. Was wollendie Menschen?, fragte sich eine junge Sozialdemo-kratin. Sie wollen nicht hinters Licht gefhrt werden,ie wollen mit den nackten Tatsachen konfrontiert
werden. Gedacht, getan: Sie entblte sich. Damitignalisierte sie: Seht her, ich habe nichts, aber schon
gar nichts zu verbergen. Grundstzlich drfte das derrichtige Weg sein in einer Zeit, in der alle ber Wh-ertuschung und faule Ausreden sthnen. Ein ersterSchritt ist das allemal. Das Volk wnscht sich Poli-iker zum Anfassen, die Tschechen erhielten nun
vorerst einmal eine Volksvertreterin zum Angaffen.Nicht auszudenken, wenn diese Sitte nach sterreich
bergreift. Dann tanzt der Finanzminister im Fern-ehstudio auf dem Tisch und lsst seine Hllen fallen,
derweil er sein Sparbudget vorstellt. Damit illustrierter: So pleite sind wir. Oder die Innenministerin ver-eiht ihrer bevorzugten Amtshandlung, Schulkinderaus dem Land zu schmeien, einen humanen Touch,ndem sie den armen Kleinen zum Abschied ein Pin-up berreicht, fr das sie in ihrem heimatlichen Kies-
werk posiert hat. Die Schotter-Mitzi, einmal anders.Das Rezept drfte nicht immer funktionieren. DerWiener Brgermeister htte vermutlich seine abso-ute Mehrheit auch nicht mithilfe von Auftritten inder Badehose retten knnen. Aber das beweist nur,dass mittlerweile die Krpersprache zur wichtigstenKomponente brgernaher Politik geworden ist.
Krpersprache
DONNERSTALK
Alfred Dorferwill endlich Politikersehen, die nichts mehr zuverbergen haben
Das Leben schreibt so manchen Schundroman, indem ein Herz zum anderen findet, und pltzlichchimmert die ganze Welt rosarot. Doch dann, bei
nchternem Licht besehen, war alles nur Lug undTrug. Die heien Liebesschwre: billige Agenten-ricks. Der sehnsuchtsvollste Blick: blo ein Eintragm Gedankenprotokoll. Gerne schickte einst dieStasi aus der inzwischen untergegangenen DDR einen
hrer Romeo-Agenten in die gefhlskalte KleinstadtBonn. Dort brach er das einsame Herz einer Schreib-kraft, die mglichst weit oben in einem Regierungs-bro sa. Und als sich der Herzensbrecher wieder ausdem Staub machte, waren seine Auftraggeber in Ost-Berlin um viele Staatsgeheimnisse klger. Jede Spio-nageabwehr versagt, wo die Kraft der Liebe ihrMachtwort spricht. Das ist ein ehernes Gesetz imMetier geheimer Ermittler. Nun darf man sich mi-itante Tierrechtsaktivisten nicht als besonders ro-mantische Menschen vorstellen, ihre ganze Leiden-chaft haben sie ja fr die gequlte Kreatur reserviert.
Dennoch versuchte es die sterreichische Sonder-kommission, die jahrelang den Verein gegen Tier-fabriken als brandgefhrliche Terrorzelle enttarnenwollte, mit einer drallen Mata Hari aus der Steier-mark, die schnell die intime Nhe eines dieser Kmp-ferherzen fand. Nun steht die Gruppe vor Gericht,und nur durch Zufall entdeckte man die perfide Tu-chung. Der arme Kerl ist um viele Illusionen rmer.
15 Monate lang, sagt er, habe er seinen Schatz fr eineoyale Mitstreiterin gehalten. Den schlimmsten Ver-dacht wagt er sich vermutlich gar nicht einzugestehen:Bevor sie zu ihm ins Bett kroch und sich zrtlich an
hn, den strikten Veganer, schmiegte, hatte sie wo-mglich ein fettes Schnitzel verschlungen. JR
Mata Hari
AUSSERDEM
STERREICH
etwas heruntergekommene Eigentumswohnun-gen im dritten Bezirk berlieen, witterte derBurgenlnder seine Chance. Er legte selbst Handan. Schon als Bub hatte er daheim am Hof mitanpacken mssen und dabei handwerkliches Ge-schick bewiesen. Jetzt sanierte er die beiden
Wohnungen und erlernte so die Grundlagenseines zuknftigen Gewerbes. Nach Abschlussdes Studiums arbeitete er fr einen Immobilien-treuhnder und machte sich schlielich 1999 alsBauunternehmer selbststndig.
Die Immobilienbranche galt in den neunzi-ger Jahren als unseris und schmuddelig, hatteaber groes Wachstumspotenzial, erinnert sichUlreich: Ich habe mir gedacht, mit Flei kannich es weit bringen. Er berredete die Eltern,eine Hypothek auf den heimatlichen Bauernhofaufzunehmen, und hielt so die zwlf MillionenSchilling fr sein erstes eigenes Zinshaus in Hn-den. Mit meinem heutigen Wissen wrde ichdas nicht mehr machen, gesteht Ulreich. EinScheitern htte ihn ruiniert, das Risiko sei damals
viel zu gro gewesen. Kurz hngt der Unterneh-mer seinen Worten nach, dann knipst er ein
souvernes Lcheln an: Nein, doch! Natrlichwrde ich es wieder machen.
Diese Lust am Risiko hat Hans Jrg Ulreichnicht nur zu einem wohlhabenden Mann gemacht,sie ist auch der Grund, dass er das Vertrauen in diePolitik verlor. Vor sechs Jahren legte ein Beamterder Stadt Wien eine EU-Norm bervorsichtig ausund ruinierte damit beinahe das Geschft mit demDachbodenausbau. Die Behrde ignorierte alleBeschwerden so lange, bis Ulreich ein Forschungs-projekt auf eigene Faust finanzierte, das die Berech-nungen der Stadt widerlegte. Typisch sterreich,sagt der selbstbewusste Bauunternehmer. Er hatgelernt, mit der Selbstherrlichkeit der Brokratiefertigzuwerden. Einmal verweigerte beispielsweisedie Magistratsabteilung die Auszahlung der Wohn-baufrderung, weil Ulreich bei einer Sanierungeinen Hausteil nicht abreien wollte, der ihm nichteinmal gehrt hatte. Vor wenigen Wochen wurdeder Innenhof des Hauses, der durch seine stureHaltung bewahrt worden war, als NaturnaheGrnoase ausgezeichnet von der Stadt Wien.
Verschleppte Verfahren, falsch ausgelegteRichtlinien, Willkr der Beamten so etwas
bringt den Unternehmer in Rage. Die Politikeragieren vllig abgeschirmt und sind zu dummoder zu faul, um an der Unfhigkeit der Behr-den etwas zu ndern, emprt er sich. Besondersschlimm ist nur, dass dies nicht nur bei ver-gleichsweise unwichtigen Sachen wie der Haus-sanierung geschieht, sondern auch, wenn kleineKinder abgeschoben werden.
Vor fnf Jahren erkannte der Aufsteigertyp, dassdas Leben nicht nur aus schicker Wohnhaussanie-rung besteht. Damals schnorrte ihn die umtriebi-ge Flchtlingshelferin Ute Bock um freie Unter-knfte fr die von ihr betreuten Asylbewerber an.Rasch war klar, dass sich der Verein von Mamma
Bock die Mieten nicht wrde leisten knnen. Alsohab ich Frau Bock angeboten, dass die Flchtlingein der Zeit zwischen Ankauf und Sanierung einesHauses kostenlos in meine leer stehenden Woh-nungen einziehen knnen. ber sein Engagementmachte der Geschftsmann nie groes Aufheben,und das, obwohl er mittlerweile jede zweite derknapp hundert Wohnungen, die der Verein vonUte Bock nutzt, zur Verfgung stellt.
Vom stillen Frderer zumMenschenrechtsaktivisten
Erst eine skandalse Dummheit, wie er esnennt, bewog den Unternehmer im vergangenenFebruar, erstmals selbst die Initiative zu ergreifen.Damals schob die Fremdenpolizei Bernard Kar-rica, den besten Freund seines zehnjhrigen Soh-nes, samt Familie in das Kosovo ab. Ich habenicht einmal gewusst, dass er kosovarischer Ab-stammung ist, so gut war der Bub integriert,wundert sich Ulreich noch heute. Sein Sohn hin-gegen glaubte, dass Bernard abgeschoben wurde,weil er am Fuballplatz ein Foul begangen hatte.
Muss ich nach meinem nchsten Foul auch ge-hen?, fragte er seinen Vater und flehte ihn an,etwas gegen die Ausweisung seines Freundes zuunternehmen.
Ulreich nahm den Kampf auf. Als Bauherrhatte er sein halbes Berufsleben gegen scheinbareherne Vorschriften und widerborstige Beamteangehen mssen. Nun wollte er seine ganze Er-fahrung im Umgang mit Behrden nutzen, umeinen Jungen vor einem Schicksal zu bewahren,das er fr staatlich verordnetes Unrecht hielt.Dabei holte sich der Einzelkmpfer eine Abfuhrnach der anderen: Die Polizei behauptete, esgebe eine Weisung von ganz oben, das Innen-ministerium war nicht zu erreichen, und derBundesprsident verwies auf das Gesetz. Nie-mand konnte oder wollte helfen.
Doch die Grnderin des damals noch wenigbekannten Vereins Purple Sheep, Karin Klaric,bei der er Rat gesucht hatte, und der Bauunter-nehmer wollten zumindest ein Zeichen gegen diePraktiken der Fremdenpolizei setzen. Sie stelltendie Petition Freunde schtzen ins Internet. Im-merhin 15 000 Brger haben bis heute ihren Na-
men unter den Forderungen eingetragen. Es sollteaber nicht bei diesem symbolischen Akt bleiben.Am liebsten htte ich ein Stadion, wo ich allehineintun knnte, damit wir sie besser beschtzenknnen, klagte seine Verbndete, als man im
August in Ulreichs Bro beisammensa und Ide-en wlzte. Er habe zwar kein Stadion, erwiderteder Geschftsmann, aber ein Haus in Meidling,das sich fr den guten Zweck verwenden liee.
Einen Monat spter zogen die ersten Bewohnerin das Gebude in der Arndtstrae 88: die Koma-ni-Zwillinge mit ihrem Vater. Als kurz darauf dieFremdenpolizei anrckte, um die Familie in Rich-tung Kosovo abzuschieben, war Klaric mit Sozial-arbeitern zur Stelle, um das derbe Vorgehen me-dienwirksam zu dokumentieren.
Kleine Mdchen, die von der Politik ffentlichwie Verbrecher behandelt werden, das hat die Stim-mung im Land gedreht, sagt Ulreich. Die Komani-Zwillinge leben heute wieder im Freunde scht-zen-Haus. Bernard Karrica, der Kumpel seinesSohnes, muss hingegen noch immer im Kosovoausharren. Doch Hans Jrg Ulreich gibt nicht auf.Er will sich weiterhin fr eine Rckkehr des Buben
einsetzen. Und hofft, dass knftig in dieser RepublikIntegrationsprobleme anders gelst werden.
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:GianmariaGavafrDIEZEIT/www.g
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