Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

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Einleitung: Bernhard Schlinks Werk Der Vorleser, das 1995 geschrieben wurde, ist einer der wenigen auch international erfolgreichen deutschsprachigen Romane der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. 1 Der Roman beschäftigt sich mit mehreren Themen, wie z.B. Schuld, Holocaust und Faschismus, was eigentlich sehr wichtige Themen für die deutsche Nachkriegszeit sind und deswegen nimmt dieses Werk in der deutschen Nachkriegsliteratur einen besonderen Platz. Dieser Roman ist in drei Teile unterteilt, die jeweils einem besonderen Lebensabschnitt der Hautpfigur Michael Berg entsprechen . Was besonders wichtig ist, ist die Tatsache, dass dieser Roman sich auch aus verschiedenen Zeitebenen besteht. Jeder Teil ist durch den Neuanfang der Numerierung der Kapitel als eigenständig und abgeschlossen gekennzeichnet (Teil I: Kapitel 1-17, Teil II: 1-17, Teil III Kapitel 1-12) 2 Das Erzählen folgt der Chronologie der Ereignisse, es ist im Rückblick erzählt und enthält immer wieder Vorausdeutungen, Einschübe und Unterbrechungen. 3 Die drei Teile werden einerseits durch ein überleitendes erstes Kapitel, anderseits durch Rückblicke und Vorausdeutungen sowie durch das Leitmotivgeflecht miteinander verknüpft. 4 In jedem der drei Teile des Romans wird der Anfang einer Lebensphase gestaltet. 1 Vgl. Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun, 2003, 274. 2 Vgl. Margaret, Möckel: Erläuterungen zu Bernhard Schlink der Vorleser. Hollfeld:C.Bange Verlag, 2003, 43. 3 Ebenda. 4 Ebenda.

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Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser . auf deutsch

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Einleitung:

Bernhard Schlinks Werk Der Vorleser, das 1995 geschrieben wurde, ist einer der wenigen auch

international erfolgreichen deutschsprachigen Romane der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.1

Der Roman beschäftigt sich mit mehreren Themen, wie z.B. Schuld, Holocaust und Faschismus, was

eigentlich sehr wichtige Themen für die deutsche Nachkriegszeit sind und deswegen nimmt dieses

Werk in der deutschen Nachkriegsliteratur einen besonderen Platz.

Dieser Roman ist in drei Teile unterteilt, die jeweils einem besonderen Lebensabschnitt der Hautpfigur

Michael Berg entsprechen . Was besonders wichtig ist, ist die Tatsache, dass dieser Roman sich auch

aus verschiedenen Zeitebenen besteht.

Jeder Teil ist durch den Neuanfang der Numerierung der Kapitel als eigenständig und abgeschlossen

gekennzeichnet (Teil I: Kapitel 1-17, Teil II: 1-17, Teil III Kapitel 1-12)2

Das Erzählen folgt der Chronologie der Ereignisse, es ist im Rückblick erzählt und enthält immer

wieder Vorausdeutungen, Einschübe und Unterbrechungen.3

Die drei Teile werden einerseits durch ein überleitendes erstes Kapitel, anderseits durch Rückblicke

und Vorausdeutungen sowie durch das Leitmotivgeflecht miteinander verknüpft.4

In jedem der drei Teile des Romans wird der Anfang einer Lebensphase gestaltet.

Schlink erzählt die Liebesgeschichte zwischen einem fünfzehnjährigen jungen Mann und einer um

zwanzig Jahre älteren Frau.5

In diesen drei Teilen berichtet der Erzähler und zugleich die Hauptfigur Michael Berg von der Zeit als

er als 15 – Jähriger vom Winter 1958 bis zum Sommer 1959 ein Verhältnis mit der damals 36 –

jährigen Analphabetin Hanna Schmitz hatte, der Zeit als er Jurastudent war und schließlich von seinem

und Hannas Weiterleben. Es ist auch wichtig zu betonen, dass am Anfang des Romans Michael nur 15

Jahre alt ist, dann spräter geht es um den Zeitpunkt, in dem Michael Jurastudent ist am Ende des

Romans ist er eine erwachsene Person, die auch eine Tochter hat. Man muss noch erwähnen, dass

diese Zeitebenen der Entwicklung der Hauptperson entsprechen.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit ist zu zeigen, wie die bestimmten Zeitebenen diesen drei Teilen des

Romans entsprechen und wie sich im Laufe dieser Zeitebenen das Leben des Ich - Erzählers ändert.

1 Vgl. Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun, 2003, 274.2 Vgl. Margaret, Möckel: Erläuterungen zu Bernhard Schlink der Vorleser. Hollfeld:C.Bange Verlag, 2003, 43.3 Ebenda.4 Ebenda.5 Ralf, Schnell: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart; Weimar:Verlag J.B. Metzler, 2003, 593.

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In dieser Arbeit werden alle drei Teile des Romans getrennt bearbeitet um diese Zeitebenen deutlicher

zu erklären. Im Rahmen jedes Teils werden auch die Figuren analysiert und es wird auch gezeigt wie

sich diese Personen im Laufe der Zeit geändert haben.

1.Teil I : „Als ich fünfzehn war...“

Wie schon erwähnt wurde, jeder Teil befasst sich mit einer bestimmten Zeitebene und dem

entsprechend schildert der erste Teil von einer schon am Anfang. Man kann einen Einblick haben, um

welche Zeitebene es sich in dem esten Teil des Romans handelt, schon aus der ersten vier Wörter des

esten Kapitels. In dem ersten Teil geht es um die Periode vom Herbst 1958 bis zum Sommer 1959.

Im Rückblick berichtet der Erzähler Michael Berg in klarer Distanz von der Zeit, als er 15 – Jähriger

vom Winter 1958 bis zum Sommer 1959 ein Verhältnis mit der damals 36 – jährigen Analphabetin

Hanna Schmitz hatte.6

1.1 Beginn der Gelbsucht (Herbst 1958):

Der Leser lernt den Erzähler als Jugendlichen kennen. Der Roman beginnt mit der Zeit, als der

Erzähler 15 Jahre alt war und das lässt sich auch aus dem folgenden Zitat sehen:

„Als ich fünfzehn Jahre alt war, hatte ich Gelbsucht. Die Krankheit begann im Herbst und endete im Frühjahr. Je kälter und dunkler das alte Jahr wurde, desto schwächer wurde ich. Erst mit dem neuen

Jahr ging es aufwärts.“7

Aus diesem Zitat kann man sehen, dass der Erzähler am Anfang seiner Geschichte über die Periode, in

der er als ziemlich jung krank war, bzw. Gelbsucht hatte, berichtet. Der Erzähler gibt uns einen

konkreten Bericht, wann er erkrankte und wie er sich damals fühlte. Alles passierte im Herbst 1958.

6 Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun, 2003, 274.7 Bernhard, Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag,1997, 5.

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1.2 Begegnung mit Hanna (Herbst ; Okrobar 1958):

Wenn man weiter die Zeile liest, kommt man zum Teil, wo der Erzähler bzw. Michael Berg von

einem Montag im Oktobar spricht. Damals übergab er sich auf dem Nachhauseweg von der Schule,

wann ihm eine noch unbekannte Frau zur Hilfe gekommen ist, die später als die 36 – jährige alte

Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz vorgestellt wird. Wie sich Michael in diesem Moment fühlte,

als er sich übergab, gibt der Autor eine ausführiche Beschreibung:

„Ich schämte mich, so schwach zu sein. Ich schämte mich besonders, als ich mich übergab. Auch das war mir noch nie in meinem Leben passiert. Mein Mund füllte sich, ich versuchte, es

hinunterzuschlucken, preßte die Lippen aufeinander, die Hand vor den Mund, aber es brach aus dem Mund und durch die Finger. Dann stütze ich mich an die Hauswand, sah auf das erbrochene zu

meinen Füßen und würgte hellen Schleim.“8

Hier wird gezeigt, dass der junge Michael sich sehr schwach fühlte und sogar sich deswegen

schämte. Dank dieser Situation ist es zur Begegnung Michaels mit Hanna Schmitz, einer

Straßenbahnschaffnerin gekommen. Hanna Schmitz hat dem jungen Michael geholfen indem sie

das "Jungchen" gesäubert und nach Hause in die Blumenstraße gebracht hat . Dieses Moment war

für Michael von großer Bedeutung, weil diese Bekanntschaft fast sein ganzes Leben gekennzeichnet

hat.

Schon in dem ersten Kapitel des Romans ist es deutlich, dass diese erste Begegnung Michaels mit

Hanna nicht nur eine Begegnung wegen der Hilfe ist.

1.3 Besuch bei Hanna (Ende Februar 1959):

Diese Begegnung mit der altären Frau hat einen großen Eindruck auf Michael hintergelassen und

deswegen ist er im Februar 1959 noch einmal zu dieser Frau in die Blumenstraße gegangen, um

sich für die Hilfe zu bedanken.

8 Bernhard, Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag, 1997, 5-6.

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Der Leser kann weiter im dritten Kapitel sehen, wie diese Bekanntschaft Michaels mit Hanna auf

ihn gewirkt hat. Der Besuch zur Frau, deren Name Michael noch nicht kannte, began langsam sein

Leben zu ändern.

Schon bei diesem Besuch lässt es sich sehen, dass das „Jungchen“, wie Hanna Michael nannte, von

dieser Frau begeistert wurde, obwohl sie ziemlich älter als er war. Das kann man auch aus

folgendem Zitat sehen:

„Ich konnte die Augen nicht von ihr lassen.“9

1.4 Beginn des Verhältnisses mit Hanna (Februar/ Anfang März 1959):

Als der junge Michael Hanna zum zweiten Mal besucht hat, hat zu dieser Zeit, also im Februar 1959

eine Liebesbeziehung zwischen Michael und Hanna begonnen.

In dem Moment, in dem es zur Näherung zwischen Michael und Hanna gekommen ist, hatte der

Jungchen Angst vor der ganzen Situation, in der er sich befand, weil er eigentlich zu dieser Zeit noch

ziemlich jung war und andererseits war die Frau viel älter. Das lässt sich aus dem folgenden Zitat

sehen:

„Ich hatte Angst: vor dem Berühren, vor dem Küssen, davor, dass ich ihr nicht gefallen und nicht genügen würde. Aber als wir uns eine Weile gehalten hatten, ich ihren Geruch gerochen und ihre

Wärme und Kraft gefühlt hatte, wurde alles selbstveständlich.“10

In dieser Periode began sich das Leben von Michael zu ändern und das wird auch in den weiteren

Kapiteln klar. Der junge Michael hat sich zum ersten Mal in seinem Leben so verliebt, dass er in der

Nacht von Hanna geträumt hat und nach ihr gesehnt hat.

9 Bernhard, Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag, 1997, 15.10 Ebenda, 27.

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1.5 Fahrradtour mit Hanna durch den Odenwald und Versetzung in die 11. Klasse (April

1959):

Der Erzähler berichtet weiter wie sich die Beziehung zwischen Hanna und ihm weiter entwickelte.

Um ihres Glück dem Leser zu nähern spricht der Ich - Erzähler von einem Fahrradtour, das er mit

Hanna gemacht hat. Es ist wichtig zu erwähnen, dass der junge Michael nicht mehr so jung war,

besonders weil er in dieser Periode ein bisschen ernster war.

Nach dem Rückkehr nach Hause, haben die Eltern Michael allein mit der kleinen Schwester gelassen.

Dieser Moment ist wichtig, weil Michael da verstanden hat, dass er wegen der Beziehung mit Hanna

selbstständiger geworden ist. Das sieht man in dem folgenden Zitat:

„Im Rückblick finde ich beachtlich, dass meine Eltern bereit waren, mich Fünfzehnjährigen eine Woche lang alleine zu Hause zu lassen. Hatten sie die Selbständigkeit bemerkt, die durch die

Begegnung mit Hanna in mir gewachsen ist.“11

1.6 Ende der Beziehung zu Hanna (Sommer 1959):

Am Ende des ersten Teils des Romans handelt es sich um eine Periode, in der Michael von seinen

Reflexion über die fehlende gemeinsame Lebenswelt zwischen Hanna und ihm und über die von

Hanna dominierte Beziehung berichtet. Zu dieser Zeit ist Hanna plötzlich verschwunden und das

stellt zugleich Ende einer glücklichen Periode in Michaels Leben vor.

Bevor man mit der Bearbeitung des zweiten Teils des Romans beginnt, ist es wichtig einen kurzen Überblick der Zeitebene des ersten Teils zu geben damit man diese Zeitperiode besser verstehen kann:

11 Bernhard, Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag,1997, 58.

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2. Teil II: „Nachdem Hanna die Stadt verlassen hatte...“

In dem zweiten Teil des Romans lassen sich zwei Zeitebenen unterscheiden bzw. hier berichtet der

Erzähler von der Periode, als die Hanna die Stadt verlassen hat und was alles in seinem Leben

danach passierte. Andererseits gibt es hier noch eine Zeitebene, die dem Leben von Hanna

entspricht. In diesem Teil des Romans erfahren wir mehr über Hannas Leben und bekommen einen

Einblick in alle Ereignisse in ihrem Leben. Man kann auch sehen, dass dieser Teil sieben Jahre

später spielt.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass es in diesem Teil auch um die historischen Ereignisse geht,

die das Leben von Hanna Schmizt gekennzeichnet haben. Diese historischen Ereignisse sind mit

dem KZ – Prozeß verbunden und davon wird auch die Rede in dem Ansatz dieser Arbeit.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht der Prozess gegen Michael Bergs frühere Geliebte Hanna

Schmitz. Dabei geht es um die öffentliche Aufdeckung von Hannas Verbrechen gegen die

Menschlichkeit und auf privater Ebene um die plötzliche Einsicht des Ich – Erzählers, dass Hanna

Schmitz weder lesen noch schreiben kann.12

Um diese zwei Zeitperioden besser zu verstehen, werden hier diese zwei Perioden getrennt

bearbeitet und die Erreignisse chronologisch gegeben. Zuerst wird das Leben von Michael Berg in

der nächsten Zeitperiode dargestellt und dann Hannas Leben.

12 Juliane,Köster: Bernhard Schlink. Der Vorleser. München: Oldenbourg Verlag, 2000, 27.

Beginn der Gelbsucht (Herbst 1958)

Begegnung mit Hanna (Herbst ; Okrobar 1958)

Besuch bei Hanna(Ende Februar 1959)

Beginn des Verhältnisses mit Hanna (Februar/ Anfang März 1959)

Fahrradtour mit Hanna durch den Odenwald und Versetzung in die 11. Klasse (April 1959)

Ende der Beziehung zu Hanna (Sommer 1959)

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2.1 Michaels Weiterleben (von 1959 bis zum Juni 1966)

Der Zweite Teil der Romans schildert – wiederum in der Rückschau – die Zeit, in der Michael

Hanna zufällig wiedertrifft: Er als Jurastundent, sie als Angeklagte in einem KZ – Prozess13

2.1.1. Ende der Schulzeit und Beginn des Studiums von Michael (1959 - 1962)

Als es schon erwähnt wurde, in diesem Teil berichtet Michael von der Zeit nachdem Hannas

Verschwinden, in der er lang Schuldgefühle hatte, die aber langsam abflauen. Danach berichtet der

Erzähler über die Zeit, in der er mit seiner Familie in einen anderen Stadtteil (Ende 1959/Anfang

1960) umgezogen ist.Weiter berichtet Michael von dem Abschluss der Schule im Jahr 1962 und

zugleich von dem Beginn des Jurastudiums. Die Jahre der Schule und des Jurastudiums hat Michael

als glückliche Jahre in Erinnerung.

2.1.2 Teilnahme am Prozess und Wiederbegegnung mit Hanna (Frühjahr 1966)

In dem Ansatz schildert Michael von einem Jura – Seminar, an dem er teilgenommen hat, das einen

KZ-Prozess begleiten soll. Dieses Seminar war im Frühjahr 1966. Damals hat er Hanna wieder

getroffen, weil sie nämlich Angeklagter in diesem KZ – Prozess war. Michael berichtet auch, dass

er Hanna sofort erkennen hat und dass er nichts fühlte. Das lässt sih auch aus dem folgenden Zitat

sehen:

„Natürlich erkannte ich sofort den Namen : Hanna Schmitz. Dann erkannte ich auch die Gestalt, den Kopf fremd mit zum Knoten geschlungenen Haaren, den Nacken, den breiten Rücken und die kräftigen

Arme. Sie hielt sich gerade. Sie stand fest auf beiden Beinen. Sie ließ ihre Arme locker hängen. Sie trug ein graues Kleid mit kurzen Ärmeln. Ich erkannte sie, aber ich fühlte nichts. Ich fühlte nichts.“14

Während des Prozesses wird Michael auch klar, dass Hanna Analphabetin ist und dann konnte er

sich dadurch viele Erlebnisse und Erfahrungen mit Hanna früher und während des Prozesses

erklären.

13 Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun, 2003, 275.14 Bernhard, Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag, 1997, 91.

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Es stellt sich heraus, dass Hanna Analphabetin ist und gegen ihren Willen in eine Komplizenschaft

mit dem Nazi – Regime hineingeraten ist, weil sie immer versucht hat, ihre Lese – und

Schreibunfähigkeit zu verbergen.15

Alles geschiet im Frühjahr 1966. Danach ändert Michael seine Rolle (vom Zuschauer zum

Teilnehmer) und versucht Hanna zu helfen.

2.1.3 Besuche beim Vater, beim Richter, des KZ Struthof im Elsass (vom Frühjahr bis

zum Winter 1966)

Weiter im Werk berichtet Michel über seine Besuche, die er gemacht hat mit der Absicht Hanna zu

helfen. Zuerst erwähnt er den Besuch beim Vater im Frühjahr (1966), dann weiter sein Besuch des

KZ Struthof im Elsass im Juni 1966 und endlich den Besuch beim Richter. Später berichtet der

Erzähler auch, dass er im Winter zum zweiten Mal im KZ Struthof gewesen ist.

2.1.4 Urteil (Ende Juni 1966)

Am Ende des zweiten Teils des Romans berichtet Michael vom Urteil, Ende Juni 1966. Da wurde

Hanna zu lebenslänglicher Freiheitstrafe verurteilt.

Diese Ereignisse aus dem Michaels Leben im zweiten Teil des Romans und zugleich diese

Zeitebene können auch tabelarisch dargestellt werden:

2.2 Hannas Leben

15 Wilfried, Barner: Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart.München:Verlag C.H. Beck, 2006, 975.

Ende der Schulzeit und Beginn des Studiums von Michael (1959 - 1962)

Teilnahme am Prozess und Wiederbegegnung mit Hanna (Frühjahr 1966)

Besuche beim Vater, beim Richter, des KZ Struthof im Elsass (vom Frühjahr bis zum Winter 1966)

U rte il (E n d e J u n i 1 9 6 6 )

Page 9: Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

Wie es oben erwähnt wurde, im zweiten Teil haben wir zwei Zeitebenen, eine die Michaels Leben

folgt und zweite, die dem Hannas Leben entspricht. Hier kann der Leser etwas mehr von Hanna und

ihrer SS-Vergangenheit erfahren. Der Erzähler berichtet uns, was er von Hanna im KZ – Prozess, an

dem er teilgenommen hat, erfahren hat.

Diese Zeitebene gibt uns einen Einblick in Geschehnisse aus Hannas Leben in der Periode von 1939

bis 1966.

Aus Michaels Berichten erfährt der Leser, dass Hanna am 21. Oktober 1922 bei Hermannstadt

geboren ist und während des Prozesses 43 Jahre alt ist. Daneben erfährt der Leser, dass sie

1939/1940 bei Simens in Berlin gearbeitet hat und danach im Herbst 1943 zur SS gegangen ist.

Weiter im Werk, durch das Lesen des Vorsitzenden, erfährt man noch weiter Informationen von

Hanna bzw. wo sie wohnte und was sie machte. Das kann man auch aus dem folgenden Zitat

sehen:

„Der Vorsitzende ließ sich von Hanna einsilbig bestätigen, dass sie bis Frühjahr 1944 in Auschwitz und bis Winter 1944/1945 in einem kleinen Lager bei Krakau eingesetzt war, dass sie mit den

Gefangenen nach Westen aufgebrochen und dort auch angekommen war, dass sie bei Kriegsende in Kassel gewesen war und seitdem hier und gelebt hatte. Acht Jahre hatte sie in meiner Heimatstadt

gewohnt; es war die längste Zeit, die sie an ein und demselben Ort verbracht hatte.“16

Aus diesem Zitat wird es klar, dass diese Zeitebene sich auf Hannas Leben bezieht und zugleich

eine zweite Ebene darstellt, die sich in diesem zweiten Teil des Romans mit der Zeitebene, die dem

Michaels Leben entspricht, verflicht.

Alle diesen Ereignisse aus Hannas Leben können auch tabelarisch und chronologisch dargestellt

werden:

16 Bernhard Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag, 1997, 92.

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Teil III: „Den Sommer nach dem Prozess...“

Der dritte Teil beschreibt weniger abwertend als der aus der Rückschau verfasste erste Teil

Michaels und Hannas Weiterleben.17

3.1 Skiurlaub, Michael lernt Gertrud kennen, Krankheit Michaels (Winter 1967/68)

Hier handelt es sich weiter um die Zeitebene, in der Michael einen Skiurlaub machte und damals

erkrankte, bzw. Krankheit Lungenentzündung hatte. Der Erzähler schildert auch davon, wie er auch

im Krankenhaus wegen der Krankheit war. Er berichtet auch später, dass er die Frau, die er

geheiratet hat, auf dieser Skihütte kennengelernt hat.

17 Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun, 2003, 276.

Am 22. Okrober 1922 in Hermannstadt geboren

Arbeit bei Simens in Berlin (1939/ 1940)

Abgang zur SS, Arbeit in Auschwitz (Herbst 1943)

Aufseherin in Auschwitz bis Frühjahr 1944

Aufseherin in einem Lager bei Krakau (1944/1945)

Wohnort in Kassel (seit 1945)

Tätigkeit als Straßenbahnschaffnerin in M ichaels Stadt (1950)

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3.2 Beginn des Refendariats und Heirat mit Gertrud (vom Sommer 1968 bis 1969)

In dem dritten Teil geht es weiter um die Zeit, in der Michael das Refendariats begonnen hat. Der

Ezähler berichtet, dass er als Refendar Gertrude geheiratet hat. Sie war auch Juristin und sie wurden

zusammen Referendare. Michael hat auch in diesem Jahr seine Tochter Julia mit Gertrud

bekommen.

3.3 Scheidung, Beginn der Lesungen auf Kassete für Hanna, eigene schriftlerische

Tätigkeit (1974)

Als Michaels Tochter Julia 5 Jahre alt war, hat er seine Ehe mit Gertrud beendet.

Etwa 1973/74 (im 8. Jahr von Hannas Haft) beginnt Michael für Hanna Bücher auf Kassetten

vorzulesen bzw. beginnt mit der Odyssee, dann Schnitzler, Tschechow, Keller, Fontane, Heine,

Mörike. Später liest Michael Hanna auch seine eigenen Werke.

3.4 Besuch im Gefängnis, Treffen mit Hanna (1984)

Michael berichtet dem Leser weiter von seinem Besuch im Gefängnis und wie er Hanna wieder

getroffen hat. Der Leser kann hier auch erfahren, dass Michael da nach dem Hannas Freitod ihre

Zelle besucht hat.

3.5 Dienstreise in die USA (Herbst 1984)

Im Herbst 1984 nach Hannas Tod reist Michael nach New York, um Hannas Vermächtnis zu erfüllen. Michael berichtet dann von dieser Reise.

3.6 Beendigung des Buches über Hannas und seine Geschichte (1994)

Am Ende des dritten Teils des Romans und zugleich am Ende des Buches bericht der Erzähler über

die Periode, in der die Fragen, die ihn nach dem Tod (nämlich 10 Jahre später ) von Hanna

Page 12: Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

jahrelang beschäftigt haben. Er hatte eine Idee, die Geschichte über seine und Hannas Geschichte zu

schreiben. Das wird auch in dem folgenden Zitat klar:

„Den Vorsatz, Hannas und meine Geschichte zu schreiben, habe ich bald nach ihrem Tod gefasst. Seitdem hat sich unsere Geschichte in meinem Kopf viele Male geschrieben, immer wieder ein

bisschen anders, immer wieder mit neuen Bildern, Handlungs- und Gedankenfetzen.“18

Michael entschied am Ende des Romans diese Geschichte zu beenden und er dachte, dass er die

Geschichte geschrieben hat, weil er sie loswerden sollte.

Auch nach diesem dritten Teil kann man alle diese Ereignisse und diese Zeitebene tabelarisch und

chronologisch darstellen:

18 Bernhard Schlink: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag,1997, 205.

Skiurlaub, Michael lernt Gertrud kennen, Krankheit Michaels (Winter 1967/68)

Beginn des Refendariatsm und Heirat mit Gertrud (vom Sommer 1968 bis 1969)

Scheidung, Beginn der Lesungen auf Kassete für Hanna, eigene schriftlerische Tätigkeit (1974)

Besuch im Gefängnis, Treffen mit Hanna (1984)

Dienstreise in die USA (Herbst 1984)

Beendigung des Buches über Hannas und seine Geschichte (1994)

Page 13: Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

Obwohl in der Arbeit nach jedem Teil jede Zeitebene chronologisch und tabelarisch dargestellt wurde,

wird hier auch eine bildhafte Darstellung dieser Zeitebenen gegeben:

Page 14: Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

Schlussfolgerung:

Aufgrund dieser detailierten Bearbeitung der einzelnen Teilen des Romans kann man festigen, dass es

sich in diesem Roman um unterschiedliche Zeitebenen handelt, von denen dem Leser der Erzähler

berichtet.

Man konnte in dieser Arbeit sehen, dass diese unterschiedlichen Zeitebenen dem Leben der

Hauptfiguren bzw. dem Michaeels und Hannas Leben entsprechen.

Für den Leser ist es vieleicht schwer alle diesen Zeitebenen zu verstehen und im Kopf chronologisch

zu haben und deswegen wurden diese Zeitebenen in dieser Arbeit chronologisch und getrennt

bearbeitet.

In dieser Arbeit wurden auch die Personen durch diese Zeiebenen teils analysiert aber der

Schwerpunkt dieser Arbeit war es, die Zeitebene im Schlinks Roman zu zeigen und deswegen konnte

man nicht viel über die Personen erzählen.

Es wurde hier auch klar, dass hinter diesen Zeitebenen die NS- Vergangenheit steht und das ist auch

wichtige Tatsache, weil das Werk deswegen zur Nachkriegsliteratur gehört.

Page 15: Zeitebenen in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser .

Literaturverzeichnis:

Primärliteratur:

Schlink,Bernhard: Der Vorleser.Zürich: Diogenes Verlag,1997, 5,6,15,27,58,92,205.

Sekundärliteratur:

1. Barner, Wilfried: Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart.München:Verlag C.H. Beck, 2006, 975.

2. Hrsg: Romane des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Philipp Reclam jun; 2003, 274, 275,276.

3. Köster, Juliane: Bernhard Schlink. Der Vorleser. München: Oldenbourg Verlag, 2000, 27.

4.Möckel, Margaret: Erläuterungen zu Bernhard Schlink der Vorleser. Hollfeld; C.Bange Verlag: 2003, 43.

5.Schnell, Ralf: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart; Weimar: Verlag J.B. Metzler, 2003, 593.