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© Carl Hanser Verlag Zeitschrift Kunststofftechnik / Journal of Plastics Technology 10 (2014) 4 1.1.1.1.1.1.1 10 (2014) 4 eingereicht/handed in: 04.06.2014 angenommen/accepted: 06.08.2014 Dipl.-Ing. Johannes Heyn, Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten Institut für Kunststofftechnik (IKT), Universität Stuttgart Feuchtigkeitseinfluss auf die fließbruch- mechanischen Eigenschaften von PA6- Kautschuk-Blends Die Kautschukphase in PA6-EOR Blends beeinflusst nicht nur die mechanischen Eigenschaften des Blends wie E-Modul oder Kerbschlagzähigkeit, sondern im hohen Maß auch das Bruchverhalten. Mit Hilfe der Methode der essential work of fracture konnten Morphologieunterschiede zwischen Blends mit einer dispers gelösten Kautschukphase und einer co-kontinuierlichen Morphologie detektiert wer- den. Die spezifische essential work of fracture der einzelnen Blends im trockenen Zustand konnte durch eine geringe Feuchteaufnahme drastisch verbessert werden. Durch eine weitere Feuchteauf- nahme verschlechterte sich die spezifische essential work of fracture allerdings wieder. Moisture influence on the elastic plastic frac- ture mechanical behavior of PA6 rubber blends The rubber phase in PA6-EOR blends does not only have an influence on the mechanical properties of the blend, like the Youngs modulus or the notched impact strength, but also strongly affects the fracture behavior. Using the method of essential work of fracture, differences in the blend morphology between a dispersedly dissolved rubber phase and a co-continuous morphology were detected. The specific essential work of fracture of the blends under dry conditions was improved by low water ab- sorption. With increased water absorption, the specific essential work of fracture deteriorated again. archivierte, peer-rezensierte Internetzeitschrift archival, peer-reviewed online Journal of the Scientific Alliance of Plastics Technology Zeitschrift Kunststofftechnik Journal of Plastics Technology www.kunststofftech.com · www.plasticseng.com © 2014 Carl Hanser Verlag, München www.kunststofftech.com Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.

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4Autor Titel (gegebenenfalls gekürzt)

© Carl Hanser Verlag Zeitschrift Kunststofftechnik / Journal of Plastics Technology 10 (2014) 4

1.1.1.1.1.1.1 10 (2014) 4

eingereicht/handed in: 04.06.2014 angenommen/accepted: 06.08.2014

Dipl.-Ing. Johannes Heyn, Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten Institut für Kunststofftechnik (IKT), Universität Stuttgart

Feuchtigkeitseinfluss auf die fließbruch-mechanischen Eigenschaften von PA6-Kautschuk-Blends

Die Kautschukphase in PA6-EOR Blends beeinflusst nicht nur die mechanischen Eigenschaften des Blends wie E-Modul oder Kerbschlagzähigkeit, sondern im hohen Maß auch das Bruchverhalten. Mit Hilfe der Methode der essential work of fracture konnten Morphologieunterschiede zwischen Blends mit einer dispers gelösten Kautschukphase und einer co-kontinuierlichen Morphologie detektiert wer-den. Die spezifische essential work of fracture der einzelnen Blends im trockenen Zustand konnte durch eine geringe Feuchteaufnahme drastisch verbessert werden. Durch eine weitere Feuchteauf-nahme verschlechterte sich die spezifische essential work of fracture allerdings wieder.

Moisture influence on the elastic plastic frac-ture mechanical behavior of PA6 rubber blends

The rubber phase in PA6-EOR blends does not only have an influence on the mechanical properties of the blend, like the Young’s modulus or the notched impact strength, but also strongly affects the fracture behavior. Using the method of essential work of fracture, differences in the blend morphology between a dispersedly dissolved rubber phase and a co-continuous morphology were detected. The specific essential work of fracture of the blends under dry conditions was improved by low water ab-sorption. With increased water absorption, the specific essential work of fracture deteriorated again.

archivierte, peer-rezensierte Internetzeitschrift archival, peer-reviewed online Journal of the Scientific Alliance of Plastics Technology

Zeitschrift Kunststofftechnik

Journal of Plastics Technology

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

Feuchtigkeitseinfluss auf die fließbruchmechani-schen Eigenschaften von PA6-Kautschuk-Blends

J. Heyn; C. Bonten

1 BRUCHMECHANIK UND PA6-BLENDEIGENSCHAFTEN

Polyamid 6 (PA6) ist ein teilkristalliner, polarer Thermoplast, der bedingt durch seine guten mechanischen und chemischen Eigenschaften in Kombination mit verschiedenen Zusatzstoffen ein beliebter Kunststoff in technischen Anwen-dungen ist. Nimmt Polyamid Wasser auf, so kommt es u. a. zu einer Absenkung der Glasübergangstemperatur (Tg) und zu weiteren Eigenschaftsänderungen bis hin zur Hydrolyse, die vom Konstrukteur berücksichtigt werden müssen. Die durch das Wasser ausgelöste Eigenschaftsänderung wird als weichmachende Wirkung von Wasser bezeichnet und ist für die meisten mechanischen Kenn-werte hinreichend bekannt [1, 2]. Betrachtet man sich aber das Bruchverhalten und die Energieabsorption von PA6 und verschiedenen Blendvarianten in Ab-hängigkeit vom Feuchtegehalt, so fällt das Urteil nicht so klar aus [1,3]. Um die-sen Aspekt näher zu beleuchten, wurde die Methode der essential work of frac-ture (EWF), die sich zur bruchmechanischen Charakterisierung duktiler Werk-stoffe etabliert hat, in dieser Arbeit ausgewählt [3, 4, 5]. Anhand von reinem PA6 und als Blend mit Ethylen-Octen-Kautschuk (EOR), gepfropft (g) mit Mal-einsäureanhydrid (MAH), soll der Einfluss der Morphologie von unterschiedlich konditionierten PA6-EOR-Blends untersucht werden. Ein Blend aus PA6 und EOR-g-MAH ist molekular nicht mischbar, sodass sich in Abhängigkeit von dem Mischungsverhältnis eine Matrix mit einer dispersen Phase oder eine co-kontinuierliche Morphologie ausbildet, wodurch diese Werkstoffkombination ideal für diese Untersuchungen ist. Ergänzend ist zu erwähnen, dass andere typische PA6-Schlagzähmodifizierer wie Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM) oder Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPR) ebenfalls in Betracht kommen könnten.

Essential work of fracture

Die Methode der EWF wurde von Broberg [6,7,8] beschrieben und u. a. von Cotterell et al. [9,10] auf Kunststoffe angewendet. Die EWF ist ein Konzept der Fließbruchmechanik und kann in ihrem Gültigkeitsbereich die gesamte Bruch-energie (Wf) an rissbehafteten Probekörpern in einen rissvorantreibenden und einen dissipierten Energieanteil separieren. Die rissvorantreibende Kraft, die für die Schaffung der neuen Bruchoberflächen benötigt wird, wird essential work of fracture (We) und das Produkt aus dem Geometriefaktor (β) und der dissipierten Energie (Wp) wird non essential work of fracture genannt, Formel (1.1). Teilt man die Bruchenergie durch die Fläche, bestehend aus der Ligamentlänge (L)

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und der Probekörperdicke (t), erhält man die spezifische Bruchenergie, Formel (1.2). Der Geometriefaktor ergibt sich in Abhängigkeit von der sich ausbilden-den plastischen Zone [11].

(1.1)

(1.2)

Für die Anwendung der Methode der EWF müssen nachfolgende Vorausset-zungen erfüllt sein, damit die Werkstoffe mit dieser Methode charakterisiert werden können. Zum einen muss der Ligamentbereich vor dem Risswachstum vollkommen plastisch verformt sein, Bild 1 b. Zum anderen müssen die Kraft-Verlängerungs-Diagramme für die verschiedenen Ligamentlängen selbstähnlich sein (Bild 1 c). Des Weiteren kann die Methode nur angewendet werden, wenn ein ebener Spannungszustand in den Probekörpern vorliegt. Da der Über-gangsbereich vom ebenen Dehnungszustand zum ebenen Spannungszustand materialabhängig ist, gestaltet sich es als schwierig, allgemeingültige geometri-sche Randbedingungen für die zu untersuchenden Ligamentlängen festzulegen [4, 12]. In dieser Arbeit wird deshalb dem Vorschlag der European Structural Integrity Society [4] für die Festlegung der Randbedingungen gefolgt, Formel (1.3). Bei Einhaltung dieser Randbedingungen für die verwendeten Double-Edge-Notch-Tensile (DENT) Probekörper (Bild 1 a) im Mode I, sollte die Vorga-be erfüllt werden. Die untersuchten Ligamentlängen liegen im Bereich von: ( )

. (1.3)

W steht für die Probekörperbreite, rp für den Radius der plastischen Zone, E für den Elastizitätsmodul und für die Streckspannung. Für die Datenreduktion und Bewertung der Gültigkeit der EWF, wurden das Clutton-Kriterium, Formel (1.4) [5], und das Duktilitätslevel (DL) nach Martinez et al. [11], Formel (1.5), verwendet. (1.4)

(1.5)

Wobei σm für den Mittelwert aller maximalen Spannungen (σmax) und dr für die Weglängenänderung beim Bruch der DENT-Probekörper bei uniaxialer Zugbe-lastung steht. Trägt man die Bruchenergie, die man aus der Fläche unterhalb der Kraft-Verlängerungs-Diagramme der einzelnen Probekörper erhält, in Abhängigkeit von der Ligamentlänge auf, so erhält man die spezifische essential work of frac-ture (we) und die spezifische non essential work of fracture (βwp). we ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Ausgleichsgeraden der einzelnen Messpunkte mit der Ordinate und βwp aus der Steigung der Ausgleichsgeraden.

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Den Einfluss einer Weichphase auf PA66 für die EWF beschreiben Pegoretti et al. [14] mit einem Anstieg von we von reinem PA66 auf PA66 mit 7 M.-% Weichphase und einem anschließenden Abfall von we für PA66 mit 16 und 25 M.-% Weichphase. βwp ist nach Pegoretti et al. für reines PA66 am höchsten und ist anschließend unabhängig vom Weichphasenanteil.

Bild 1: a) DENT- Probekörper, b) Typisches Kraft-Verlängerungs-Diagramm

(i – Rissspitzenabstumpfung, ii – Rissinitiierung, iii – Risswachstum), c) Selbstähnlichkeit der Kraft-Verlängerungs-Diagramme in Abhän-gigkeit von der Ligamentlänge

Bárány et al. [3,13] formulieren die allgemeine Beziehung, dass es mit steigen-der Wasseraufnahme, oder vergleichbar weichmachenden Effekt, zu einer Re-duzierung von we und zu einem Anstieg von βwp kommt bzw. βwp unverändert bleibt. Pegoretti et al. [14] stellten für PA66 einen Anstieg von we mit steigen-dem Feuchtegehalt fest. Für βwp stellten sie einen Anstieg vom trockenen zum feuchten Zustand sowie einen Abfall zum nassen Zustand hin fest, was im Wi-derspruch zu Bárány et al. steht. Inwieweit die Feuchteaufnahme der PA6-Matrix die fließbruchmechanischen Eigenschaften vonPA6 und PA6-EOR-Blends beeinflusst, ist Gegenstand die-ser Arbeit. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Abhängigkeit von we vom Feuchtegehalt gelegt werden, da hierzu widersprüchliche Angaben in der Lite-ratur existieren.

2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

Materialien

Als Matrixwerkstoff wurde der kommerzielle PA6-Typ Ultramid B40, von der BASF SE, Ludwigshafen, und als Weichphase der kommerzielle EOR-Typ,

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ExxelorTM VA 1840 von ExxonMobil Chemical, Köln, zur Verfügung gestellt. Die Blends mit jeweils 10, 20, 30 und 40 M.-% EOR-g-MAH wurden auf einem Dop-pelschneckenextruder des Typs ZSK 25 der Fa. Coperion, Stuttgart, analog zu Poindl et al. [15] hergestellt. Anschließend wurden aus den Compounds und reinem PA6 Vielzweckprobekörper vom Typ A nach DIN EN ISO 3167 und Plat-ten (60 mm x 40 mm x 2 mm) auf einer Spritzgießmaschine Allrounder 220M der Fa. Arburg, Loßburg, gespritzt.

Probekörperkonditionierung

Die Probekörper im trockenen Zustand wurden direkt nach der Herstellung luft-dicht eingeschweißt und bis zur Prüfung bei Raumtemperatur gelagert. Die Probekörper im feuchten Zustand wurden nach DIN EN ISO 1110 beschleunigt bei 70 °C und 62 %-rel. Feuchte bis zur Gewichtskonstanz in einer Klimakam-mer konditioniert und ebenfalls luftdicht eingeschweißt bei Raumtemperatur gelagert. Die Probekörper im nassen Zustand wurden in Anlehnung an die kon-ditionierten Probekörper ebenfalls bei 70 °C und 100 %-rel. Feuchte in einem vollentsalztem Wasserbad in einer Klimakammer bis zur Gewichtskonstanz ge-lagert. Anschließend wurden die Probekörper im nassen Zustand bei Raum-temperatur in einem vollentsalztem Wasserbad bis zur Prüfung aufbewahrt.

Probekörperpräparation

Für die Herstellung der DENT-Probekörper für die EWF-Tests, wurden 2 mm dicke Platten (60 mm x 40 mm x 2 mm) mittig, beidseitig mit einer Bandsäge auf unterschiedliche Ligamentlängen eingesägt. Anschließend wurden die DENT-Referenzprobekörper aus reinem PA6 in flüssigem Stickstoff gekühlt und mit Hilfe einer eingeschlagenen Rasierklinge ein „Griffith-Riss“ in den beiden einge-sägten Vertiefungen initiiert. Des Weiteren wurden die DENT-Probekörper aller Werkstoffe mit einem Rasierklingenschnitt in der gesägten Vertiefung versehen, da es an den Blends aufgrund des hohen Widerstands gegen Rissinitiierung nicht möglich war, einen „Griffith-Riss“ zu initiieren.

Feuchtegehalt

Zur Bestimmung des Feuchtegehalts in den Probekörpern wurde ein Feuchte-messgerät Typ AQUATRAC®-3E der Fa. Brabender Messtechnik, Duisburg, verwendet. Dieses Gerät berechnet aus einem Druckanstieg basierend auf ei-ner chemischen Reaktion den Feuchtegehalt der Probekörper. Hierfür wird eine vorher abgewogene Menge der Probekörper in die Messzelle gegeben und ein Vakuum angelegt. Anschließend wird die Vakuumpumpe abgeschaltet und die Messzelle für PA6 auf 160 °C erwärmt. Die hierbei freiwerdende Feuchtigkeit reagiert mit Kalziumhydrid zu Wasserstoff, der zu einem messbaren Druckan-stieg führt.

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Hydrolyse

Während der Konditionierung waren die Probekörper in einem Zeitraum von sechs bis zehn Tagen bei 70 °C einer relativen Feuchte von 62 % bzw. einem vollentsalztem Wasserbad ausgesetzt. Damit überprüft werden kann, ob die Lagerung zu einem hydrolytischen Abbau geführt hat, wird exemplarisch an reinem PA6 die Viskositätszahl bestimmt. Kommt es zu einer deutlichen Ände-rung der Viskositätszahl, muss mit einer Schädigung des Werkstoffs durch die Lagerung gerechnet werden. Hierbei wird vorausgesetzt, dass die EOR-Anteile des Blends nicht von der Feuchtigkeit geschädigt werden.

Partikelgrößenbestimmung

Die Partikelgrößenbestimmung wurde analog zu Poindl et al. [15] durchgeführt. Für die Partikelgrößenbestimmung wurden Probekörper aus der Plattenmitte senkrecht zur Fließrichtung entnommen. Die Entnahmestelle wurde mit einem Ultramikrotom überschnitten und die EOR-Partikel anschließend in kochendem Xylol herausgelöst. Die verbleibende PA6-Matrix wurde mit Gold beschichtet und mit dem Rasterelektronmikroskop (REM) Typ JSM 6300 F der Fa. Jeol, Eching bei München, REM-Aufnahmen aufgenommen. Aus den zweidimensio-nalen REM-Aufnahmen wurde mit Hilfe einer Bildanalysesoftware Leica Qwin der Fa. Leica, Wetzlar, die Partikelgröße und -verteilung an der geätzten Pro-bekörperoberfläche bestimmt.

Zugeigenschaften

Die unterschiedlich konditionierten Probekörper wurden nach DIN EN ISO 527-2 im Normklima bei 23 °C und 50 %-rel. Feuchte auf einer Universalprüf-maschine des Typs 1476 der Fa. Zwick, Ulm, geprüft. Die Prüfgeschwindigkeit für die E-Modul-Bestimmung, aufgenommen mit einem Feindehnungsmessauf-nehmer, betrug 1 mm/min. Die restlichen Kennwerte wurden mit einer Prüfge-schwindigkeit von 5 mm/min ermittelt.

3 ERGEBNISSE UND DISKUSSION

Feuchtemessung

Die Ergebnisse des Feuchtegehalts einiger repräsentativer Probekörper je Konditionierungszustand und Werkstoff sind in Tabelle 1 dargestellt. Zur Be-stimmung des Feuchtegehalts wurden bereits geprüfte Probekörper herange-zogen, die nach der Prüfung bis zur Messung des Feuchtegehalts wieder luft-dicht eingeschweißt wurden. Die gemessenen Werte beziehen die Feuchte auf die Einwaage. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass EOR keine Feuchte aufnimmt. Dies ist an den gerin-

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ger werdenden Feuchtegehalten mit zunehmendem EOR-Anteil im feuchten und nassen Zustand zu erkennen. Eine Berechnung der Feuchte mit Hilfe der Massenanteile der beiden Blend-partner, die sich rein auf die PA6-Matrix bezieht, lieferte keine plausiblen Er-gebnisse. Die Unterschiede des Feuchtegehalts zwischen reinem PA6 und den Blendva-rianten je Konditionierungszustand liegen in einem dem Konditionierungsverfah-ren und Messverfahren geschuldeten annehmbaren Bereich. Tabelle 1 soll verdeutlichen, dass der Feuchtegehalt in jedem Werkstoff für die einzelnen Konditionierungszustände deutlich variiert. Ein Vergleich je Konditio-nierungszustand und unterschiedlichen EOR-Füllgraden ist nicht zulässig.

Werkstoff Trocken Feucht Nass

Gem. Feuchte in % Gem. Feuchte in % Gem. Feuchte in %

PA6 0,204 2,794 7,420

EOR 10 0,104 2,441 6,737

EOR 20 0,391 2,239 6,727

EOR 30 0,286 1,978 6,166

EOR 40 0,416 1,889 5,775

Tabelle 1: Feuchtebestimmung, gemessene Werte

Hydrolyse

Die auf einen Feuchtegehalt kleiner 0,2 % Feuchte zurückgetrockneten konditi-onierten PA6-Probekörper zeigen einen geringen Abfall der Viskositätszahlen auf, vgl. Tabelle 2. Dies lässt auf einen geringen hydrolytischen Abbau schlie-ßen, der sich in diesem geringen Maße aber nicht negativ auf die untersuchten Kennwerte auswirken sollte. Inwieweit der Trocknungsprozess bei 80 °C im Va-kuumofen zu der Verringerung der Viskositätszahlen der Probekörper im feuch-ten und nassen Zustand beigetragen hat, lässt sich anhand dieser Messung nicht abschätzen.

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Werkstoff Viskositätszahl in cm³/g

Mittelwert Std.-Abw.

PA6 trocken 248,5 0,2

PA6 feucht 237,6 0,4

PA6 nass 232 1,1

Tabelle 2: Viskositätszahl der unterschiedlich konditionierten PA6-Probekörper

Partikelgrößenbestimmung

Bild 2 zeigt exemplarisch vier REM-Aufnahmen der Blendprobekörper mit 10 bis 40 M.-% EOR. Bild 2 a - Bild 2 c zeigen die PA6-Matrix und die darin herausge-lösten dispers verteilen EOR-Partikel. Durch die Erhöhung der EOR-Anteile auf 40 M.-%, geht die disperse EOR-Phase in eine co-kontinuierliche Morphologie über, Bild 2 d. Für dieses Blend ist eine Partikelgrößenbestimmung nicht mehr möglich. Das Diagramm in Bild 3 zeigt die Partikelgrößenverteilung der Blend-probekörper bis 30 M.-% EOR in 20 nm Klassen. Die sichtbaren Partikeldurch-messer aus den REM-Aufnahmen sind kleiner als die tatsächlichen Partikel-durchmesser, da die Partikel nicht alle am Äquator geschnitten werden [16]. Es ist zu entnehmen, dass es mit steigenden EOR-Füllgraden zu einer minimalen Vergrößerung der EOR-Partikel und somit zu einer Verschiebung der Partikel-größenverteilung kommt. Dies bedeutet, dass sich bei gleichbleibenden Herstel-lungsbedingungen und gleichbleibendem MAH-Anteil die Partikelgröße mit stei-gendem EOR-Anteil erhöht. Durch die gleichzeitige Änderung des EOR-Füllgrades und der damit einherge-henden Änderung der Partikelgröße, kann eine Eigenschaftsänderung der Blends in den nachfolgenden Untersuchungen nicht mehr rein auf den EOR-Füllgrad oder rein auf die Partikelgröße zurückgeführt werden. Hierfür müsste z. B. die EOR-Partikelgröße bei verschiedenen EOR-Füllgraden konstant blei-ben, oder die EOR-Partikelgröße bei konstantem EOR-Füllgrad variiert werden. Lediglich PA6 + 40 M.-% EOR, welches keine klare disperse EOR-Phase auf-weist, kann als Unterscheidungskriterium dienen, da sich hier die Blendmorpho-logie drastisch ändert.

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Bild 2: REM-Aufnahmen geätzter Probekörper: a) 10 M.-% EOR, b) 20 M.-%

EOR, c) 30 M.-% EOR, b) 40 M.-% EOR

Bild 3: Partikelgrößenverteilung der Blends

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 2200

10

20

30

40 10 M.-% EOR 20 M.-% EOR 30 M.-% EOR

Rel

ativ

e H

äufig

keit

in %

Äquivalenzkreisdurchmesser in nm

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

Zugeigenschaften

In Bild 4 sind der E-Modul und die Zugfestigkeit für die einzelnen Konditionie-rungszustände aller Werkstoffe dargestellt. Eine steigende Feuchteaufnahme führt für alle Werkstoffe zu einer Verringerung des E-Moduls. Diese Verringe-rung des E-Moduls, ausgelöst durch die Feuchteaufnahme, ist bezogen auf PA6 im trockenen Zustand größer als die Verringerung des E-Moduls im tro-ckenen Zustand beim maximalen Füllgrad von 40 M.-% EOR, bezogen auf PA6 im trockenen Zustand. Die weichmachende Wirkung des Wassers ist für die untersuchten Werkstoffe somit deutlich stärker ausgeprägt als die Verringerung des E-Moduls, ausgelöst durch die Weichphase im trockenen Zustand. Erst bei hohen Füllgraden wird dieser Unterschied geringer. Die Zugfestigkeit ist ebenfalls für PA6 am größten und verringert sich mit zu-nehmendem EOR-Gehalt im trockenen Zustand deutlich. Bei den Probekörpern im feuchten und nassen Zustand kommt es nach einem anfänglichen Abfall der Zugfestigkeit zu einem annähernd konstanten Verlauf für die 20 bis 40 M.-% EOR-Probekörper. Auch bei der Zugfestigkeit ist der Einfluss des Feuchtege-halts deutlich dominanter als die Weichphase. Erst bei Füllgraden von 30 M.-% EOR ist die Wirkung der Weichphase im trockenen Zustand annähernd ver-gleichbar mit der weichmachenden Wirkung des Wassers auf reines PA6.

Bild 4: E-Modul und Zugfestigkeit von allen Blends und Konditionierungszu-

ständen

Eine Beeinflussung der mechanischen Kennwerte aus dem Zugversuch durch die Änderung der Morphologie, Bild 2, speziell bei den 40 M.-% EOR-Blends, ist

PA6 10 E0R 20 E0R 30 E0R 40 EOR0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500 E-Modul, trocken E-Modul, feucht E-Modul, nass Zugfestigkeit, trocken Zugfestigkeit, feucht Zugfestigkeit, nass

E-M

odul

in M

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20

40

60

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

nicht erkennbar. Mit steigendem Anteil der Weichphase und zunehmender Feuchte kommt es zu einem Abfall der Steifigkeit der Blends.

Essential work of fracture

Ergebnisse einer EWF-Untersuchung hängen immer stark von der Schärfe der Rissspitze ab. Ein unendlich scharfer „Griffith-Riss“ ist für diese Untersuchun-gen zu bevorzugen. Für die konditionierten Zustände und besonders für die Blendprobekörper, ist diese Probekörperpräparation aber nicht möglich gewe-sen, sodass auf einen Rasierklingenschnitt zurückgegriffen wurde. Zur Ver-gleichbarkeit mit Literaturwerten [17] wurde PA6 im trockenen Zustand zusätz-lich mit einem „Griffith-Riss“ versehen. Yamakawa et al. [17] erhalten für PA6 im trockenen Zustand folgende Werte: für 1,6 mm dicke Platten ist we = 36,95 kJ/m² und βwp = 16,77 MJ/m³ und für 3,2 mm dicke Platten ist we = 11,82 kJ/m² und βwp = 20,83 MJ/m³. Die we-Werte stimmen gut mit den Ergebnissen aus Bild 7 für einen „Griffith-Riss“ im trockenen Zustand überein, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass hier 2 mm dicke Platten untersucht wurden. Alle weiteren untersuchten Probekörper wurden in dieser Arbeit mit einem Rasierklingenschnitt versehen und untersucht. Um den Einfluss der Konditionierungszustände auf die Kraft-Verlängerungs-Diagramme zu visualisieren, sind in Bild 5 a - Bild 5 c exemplarisch PA6-Kurven von Probekörpern im trockenen, feuchten und nassen Zustand mit „Griffith-Riss“ und variierenden Ligamentlängen dargestellt. Man kann deutlich die Ab-nahme der eingeschlossenen Fläche unterhalb der Kraft-Verlängerungs-Kurven mit steigendem Feuchtegehalt erkennen. Bild 5 d zeigt ebenfalls PA6 im tro-ckenen Zustand, allerdings mit einem Rasierklingenschnitt. Im Vergleich zu Bild 5 a wird der Unterschied der beiden Probekörperpräparationen sichtbar. Für die Schnittvariante reduziert sich sowohl die maximale Kraft (Fmax), als auch die maximale Verlängerung (smax) und somit die Fläche unter den Messkurven. Bild 6 a - Bild 6 d zeigen exemplarisch PA6-Blends mit 10 bis 40 M.-% EOR im trockenen Zustand. Hier kann man eine Veränderung des Kurvenverlaufs mit zunehmendem EOR-Gehalt beobachten. Fmax nimmt ab und smax nimmt zu. Bild 7 enthält alle we- und βwp-Ergebnisse der EWF-Untersuchung. Der Unterschied zwischen PA6 mit „Griffith-Riss“ und PA6 aus Bild 7 liegt in der unterschiedlichen Probekörperpräparation. Für die Interpretation werden die Ergebnisse von PA6 mit „Griffith-Riss“ außer Acht gelassen, da diese lediglich zum Vergleich mit Literaturwerten dienten. Die Aussage von Pegoretti et al. [14] zum Einfluss der Weichphase trifft für we (Säulen) in dieser Arbeit nicht zu. Ihre Beobachtung für βwp (Linien) konnte an-nähernd bestätigt werden. Allerdings steigt βwp bei 40 M.-% EOR, also genau dort, wo sich die Morphologie drastisch ändert, wieder an. Diese hohen Füllgra-de waren aber kein Bestandteil der Untersuchungen von Pegoretti et al.

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

Bild 5: Kraft-Verlängerungs-Diagramme: a) PA6 trocken mit „Griffith-Riss“,

b) PA6 feucht mit „Griffith-Riss“, c) PA6 nass mit „Griffith-Riss“, d) PA6 trocken mit Rasierklingenschnitt

Bild 6: Kraft-Verlängerungs-Diagramme im trockenen Zustand: a) PA6 +

10 M.-% EOR, b) PA6 + 20 M.-% EOR, c) PA6 + 30 M.-% EOR, d) PA6 + 40 M.-% EOR

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

Bild 7: Essential- und non essential work of fracture von allen Blends und

Konditionierungszuständen

Lässt man die Ergebnisse für die 20 M.-% EOR-Probekörper im feuchten Zu-stand außen vor, so steigt we mit steigendem Weichphasenanteil für alle Kondi-tionierungszustände an, bis es zu einer deutlichen Reduzierung für die 40 M.-% EOR-Blends kommt. Dies bedeutet, dass, solange eine disperse EOR-Phase vorliegt, die Bruchenergie, die für die Schaffung der neuen Oberflächen verant-wortlich ist, mit steigendem EOR-Gehalt zunimmt. Erst wenn die disperse EOR-Phase in eine co-kontinuierliche Morphologie übergeht, ändert sich das Bruch-verhalten beachtlich und es wird weniger Energie zum Schaffen der Bruchober-flächen benötigt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der dominierende Ef-fekt für we in der Morphologie zu suchen ist und nicht im absoluten EOR-Füllgrad. In Bild 7 kommt es zu einem leichten Abfall von βwp mit steigendem Weichpha-senanteil, der aber nicht so drastisch ist wie der Abfall von reinem PA6 auf PA6 mit 10 M.-% EOR. Allerdings nimmt βwp für 40 M.-% EOR wieder leicht zu. Die non essential work of fracture ist für PA6 im trockenen Zustand beim Bruchvor-gang somit am größten und nimmt mit steigendem Feuchtegehalt ab, was auf leichtere Abgleitungs- und Entschlaufungsvorgänge der Makromoleküle zurück-zuführen ist. Generell kann man feststellen, dass mit steigendem Feuchtegehalt βwp weniger vom EOR-Füllgrad und der Blendmorphologie abhängt. Speziell für die Probekörper im nassen Zustand ist nur ein minimaler Unterschied festzu-stellen. Bei den Probekörpern im trockenen Zustand hingegen ist ein deutlicher Anstieg von βwp von 30 auf 40 M.-% EOR festzustellen. Die durch die Feuch-teaufnahme ausgelöste Quellung der Probekörper und die damit einhergehende Dickenänderung der Probekörper ist vernachlässigbar gering, sodass diese

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keinen Einfluss auf den Vergleich von we und βwp in den verschiedenen Kondi-tionierungszuständen haben sollte. Der Einfluss der Feuchte nach Bárány et al. [3, 13] und Pegoretti et al. [14] konnte anhand dieser Untersuchungen sowohl für reines PA6 als auch für die Blends nicht nachgewiesen werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bele-gen einen Anstieg von we vom trockenen zum feuchten Zustand und einen Ab-fall zum nassen Zustand für alle untersuchten Werkstoffe. βwp verringert sich mit steigendem Feuchtegehalt für PA6 und PA6 mit 30 und 40 M.-% EOR, bzw. hat für 10 und 20 M.-% EOR einen konstanten Wert für den trockenen und feuchten Zustand und einen Abfall zum nassen Zustand hin. Karger-Kocsis et al. [18] lieferten einen Erklärungsansatz für den Einfluss un-terschiedlicher Prüfgeschwindigkeiten für verschieden molekulargewichtigte amorphe Polyethylennaphthalate (aPEN) auf die EWF, der hier ebenfalls Gül-tigkeit haben sollte. Bei einer geringen Prüfgeschwindigkeit haben die ver-schlauften Makromoleküle genügend Zeit, sich der Spannung anzupassen und sich entlang der Kraftrichtung umzuorientieren. Somit wird die anliegende Kraft auf eine größtmögliche Fläche verteilt. Bei einer hohen Prüfgeschwindigkeit haben die Makromoleküle nicht ausreichend Zeit sich umzuorientieren und die Probekörper versagen früher und bei einer geringeren plastischen Verformung. Überträgt man nun diesen Ansatz auf die konditionierten PA6-Blends, die alle ein vergleichbares Molekulargewicht der Matrix haben und die allesamt mit der gleichen Prüfgeschwindigkeit geprüft wurden, so lässt sich Folgendes schluss-folgern. PA6-Blends im trockenen Zustand besitzen den geringsten Abstand zwischen den einzelnen Makromolekülen im amorphen Bereich, und die Ne-benvalenzkräfte sind am größten. Mit zunehmender Einlagerung von Wasser in die PA6-Matrix verringern sich die Nebenvalenzkräfte zwischen den benachbar-ten Ketten, und die Brown‘sche Molekularbewegung nimmt zu, wodurch Ent-schlaufungsvorgänge vereinfacht werden. Dies hat zur Folge, dass die trocke-nen Probekörper die anliegende Kraft auf eine geringere Fläche übertragen, da sich die Makromoleküle nicht ausreichend in Lastrichtung umorientieren kön-nen, bevor sie brechen. Probekörper im feuchten und nassen Zustand hingegen übertragen weniger Kraft in benachbarte Bereiche und weisen eine größere plastische Verformung auf. Die geringere Kraftübertragung der Probekörper im feuchten und nassen Zustand wird durch die Zugversuche, Bild 4, bestätigt. Betrachtet man sich das gemittelte Duktilitätslevel der einzelnen Werkstoffe in Tabelle 3, so wird ersichtlich, dass das gemittelte Duktilitätslevel vom trockenen zum feuchten Zustand sprunghaft ansteigt und zum nassen Zustand annähernd konstant bleibt. Ruft man sich in Erinnerung, dass das Duktilitätslevel das Ver-hältnis der maximalen Verlängerung aus den Kraft-Verlängerungs-Diagrammen bezogen auf die Ligamentlänge ist (1.5), wird deutlich, dass sich die anliegende Kraft vom feuchten und nassen Zustand in einer vergleichbaren plastischen Verformung auswirkt. An dieser Stelle muss nochmals darauf hingewiesen wer-den, dass ein Vergleich des gemittelten Duktilitätslevels der einzelnen Blends und Konditionierungszustände schwierig ist, da das Duktilitätslevel von kleinen

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zu großen Ligamentlängen abfällt und in den Untersuchungen nicht die identi-sche Anzahl an Probekörpern mit identischer Ligamentlänge geprüft werden konnten. Geht man basierend auf den Ergebnissen aus Tabelle 3 von der An-nahme aus, dass sich die anliegende Kraft bei den Probekörpern im feuchten und nassen Zustand in einem vergleichbaren gemittelten Duktilitätslevel aus-wirkt, muss die zusätzliche Wasseraufnahme vom feuchten zum nassen Zu-stand in einer stärkeren Reduzierung der zwischenmolekularen Kräften liegen. Es handelt sich somit um zwei gegenläufige Trends. Mit steigendem Feuchte-gehalt vergrößert sich der Bereich der plastischen Verformung, wodurch die Risszähigkeit steigt. Mit der weichmachenden Wirkung des Wassers nehmen die Nebenvalenzkräfte zwischen den Makromolekülen ab, wodurch die Risszä-higkeit sinkt, vgl. Bild 5. Des Weiteren kann man feststellen, dass mit steigen-dem EOR-Gehalt das gemittelte Duktilitätslevel der einzelnen Werkstoffe zu-nimmt und bei 40 M.-% EOR nochmal zusätzlich ansteigt.

Werkstoff Trocken Feucht Nass

Duktilitätslevel [--]

PA6 0,41 0,68 0,66

EOR 10 0,40 0,65 0,64

EOR 20 0,46 0,65 0,65

EOR 30 0,51 0,68 0,72

EOR 40 0,63 0,77 0,81

Tabelle 3: Gemitteltes Duktilitätslevel Für die Ergebnisse der EWF gilt ähnlich wie bei den Ergebnissen der Zugver-suche, dass eine Feuchteaufnahme der Probekörper, besonders im feuchten Zustand, die Messergebnisse stärker beeinflusst als der hier untersuchte EOR-Füllgrad von bis zu 40 M.-%.

4 FAZIT UND AUSBLICK

Es konnte gezeigt werden, dass der Feuchtegehalt der Werkstoffe einen größe-ren Einfluss auf die fließbruchmechanischen Eigenschaften, den E-Modul und die Zugfestigkeit von PA6 hat als die untersuchte EOR-Weichphase.

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Der E-Modul und die Zugfestigkeit sind scheinbar unabhängig von der Blend-Morphologie und hängen nur mit dem EOR-Füllgrad zusammen. Die Methode der EWF stellte sich durch auffällige Änderungen der Werte für we und βwp als sensitives Prüfverfahren heraus, um Morphologieunterschiede in diesem Aus-maß zu detektieren. Der zunehmende Feuchtegehalt führte in den Probekörpern nicht zu einer Re-duzierung von we, wie von Bárány et al. [3, 13] oder zu einem Anstieg von we wie von Pegoretti et al. [14] beschrieben, sondern zu einem Anstieg für die Pro-bekörper im feuchten Zustand mit einem anschließenden Abfall für die Probe-körper im nassen Zustand. Für dieses Phänomen werden zwei gegenläufige Prozesse verantwortlich gemacht. Zum einen führt der weichmachende Effekt von Wasser zu einer Reduzierung der Nebenvalenzkräfte in den Probekörpern, wodurch die Risszähigkeit sinkt, gleichzeitig steigt aber die Risszähigkeit durch die größer werdende plastische Verformung, ausgelöst durch den erhöhten Feuchtegehalt. Um den Einfluss absorbierter Medien neben Wasser näher zu untersuchen, werden weitere Medienlagerungen mit unterschiedlichen Molekulargewichten angestrebt, um eine Beeinflussung des Bruchverhaltens speziell der Matrix tie-fergehender zu analysieren. Auch Untersuchungen an amorphen Thermoplas-ten bieten sich an, um die Beeinflussung durch unterschiedliche Kristallisati-onseffekte ausschließen zu können.

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Heyn, Bonten Essential work of fracture – PA6 Blends

Stichworte: Bruchmechanik, Essential work of fracture, Feuchteeinfluß, Morphologie, Poly-merblends, Weichmacher Keywords: fracture mechanics, essential work of fracture, moisture influence, morphology, polymer blends, plasticizers Autor/author:

Dipl.-Ing. Johannes Heyn Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten Universität Stuttgart Institut für Kunststofftechnik (IKT) Pfaffenwaldring 32 70569 Stuttgart

[email protected] www.ikt.uni-stuttgart.de Tel.: +49 (0)711/685-62801 Fax: +49 (0)711/685-85335

Herausgeber/Editor:

Europa/Europe Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Gottfried W. Ehrenstein, verantwortlich Lehrstuhl für Kunststofftechnik Universität Erlangen-Nürnberg Am Weichselgarten 9 91058 Erlangen Deutschland Phone: +49 (0)9131/85 - 29703 Fax.: +49 (0)9131/85 - 29709 E-Mail-Adresse: [email protected]

Amerika/The Americas Prof. Prof. hon. Dr. Tim A. Osswald, responsible Polymer Engineering Center, Direc-tor University of Wisconsin-Madison 1513 University Avenue Madison, WI 53706 USA Phone: +1/608 263 9538 Fax.: +1/608 265 2316 E-Mail-Adresse: [email protected]

Verlag/Publisher:

Carl-Hanser-Verlag Kolbergerstraße 22 D-81679 München Tel.: +49 (0)89 99830-613 Fax: +49 (0)89 99830-225

Redaktion / Editorial Office:

Dr.-Ing. Eva Bittmann Christopher Fischer, M.Sc. Beirat / Advisory Board:

38 Experten aus Forschung und Industrie, gelistet unter www.kunststofftech.com

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