Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der...

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politik und kultur 01/04 Seite 1 HKS 47 HHS 65 schwarz Nr. 01/04 • Januar - Februar 2004 www.kulturrat.de 3,00 • ISSN 1619-4217 • B 58 662 Daseinsvorsorge Inwieweit muss der Staat dafür Sorge tragen, dass Kultur vorge- halten wird, diese Frage wirft der Vorsitzende des Deutschen Kul- turrates, Max Fuchs, in einem Grundsatzbeitrag zur Daseinsvor- sorge im Kulturbereich auf. Am Beispiel Berlin wird von Olaf Zim- mermann die Frage konkretisiert. Seiten 3-4 Kulturelle Vielfalt Die UNESCO hat im Oktober be- schlossen, ein neues Instrument die „Konvention Kulturelle Vielfalt“ in den nächsten zwei Jahren zu erarbei- ten. Welche Erwartungen von deut- scher, europäischer und internatio- naler Seite an dieses Instrument ge- richtet werden, formulieren Wilfried Grolig, Christa Prets und Gary Neil. Seiten 10-11 Europa Ein Blick zu dem Nachbarn Schweiz zeigt, wie ein „Europa im Kleinen“ funktioniert. Welche Hürden die deutschen Bewerberstädte für die Kulturhauptstadt 2010 nehmen müssen, wird für das erweiterte Eu- ropa aufgezeigt. Die Erfolgsge- schichte des Cultural Contact Point wird vorgestellt. Seiten11-13 Bildungsreform Welche Bedeutung die vorschuli- sche Bildung in Kindertagesstätten für die späteren Lernchancen hat, dieser Frage geht Wassilios Fthena- kis nach. Ministerin Renate Schmidt und Ministerin Annette Schavan plädieren für die Zusam- menarbeit von Schule und außer- schulischen Einrichtungen. Seiten 14-16 The English Supplement How to preserve cultural diversity: core-question for Austrian Mem- ber of European Parliament Chris- ta Prets and Canadian INCD coor- dinator Garry Neil, but also for Wilfried Grolig and Max Fuchs. Chairman of German Protestant Church Wolfgang Huber reflects on embryonic stem cell research. Pages 5-8 Zeitung des Deutschen Kulturrates E s wird illegal kopiert auf Teufel komm raus. Der Absatz von un- bespielten CD-ROMs und DVDs steigt unaufhörlich. Im Jahr 2002 hat die Musikwirtschaft in Deutschland 165 Millionen Musik-CDs verkauft. Im gleichen Jahr wurden nach Aus- wertung der Gesellschaft für Kon- sumforschung (GfK) 259 Millionen CD-Rohlinge mit Musik kopiert und 622 Millionen Musikstücke aus ille- galen Quellen aus dem Internet he- runtergeladen. Nach Recherchen der Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin wurden 2002 schon 27 Millio- nen CDs oder DVDs mit Spielfilmen gebrannt. Allein in den ersten acht Monaten des letzten Jahres haben laut FFA fünf Millionen Deutsche et- wa 30 Millionen Filme gebrannt. Mehr als die Hälfte der „Film- und Musik-Brenner“ gaben bei den Un- tersuchungen an, für Personen au- ßerhalb des eigenen Haushaltes Ko- pien zu erstellen. Zumindest diese Film- und Musik-Kopierer haben nicht die nach dem Urheberrecht erlaubte Sicherungskopie erstellt, schon gar nicht wenn die Filme oder Musikstücke nicht legal erworben wurden. Es handelt sich beim illega- len Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken längst nicht mehr um tolerierbare Einzelfälle, sondern um ein höchst bedenkli- ches Massenphänomen, das die Künstler und die Kulturwirtschaft schwer schädigt. Doch wie können Millionen Deutsche zu Verbrechern werden? Wie kann es sein, dass der Wert der Kreativität offensichtlich immer we- niger zählt? Es ist sicher der allseits bekannte musisch-kulturelle Bildungsnot- stand in unseren Schulen und darü- ber hinaus. Hier liegt die Chance für ein langfristiges Umsteuern. Kinder und Jugendliche, die in der Schule mit allen Künsten in Berührung kommen, werden den „Wert der Kreativität“ dauerhaft empfinden. Doch die Entwertung der Kultur wird nicht nur in der Schule gelehrt. Sind nicht auch die riesigen CD- Sonderangebotsberge in den Kauf- häusern dafür verantwortlich, dass das Wertgefühl für die Musik auf der Silberscheibe im freien Fall ist? Ist die rasend schnelle Auswertungs- kette von Filmen, heute noch im Kino, morgen schon auf der DVD und im Pay-TV, nicht mit dafür ver- antwortlich, dass die Ware Film an gefühltem Wert verliert? Wohin eine solche entwertete Vermarktung führen kann, zeigt der Buchmarkt leider überdeutlich. Ramschware, die oft gar kein Ramsch ist, sondern hochwertige Bücher aus der aktuellen Produkti- on, überschwemmen die Städte. Da- mit die Preisbindung, eine hart er- kämpfte kulturelle Errungenschaft, aufgehoben werden kann, muss es sich natürlich um so genannte Män- gelexemplare handeln, deren einzi- ger sichtbarer Mangel der kleine Stempel „Mängelexemplar“ ist. Die- se zunehmende Verkaufspraxis macht dem Kunden schnell deut- lich, dass er schon sehr bekloppt sein muss, wenn er noch den regulä- ren Ladenpreis bezahlt. Die Kunden haben die Lektion gelernt: Noch bil- liger als diese Sonderangebote ist nur noch der Datenklau. Wert der Kreativität ade! „Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film- wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht werden mit diesen kultur- feindlichen Verwertungspraxen, die dieses Verbrechen begünstigen. Der „Wert der Kreativität“ wird erst dann erfolgreich einzuklagen sein, wenn er in der Verwertungskette immer und überall sichtbar ist. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Editorial Mängelexemplare Der mühsam erarbeitete Kompro- miss zur Forschung mit embryonalen Stammzellen, der seinen Nieder- schlag im deutschen Stammzellge- setz von 2002 fand, hat das Interes- se an bioethischen Themen nur kur- ze Zeit gemindert. Der überraschen- de Vorstoß von Bundesjustizministe- rin Zypries, die menschliche Embryo- nen vom Schutz der Menschenwürde ausnehmen will, hat die Debatte in ihrem innersten Kern wieder neu ent- facht. Denn wenn die Menschenwür- de für Embryonen nicht gilt, ist die Tür für verbrauchende Embryonenfor- schung geöffnet. Die Zulassung des Forschungsklonens und der Präim- plantationsdiagnostik würden sich dann folgerichtig anschließen – auch wenn die Ministerin diese Konse- quenzen noch nicht gezogen hat. A ber nicht nur in Deutschland, auch in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen ste- hen Fragen der Embryonen- und Stammzellenforschung wieder oben auf der Tagesordnung. Der Beschluss des Europäischen Parlaments am 19. November 2003 zeigt, wie weit man- che zu gehen bereit sind. In der Ver- handlung des EU-Ministerrates am 26. November 2003 ist eine Entwick- lung nur mit Mühe aufgehalten wor- den, die mit der deutschen Rechtsla- ge unvereinbar gewesen wäre. Und die gerade gescheiterten Bemühun- gen der Vereinten Nationen um eine internationale Konvention zum Ver- bot des Klonens verdeutlichen auf ihre Weise die tiefgreifenden ethi- schen Differenzen auf internationa- ler Ebene, die bisher nicht über- brückt werden konnten. Das alles zeigt, dass die kulturelle Dimension der bioethischen Debat- te im nationalen und internationa- len Kontext mehr Aufmerksamkeit verdient. Sie besteht in erster Linie in der Bereitschaft aller beteiligten Seiten zur kritischen Auseinander- setzung mit ihrem je eigenen Ver- ständnis des Menschen. Die Evan- gelische Kirche in Deutschland hat in diesem Streit immer eindeutig Stellung bezogen. Sie tritt für ein Verständnis vom Menschen ein, nach dem die Würde der menschli- chen Person nicht einfach eine am Menschen aufweisbare Qualität, ein Resultat seiner genetischen Ausstat- tung oder ein Ergebnis seines eige- nen Handelns ist. Der Mensch spricht sich die Menschenwürde nicht selbst zu; sie wird ihm auch nicht einfach von anderen Men- schen zuerkannt; sie entsteht auch nicht erst durch eine staatliche An- erkennung oder durch kulturelle In- terpretationsleistungen. Würde hat der Mensch vielmehr darin, dass er von Gott zu seinem Ebenbild berufen ist. Würde hat er darin, dass Gott ihn an seiner Ge- rechtigkeit teilhaben lässt. Der Mensch ist mehr, als er selbst aus sich macht. Auch wenn wir seine ge- netische Ausstattung entschlüsseln können, haben wir damit noch nicht den Menschen als Menschen er- fasst. Weder mit seinen Taten noch mit seinen Untaten ist er gleichzu- setzen. Allein Gottes Zuspruch macht seine Würde unantastbar. Die Menschenwürde verpflichtet dazu, menschliches Leben insge- samt nicht zu instrumentalisieren, den Menschen niemals nur als Mittel zu fremden Zwecken einzusetzen. Wer die unverfügbare Würde des Menschen achtet, wird deshalb auch mit denjenigen Stufen des menschli- chen Lebens respektvoll und acht- sam umgehen, in denen Menschen noch nicht, nicht mehr oder nur in eingeschränktem Maß die Möglich- keit haben, als Personen von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen: mit den verschiedenen Stufen des vorge- burtlichen Lebens ebenso wie mit Behinderung, Krankheit und Alter. Unsere kulturelle sowie religiöse Tradition orientiert sich jedoch nicht nur an der aus der Menschen- würde folgenden Selbstzwecklich- keit und Selbstbestimmung des Men- schen, sondern auch an der Achtung des anderen, an der Nächstenliebe. Es wäre ein fundamentaler Kultur- bruch, wenn nur noch einer dieser beiden Pole Anerkennung und Be- rücksichtigung fände. Athen und Je- rusalem, griechisch-römische Anti- ke und jüdisch-christliche Religion stehen für diese Pole. Auch und ge- rade in den Entscheidungen der Ge- genwart sollten beide Berücksichti- gung finden. Das Gebot, den Nächsten zu lie- ben, zielt darauf, Menschen in Not zu helfen, das heißt auch: Krankheiten zu heilen und Leiden zu mildern. An die Möglichkeiten der Stammzellen- forschung knüpfen sich große Hei- lungshoffnungen. In der Aussicht auf die Entwicklung neuer Therapien liegt eine der wesentlichen Antriebs- kräfte für die Forschung. Aus christli- cher Sicht ist dieses Ziel ethisch ebenso legitim wie erstrebenswert. Aber auch ein hochrangiges Ziel rechtfertigt nicht jedes Mittel und Therapieversprechungen rechtferti- gen nicht jede Art von Forschung. Wo das Interesse der Forschung an menschlichen embryonalen Stamm- zellen so stark ist, dass man die Tö- tung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen in Kauf nimmt, wird menschliches Le- ben in einer Weise instrumentali- siert, die ethisch nicht gerechtfertigt werden kann. Die Würde und das Le- bensrecht des menschlichen Em- bryos, die ihm auch dann von An- fang an zukommen, wenn er außer- halb des Mutterleibs gezeugt wurde, werden damit bestimmten For- schungsinteressen untergeordnet und als weniger wert erachtet. In der gegenwärtigen Bioethik- Debatte kommt es entscheidend da- rauf an, allen Tendenzen zu wider- stehen, die die Menschenwürde und das Lebensrecht – insbesondere am Lebensanfang und am Lebensende – relativieren. Es geht um die Ein- sicht, dass im Blick auf unser Ver- ständnis vom Menschen viel auf dem Spiel steht – letztlich unser kul- turelles Erbe. Der Verfasser ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutsch- land und Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Kulturelle Dimension der Bioethik Menschenwürde und Nächstenliebe als kulturelles Erbe • Von Wolfgang Huber English Supplement + Kultur-Mensch Johannes Rau Dass sich die Bundespräsidenten besonders der Kultur und den Künsten verpflichtet fühlen, hat in der Bundesrepub- lik bereits eine Tradition. Nicht von ungefähr wird die Deutsche Künstlerhilfe vom Bundespräsidialamt getragen. Bundespräsident Rau hat in seiner Amtszeit diesem Engagement eine weitere Facette hinzugefügt. Mit dem „Bünd- nis für Theater“ und der Aktion „Musik für Kinder“ setzt der Bundespräsident ein Signal für den Erhalt der Kulturein- richtungen und ganz besonders für die kulturelle Bildung. Er wird nicht müde, die Politik aber auch die Kultureinrichtungen selbst daran zu erinnern, sich für die kulturelle Bildung einzusetzen. Sein Mahnen für eine nachhaltige Kulturpolitik sollte nicht ungehört verhallen. Foto: Bundespräsidialamt

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politik und kultur 01/04 Seite 1 HKS 47 HHS 65 schwarz

Nr. 01/04 • Januar - Februar 2004 www.kulturrat.de 3,00 € • ISSN 1619-4217 • B 58 662

DaseinsvorsorgeInwieweit muss der Staat dafürSorge tragen, dass Kultur vorge-halten wird, diese Frage wirft derVorsitzende des Deutschen Kul-turrates, Max Fuchs, in einemGrundsatzbeitrag zur Daseinsvor-sorge im Kulturbereich auf. AmBeispiel Berlin wird von Olaf Zim-mermann die Frage konkretisiert.

Seiten 3-4

Kulturelle VielfaltDie UNESCO hat im Oktober be-schlossen, ein neues Instrument die„Konvention Kulturelle Vielfalt“ inden nächsten zwei Jahren zu erarbei-ten. Welche Erwartungen von deut-scher, europäischer und internatio-naler Seite an dieses Instrument ge-richtet werden, formulieren WilfriedGrolig, Christa Prets und Gary Neil.

Seiten 10-11

EuropaEin Blick zu dem Nachbarn Schweizzeigt, wie ein „Europa im Kleinen“funktioniert. Welche Hürden diedeutschen Bewerberstädte für dieKulturhauptstadt 2010 nehmenmüssen, wird für das erweiterte Eu-ropa aufgezeigt. Die Erfolgsge-schichte des Cultural Contact Pointwird vorgestellt.

Seiten11-13

BildungsreformWelche Bedeutung die vorschuli-sche Bildung in Kindertagesstättenfür die späteren Lernchancen hat,dieser Frage geht Wassilios Fthena-kis nach. Ministerin RenateSchmidt und Ministerin AnnetteSchavan plädieren für die Zusam-menarbeit von Schule und außer-schulischen Einrichtungen.

Seiten 14-16

The English SupplementHow to preserve cultural diversity:core-question for Austrian Mem-ber of European Parliament Chris-ta Prets and Canadian INCD coor-dinator Garry Neil, but also forWilfried Grolig and Max Fuchs.Chairman of German ProtestantChurch Wolfgang Huber reflectson embryonic stem cell research.

Pages 5-8

Zeitung des Deutschen Kulturrates

Es wird illegal kopiert auf Teufelkomm raus. Der Absatz von un-

bespielten CD-ROMs und DVDssteigt unaufhörlich. Im Jahr 2002 hatdie Musikwirtschaft in Deutschland165 Millionen Musik-CDs verkauft.Im gleichen Jahr wurden nach Aus-wertung der Gesellschaft für Kon-sumforschung (GfK) 259 MillionenCD-Rohlinge mit Musik kopiert und622 Millionen Musikstücke aus ille-galen Quellen aus dem Internet he-runtergeladen. Nach Recherchender Filmförderungsanstalt (FFA) inBerlin wurden 2002 schon 27 Millio-nen CDs oder DVDs mit Spielfilmengebrannt. Allein in den ersten achtMonaten des letzten Jahres habenlaut FFA fünf Millionen Deutsche et-wa 30 Millionen Filme gebrannt.Mehr als die Hälfte der „Film- undMusik-Brenner“ gaben bei den Un-tersuchungen an, für Personen au-ßerhalb des eigenen Haushaltes Ko-pien zu erstellen. Zumindest dieseFilm- und Musik-Kopierer habennicht die nach dem Urheberrechterlaubte Sicherungskopie erstellt,schon gar nicht wenn die Filme oderMusikstücke nicht legal erworbenwurden. Es handelt sich beim illega-len Kopieren von urheberrechtlichgeschützten Werken längst nichtmehr um tolerierbare Einzelfälle,sondern um ein höchst bedenkli-ches Massenphänomen, das dieKünstler und die Kulturwirtschaftschwer schädigt.

Doch wie können MillionenDeutsche zu Verbrechern werden?Wie kann es sein, dass der Wert derKreativität offensichtlich immer we-niger zählt?

Es ist sicher der allseits bekanntemusisch-kulturelle Bildungsnot-stand in unseren Schulen und darü-ber hinaus. Hier liegt die Chance fürein langfristiges Umsteuern. Kinderund Jugendliche, die in der Schulemit allen Künsten in Berührungkommen, werden den „Wert der

Kreativität“ dauerhaft empfinden.Doch die Entwertung der Kulturwird nicht nur in der Schule gelehrt.Sind nicht auch die riesigen CD-Sonderangebotsberge in den Kauf-häusern dafür verantwortlich, dassdas Wertgefühl für die Musik auf derSilberscheibe im freien Fall ist? Istdie rasend schnelle Auswertungs-kette von Filmen, heute noch im Kino, morgen schon auf der DVDund im Pay-TV, nicht mit dafür ver-antwortlich, dass die Ware Film angefühltem Wert verliert?

Wohin eine solche entwerteteVermarktung führen kann, zeigt derBuchmarkt leider überdeutlich.Ramschware, die oft gar keinRamsch ist, sondern hochwertigeBücher aus der aktuellen Produkti-on, überschwemmen die Städte. Da-mit die Preisbindung, eine hart er-kämpfte kulturelle Errungenschaft,aufgehoben werden kann, muss essich natürlich um so genannte Män-gelexemplare handeln, deren einzi-ger sichtbarer Mangel der kleineStempel „Mängelexemplar“ ist. Die-se zunehmende Verkaufspraxismacht dem Kunden schnell deut-lich, dass er schon sehr beklopptsein muss, wenn er noch den regulä-ren Ladenpreis bezahlt. Die Kundenhaben die Lektion gelernt: Noch bil-liger als diese Sonderangebote istnur noch der Datenklau. Wert derKreativität ade!

„Raubkopierer sind Verbrecher“,der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf denKopf, aber es muss endlich Schlussgemacht werden mit diesen kultur-feindlichen Verwertungspraxen, diedieses Verbrechen begünstigen. Der„Wert der Kreativität“ wird erst dannerfolgreich einzuklagen sein, wenner in der Verwertungskette immerund überall sichtbar ist.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführerdes Deutschen Kulturrates ■

Editorial Mängelexemplare

Der mühsam erarbeitete Kompro-miss zur Forschung mit embryonalenStammzellen, der seinen Nieder-schlag im deutschen Stammzellge-setz von 2002 fand, hat das Interes-se an bioethischen Themen nur kur-ze Zeit gemindert. Der überraschen-de Vorstoß von Bundesjustizministe-rin Zypries, die menschliche Embryo-nen vom Schutz der Menschenwürdeausnehmen will, hat die Debatte inihrem innersten Kern wieder neu ent-facht. Denn wenn die Menschenwür-de für Embryonen nicht gilt, ist dieTür für verbrauchende Embryonenfor-schung geöffnet. Die Zulassung desForschungsklonens und der Präim-plantationsdiagnostik würden sichdann folgerichtig anschließen – auchwenn die Ministerin diese Konse-quenzen noch nicht gezogen hat.

Aber nicht nur in Deutschland,auch in der Europäischen Union

und in den Vereinten Nationen ste-hen Fragen der Embryonen- undStammzellenforschung wieder obenauf der Tagesordnung. Der Beschlussdes Europäischen Parlaments am 19.November 2003 zeigt, wie weit man-che zu gehen bereit sind. In der Ver-handlung des EU-Ministerrates am26. November 2003 ist eine Entwick-lung nur mit Mühe aufgehalten wor-den, die mit der deutschen Rechtsla-ge unvereinbar gewesen wäre. Unddie gerade gescheiterten Bemühun-gen der Vereinten Nationen um eineinternationale Konvention zum Ver-bot des Klonens verdeutlichen aufihre Weise die tiefgreifenden ethi-schen Differenzen auf internationa-ler Ebene, die bisher nicht über-brückt werden konnten.

Das alles zeigt, dass die kulturelleDimension der bioethischen Debat-te im nationalen und internationa-len Kontext mehr Aufmerksamkeitverdient. Sie besteht in erster Liniein der Bereitschaft aller beteiligtenSeiten zur kritischen Auseinander-

setzung mit ihrem je eigenen Ver-ständnis des Menschen. Die Evan-gelische Kirche in Deutschland hatin diesem Streit immer eindeutigStellung bezogen. Sie tritt für einVerständnis vom Menschen ein,nach dem die Würde der menschli-chen Person nicht einfach eine amMenschen aufweisbare Qualität, einResultat seiner genetischen Ausstat-tung oder ein Ergebnis seines eige-nen Handelns ist. Der Menschspricht sich die Menschenwürdenicht selbst zu; sie wird ihm auchnicht einfach von anderen Men-schen zuerkannt; sie entsteht auchnicht erst durch eine staatliche An-erkennung oder durch kulturelle In-terpretationsleistungen.

Würde hat der Mensch vielmehrdarin, dass er von Gott zu seinemEbenbild berufen ist. Würde hat erdarin, dass Gott ihn an seiner Ge-rechtigkeit teilhaben lässt. DerMensch ist mehr, als er selbst aussich macht. Auch wenn wir seine ge-netische Ausstattung entschlüsselnkönnen, haben wir damit noch nichtden Menschen als Menschen er-fasst. Weder mit seinen Taten nochmit seinen Untaten ist er gleichzu-setzen. Allein Gottes Zuspruchmacht seine Würde unantastbar.

Die Menschenwürde verpflichtetdazu, menschliches Leben insge-samt nicht zu instrumentalisieren,den Menschen niemals nur als Mittelzu fremden Zwecken einzusetzen.Wer die unverfügbare Würde desMenschen achtet, wird deshalb auchmit denjenigen Stufen des menschli-chen Lebens respektvoll und acht-sam umgehen, in denen Menschennoch nicht, nicht mehr oder nur ineingeschränktem Maß die Möglich-keit haben, als Personen von ihrerFreiheit Gebrauch zu machen: mitden verschiedenen Stufen des vorge-burtlichen Lebens ebenso wie mitBehinderung, Krankheit und Alter.Unsere kulturelle sowie religiöse

Tradition orientiert sich jedochnicht nur an der aus der Menschen-würde folgenden Selbstzwecklich-keit und Selbstbestimmung des Men-schen, sondern auch an der Achtungdes anderen, an der Nächstenliebe.Es wäre ein fundamentaler Kultur-bruch, wenn nur noch einer dieserbeiden Pole Anerkennung und Be-rücksichtigung fände. Athen und Je-rusalem, griechisch-römische Anti-ke und jüdisch-christliche Religionstehen für diese Pole. Auch und ge-rade in den Entscheidungen der Ge-genwart sollten beide Berücksichti-gung finden.

Das Gebot, den Nächsten zu lie-ben, zielt darauf, Menschen in Not zuhelfen, das heißt auch: Krankheitenzu heilen und Leiden zu mildern. Andie Möglichkeiten der Stammzellen-forschung knüpfen sich große Hei-lungshoffnungen. In der Aussicht aufdie Entwicklung neuer Therapienliegt eine der wesentlichen Antriebs-kräfte für die Forschung. Aus christli-cher Sicht ist dieses Ziel ethischebenso legitim wie erstrebenswert.

Aber auch ein hochrangiges Zielrechtfertigt nicht jedes Mittel undTherapieversprechungen rechtferti-gen nicht jede Art von Forschung.Wo das Interesse der Forschung anmenschlichen embryonalen Stamm-zellen so stark ist, dass man die Tö-tung menschlicher Embryonen zurGewinnung von Stammzellen inKauf nimmt, wird menschliches Le-ben in einer Weise instrumentali-siert, die ethisch nicht gerechtfertigtwerden kann. Die Würde und das Le-bensrecht des menschlichen Em-bryos, die ihm auch dann von An-fang an zukommen, wenn er außer-halb des Mutterleibs gezeugt wurde,werden damit bestimmten For-schungsinteressen untergeordnetund als weniger wert erachtet.

In der gegenwärtigen Bioethik-Debatte kommt es entscheidend da-rauf an, allen Tendenzen zu wider-stehen, die die Menschenwürde unddas Lebensrecht – insbesondere amLebensanfang und am Lebensende– relativieren. Es geht um die Ein-sicht, dass im Blick auf unser Ver-ständnis vom Menschen viel aufdem Spiel steht – letztlich unser kul-turelles Erbe.

Der Verfasser ist Ratsvorsitzender derEvangelischen Kirche in Deutsch-

land und Bischof der EvangelischenKirche in Berlin-Brandenburg ■

Kulturelle Dimension der BioethikMenschenwürde und Nächstenliebe als kulturelles Erbe • Von Wolfgang Huber

English

Supplement

+

Kultur-MenschJohannes Rau

Dass sich die Bundespräsidenten besonders der Kultur und den Künsten verpflichtet fühlen, hat in der Bundesrepub-lik bereits eine Tradition. Nicht von ungefähr wird die Deutsche Künstlerhilfe vom Bundespräsidialamt getragen.Bundespräsident Rau hat in seiner Amtszeit diesem Engagement eine weitere Facette hinzugefügt. Mit dem „Bünd-nis für Theater“ und der Aktion „Musik für Kinder“ setzt der Bundespräsident ein Signal für den Erhalt der Kulturein-richtungen und ganz besonders für die kulturelle Bildung. Er wird nicht müde, die Politik aber auch die Kultureinrichtungen selbst daran zu erinnern, sich für die kulturelle Bildung einzusetzen. Sein Mahnen für eine nachhaltige Kulturpolitik sollte nicht ungehört verhallen.

Foto: Bundespräsidialamt

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politik und kultur 01/04 Seite 2 HKS 47 schwarz

KULTURENQUETE politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 2

Die Kirchen als kulturpolitische AkteureZum Beitrag eines Vertreters der Kirchen in der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ • Von Thomas Sternberg

Beschäftigt man sich mit europäi-scher Kultur, dann ist deren Veranke-rung in ihren christlichen Traditionenunübersehbar. Bibel und Christen-tum sind seit 1700 Jahren Grundla-ge europäischer Kultur in Recht,Wissenschaft, Haltungen, Gebräu-chen und Kunst.

Dies gilt nicht nur in einem wei-ten Begriff von Kultur, sondern

auch für Kultur im engeren Sinneder künstlerischen Ausdruckswei-sen. Unsere Städte und Dörfer wer-den geprägt durch Kirchenbauten,die Sprache basiert auf der Bibel-übersetzung Martin Luthers, Litera-tur und Theater variieren biblischeAnspielungen, die Musik entwickel-te sich aus der textbetonenden Mu-sik der Gregorianik, die BildendeKunst geht auf die Darstellung bibli-scher Ereignisse zurück. Die Museensind angefüllt mit Werken christli-cher Thematik und was bliebe inden Kunstreiseführern übrig, tilgteman alle christlichen Bau- undKunstwerke? Die Bibel ist für Europadas wichtigste „Weltkulturerbe“.Noch bis in die Zeit der Reprodukti-onstechniken von Musik und Bildvor 200 Jahren waren die kulturellenErfahrungen der meisten Deutschenchristlich gebunden, und selbst amAnfang der massenhaften Literatur-verbreitung steht mit dem vielgele-senen Messias von Klopstock ein re-ligiöser Stoff. Dieses christliche Erbeist für die kulturelle Identität Euro-pas konstitutiv.

Dies gilt nach wie vor, wennauch in einer erheblich verminder-ten Exklusivität. Kunstgeschichte istzwar auch die Geschichte der Ablö-sung von kirchlichen und christlichmotivierten Auftraggebern, aberdennoch wirken die christlichenThemen nach und trotz der „verlo-renen Nähe“ von Kirchen und Kunstsind die Verbindungen auch in deraktuellen Kunst immer wieder zugreifen. Das Musikleben, die Kunst-museen und Ausstellungen, dieBühnenwerke und die Literatur zeu-gen trotz aller Säkularisierungsphä-nomene auch in der Gegenwart vonden fortwirkenden Potentialen.Noch in Werbung und Pop-Kulturfunktionieren die Verweise auf diechristliche Motivtradition, selbstdann, wenn sie nur ausgeschlachtetoder subtil für andere Zwecke aus-

genutzt werden. Das christliche Er-be wird in dem Maße wichtiger, alses zu unsicheren Identitäten ange-sichts kultureller Infragestellungkommt.

Im 19. Jahrhundert wurden dietheoretischen Grundlegungen derKultur nicht zuletzt durch Theolo-gen geschaffen. Gleichzeitig ver-suchten Kirchen Sonderkulturen he-rauszubilden – eine Absicht, derenScheitern in der katholischen Kirchespätestens durch das II. Vatikani-sche Konzil vor 40 Jahren eingestan-den wurde. Obwohl kirchliche Stel-lungnahmen zur Kultur zumeist aufdie Bereiche der Künste bezogensind, die in einem unmittelbarenZusammenhang zu kirchlichen Nut-zungen und Räumen bezogen sind,haben sie doch auch ein Interessean der Pflege des pluralen kulturel-len Lebens in Deutschland, wie esetwa das Zentralkomitee der Katho-liken 1999 und die evangelischenKirchen 2001 jeweils in ihrer Kultur-denkschrift verdeutlicht haben.

Die Kirchen treten selbst als Ak-teure des kulturellen Lebens inDeutschland auf. In den Publikatio-nen und Statistiken kommt dieserBereich erstaunlicherweise in derRegel nicht vor. Wohl wird die Musikgelegentlich wahrgenommen, aberauch sie keineswegs umfassend. Da-bei sind hier beeindruckende Zah-len zu nennen.

Als erstes Beispiel das Musikle-ben: hier sind vor allem die Kirchen-chöre, die Dom- und Pfarrsingschu-len zu nennen, die vom einfachenLaienchor bis zu Spitzenensemblesreichen. In 16.000 katholischen Chö-ren sind mehr als 400.000 Chormit-glieder tätig. Im Bereich der EKDkommen in fast 26.000 Kirchen- undPosaunenchören etwa 450.000 Mu-sikerinnen und Musiker zusammen.Hauptberufliche Kirchenmusikerbeschäftigen die Kirchen der EKDüber 2.300, die katholische 1.600,wozu allein im katholischen Bereichnochmals 15.600 nebenberuflicheKirchenmusiker kommen. Sie wer-den in 34 katholischen und evange-lischen Kirchenmusikschulen aus-gebildet. Von Bau und Unterhalt derOrgeln in den Kirchen in Deutsch-land kann sich jeder ein Bild ma-chen, der die Fülle erstklassiger In-strumente einmal mit dem Stand inanderen europäischen Ländern ver-

gleicht. Die Zahl der Kirchenkonzer-te liegt allein bei den evangelischenGemeinden bei ca. 35.000. Auf demLand sind Kirchenräume zum Teilnach wie vor der nahezu einzige Ortder Berührung mit Kunst.

Im Bereich der Bildenden Kunstsind vor allem die kirchlichen Muse-en und Schatzkammern zu nennen,von denen die katholische Kirche 43in alleiniger und weitere mehr als100 in konzeptioneller oder finanzi-eller Beteiligung unterhält. Das Aus-stellungswesen der Kirchen, die Ta-gungen und Kunstaktionen sind hiernicht im Einzelnen aufzuführen.

Beispiel Literatur: Katholischeund evangelische öffentliche Büche-reien nehmen eine ortsnahe Grund-versorgung mit Literatur wahr. Inden mehr als 4.000 katholischen Bü-chereien stehen über 20 MillionenMedien-Einheiten zur Ausleihe, dievon mehr als 25.000 ehrenamtlichtätigen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern geführt werden. Die über5.000 öffentlichen und Klinik-, Ge-fängnis- und Anstaltbüchereien(über 1.000 im evangelischen Be-reich) in kirchlicher Trägerschaftmachen rund 40% der öffentlichenBüchereien aus. Hinzu kommenkirchliche, öffentliche wissenschaft-liche Bibliotheken, Diözesan- undHochschulbibliotheken sowie öf-fentlich nutzbare Archive. Die Ar-beitsgemeinschaft der katholischenPresse umfasst zur Zeit 75 Zeitschrif-tenverlage und 50 Buchverlage. DieKirchen loben eine Reihe von Litera-turpreisen aus: vom katholischenKinder- und Jungendbuchpreis biszum evangelischen Marie-Luise Ka-schnitz-Preis.

Zum Beispiel Denkmalpflege:Kirchen sind identitätsstiftende Ge-bäude weit über die aktive Gottes-dienstgemeinde hinaus. Welche Be-deutung sie selbst in völlig entchrist-lichten Gebieten haben, wird bei Ab-bruchabsichten deutlich. Kirchen-führungen erfreuen sich größter Be-liebtheit und werden zumeist ehren-amtlich organisiert. Zwischen 1996und 2000 hat allein die katholischeKirche über 2 Milliarden Euro in denDenkmalschutz investiert. Sie ist da-mit nach dem Staat die Institutionmit dem größten finanziellen Enga-gement im Denkmalschutz. Die öf-fentlichen Zuschüsse für den Erhaltvon Kirchengebäuden machen we-

niger als 1zehn Prozent aus. Allein 20katholische Kirchengebäude inDeutschland stehen auf der Liste desWeltkulturerbes der UNESCO.

Vom Film wäre zu reden: nichtallein über die kirchlichen Filmge-sellschaften, sondern über Medien-stellen, wie sie in allen deutschenBistümern und Landeskirchen be-stehen, über den renommierten„film-dienst“ als Rezensionsorgan,über Lizenzerwerb und Vertrieb des„katholischen Filmwerks“ in Frank-furt, das die Rechte an zwei Oscar-prämierten Kurzfilmen hält. Von derkulturellen Bildung in der weit ent-wickelten kirchlichen Erwachsenen-bildungsarbeit mit ihren Familien-Bildungsstätten, den Heimvolks-hochschulen und Akademien wärezu reden. Dass in der Bildungsarbeitder Kulturendialog ein zentralesThema ist, sei nur am Rande ver-merkt.

Dabei ist noch nicht von der Li-turgie der Kirche gesprochen, dieselbst den vielleicht wichtigsten Bei-trag zur Kultur darstellt.

Welche Wünsche habe die Kir-chen an die Weiterentwicklung derKulturpolitik im Rahmen einerKommission des Bundestages, demweder grundgesetzlich noch in derPraxis der erste Rang auf diesem Po-litikfeld zukommt? Der Bund kannfür Rahmengesetze und für dieüberregionale Debatte von Proble-men sorgen, die vor allem auf der lo-kalen Ebene diskutiert werden. DieKirchen wollen eine dezentrale undplurale Kulturpolitik, die ihre kultu-rellen Tätigkeiten nicht behindert,sondern stützt. Vor allem sollte dieseTätigkeit in ihrem Volumen die an-gemessene Wahrnehmung in denkulturpolitischen Debatten finden.Die kulturelle Tätigkeit der Kirchensoll mit privaten, staatlichen undprivaten Aktivitäten vernetzt wer-den können. Unter den Stichworten„bürgerschaftliches Engagement“,„Soziokultur“, „Kulturelles Erbe“,„Public-private-Partnership“, „Eh-renamtsförderung“, „soziale Sicher-heit im Kulturbereich“ und „kultu-relle Bildung“ können kirchliche As-pekte eingebracht werden. Deutsch-land als Kulturnation wird durch dieKirchen und ihre Aktivitäten we-sentlich mitgeprägt. Es stellen sichfür die Kirchen die Fragen, wie beizurückgehenden Kirchenanteilen

von zur Zeit noch zwei Dritteln derBevölkerung und schwindender fi-nanzieller Sicherheit dieser Kultur-beitrag zu sichern ist.

Auf diesem Feld der Politikmöchte ich die Stimmen der Kir-chen in den Diskurs der Enquete-Kommission einbringen. Außerhalbdieser kirchlichen Themen werdeich mich von meiner kommunalenkulturpolitischen Erfahrung her vorallem um die Frage einer Einbezie-hung von Kulturräumen in ober-zentrale Kulturaufgaben der Städteeinbringen. Die Kommunen erbrin-gen über 70 Prozent der Aufwen-dungen für Kultur als „freiwillige“Aufgaben. Damit verknüpft ist dieDefinition von kulturellen Aktivitä-ten als kommunale Pflichtaufgaben.Für den Erhalt der Theater- und Or-chesterlandschaft werden diese Fra-gen überlebenswichtig werden. Vonmeiner beruflichen Profession herbeschäftigt mich das Feld der kultu-rellen und ästhetischen Erwachsen-bildung, die in den Weiterbildungs-gesetzen zu verankern ist und nicht,wie soeben in NRW durch den Ver-lust jeglicher Förderung akut gefähr-det ist.

Die Kirchen haben an einementwickelten kulturellem Lebenauch abseits der unmittelbaren Nut-zungsinteressen von künstlerischenProduktionen ein starkes Interesse.Ihr Einsatz gilt zuerst und besondersdeutlich dem Bereich des Sozialen,wo sie ein unübersehbarer Partnerdes Staates sind (– und auch im The-menbereich zwei „die wirtschaftli-che und soziale Lgage der Künstler“der Enquete handelt es sich um einsoziales Thema!). Sie wollen sich en-gagieren, auch abseits der themati-schen Verknüpfung mit religiösenInhalten. Denn an einem entwickel-ten kulturellen Leben, dass nicht inEvent, Trivialisierung und Vernut-zung aufgeht, haben Christen einfundamentales Interesse. Kultur alsBewahrung eines Bereiches, der sichÜbernützlichkeit und Zweckfreiheitzumindest im Kern bewahrt und da-mit Ortsbestimmung und Zukunfts-perspektive ermöglicht.

Der Verfasser ist Direktor der Katholischen Akademie Münster

und Mitglied der Enquete-Kommis-sion des Deutschen Bundestags

„Kultur in Deutschland“ ■

puk-Preis 2004 politik und kultur sucht den besten kulturpolitischen Artikel

Mit der Auszeichnung soll eine außergewöhnliche journalistische Arbeit, die sichdurch eine allgemeinverständliche Vermittlung von kulturpolitischen Themen aus-zeichnet, gewürdigt werden.

Zugelassen sind Beiträge aus Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Monatszeitungenund Fachzeitschriften mit einem dezidiert kulturpolitischen Inhalt, die im Jahr2003 in Deutschland erschienen sind. Jeder kann Vorschläge einreichen, Eigenbe-werbungen sind möglich. Einsendeschluss ist der 30.04.2004. Die Auszeichnung istundotiert. Die öffentliche Preisverleihung findet im Juni 2004 in Berlin statt.

Jury: Gitta Connemann, MdB, Vorsitzende der Enquete-Kommission des DeutschenBundestags „Kultur in Deutschland“, Ernst Elitz, Intendant DeutschlandRadio,Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates, Theo Geißler, He-rausgeber politik und kultur, Herausgeber der neuen musikzeitung, Olaf Zimmer-mann, Herausgeber politik und kultur, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Vorschläge bitte bis zum 30.04.2004 senden an: politik und kultur, Zeitung desDeutschen Kulturrates, Chausseestraße 103, 10115 Berlin

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DASEINSVORSORGE politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 3

Kultur als Daseinsvorsorge?Einige grundsätzliche Überlegungen aus aktuellem Anlass • Von Max Fuchs

Der aktuelle Anlass, der in der Über-schrift angesprochen wird, ist derKonsultationsprozess, den die Kom-mission der Europäischen Union mitdem „Grünbuch zu Dienstleistungenvon allgemeinem Interesse“ vom21.05.2003 begonnen hat. Alle Ver-bände und Institutionen, die sich vondieser Fragestellung angesprochenfühlen, sind eingeladen, ihre Sicht-weisen, Informationen und Vorschlä-ge einzubringen. Auch der DeutscheKulturrat als Teil der Zivilgesell-schaft hat als erste Reaktion am25.09.03 ein erstes Positionspapierunter dem Motto „Schutz der kultu-rellen Vielfalt muss im Vordergrundstehen“ siehe hierzu puk 5/2003verabschiedet und der Kommissionzugeleitet.

Nunmehr sind die 30 konkretenFragen des „Grünbuchs“ zu be-

antworten, die von der Definitiondieses bislang noch unklaren Be-griffs „Dienstleistung von allgemei-nem Interesse“ über die Frage nachder Notwendigkeit einer allgemei-nen – und dann auch verbindlichen– Rahmenrichtlinie bis zur Entwick-lungspolitik reichen. Möglicherwei-se hätte man vor einigen Jahrennoch sehr zögerlich auf diese Fragenreagiert. Denn ganz offensichtlichgeht es zunächst um völlig andereBereiche als Kultur, bei denen nun-mehr der Markt eventuell liberali-siert und dereguliert werden soll –Stichworte sind Binnenmarkt undWettbewerbsrecht: Es geht um Was-ser und um Energie, um die Post,das öffentliche Verkehrssystem undum die Finanzdienstleistungen vonSparkassen. Es wird die Frage ge-stellt, inwieweit in diesen Feldernder europäische Binnenmarkt mitallen Konsequenzen – also unteranderem Verlust von „Beihilfen“(das sind zum Beispiel Subventio-nen der öffentlichen Hand, aberauch Steuervergünstigungen) –durchgesetzt werden soll.

Hellhörig wäre man vielleichtdann geworden, wenn man die Ge-sundheits- und Sozialleistungen im„Grünbuch“ gefunden hätte. Zudemwird gleich am Anfang des „Grün-buchs“ (Ziffer 8) explizit der Rund-funk erwähnt, so dass man sich inder Medienpolitik und damit im Ar-beitsbereich des Deutschen Kultur-rates befindet. Und immerhintaucht recht oft der Begriff des „Ge-meinwohls“ auf, bei dem man sichnun doch definitiv angesprochenfühlt. Heute gibt es dieses seinerzeitmögliche Zögern schon längst nichtmehr. Denn inzwischen gibt es zweiPräzisierungen dessen, was dieKommission unter „Dienstleistun-gen von allgemeinem Interesse“ ver-steht, nämlich die beiden „Mittei-lungen zu Leistungen der Daseins-vorsorge“ aus den Jahren 1996 und2000. Spätestens bei diesem Begriffder „Daseinsvorsorge“, – unter demganz selbstverständlich vor allemauf kommunaler Ebene Kultur mit-verhandelt wird –, ist unsere Zustän-digkeit offensichtlich. Außerdemsind wir seit einiger Zeit sehr ener-gisch in die GATS-Verhandlungender Welthandelsorganisation WTOinvolviert und von daher inzwischendaran gewöhnt, dass Kultur im in-ternationalen Sprachgebrauch desHandels- und Wettbewerbsrechts als„Dienstleistung“ fungiert.

Man kann dies durchaus als ers-te Niederlage des Kulturbereichs be-trachten, nunmehr Kulturpolitik ineiner ökonomisch-rechtlichen Spra-che verhandeln zu müssen und da-bei versuchen zu müssen, irgendwiedas eigene Anliegen in die fachfrem-de Terminologie einzupassen. EineNiederlage ist dies, weil eine zentra-

le Aufgabe und Funktion des Kultur-bereichs darin besteht, die Legitimi-tät einer Allzuständigkeit der Öko-nomie für alle Fragen des Daseins (!)zu überprüfen, unter die man nun-mehr selbst subsumiert wird. Hierrächt sich offenbar der starke undzum Teil bis heute anhaltende Trendder 90er-Jahre, in der These von der„Kultur als Wirtschafts- und Stand-ortfaktor“ eine vermeintlich über-zeugendere Legitimität für öffentli-che Förderung gewinnen zu wollenund dabei die Reflexion genuinerAufgaben und Funktionen des Kul-turbereichs zu vernachlässigen.

Im Folgenden will ich – aller-dings eher impulshaft als ausführ-lich – einige grundsätzliche Überle-gungen anstellen, die von den 30Fragen des „Grünbuchs“ angeregtwerden und die man daher zurÜberprüfung und Präzisierung deseigenen kulturpolitischen Konzep-tes nutzen könnte. Als Einstieg taugtder in den oben erwähnten „Mittei-lungen“ der Kommission verwende-te Begriff der Daseinsvorsorge fürdie deutschen Fassung des „Grün-buchs“ nicht mehr. Die Stellungnah-me der kommunalen Spitzenver-bände zu dem Grünbuch vermeidetdiesen Begriff. Aus dem Bereich derWohlfahrtsverbände gibt es sogarden (weitergehenden) Vorschlag,

statt von „Daseinsvorsorge“ von„Solidardiensten im öffentlichen In-teresse“ zu sprechen. Immerhin er-freut sich der Begriff in der Alltags-praxis der Kommunen und in derWissenschaft großer Beliebtheit.Das ist verständlich, denn „Sorge“und „Vorsorge“ für das „Dasein“ desMenschen entsprechen auf den ers-ten Blick einer fürsorglichen Hal-tung eines Gemeinwesens, dem esnicht gleichgültig ist, wie es um dieÄrmsten bestellt ist. Der Bedeu-tungskontext ist also offensichtlich„Solidarität“ (als wechselseitige Hil-fe in Notlagen), man befindet sichim Bereich des Wohlfahrtsstaatesbeziehungsweise des Sozialstaatsge-botes des Grundgesetzes, bei dem esdarum geht, eine Art „Grundversor-gung“ bei lebensnotwendigen (öf-fentlichen) Gütern wie Wasser undEnergie, aber eben auch im Bereichder medizinischen und Sozialhilfesicherzustellen.

Diese Rhetorik wird auch im Kul-turbereich bemüht: Kultur gehöre zuden lebenswichtigen (Grund-)Ver-sorgungsgütern und damit in den

Zuständigkeitsbereich der Daseins-vorsorge. Man hat es hierbei mit ei-ner wichtigen Begründungslinie ei-ner öffentlichen Kulturpolitik zutun, so wie sie insbesondere in den70er-Jahren entwickelt wurde undwie sie sich auch im internationalenDiskurs bis heute behauptet. Eslohnt also eine nähere Betrachtungdieses zunächst sympathischen undnützlichen Konzeptes.

Der Begriff der „Daseinsvorsor-ge“ geht zurück auf den Staats- undVerfassungsrechtler Ernst Forsthoff,ein Schüler des berühmt-berüchtig-ten Carl Schmitt, der zurzeit mit sei-nem Schüler Leo Strauss als mögli-cher Vordenker für die neokonserva-tive und aggressive US-Außen- undKriegspolitik zu neuer Publizität ge-kommen ist. Nach Vorarbeiten ist esdas Buch „Die Verwaltung als Leis-tungsträger“, das 1938 von Forsthoff(!) publiziert wurde. Es gibt einigeHinweise darauf, dass Äußerungensowohl von Karl Jaspers als auch dieArbeiten von Heidegger diese Wort-wahl mit beeinflusst haben könn-ten. Das hat jedoch eher mit demdamaligen Zeitgeist zu tun, der einsolches Vokabular nahe legte. Eineinhaltliche Verwandtschaft in derVorstellung der spezifischen Rolledes Staates und vor allem seiner Ver-waltung gibt es allerdings mit dem

Nationalsozialismus. Geistesge-schichtlich wird zum einen auf diehohe Bedeutung des Staates in derdeutschen idealistischen Philoso-phie am Anfang des 19. Jahrhun-derts (Hegel, Fichte) Bezug genom-men. Realgeschichtlich ist es die In-dustrialisierung in der zweiten Hälf-te des 19. Jahrhunderts, die in ihrenverheerenden sozialen Auswirkun-gen reflektiert wird. Es handelt sichum eine Kapitalismus- (und Libera-lismus-)Kritik von rechts. Auf denZerfall sozialer Unterstützungsräu-me im Zuge der Industrialisierungmuss nun der Staat und vor allemdie Verwaltung reagieren, so dassder Staat seine genuine Aufgabe derWahrung innerer Sicherheit undOrdnung („Polizey“) ergänzen mussum die Aufgabe, Leistungen bereit-zustellen. In dieser Hinsicht ordnetsich diese Behandlung der „sozialenFrage“ durchaus in Tendenzen derkatholischen Soziallehre, der Sozial-demokratie und der Aktivitäten Bis-marcks ein. Wichtiger Bezugsautorist der Sozialstaatstheoretiker Lo-renz von Stein.

Forsthoff spricht dabei davon,dass die Grundrechte und über-haupt die politische Steuerung desStaates in den Hintergrund rückeund nunmehr die VerwaltungHauptakteur wird. In den Hinter-grund treten individuelle Freiheits-rechte zu Gunsten der Betonung derGemeinschaft, des Allgemeinen. Der(liberal-bürgerliche) Rechtsstaat,der das Individuum mit seinenSchutzrechten gegenüber dem Staatin den Mittelpunkt stellt, gerät in einSpannungsverhältnis zu einem soverstandenen Sozialstaat, bei demdie Gemeinschaft zentral ist – einSpannungsverhältnis, das bis heutedie unterschiedlichen Staatszielbe-stimmungen im Grundgesetz beein-flusst.

Für die Kulturpolitik ist dieseSpannung dort relevant, wo sie sichentscheiden muss, ob sie eher imRechtsstaats- oder im Sozialstaats-gebot (oder in einem noch einzu-bringenden „Kulturstaatsgebot“) ih-ren verfassungsmäßigen Grund fin-det. Als systematische Fragen an diekonzeptionelle Grundlegung derKulturpolitik ergeben sich hieraus,wie man mit dieser rechtskonserva-tiven Aufladung des Begriffs der Da-seinsvorsorge, dem damit verbun-denen paternalistischen Bild vonStaat, der geringen Relevanz des

Einzelnen und seiner Grundrechteumgehen will, angesichts des indivi-duellen Charakters des Kunstum-gangs.

Neben dem Einzelnen wird dieGesellschaft in einem Spannungs-verhältnis zum Staat gesehen. Auchdieser Gedanke geht auf die Rechts-philosophie von Hegel zurück. An-gesichts der aktuellen Diskussionüber die Bürgergesellschaft, über dieRolle der politischen Mitsteuerungdurch die Zivilgesellschaft, überneue Konzepte staatlicher Steue-rung insgesamt („good governance“,New Public Management) scheint esnicht so leicht, gegen die histori-sche, staatszentrierte Semantik ei-nes zunächst sympathischen Be-griffs ein zeitgemäßes Verständnisder Rolle von Staat, Markt und drit-tem Sektor auf der Basis dieses Be-griffs zu entwickeln.

Auch der weniger problemati-sche EU-Begriff der „Dienstleistun-gen im öffentlichen Interesse“ führtzu solchen Fragen, da sehr unter-schiedliche nationale Traditionenbei solchen Dienstleistungen in Eu-

ropa zu berücksichtigen sind. DasSpektrum reicht von zentralisti-schen staatlichen Monopolbetrie-ben in Frankreich über plurale undoft kommunal verankerte Anbieter-strukturen in Deutschland bis zuwirtschaftsliberalen Strukturen inGroßbritannien.

Eine weitere Grundsatzdiskussi-on im Umgang mit der Daseinsvor-sorge ist die Reflexion der Tragweitedes Marktes. Denn ein Teil der Legi-timation einer öffentlichen Einmi-schung in die Grundversorgungwird mit Marktversagen begründet –und steht so im Widerspruch zu derMainstream-Lehre des Neoliberalis-mus, so wie er auch der Binnen-marktidee und der Wettbewerbsord-nung der EU zu Grunde liegt. Die EUbekennt sich in ihren Gründungsdo-kumenten (vor allem Verträge vonMaastricht und Amsterdam) zudemzu einem „europäischen Gesell-schaftsmodell“, zu dessen Kern eineOrientierung am Gemeinwohl ge-hört (so steht es unter anderem inder „Mitteilung zur Daseinsvorsor-ge“ im Jahre 1996). ÖkonomischesWachstum, aber auch „soziale undterritoriale Kohärenz“ sind erklärteZiele der europäischen Integration.Entsprechend hoch ist die Bewer-tung der „Dienstleistungen im öf-fentlichen Interesse“, weil man – zuRecht – in diesen die Realisierung ei-ner Art „europäischen Sozialstaats-gebotes“ sieht. Daher hat man ihrenSchutz mit einem neuen Artikel(Artikel 16) im EG-Vertrag formu-liert, wobei man für diese Dienst-leistungen sogar das ansonstenhochheilige Wettbewerbsrecht ab-mildern will. Soll „Kultur“ dazu ge-hören, muss sie sich also an den Kri-terien der europäischen Gemein-wohldefinition messen lassen:• Kontinuität und Versorgungssi-

cherheit,• flächendeckende Grundversor-

gung und Festlegung von Quali-tätsstandards,

• Erschwinglichkeit,• Nutzer- und Verbraucherschutz.Es wird interessant sein, diese – fürEnergie- oder Wasserversorgungleicht einsichtigen – Kriterien anden Kulturbereich anzulegen.

Die Schwierigkeiten sind mitdenen vergleichbar, Kriterien desSozialstaatsgebotes (zum BeispielVerteilungsgerechtigkeit) im Kultur-bereich zu realisieren. Daher ist die– auch im Kulturbereich hoch favo-risierte – Lösung, ein neues Staats-ziel „Kultur“ in das Grundgesetz ein-zubringen, verständlich. Doch sogroß die Unterstützung in der Szeneist: Bei Verfassungs- und Staats-rechtlern gibt es nur eine Minder-heit, die dies unterstützt. Es lohnt al-so auch hier ein Blick auf das Prob-lem.

Eigentlich müsste der Begriff des„Kulturstaates“ ebenso suspekt seinwie der der „Kulturhoheit“. All dieserinnert doch fatal an eine Staats-kultur, wie sie einer Demokratie we-nig angemessen wäre. Trotzdem er-freuen sich beide Begriffe großer Be-liebtheit. Unterstützung erfährt dieForderung nach einem neuenStaatsziel „Kultur“ durch renom-mierte Staatsrechtler wie Peter Hä-berle. Andere sehen zwar keine qua-litative Veränderung bei Einfügungeines solchen Zieles in die Verfas-sung, da sich ein verfassungsrechtli-cher Kulturauftrag bereits jetzt auseinschlägigen Artikeln (etwa Artikel5, aber auch Artikel 1 – Menschen-würde) beziehungsweise durch eineweite Deutung des Artikel 20 unter-stützt durch entsprechende Urteile

Kunst als Kulturgut und als Ware: Ein Blick in die Messehallen der art cologne 2003 in Köln Foto: art cologne

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politik und kultur 01/04 Seite 4 HKS 47 schwarz

DASEINSVORSORGE politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 4

Kultur alsDaseinsvorsorge?

des Bundesverfassungsgerichts he-rauslesen lasse, sprechen aber voneiner durchaus positiv zu wertenden„appellativen Bedeutung“ (DieterGrimm).

Ein Höhepunkt in der Auseinan-dersetzung um eine Kulturstaats-klausel war die Tagung der Vereini-gung der Deutschen Staatsrechtleh-rer im Jahre 1983, bei der nahezu al-le einschlägigen Fachleute das Wortergriffen. Bei der Lektüre der Dis-kussionsbeiträge wird schnell klar,dass die Befürworter einer solchenKlausel an eine normative Anreiche-rung der Verfassung im Sinne desidealistischen Kulturverständnissesdenken: Kultur als Weltdeutung, alsSinnstiftung, als Wertbegründungzum Zwecke der Integration des Ein-zelnen und der Schaffung einer ge-meinsamen (nationalen) Identität.Historisch war genau dies der Wegzu Beginn des 19. Jahrhunderts, alseine nationale kulturelle Identitätals Ersatz für eine fehlende politischIntegration herhalten musste. Da-mit wird aber deutlich, dass dieser –offenbar als einziger justiziabler –Kulturbegriff sich nicht mit der le-

bendigen Kulturentwicklung in derGesellschaft und auch nicht mitdem Kulturbegriff einer zeitgemä-ßen Kulturpolitik deckt. Die Staats-rechtlehrer waren sich daher zwarkaum einig über den Nutzen einersolchen Verfassungsergänzung,schienen aber alle Einvernehmen inder Ablehnung des für Verfassungs-zwecke untauglichen Kulturver-ständnis der Kulturpolitik zu haben(zu dynamisch und zu stark Modenunterworfen).

Man hat in den 90er-Jahren im-mer wieder im kulturpolitisch-theo-retischen Diskurs (zum Beispiel Al-brecht Göschel) auf diesen Versucheiner normativen Ergänzung des So-zial- und Rechtsstaatsprinzips hin-gewiesen und gezeigt, welche Impli-kationen dies für ein dazu passen-des Verständnis von Kunst hätte(Kunst als Transportmedium vonWerten und Normen), was kaumdem aktuellen Nachdenken überKunst entspricht. Aus diesem Grundwar man eher skeptisch gegenübersolchen Versuchen einer Kulturpoli-tikbegründung.

Auch historisch findet man eherGründe, skeptisch gegenüber demKulturstaatsziel zu sein. Denn es hatdieselben rechtskonservativen Hin-tergründe wie das Konzept der Da-seinsvorsorge: Der Staat als das Sitt-lich-Allgemeine sorgt dafür, dass ei-

ne einheitliche Normenbasis („Kul-tur“) – etwa über das Bildungssys-tem – in der Gesellschaft vorhandenist. Es ist der starke Staat, der einesittliche Vergemeinschaftung überKultur von oben betreibt. Dieser An-satz war übrigens auch in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts Basis ei-nes (schnell gescheiterten) Ver-suchs, eine entsprechende „Kultur-pädagogik“ als Sittenschulung derLehrerinnen und Lehrer verbindlichzu etablieren –, ein Intermezzo, andem bis heute das Arbeitsfeld „Kul-turpädagogik“ im akademischenDiskurs zu leiden hat.

Für die Kulturpolitik wird es da-her unvermeidbar sein, ihre eigeneRelevanz durch ihre spezifischenLeistungen für den Einzelnen unddie Gesellschaft nachzuweisen. Da-zu wird man sich zu gesellschaftli-chen (sozialen, ökonomischen, poli-tischen) Entwicklungen in Bezie-hung setzen müssen, dazu wird manmehr als bisher darüber nachden-ken müssen, welches Kulturangebotfür welche Gruppe welche Bedeu-tung haben kann, welche Vorstellun-gen von „Staat“ und seiner unter-stützenden Rolle man hat. Insbe-sondere sind Spannungen oder garWidersprüche zur Kenntnis zu neh-men, wenn man allzu schnell Legiti-mationsformeln wie „Kultur alsWirtschaftsfaktor“ oder „Daseins-

vorsorge“, und dies im Rahmen ei-nes „Kulturstaates“, verwendet. Ge-fragt ist also eine demokratisch-theoretische Legitimation, bei dereine öffentliche Kulturförderung ge-tragen wird von der Überzeugungder Menschen in den Wert der Küns-te und der Kultur. Damit dies abergeschehen kann, müssen alle Ver-einnahmungen des Kulturellendurch die Ökonomie vermiedenwerden. Daher sind überzeugendeAnworten auf die Fragen des „Grün-buchs“ notwendig.

Der Verfasser ist Vorsitzender desDeutschen Kulturrates ■

Literaturhinweisezur Daseinsvorsorge:

Cox, H. (Hg.): Daseinsvorsorge und öffentliche

Dienstleistungen in der Europäischen Union.

Zum Widerstreit zwischen freiem Wettbewerb

und Allgemeininteresse. Baden-Baden: Nomos

2000.

Gröttrup, H.: Die kommunale Leistungsverwal-

tung. Stuttgart: Kohlhammer 1976.

Harms, J./Reichard, Chr. (Hg.): Die Ökonomi-

sierung des öffentlichen Sektors: Instrumente

und Trends. Baden-Baden: Nomos 2003.

Hösch, U.: Die kommunale Wirtschaftstätigkeit.

Tübingen: Mohr 2000.

Schwarze, J. (Hg.): Daseinsvorsorge im Lichte

des Wettbewerbsrechts. Baden-Baden: Nomos

2001.

Zu Ernst Forsthoff:

Forsthoff, E.(Hg.): Rechtsstaatlichkeit und Sozi-

alstaatlichkeit. Darmstadt: WBG 1968.

Forsthoff, E.: Der Staat der Industriegesell-

schaft. München: Beck 1971.

Scheidemann, D.: Der Begriff Daseinsvorsorge.

Göttingen 1991.

Zur Kulturstaatsklausel:

Geis, M.-E.: Kulturstaat und kulturelle Freiheit.

Baden-Baden: Nomos 1990.

Steiner, U./Grimm, D.: Kulturauftrag im Staatli-

chen Gemeinwesen. VVDSfRL 42. Berlin/New

York: de Gruyter 1984.

Zur Begründung von Kulturpolitik:

Fuchs, M.: Kulturpolitik als gesellschaftliche

Aufgabe. Eine Einführung in Theorie, Geschich-

te, Praxis. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher

Verlag 1998.

Göschel, A.: Die Ungleichzeitigkeit in der Kultur.

Wandel des Kulturbegriffs in vier Generationen,

Stuttgart usw.: Kohlhammer 1991.

Göschel, A.: Gemeinsinn, Kunst und Pluralität.

In: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftli-

chen Forschung 37/1996.

Zur EU und ihrer Geschichte:

Brunn, G.: Die Europäische Einigung. Stuttgart:

Reclam 2002.

Das „Grünbuch“ und die „Mitteilung“ gibt es

auf der Homepage der EU.

Kulturförderung in Berlin im BegründungsnotstandDie Kultureinrichtungen sind gefordert: Konsistente Konzepte müssen her • Von Olaf Zimmermann

Das Land Nordrhein-Westfalen mach-te den Auftakt. In einem Hinter-grundgespräch kündigte Kulturmi-nister Vesper Anfang Oktober diesesJahres an, zunächst alle Projektför-derungen im Kulturbereich auf nullzu stellen, um dann anschließendeinzelne Fördermaßnahmen erneutzu begründen. Den Aufschrei in derKulturszene versucht er mit dem Hin-weis zu beruhigen, dass das „Auf-Null-Stellen“ lediglich ein Fachbe-griff aus dem Haushaltsrecht sei undselbstverständlich am Ende von Ein-zelverhandlungen weiterhin Kultur-einrichtungen und -initiativen geför-dert werden, sofern diese Förderungausreichend begründet werdenkann.

Damit war der Ton angestimmt,der nun die Diskussion um die

Kulturförderung in den Ländern be-gleitet. In Berlin klingt das öffentli-che Streichkonzert besondersschrill: Der Haushalt ist schlicht ver-fassungswidrig. Ein Umstand, derdem als Sparkommissar berühmt-berüchtigten Finanzsenator ganz zupass kommen mag. Nur noch denPflichtaufgaben wird nachgekom-men, alle freiwilligen Leistungenwerden auf das Mindestmaß herun-tergefahren.

Erstaunlicherweise ist der Kul-turbereich auf die jetzigen und dienoch anstehenden Einsparungenerschreckend schlecht vorbereitet.Zu lange scheint man sich auf diePosition zurückgezogen zu haben,dass es einen allgemeinen Konsenszur Kulturförderung gibt.

In den vergangenen fünf Jahrenwurde zwischen dem Bund und denLändern mehr darüber gestritten,ob der Bund überhaupt im Kultur-bereich fördern darf, als dass sichGedanken darüber gemacht wur-den, die Kulturförderung des Bun-des, der Länder und Kommunen alssolche fundiert zu begründen.

Betrachtet man die verfassungs-rechtlichen Grundlagen zur Kultur-förderung so ist das Eis in einigenLändern relativ dünn, dieses gilt inbesonderem Maß für Berlin. In Arti-kel 20 § 2 der Berliner Verfassung istzwar nachzulesen: „Das Landschützt und fördert das kulturelle

Leben“, doch wird eine Verpflich-tung, den Zugang zu Kultureinrich-tungen zu ermöglichen und deshalbein Mindestmaß an kultureller Infra-struktur zur Verfügung zu halten,

nicht eingegangen. Demgegenüberwird in der Verfassung ein deutlicherAkzent auf den Zugang zu Bildungoder Sport gelegt. So steht in Artikel20 § 1: „Jeder Mensch hat das Rechtauf Bildung. Das Land ermöglichtund fördert nach Maßgabe der Ge-setze den Zugang eines jeden Men-schen zu den öffentlichen Bildungs-einrichtungen (...)“ oder in Artikel32: „Sport ist ein förderungswürdi-ger und schützenswerter Teil des Le-bens. Die Teilnahme am Sport ist al-len Bevölkerungsgruppen zu er-möglichen.“ Ganz anders lauten die

verfassungsrechtlichen Vorgaben fürdie Kulturförderung im FreistaatBayern. Dort wird in Artikel 140 derVerfassung festgelegt: „Kunst undWissenschaft sind von Staat und Ge-

meinde zu fördern. Das kulturelleLeben und der Sport sind von Staatund Gemeinden zu fördern“.

In Berlin wird es also schwierigwerden, aus den verfassungsrechtli-chen Vorgaben zum Schutz des kul-turellen Lebens eine Pflicht zur Kul-turförderung abzuleiten. Einfacherwird es sein, den deutsch-deutschenEinigungsvertrag heranzuziehen,der besagt, dass die kulturelle Sub-stanz im Beitrittsgebiet, also denneuen Ländern und Ost-Berlin, kei-nen Schaden nehmen darf. Es istnicht von der Hand zu weisen, dass

das Land Berlin in der Kulturförde-rung besonders schwere Aufgabenzu schultern hat. Beide Teile derStadt, Ost- wie Westberlin, waren fürdie jeweiligen Teilstaaten das Aus-

hängeschild im Kulturbereich. DerKulturbereich wurde auf einem ver-gleichsweise hohen Niveau geför-dert. Durch den Aufbau von Doppel-strukturen über 40 Jahre, das ErbePreußens, die Hauptstadtfunktionseit Anfang der 90er-Jahre, eine rela-tiv geringe Wirtschaftskraft und diespezifische Situation eines Stadt-staates steht Berlin vor einer Gemen-gelage in der Kulturförderung, die ei-nem gordischen Knoten gleicht, derbis heute noch nicht durchschlagenwerden konnte. So ist auch die kürz-lich zusätzlich zugesagte Übernah-

me der Finanzierung der Akademieder Künste und der Betriebskostenfür den Hamburger Bahnhof durchden Bund im Tausch zur Errichtungder Opernstiftung mit einer Morgen-gabe von drei Millionen Euro nur derberühmte Tropfen auf den heißenStein.

Es wird vielmehr erforderlichsein, inhaltliche und gesetzliche Be-gründungen zur Förderung der Kul-tur nicht nur für Berlin zu liefern.Der verfassungsrechtlich garantierteallgemeine Zugang zu Bildungkönnte eine solche Begründungsein. Kultureinrichtungen sind nichtl‘art pour l‘art. Kultureinrichtungennehmen auch einen Bildungsauftragwahr. Manche erfüllen diesen in ge-radezu exemplarischer Weise ohneBerührungsängste gegenüber demPublikum, andere werden an dieserStelle noch nachlegen müssen. Dadie kulturelle Bildung von Kindernund Jugendlichen zusätzlich bun-desgesetzlich durch das Kinder- undJugendhilfegesetz geregelt ist, bietetsich hier ein Begründungsstrang an,der von den betreffenden Kulturein-richtungen aber inhaltlich fundiertgefüllt werden muss. Es wird nichthelfen, aus der Not einige Angebotefür Kinder und Jugendliche ins Le-ben zu rufen. Es muss dahinter einkonsistentes Konzept stehen.

Genau dieses, eine inhaltlicheBestimmung nach dem Auftrag derKultureinrichtungen, eine daran an-knüpfende qualitative Beschreibungund letztlich eine Festlegung, obdiese Aufgabe durch die öffentlicheHand oder privat gefördert werdensollte, wird die Aufgabe der Zukunftsein. Kulturförderung muss neu be-gründet und gesetzlich fixiert wer-den. Das einzig Bedauerliche an die-sem Begründungsnotstand ist, dassdie Diskussion nicht nur in Berlinunter dem Fallbeil der knappen öf-fentlichen Kassen geführt werdenmuss.

Der Verfasser ist Geschäftsführerdes Deutscher Kulturrates und Mit-glied der Enquete-Kommission desDeutschen Bundestages „Kultur in

Deutschland“ ■

Besucher vor dem Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berlin: Auch bei schwächelnder Wirtschaft scheint die Nachfrage nach Kulturungebrochen Foto: young euro classics

Fortsetzung von Seite 3

English translation page 5

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ENGLISH SUPPLEMENT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 5

politik und kultur 01/04 Seite 5 HKS Grün schwarz

The hard-won compromise onembryonic stem cell research, asembodied in the 2002 German lawon stem cell research, only tem-porarily dampened interest inbioethical issues. Now, the surpri-sing step taken by German FederalMinster of Justice, Brigitte Zypries,of wanting to remove embryos fromthe safeguarding clause of humandignity has rekindled the core con-cern of the debate. If human dignitydoes not apply to embryos, the dooris opened to allow ‚consumingembryonic research‘. This will thenlogically lead to permitting cloningfor research purposes and pre-implantation genetic diagnosis –even if the Minister has not actuallydrawn these consequences herself.

But the issues around embryo-nic and stem cell research are notonly back at the top of the agendafor current debate in Germany.They are similarly considered pres-sing concerns in the USA and theEuropean Union – and theEuropean Parliament‘s resolutionon 19 November 2003 shows howfar some are prepared to go. Itrequired considerable efforts in theEU Council of Ministers negotiati-ons on 26 November 2003 to pre-vent a development that would

have been incompatible withGerman law. And, in its own way,the United Nations recent failure toreach agreement on an internatio-nal convention to forbid cloninghighlights how it has, as yet, provenimpossible to bridge the funda-mental ethical differences existingon the international level.

This all goes to show that, in thebioethical debate, greater attentionneeds to be given to the culturaldimension in the national undinternational context. First andforemost, this consists of the rea-diness among all sides to engage ina critical debate with their ownunderstanding of what a humanbeing is. In this dispute, theProtestant Church in Germany(EKD), for its part, has always takena clear and unequivocal stand,advocating an understanding ofhuman beings where human digni-ty is not simply a quality that peoplehave, a result of their genetic make-up or their own agency. A humanbeing does not ascribe human dig-nity to himself, nor is it simply ack-nowledged by others; it derivesneither from being initially ascribedby state instances, nor is it rooted inhow we read culture.

Instead, the dignity of the

human being is due to God creatingus in His own image. A humanbeing‘s dignity comes from Godallowing him to participate in Hisown justice. A person is more thanhe or she makes of him or herself.Even if we entirely decipher everylast detail in the human geneticcode, we will still not have graspedthe person as a human being. Hecan neither be equated with hisdeeds nor his misdeeds. The invio-lability of a human being‘s dignityrests solely on God‘s mercy.

Human dignity imposes a dutynot to instrumentalise human lifeas a whole, never utilising thehuman being solely as a meansdirected to an end foreign to him-self. Hence, whoever respects thenon-utilisable nature of human dig-nity will therefore also treat withcare and respect those stages ofhuman life where human beings aspeople do not yet enjoy the possibi-lity of determining their own use oftheir freedom, or can no longerenjoy it, or only to a limited degree -and this applies just as much in thevarious stages of prenatal life as incases of disability, illness and age.

However, our cultural and reli-gious tradition is not directed solelyto that view derived from human

dignity where people are seen asself-determined and an end inthemselves; it equally values res-pect for the other and altruism. Itwould be a fundamental break inour cultural heritage to only ackno-wledge and respect one of these twopoles, represented by Athens andJerusalem, the Greco-Roman classi-cal world and Judaic-Christian reli-gion. Both should also find theirplace in making contemporarydecisions, and indeed especially insuch instances.

The commandment to love ourneighbour is directed towards hel-ping others in need, and this alsomeans curing illnesses and relie-ving suffering. Stem cell research,particularly, is intimately linkedwith considerable hopes of findinga cure for illnesses, with a key impe-tus in research powered by the pro-spect of developing new therapies.From the Christian perspective, thisaim is, in ethical terms, as legitima-te as it is desirable.

But even striving for an impo-sing goal does not justify usingevery means to reach it, and promi-ses of therapeutic applications donot justify every kind of research.Where interest in human embryo-nic stem cell research is so great

that one is prepared to accept theneed to kill human embryos tocollect stem cells, human life isbeing instumentalised in a waybeyond any ethical justification.The human embryo‘s dignity andright to live, its due from the verystart, even if created outside thewomb, are subsumed under parti-cular research interests and judgedto be of lesser worth.

In the current bioethical debate,it is crucial to resist those trendsleading towards a relativising ofhuman dignity and the right to life –especially in the period where lifebegins and ends. We need to bear inmind that, when we consider ourunderstanding of what it is to behuman, there is a lot at stake – inthe final analysis, our own culturalheritage.

The author is the Chairman of the Protestant Church in

German (EKD) and Bishop of Berlin-Brandenburg ■

The reflections referred to above ha-ve been triggered by a recent event- the consultation process initiatedby the European Commission‘sGreen Paper on Services of GeneralInterest from 21.05.2003. All asso-ciations and institutions that feelthemselves addressed by these con-cerns are invited to present theirown views and suggestions, toge-ther with any information they con-sider pertinent. The German Cultu-ral Council too, as a part of civil so-ciety, set out its initial reaction in afirst Position Paper on 25.09.03 en-titled “Safeguarding cultural diversi-ty has to be a primary planninggoal!” and sent this to the Commis-sion.

Now answers are being sought tothe 30 concrete questions rai-

sed by the Green Paper. These issu-es range from how to define the pre-viously imprecise term ‚services ofgeneral interest‘ to whether it is es-sential to have a general – and hen-ce also binding – framework directi-ve, and even include developmentpolicy concerns. Quite possibly afew years ago one might have hes-itated to reply to such questions,since they appear tangential to thecultural arena. Instead, they seemprimarily directed towards a totallydifferent goal, concerning areaswhere moves might well be initiatedto liberalise and deregulate mar-kets. In other words, they appear toapply to a context where, for exam-ple, terms such as domestic marketand competition rules would springto mind, and the core concerns fo-cus on water and energy, the postaland public transport services, andthe financial services provided bymunicipal savings banks. The keyquestion posed is how far the Euro-pean internal market should be im-plemented in these areas, with allthe consequences this implies – i.e.,including the loss of state aids (in-cluding, for example, not only pub-

licly-funded subsidies but also taxconcessions).

If the Green Paper had dealt withissues around health and social wel-fare provision, we might have feltourselves to be the specifically in-tended audience. Nonetheless, it

does explicitly mention publicbroadcasting very early on (Article8), leading us right to concerns atthe heart of media policy, and henceto those areas concerning the Ger-man Cultural Council‘s work. Fur-thermore, the term ‚public interest‘keeps cropping up – and at thatpoint, at the latest, we do feel direc-tly addressed. While reluctance totake a stance on these issues mighthave been possible previously, it haslong ceased to be a viable option.

In the meantime there are twodefining statements of what the Eu-ropean Commission understandsunder ‚services of general interest‘,given in the 1996 and 2000 ‚Com-munications on the Provision ofServices of General Interest‘. And

when the term ‚services of generalinterest‘ enters debate – covering,quite as a matter of course, culturetoo, principally on the local level –there is no longer any doubt that weare called on to voice our views.Moreover, we have been, for sometime, closely involved in the GATSnegotiations running under WTO(World Trade Organsiation) auspi-ces, and this experience has left usquite used to hearing culture des-cribed as a ‚service‘ in the interna-

tional language of trade and com-petition rules.

This, in itself, may well be regar-ded as the cultural sector‘s first lostbattle: one has to negotiate culturalpolicy in future in the language ofeconomics and law, attempting so-

mehow to present one‘s own con-cerns in a specialist terminology de-rived from a different area. It repre-sents a battle lost precisely becauseone of the cultural sector‘s coretasks and functions consists inquestioning whether that compre-hensive jurisdiction claimed byeconomics over all issues affecting‚Dasein‘ (!) is indeed legitimate. Butfrom now on, the cultural sector isto be subsumed under this jurisdic-tion too. Perhaps this is the revenge

for that core trend in the 1990s, tra-ces of which can still be found to-day, of conceptualising ‚culture asan economic and locational factor‘,allegedly in an effort to generatemore convincing reasons for stateaid funding. In doing so, though,this approach neglected to evolveany ideas around the cultural sec-tor‘s genuine tasks and functions.

In the following I intend to pre-sent some reflections on the under-lying principles suggested by theGreen Paper‘s 30 questions – admit-tedly, more as an input than in de-tail – , which would then be availa-ble to monitor and further refineconcepts of cultural policy. To beginwith, the German version of theGreen Paper does not contain (anylonger) the controversial Germanterm for ‚services of general inte-rest‘ (Daseinsvorsorge), althoughthis still appears in both the Com-mission‘s Communications men-tioned above. The position taken bythe umbrella organisations for localbodies on the Green Book avoids‚Daseinsvorsorge‘ completely, whilewelfare organisations have madethe (more radical) suggestion ofusing ‚solidarity services in the pub-lic interest‘ instead. The latter termis, at least, extremely popular inacademic circles and in everydaywork on the local level. This is notsurprising since, at first glance, thenotion of ‚caring‘ (Sorge) and ‚provi-sion‘ (Vorsorge) for people‘s exis-tence (Da sein) correlates stronglywith a caring attitude in the bodypolitic, suggesting it is not indiffe-rent to the fate of the poorest in thatcommunity. The contextualisedmeaning appears to refer to ‚solida-rity‘ (as mutual help in times ofneed), located within the area of thewelfare state, or the welfare stateprinciple enshrined in the Germanconstitution, laying out a kind of

Human dignity and altruism as a cultural heritageDimensions of bioethical discussions • By Wolfgang Huber

Culture as a service of general interest?In response to the ongoing debate: Some reflections on underlying principles • By Max Fuchs

Continued on page 6

Arts as an economic factor: At the art cologne, an international audience shows a commercial interest in the exhibits of more than260 galleries in 2003 Foto: art cologne

Deutscher Text auf Seite 1

Page 6: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

politik und kultur 01/04 Seite 6 HKS Grün schwarz

Culture as a service ofgeneral interest?

‚basic provision‘ in those (public)goods essential for life - not only, forexample, water and energy, butequally medical and social welfareprovision.

This rhetoric is also employed inthe cultural sector: culture belongsto the (basic) provision of goods vi-tal for life, and consequently fallsunder that sphere of responsibilitycovered by Daseinsvorsorge. Here,we are dealing with a key line of re-asoning for a publicly-funded cul-tural policy, developed specificallyin the 1970s, and still propoundedin international debate today. It isworth taking a closer look at thisconcept, which initially appears at-tractive and useful.

The role of the stateThe term ‚Daseinsvorsorge‘ was in-troduced by Ernst Forsthoff, a spe-cialist on constitutional and publiclaw, who was a student of the wellknown / notorious Carl Schmitt.The latter, together with his stu-dent, Leo Strauss, has recently co-me into the public eye again as apossible leading light behind theneo-conservative and aggressive USpolicy on war and foreign affairs. Af-ter the ground had been prepared,Forsthoff published his book ‚DieVerwaltung als Leistungsträger‘(The administration as provider ofservices) in 1938 (!). There are someindications that his choice of termscould also have been influenced bysome of Heidegger‘s writings andstatements made by Karl Jaspers.However, it may quite simply havereflected the zeitgeist then, attunedto this kind of language. Nonethe-less, the content does reveal a relati-onship to National Socialism, in thenotion of the state‘s specific roleand especially in the state‘s admi-nistrative structures. The centralidea is introduced in the historicalcontext of the state‘s primary signi-ficance as found in the Germanidealist philosophy around the ear-ly nineteenth century (Hegel, Fich-te), while in real historical terms,the primary point of reference is in-dustrialisation between 1850-1900and its devastating social effects. Inother words, this is a criticism of ca-pitalism (and liberalism) from theright of the political spectrum. Asthe course of industrialisation ero-des social spaces for support, it isclaimed the state and, principallythe administration, have to react,whereby the state is forced to ex-tend its real task of maintaining se-curity and order (Polizey), and pro-vide services. To this extent, this tre-atment of the ‚social question‘ canreadily be located with trends in Ca-tholic social teachings, social de-mocracy, and Bismarck‘s own ap-proach, with the social state theore-tician Lorenz von Stein as an im-portant point of reference.

In his work, Forsthoff discusseshow basic rights shift into the back-ground, together with the politicalmanagement of the state itself, whi-le the administration comes to takeon a central role. Individual rightsof freedom become of secondaryimportance, making way for an em-phasis on the general and the com-munal. The (liberal-civic) constitu-tional state, where the core concernis the individual and rights safe-guarding them against state inter-vention, is drawn into a relationshipof tension with a social state wherecommunity is given centrality – atension that, even until today, in-fluences how the various state goals

in the Basic Law are determined. This tension is relevant for cul-

tural policy at those points where ithas to decide whether it is moreconstitutionally rooted in the con-stitutional or welfare state principle(or, indeed, in the ‚principle of acultural state‘, yet to be introducedinto the discussion). This leads tosystematic questions about the

conceptual basis underlying cultu-ral policy, asking how, in view of theindividual way of dealing with art,one intends to treat the term of Da-seinsvorsorge, laden as it is with aright-wing conservative legacy, lin-ked to a paternalistic image of thestate and the lesser significance ofthe individual and their basic rights.

In addition to seeing the indivi-dual-state relationship held in afield of tension, the society-state re-lationship is regarded in the sameway – a notion also derived fromHegel‘s philosophy of law. In view ofthe current debate over the Bürger-gesellschaft, civil society‘s role inhelping to provide political directi-on, and the range of new conceptson state control (good governance,new public management), it doesnot seem so easy to develop a con-temporary understanding for therole of the state, market and thirdsector in the face of the historical,state-centred semantic inherent inan initially attractive term taken asthe basis for discussion.

Even the less problematic EUterm of ‚services of general interest‘leads to such questions, since whenconsidering such services, very dif-ferent national traditions in Europeneed to be taken into account. Thespectrum ranges from centrally or-ganised state monopoly industriesin France to Germany‘s plural pro-vider structures, often locally an-chored, to Britain‘s liberal econo-mic structures.

Culture has its specific achievements for society

A further fundamental debateon principles related to the term ofDaseinsvorsorge concerns the issueof market scope. Legitimising pub-lic intervention in basic provisionis, after all, justified in part by ap-pealing to the failure of the market –

and hence stands opposed to main-stream neo-liberal ideas, which alsoinfuse the notion of an internalmarket and EU competition rules.Moreover, in its founding docu-ments (including the Amsterdamand Maastricht treaties), the EUacknowledges a ‚European model ofsociety‘ with an orientation towardpublic interest lying at its very heart(clearly indicated in, for example,the 1996 Communication on Ser-vices of General Interest). The de-clared goals of European integrati-on are not only economic growthbut equally ‚social and territorialcohesion‘. ‚Services in the GeneralInterest‘ are correspondingly givenconsiderable prominence because –justifiably – they are viewed as reali-sing a kind of ‚European principle ofa welfare state‘. It is for this reasonthat they are protected under a newarticle (Article 16) in the EU Treaty,even under a milder form of thecompetition rules that are otherwi-se regarded as immutable. If ‚cultu-re‘ is to belong to this category, ithas to meet the standards set by thecriteria defining European publicinterest:• Continuity and reliability,• Universal access und standards

for quality,• Affordability,• Protection for users and consu-

mers.It will be interesting to apply

these criteria – clearly reasonablywhen considering energy or waterservices – to the cultural sector.

The difficulties are comparableto realising the criteria contained inthe principle of a welfare state (e.g.,equitable distribution) in the cultu-ral sector. Against this background,it becomes clear why it has beensuggested to enshrine the new stategoal of ‚culture‘ in the constitution –a solution also enjoying significantsupport in the cultural sector. Yet nomatter how much this is favoured inthe cultural sphere, it only has mi-nority support among specialistsfor constitutional law. Here, too, it isworth taking a moment to considerthe problem.

Actually, the term of ‚culturalstate‘ ought to be just as suspect asthat of ‚cultural sovereignty‘. Theseterms both awaken unpleasantmemories of a state culture littlesuited to meeting the benchmarksof democracy. Nonetheless, bothterms are enjoying considerable po-pularity. Calls for the new state goalof ‚culture‘ have received supportfrom respected specialists in consti-tutional law, such as Peter Häberle.Others, however, view enshriningsuch a goal in the constitution as in-troducing no qualitative change atall, since the constitution alreadyembodies a call to cultural tasks,found in various Articles (for exam-ple, Article 5, and indeed Article 1 –human dignity), or in a liberal rea-ding of Article 20, supported by thepertinent judgements passed by theGerman Constitutional Court. No-netheless, those taking this view al-so mention its ‚appellative signifi-cance‘ (in Dieter Grimm‘s terms),regarding this as definitely positivein itself.

The 1983 annual conference ofthe Vereinigung der DeutschenStaatsrechtlehrer (German PublicLaw Teachers Association), wherespeeches were given by nearly allthe specialists concerned with thistopic, was a highlight in the criticaldebate on a ‚cultural state‘ clause.Reading the contributions to thediscussion, it quickly became clearthat supporters of such a clause hadin mind a normative constitutionalenrichment in the sense of an idea-listic understanding of culture: cul-ture as constructing the world, as-cribing meaning, and a foundationof values in order to integrate theindividual and create a common(national) identity. This was preci-sely the road taken at the start of thenineteenth century in Germanywhen national cultural identity washeld out as an ersatz for the lack ofpolitical integration. Yet here it isquite apparent that this– seemingsole justifiable - notion of culture isneither congruent with the currentcultural development in society, norin line with the notion of culture incontemporary cultural policy. Inthis sense, although the law lectu-rers were hardly in agreement onthe use of such a constitutionalamendment, they all seemed to ag-ree on rejecting this understandingof culture in cultural policy as un-suitable for constitutional purposes(too dynamic and influenced far toomuch by passing trends).

The 1990s saw repeated referen-ce (for example, Albrecht Göschel)to this attempt to add a normativeelement to the principle of a welfa-re and constitutional state, showingwhat implication this would havefor the concomitant understandingof art (art as a vehicle for values andnorms), which hardly fitted in withthe thoughts on art current at thetime. For this reason, such attemptsto establish a cultural policy tendedto meet with a degree of scepticism.

In historical terms too, thereseem to be more reasons for takinga sceptical view of culture as a stategoal, since it shares the same right-

wing conservative background asthe notion of Daseinsvorsorge: thestate as the moral universal ensu-ring that a unified normative basis(‚culture‘) is present in society – forexample, via the educational sys-tem. This is the model of the strongstate, imposing a moral communa-lisation of culture from above. Bythe way, even in the 1920s this ap-proach formed the basis of an at-tempt (that soon failed) to establisha corresponding ‚cultural educati-on‘ as compulsory moral trainingfor teachers – an intermezzo that,even today, has left a negative im-pact in academic discourse on thecultural education sector.

For these reasons, it will be ab-solutely essential for cultural policyto prove its own relevance by refe-rence to its specific achievementsfor individuals and society. In addi-tion, there will be a need to see on-eself in the context of societal (soci-al, economic, political) develop-ments, giving more thought to theissue of the significance a particularcultural offer might have for a spe-cific group, and what notion onehas of the ‚state‘ and its supportingrole. In particular, tensions or evencontradictions need to be acknow-ledged if one too quickly invokesformulas for legitimacy such as ‚cul-ture as an economic factor ‚ or ‚Da-seinsvorsorge‘, using them withinthe ‚cultural state‘ framework. Inother words, what is needed is a de-mocratic and theoretical legitimacywhere a publicly funded culturalsector would be supported by peo-ple‘s conviction in the value of artsand culture. But for this to happen,all attempts to absorb culture intothe economic sphere have to be re-sisted – and for this reason, convin-cing answers are needed to theGreen Paper‘s questions.

Suggested literature Daseinsvorsorge:

Cox, H. (Ed.): Daseinsvorsorge und öffentliche

Dienstleistungen in der Europäischen Union.

Zum Widerstreit zwischen freiem Wettbewerb

und Allgemeininteresse. Baden-Baden: Nomos

2000.

Gröttrup, H.: Die kommunale Leistungsverwal-

tung. Stuttgart: Kohlhammer 1976.

Harms, J./Reichard, Chr. (Ed.): Die Ökonomisie-

rung des öffentlichen Sektors: Instrumente und

Trends. Baden-Baden: Nomos 2003.

Hösch, U.: Die kommunale Wirtschaftstätigkeit.

Tübingen: Mohr 2000.

Schwarze, J. (Ed.): Daseinsvorsorge im Lichte

des Wettbewerbsrechts. Baden-Baden: Nomos

2001.

Ernst Forsthoff:

Forsthoff, E.(Hg.): Rechtsstaatlichkeit und Sozi-

alstaatlichkeit. Darmstadt: WBG 1968

Forsthoff, E.: Der Staat der Industriegesell-

schaft. München: Beck 1971.

Scheidemann, D.: Der Begriff Daseinsvorsorge.

Göttingen 1991.

The cultural state clause:

Geis, M.-E.: Kulturstaat und kulturelle Freiheit.

Baden-Baden: Nomos 1990.

Steiner, U./Grimm, D.: Kulturauftrag im Staatli-

chen Gemeinwesen. VVDSfRL 42. Berlin - New

York: de Gruyter 1984.

Establishing a cultural policy:

Fuchs, M.: Kulturpolitik als gesellschaftliche

Aufgabe. Eine Einführung in Theorie, Geschich-

te, Praxis. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher

Verlag 1998.

Göschel, A.: Die Ungleichzeitigkeit in der Kultur.

Wandel des Kulturbegriffs in vier Generationen,

Stuttgart usw.: Kohlhammer 1991.

Göschel, A.: Gemeinsinn, Kunst und Pluralität.

In: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftli-

chen Forschung 37/1996.

The EU and its history:

Brunn, G.: Die Europäische Einigung. Stuttgart:

Reclam 2002.

The Green Paper and the Communications are

available on the EU website.

ENGLISH SUPPLEMENT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 6

Deutscher Text auf Seite 3

Art as an economic factor: The newly restaurated „Jahrhunderthalle“ in Bochum became the main concert hall for the Festival RuhrTriennale in Nordrhein-West-falen/Germany. The festival budget is about 41 Mill. Euro Photo: RuhrTriennale

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politik und kultur 01/04 Seite 7 HKS Grün schwarz

Since 1998, cultural diversity hasbeen one main theme in worldwidedebate, with Canada initially callingfor a Convention on Cultural Diversi-ty. In 2001, Canada, in cooperationwith France, presented a feasibilitystudy on an international legal in-strument for cultural diversity. InMarch 2003, the European Parlia-ment (EP) passed a resolution onGATS and cultural diversity1 that re-jected any mention of this interna-tional instrument. Two months later,at the Culture Ministers meeting inMay 2003 in Thessaloniki, the ideaof an international instrument wasofficially introduced into the EU de-bate on cultural diversity. The Euro-pean Commission‘s Communicationon creating an international instru-ment2 for cultural diversity appearedin August 2003, whereby the EP willfirst comment in a motion for resolu-tion within the framework of my re-port on „Safeguarding and Promo-ting Cultural Diversity“.

Safeguarding and promoting cul-tural diversity is a basic demand

made by the European Parliament‘sCommittee on Culture and Educati-on, and is foreseen through increas-ed European Union involvement in

regional and international fora, forexample, the European Council andUNESCO, which have special re-sponsibility and experience in thisarea. For this reason, not only theEP but also international bodies ha-ve welcomed the unanimous agree-ment at the UNESCO General Con-ference held on 17 October 2003 onpreparing an international standardsetting instrument for cultural di-versity. 190 states have agreed that,by 2005, a normative instrument tosafeguard cultural diversity is to bedeveloped under the auspices ofUNESCO.

The EP demands include the ge-neral goal of global awareness ofand consensus on the worldwideneed for protection and promotionof cultural content and artistic ex-pression, unequivocally bringingwith it the duty and responsibility ofimplementation. There is hence aneed to exchange information onrelevant legislation and measurestaken by Member States in the cul-tural and policy arenas, wherebyexamples of best practices are thento be presented regularly. Transpa-rency is one of the basic pillars onwhich the Convention on CulturalDiversity rests, together with free-

dom of information, freedom ofopinion, protection of intellectualproperty, observance of basic rightsand cultural rights.

My experience as a member ofthe government in Burgenland,where I was responsible for culturalaffairs in a region containing fourethnic groups, convinces me that itis absolutely vital for each countryand each region to define and im-plement their own cultural policy,and, where necessary, adapt it. Thisis the only way to guarantee the re-spect for and promotion of culturaldiversity.

It is not desirable to have a pro-tectionist national cultural policy,closed in itself. A constructive na-tional cultural policy must mean,firstly, reservations continue to beallowed in the liberalising of cultu-ral services and cultural goods, se-condly, the production and distri-bution of cultural services and cul-tural goods is encouraged, andthirdly and essentially, internatio-nal intergovernmental cooperationis promoted.

In the context of the WTO agree-ment and the undertakings to libe-ralise that have already been made,the EP is calling for a constant em-

phasis to be placed on the specialcharacter and status of culture inthe negotiations on a Convention.Furthermore, the Convention is tobe designed to assist Member Statesin refraining from entering into anyobligations in other internationalfora that would involve underta-kings contrary to safeguarding andpromoting cultural diversity. Speci-fically against the background ofthe setback in negotiations in Can-cun, it is necessary to indicate theConvention‘s binding nature inview of any possible future bilateraltrade agreements that might under-mine multilateral conventions.

In order to ensure that all coun-tries enjoy free access to culture, theGeneral Conference is to establishprogrammes providing preciselythis as a basis and enabling the de-velopment of a cultural policy to al-low countries – and particularly de-veloping countries – to produce anddistribute their own cultural goodsand services. It is only after this hasbeen realised that one can talk ofthe Convention on Cultural Diversi-ty‘s value-added.

It will be necessary to join forcesas a single front for the purposes ofthe negotiations. The European

Commission, with European Parlia-ment participation, is to ensure,with a precisely formulated manda-te, that the demands in the EP reso-lution on „Safeguarding and Pro-moting Cultural Diversity „ are ta-bled and hopefully find the widestsupport possible. In this way, 2005could turn out to be a good yearboth for the UNESCO and for cultu-ral diversity.

The Author is Member of the Euro-pean Parliament and Party of Eu-

ropean Socialists Speaker on Cultural Affairs ■

1 European Parliament resolutionon the General Agreement onTrade in Services (GATS) withinthe WTO, including cultural di-versity, March 2003, not yet pub-lished in the Official Journal.

2 COM (2003) 520 from 27.8.2003

Convention on preserving cultural diversity Cultural diversity, manifold responsibility • By Christa Prets

The UNESCO convention on cultural diversityGermanys part in drafting the convention text • By Wilfried Grolig

ENGLISH SUPPLEMENT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 7

Deutsche Übersetzung aufSeite 8

In September 2000, delegates froma variety of cultural organizationsfrom 21 countries met in Santorini,Greece at a conference on “The Ar-tist, Culture and Globalization.”They discussed challenges to cultu-ral diversity in a globalized world,agreed to work together under thebanner of the International Networkfor Cultural Diversity (INCD) andconcluded that “market forces alo-ne cannot ensure cultural diversityat the national and international le-vels.” They called on governmentsto refrain from making agreementsthat would affect their ability to im-plement policies favouring culturaldiversity and they supported “thecreation of a new international ag-reement which will give a perma-nent legal foundation” to such poli-cies.

The concept of developing a le-gally binding Convention on

Cultural Diversity to prevent the useof trade agreements to challengecultural policies emerged in Canadain 1996. In response to a decision ofa WTO trade panel that overturnedall measures Canada had used todevelop its domestic magazine in-dustry in the face of unfair competi-

tion from U.S. imports, Canadiancultural activists began to considerstrategies that would go beyond theso-called l‘exception culturelle andpermit states to support their ownartists and producers with measu-res that others would consider “bar-riers” to free trade. The INCD‘sfounding conference in Santorinirevealed that this new Conventionconcept was embraced warmly bycivil society cultural organizationsfrom around the globe. But, it isone thing to get NGOs on side andquite another to convince govern-ments of the need to move in thisdirection.

Now, fast forward to Fall 2003and three key events in the shorthistory of the Convention. In Sep-tember, the world‘s trade ministersassembled in Cancún, Mexico tocontinue the comprehensive tradetalks launched in Doha, Qatar. Anumber of proposals on the tablethreatened serious negative conse-quences for cultural policies. Ef-forts to expand the scope of the Ge-neral Agreement on Trade in Ser-vices to cover audiovisual and othercultural services are a direct chal-lenge. The proposal to launch ne-gotiations on investment measures

and competition policies raisedalarm bells in the cultural sector,since both are used in cultural poli-cies. With a deadline for the WTOtalks of January 2005, the prospectthat a new cultural conventioncould be achieved in time seemedbleak. But, the developing world fi-nally stood up to the aggressiveagenda of the rich industrializedcountries and refused to agree tothe proposed Ministerial State-ment, effectively bringing the talksto a halt for the moment.

While the cultural diversity issu-es were not at the heart of theevents either inside the WTO mee-ting rooms or on the streets of Can-cún, the German Culture Councilpartnered with the INCD and sever-al others to convene several activi-ties. A press conference, public fo-rum and high level event for delega-tes brought forward the concerns ofthe culture sector.

Next up was the UNESCO mee-ting in Paris. On October 14, theGeneral Conference voted in favourof accepting the task of elaboratingan instrument on cultural diversity.This followed a push from the net-work of culture ministers (INCP),which urged this agenda on the UN

agency. The vote was not withoutdrama – a last minute draft resoluti-on from the U.S. threatened to wea-ken and delay any possible treaty.

As this drama unfolded in Paris,the fourth annual INCD conferencewas taking place in Opatija, Croatia.This Conference brought togethermore than 100 delegates from 37countries. While the conferenceexamined other aspects of globali-zation and decided the INCDshould be involved in issues of me-dia diversity, the delegates also dis-cussed developments on the Con-vention. In their call to UNESCO,they highlighted the next stage inthe battle, which is to ensure thatthe treaty developed by UNESCOachieves the basic objectives.

INCD delegates sent the follo-wing warning about the proposedU.S. resolution,

“By mandating that, ‚UNESCOactivity in this area should be com-pletely compatible with the presentinternational legal order‘, the reso-lution seeks to provide that the newConvention would forever be sub-ordinate to multilateral trade trea-ties. The INCD notes that provisi-ons in trade treaties have been usedin a manner that challenges the

right of sovereign states to imple-ment cultural policy and certainstates are proposing to expand suchprovisions in the context of ongoingnegotiations.”

While the concept of a Conven-tion on Cultural Diversity has burstonto the international agenda andthe failure of the WTO talks in Can-cún provides time to negotiate it be-fore trade agreements do furtherdamage to cultural policies, theworld‘s cultural sector needs to mo-bilize for the UNESCO process toensure that the Convention termswill meet our objectives.

The author is Coordinator of theInternational Network for

Cultural Diversity ■

Information about the INCD andthe Opatija meeting, the Cancún

Declaration, analyses of culture andtrade issues, more information

about the proposed Convention, in-cluding the INCD‘s draft, can all be

found at www.incd.net.

Cultural diversity and trade agreementsRecent Developments in Cancún, Paris and Opatija • By Garry Neil

On 17 October 2003 the 190 mem-ber states of UNESCO agreed toinvite Koichiro Matsuura, theOrganization’s Japanese Director-General, to submit within two yearsa draft convention „on the protec-tion of the diversity of cultural con-tents and artistic expressions“.Germany supports this step andintends to take an active part indrafting the convention text. WithHans-Heinrich Wrede, our UNESCOAmbassador, now elected to chair

the Executive Board, Germany willclearly have an influential voice infurther developments in this area.

Following this decision by theGeneral Conference of UNES-

CO, the next step is the difficult taskof defining the terms of referencefor the proposed undertaking. Theaim is clearly the preservation ofcultural diversity, on whose funda-mental value and importance thereexists broad consensus. Cultural

diversity is both a function and acondition of democratic pluralism,it offers people the choice of opti-ons - whether conceptual or opera-tional - that is essential if freedom isto have real meaning. Conse-quently, the main purpose of theproposed convention should be toconfirm the responsibility of thestate for cultural policy and hencethe legitimacy of the legislative,regulatory and financial instru-ments designed to give effect to that

policy.The plurality of our cultures is,

in UNESCO’s apt phrase, „the reser-voir needed for freedoms“.However keen we are to see thestate exercise its responsibility forcultural policy, this aspect mustalways be borne in mind. Culturalpluralism is, after all, part and par-cel of freedom, as freedom is defi-ned in today’s world. A UNESCOconvention that sets binding inter-national standards here could play

a key role in preserving that plura-lism. It is crucial to ensure, however,that the proposed convention can-not be used to justify any attemptby the state to control or interferewith the free circulation of ideasand cultural products or to introdu-ce unwarranted protectionist mea-sures. Also in politically sensitiveareas such as culture and education

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Deutscher Text auf Seite 10

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politik und kultur 01/04 Seite 8 HKS Grün schwarz

ENGLISH SUPPLEMENT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 8

Wird in der Zukunft nur noch auf elektronischenInstrumenten musiziert? Werden künftig im Theatervornehmlich Videoaufnahmen von Künstlerinnen und Künstlerzu sehen sein? Oder bleibt alles beim Alten? Und wie mußdie Ausbildung und die Weiterbildung in den Kulturberufenaussehen? Mit diesen Fragen befasst sich das Buch desDeutschen Kulturrates „Kulturelle Bildung in der Wissens-gesellschaft – Zukunft der Kulturberufe”. Ausgehend vonder Frage nach der Zukunft der Kulturberufe wird dieAusbildung in künstlerischen Berufen diskutiert.

Wird der Computer den Pinsel ersetzenWird der Computer den Pinsel ersetzen?

Weitere Buchempfehlungen

Max Fuchs: review of „Arts underPressure. Promoting Cultural Diver-sity in the Age of Globalization“ ByJoost Smiers“. (London/New York,Zed Books, 2003)

In discussions the response to theterm globalisation necessarily

turns out to be a differential one:Some have in mind global contacts,the reciprocal stimulation of imagi-nation and thought, the expansionof one’s own horizon. Others in thecultural sector rather fear that fromnow on only products from the USAmerican entertainment industry isgoing to put a stamp on our culturalexperience, and that we thereforehave to put up with the standardisa-tion and a worldwide equalisationof our taste on the poor level ofcommercial culture. The economicglobalisation is disputed, too: Ema-nating inter-regionally or even glo-bally, „social forums“ queue up tosharply articulate the anti-globali-sation activists’ fears about theworldwide implementation of amere market and profit orientation.On the other side stand those who,not only on economic grounds, aimat the then highest possible returnon values and ideas in the free mar-

ket-world. It is a relatively new phenome-

non that the economic globalisati-on, as it is being promoted by theWTO, should overlap with the cul-tural globalisation, namely by iden-tifying „culture“ (and education, theaudiovisual media, or social ser-vices) as „services“ in the terms ofthe WTO. Culture becomes a mereeconomic service which now is sup-posed to be subject to internationalcompetition laws. A consequenceamongst others could be that publicgrants are going to be declared ille-gal as being subsidies having dis-torting effects on the market. Noweven many neo-liberal hardlinersknow that culture is „a good of itsown kind“ (as it is described withinthe UNESCO context). But, so it issaid, culture will not be harmed bythe opening of the market, and any-way, the corresponding trade agree-ment (GATS) provides sufficient op-tions to avert the worst dangers.Until now one assertion („destructi-on of culture“) opposes another as-sertion („no imminent danger“).

In this situation the book by Ut-recht professor for political sciencesof art, Joost Smiers, is of utmost sig-nificance. For years Smiers has ga-

thered convincing amounts of sci-entific data and other facts on vari-ous national cultural markets thatshow, that and how an unguardedopening of (film, music, literatureor art) markets scales down culturalvariety just in a way that globalisati-on sceptics have suspected. Themarket may have many advantagesfor the allocation of ordinary goods:In the cultural sector it ultimatelyjeopardises cultural diversity. Ne-vertheless Smiers also describesexamples of positive developmentsñ e.g. when in the context of cultu-ral tourism traditional music is ap-preciated by an international publicand is therefore promoted. But dra-matic examples prevail, e.g. whennational film or book industries col-lapse after unilateral protective me-asures were suspended (Mexico orTurkey are two examples). Conside-ring cultural practice with its speci-al local effects implies that this formof internationalisation results in thedisappearance of something that issubstantial.

Smiers carefully analyses theconditions for production but alsofor the distribution of art, conditi-ons where offer is determined bydemand.

Not only the customers lose outin this business but the artists, too,on the one hand being over-direc-ted and on the other hand receivingonly a marginal proportion of theproceeds. Art is by all means a busi-ness, but the producers not neces-sarily profit from it – this is also oneof Smiers’ proven conclusions.

Here he pursues a dedicated ar-gument that could also unleashquite a lot of emotion in the Ger-man Cultural Council’s context: Thecopyright is to be blamed for the tri-vial and therefore inequitable shareof the proceeds in the art market.The copy right rather favours the„investors“ (p. 73) than protectingthe producers. Furthermore, thisantagonism becomes more aggres-sive when comparing culturalproductions and their market po-tentials between wealthy and poorcountries. Therefore Smiersí publi-cation contains both: A good ratio-nale in the case of world trade, butalso some explosive in the face ofexisting stalwart clashes of interestwithin national cultural scenes. Dueto its composition the German Cul-tural Council is well aware of thelatter although the fundamental de-bate on „intellectual property“ in-

stigated by Smiers has not been ledthat explicitly in Germany so far.

In addition Smiers depicts whatacademic research on cultural poli-cies can achieve in practice ñ not abad perspective for Germany either.Perhaps a discussion on the men-tioned delicate topics would also dous some good – even if right now allenergies are needed to avert cultu-ral destruction by the unabated ra-tionalisation by international tradeorganisations. Here too, JoostSmiers vigorously involves himselfas an INCD (International Networkfor Cultural Diversity) activist – oneof the partners supporting ourCancún declaration.

This book is strongly recom-mended to everyone who is lookingfor further arguments in the disputeabout GATS. Market-sceptics will beencouraged in their opinion. Andmarket-euphorics might become abit more considerate.

- areas which in a democracy, webelieve, cannot be left entirely tothe free play of market forces - thereis much to be gained from increa-sed competition and the use ofmodern, market-tested measures ofperformance and efficiency. Intimes such as the present, whenresources - certainly in the publicdomain - are scarce, it is clearlyessential to obtain better value formoney as well as a better matchbetween supply and demand.

There is a direct link betweenthe current efforts to develop a

legally binding international instru-ment for the protection of culturaldiversity and the 1994 GeneralAgreement on Trade in Services(GATS), which is the basis of thenegotiations now in progress underWTO auspices on further steps toliberalize trade also in cultural ser-vices. The general aim of GATS is toreduce or eliminate national regula-tions that impede cross-bordercompetition and free trade in theservice sectors to which it applies.Advocates of a UNESCO conventionon cultural diversity argue, howe-ver, that while in purely economicterms liberalization may mean abetter ratio of costs to benefits, in

the cultural domain this is true onlyup to a point: here the quest for effi-ciency and economies of scale mayresult in stifling creativity.

At the present time no one canpredict with any certainty whatimpact the GATS negotiations willhave on Germany’s educational andcultural landscape or on culturaldiversity in tomorrow’s world. Giventhe in-built flexibility of GATS, theEU Commission’s current strategy inthe negotiations and the fact thatany liberalization moves must comefrom the individual states themsel-ves, most observers believe that, asmatters stand now, the impact willbe minimal. The issue is basically a

political one, however, which cannotbe answered by reference to techni-cal details of GATS. What nationalpolicies we pursue in the field ofeducation and culture is not a matterwe should decide on the basis of anytrade agreement. The resolutionadopted by the 32nd GeneralConference of the Organizationreflects the member states’ view thatUNESCO is the right forum for thedevelopment of international normsin the area of cultural policy.

The main focus of the futuredebate will be on finding the bestbalance between, on the one hand,protecting and preserving culturaldiversity and the structures that

sustain it and, on the other, reali-zing the GATS objectives of facilita-ting and promoting participation incultural exchange. In essence, cul-tural diversity means ensuring grea-ter choice for as many people aspossible. That is the principle thatwill guide our work on the plannedconvention over the months tocome.

The author is Director-General forCulture and Education, Federal

Foreign Office ■

„Arts under pressure“Review of the new publication of Joost Smiers • By Max Fuchs

Continued from page 7

Deutscher Text auf Seite 10

Deutscher Text auf Seite 23

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KULTURELLE VIELFALT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 10

Konvention zum Schutz der kulturellen VielfaltKulturelle Vielfalt, vielfältige Verantwortung • Von Christa Prets

Kulturelle Vielfalt ist seit 1998 einesder Hauptthemen der weltweiten De-batte. Die Initiative für eine Konven-tion zur kulturellen Vielfalt ging vonKanada aus. In Kooperation mitFrankreich legte Kanada 2001 eineMachbarkeitsstudie für ein interna-tionales Rechtsinstrument für kultu-relle Vielfalt vor. Das EuropäischeParlament (EP) verabschiedete imMärz 2003 eine Resolution zu GATSund kultureller Vielfalt,1 in der die Er-wähnung des internationalen Instru-ments abgelehnt wurde. Zwei Mona-te später, beim Kulturministertreffenim Mai 2003 in Thessaloniki, wurdedie Idee eines internationalen Instru-ments offiziell in die EU-Debatte zurkulturellen Vielfalt eingeführt. DieMitteilung der Europäischen Kom-mission zur Schaffung eines interna-tionalen Instruments2 für die kultu-relle Vielfalt erschien im August2003, worauf das EP erstmals ihmRahmen meines Berichts zur „Wah-rung und Förderung der KulturellenVielfalt“ in einem Entschließungsan-trag dazu Stellung nehmen wird.

Eine Grundforderung des Aus-schusses für Kultur und Bildung

im EP ist die Gewährleistung undFörderung der kulturellen Vielfalt,nämlich durch eine stärkere Beteili-gung der Europäischen Union an re-gionalen und internationalen Forenwie dem Europarat und der UN-ESCO, die eine besondere Verant-wortung und Erfahrung in diesemBereich besitzen. Die einstimmigeEntscheidung zur Ausarbeitung ei-nes internationalen Standard-Set-ting-Instruments für kulturelle Viel-falt der UNESCO-Generalkonferenzvom 17. Oktober 2003 wurde des-halb sowohl im EP als auch in deninternationalen Gremien mit Freudeaufgenommen. 190 Staaten habensich geeinigt, dass ein normativesInstrument zum Schutz der kultu-

rellen Vielfalt im Rahmen der UN-ESCO bis 2005 erarbeitet werdensoll.

Das EP fordert unter anderem alsallgemeines Ziel ein globales Be-wusstsein für und einen Konsensüber den notwendigen weltweitenSchutz und die Förderung von kul-turellen Inhalten und künstleri-schem Ausdruck. Damit gehen un-missverständlich Verantwortungund Verpflichtung zur Umsetzungeinher. Informationen über relevan-te Gesetze und kulturpolitischeMaßnahmen der Mitgliedsländermüssen ausgetauscht werden, wo-bei „Best-practice-Beispiele“ regel-mäßig vorgestellt werden sollen.Transparenz zählt neben der Infor-mationsfreiheit, der Freiheit derMeinungsäußerung, dem Schutzdes intellektuellen Eigentums, derWahrung der Grundrechte und kul-turellen Rechte zu den Grundpfei-lern der Konvention zur kulturellenVielfalt.

Auf Grund meiner Erfahrungenals Regierungsmitglied für Kultur imBurgenland, in einer Region, in dervier Volksgruppen leben, ist es mei-ner Ansicht nach unablässig, dassjedes Land und jede Region eine ei-gene Kulturpolitik definiert, umsetztund gegebenenfalls anpassen kann.Nur so sind der Respekt und die För-derung von kultureller Vielfalt zu ga-rantieren.

Eine in sich verschlossene, pro-tektionistische nationale Kulturpoli-tik ist nicht wünschenswert. Kon-struktive nationale Kulturpolitikmuss heißen, dass Einbehalte beider Liberalisierung von Kultur-dienstleistungen und Kulturgüternweiterhin möglich sind, die Produk-tion und Distribution von Kultur-dienstleistungen und Kulturgüternforciert und zwischenstaatliche, in-ternationale Kooperationen unbe-dingt gefördert werden.

Im Kontext des WTO-Abkom-mens und den bereits eingegange-nen Liberalisierungszusagen fordertdas EP, bei den Verhandlungen übereine Konvention den besonderenCharakter und Status der Kultur im-mer wieder zu betonen. Außerdemsollen die Mitgliedsländer mithilfeder Konvention dazu angehaltenwerden, keine Verpflichtungen inanderen internationalen Foren ein-zugehen, die dem Schutz und derFörderung der kulturellen Vielfaltzuwider laufen würden. Gerade imZusammenhang mit den gescheiter-ten Verhandlungen in Cancún mussauf die Verbindlichkeit der Konven-tion im Hinblick auf mögliche zu-künftige bilaterale Handelsabkom-men hingewiesen werden, die mul-tilaterale Abkommen untergrabenkönnten.

Um allen Ländern den freien Zu-

gang zur Kultur zu ermöglichen, solldie Generalkonferenz Programmeausarbeiten, die eine solche Grund-lage schaffen und die Entwicklungvon Kulturpolitik erlauben, um denLändern – und im Speziellen denEntwicklungsländer – die Produkti-on und den Vertrieb ihrer eigenenKulturgüter und Dienstleistungenzu ermöglichen. Erst dann kannman von einem Mehrwert der Kon-vention zur kulturellen Vielfalt spre-chen.

Bei den Verhandlungen wird eingeschlossenes Auftreten erforderlichsein. Die Europäische Kommissionunter Beteiligung des EuropäischenParlaments soll mit einem präziseformulierten Mandat die Forderun-gen des Entschließungsantrags desEP zur „Erhaltung und Förderungder kulturellen Vielfalt“ einbringenund hoffentlich die größtmögliche

Unterstützung finden. 2005 könntesomit für die UNESCO und für diekulturelle Vielfalt ein gutes Jahr wer-den.

Die Verfasserin ist österreichischeAbgeordnete im Europäischen

Parlament und Kultursprecherinder Sozialdemokratischen

Partei Europas ■

1 Entschließung des Europäischen Parlament:

Allgemeines Übereinkommen über den Han-

del mit Dienstleistungen (GATS) im Rahmen

der WTO, einschließlich der kulturellen Viel-

falt, März 2003, noch nicht im Amtsblatt ver-

öffentlicht.

2 KOM (2003) 520 vom 27.8.2003

Ein Blick aufs Europäische Parlament in Sraßburg Foto: Europäisches Parlament Straßburg

Die 190 Mitgliedstaaten der UN-ESCO haben den japanischen Gene-raldirektor Koïchiro Matsuura am17. Oktober 2003 beauftragt, inner-halb von zwei Jahren den Entwurf ei-nes Übereinkommens zum „Schutzder Vielfalt kultureller Inhalte unddes künstlerischen Ausdrucks“ vor-zulegen. Deutschland hat diesen Be-schluss unterstützt und wird sich ak-tiv an der Erarbeitung des Textes be-teiligen. Mit der Wahl unseres UN-ESCO-Botschafters Hans-HeinrichWrede zum Vorsitzenden des UN-ESCO-Exekutivrates übernimmt einDeutscher eine durchaus einflussrei-che Rolle bei dem weiteren Verfah-ren.

Nach dem Beschluss der UN-ESCO-Generalkonferenz geht

es nun an die schwierige Aufgabeder konkreten Ausgestaltung diesesMandats. Konzeptioneller Aus-gangspunkt ist die Bewahrung derkulturellen Vielfalt, über derengrundlegende Bedeutung als ge-meinsamer Wert Konsens besteht.Kulturelle Vielfalt ist Ausdruck undVoraussetzung eines demokrati-schen Pluralismus und Quelle vonDenk- und Handlungsoptionen, diemenschliche Freiheit erst ermögli-chen. Das auszuarbeitende Rechts-instrument sollte daher im Wesentli-chen die kulturpolitische Verant-wortung des Staates und damit dieLegitimität der zu ihrer Umsetzungerforderlichen legislativen, regulato-

rischen und finanziellen Steue-rungsinstrumente festschreiben.

Die Pluralität unserer Kulturenist, nach einem gelungenen Aus-druck der UNESCO, ein „unverzicht-bares Reservoir für Freiheit“. Diesmuss im Auge behalten werden,wenn wir uns mit Nachdruck dafüreinsetzen, dass der Staat seine kul-turpolitische Verantwortung wahr-nimmt. Kultureller Pluralismus istTeil unseres modernen Verständnis-ses von Freiheit. Ein UNESCO-Über-einkommen kann als völkerrechtli-che Setzung wesentlich dazu beitra-gen, diesen Pluralismus zu erhalten.Es darf jedoch nicht Berufungs-grundlage eines staatlichen Dirigis-mus werden, der gegen die freie Zir-kulation von Ideen und kulturellenErzeugnissen interveniert und un-angemessene protektionistischeMaßnahmen legitimiert. Auch inpolitisch sensiblen Bereichen wieKultur und Bildung, die nach unse-rem demokratischen Verständnisnicht dem freien Spiel der Markt-kräfte allein überlassen werden dür-fen, erweisen sich erhöhter Wettbe-werb und die Anwendung moder-ner, marktwirtschaftlich erprobterInstrumente zur Messung von Erfolgund Effizienz als sinnvoll. Die Ver-besserung der Kosten-Nutzen-Rela-tion und eine gewichtende Analysevon Nachfrage und Angebot sind ge-rade dort notwendig, wo mit knap-pen Ressourcen – zu denen die öf-fentlichen Mittel bekanntlich zählen

– möglichst viel erreicht werden soll. Die Bestrebungen zur Entwick-

lung eines verbindlichen internatio-nalen Rechtsinstruments zumSchutz der kulturellen Vielfalt ste-hen in direktem Zusammenhangmit dem 1994 vereinbarten Allge-meinen Übereinkommen über denHandel mit Dienstleistungen GATS(General Agreement on Trade in Ser-vices), auf dessen Grundlage imRahmen der WTO Verhandlungenfür weitergehende Liberalisierungenauch bei kulturellen Dienstleistun-gen geführt werden. GATS zielt prin-zipiell auf den Rückbau innerstaatli-cher Regulierungen, wenn diese dengrenzüberschreitenden freien Wett-bewerb in den von ihm erfasstenDienstleistungssektoren behindern.Befürworter eines UNESCO-Über-einkommens machen geltend, dassder in der Wirtschaftspolitik gelten-de Grundsatz einer durch Liberali-sierung zu erzielenden besserenKosten-Nutzen-Relation in der Kul-turpolitik keine uneingeschränkteGültigkeit beanspruchen könne: die„economy of scale“ und die Wirt-schaftlichkeit könne in der Kulturkreatives Potential ersticken.

Es gibt derzeit keine verbindli-che Antwort auf die Frage, welcheAuswirkungen die GATS-Verhand-lungen auf die deutsche Kultur- undBildungslandschaft und auf die glo-bale Entwicklung der kulturellenVielfalt haben werden. Mit Verweisauf die Flexibilität des GATS, das

staatliche Initiativrecht für Liberali-sierungsangebote und die aktuelleHaltung der die Verhandlung füh-renden EU-Kommission werden

mögliche Auswirkungen zur Zeitüberwiegend verneint. Es handeltsich hier jedoch um eine grundle-gende politische Fragestellung, dienicht mit technischen Verweisen aufdie Struktur des GATS beantwortetwerden kann. Über das Modell derpolitischen Steuerung unserer na-tionalen Kultur- und Bildungsange-bote sollte nicht im Rahmen einesHandels-Übereinkommens ent-schieden werden. Mit dem Be-schluss der 32. Generalkonferenzbringen die Staaten zum Ausdruck,dass die UNESCO das angemesseneForum zur Entwicklung multilatera-

ler kulturpolitischer Normsetzun-gen ist.

Es wird in der künftigen Debatteauf eine angemessene Abwägungzwischen dem Schützen und Be-wahren gewachsener Strukturen derkulturellen Vielfalt einerseits undder Öffnung und dem Erleichterndes Austauschs in dem vom GATSangestrebten Sinne andererseits an-kommen. Die Bewahrung der viel-fältigen Spuren unserer Geschichtenund das beständige Erforschen undLesen dieser Spuren ist Vorausset-zung für die Erhaltung der kulturel-len Vielfalt. Ohne dieses Engage-ment ist der Pluralismus unseresSelbstbildes gefährdet. Auch wennes das wirtschaftliche Argument der„economy of scale“ nahelegt: Wirdürfen uns nicht auf ein einheitli-ches Selbstbild festlegen lassen.

Das Konzept der kulturellen Viel-falt zielt auf die Vermehrung derHandlungsoptionen für eine mög-lichst große Zahl von Menschen.Daran werden wir uns bei unsererMitwirkung an dem UNESCO-Über-einkommen orientieren.

Der Verfasser ist Leiter der Kultur-und Bildungsabteilung im

Auswärtigen Amt ■

Das UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen VielfaltDeutschlands Beteiligung an der Erarbeitung des Konventionstextes • Von Wilfried Grolig

English translation page 7

Ministerialdirigent Wilfried Grolig

English translation page 7

Page 10: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

„Suiza no existe – Die Schweiz gibtes nicht“ hieß es über dem Schwei-zer Pavillon an der Expo in Sevilla1992. Dieser Satz des SchweizerKünstlers Ben Vautier erzürnte zwareinige Landsleute, da es die Schweizphysisch, politisch und wirtschaft-lich zweifelsohne gibt. Aber wiesieht es aus bezogen auf die Kultur?Gibt es eine Schweizer Kultur?

Sicherlich ist die Schweiz präsentan internationalen Kunstanläs-

sen wie den Biennalen von Venedigund Sao Paulo oder der Weltausstel-lung von Hannover. Wenn man aberdie gemeinsame Sprache als zentra-les Element einer gemeinsamenKultur als Kriterium heranzieht,dann gibt es eben tatsächlich KEINESchweizer Kultur, allerhöchstens ei-ne französisch-schweizerische, einedeutsch-schweizerische, eine italie-nisch-schweizerische und eine räto-romanische Kultur, jede jeweils ver-wandt mit der Kultur des jeweiligenNachbarn (auch in einigen TälernNorditaliens wird selten noch ein rä-toromanischer Dialekt gesprochen).Nur, leider ist auch diese „vierteili-ge“ Definition der Schweiz als Kul-turnation noch zu einfach, zu gene-rell, um einhellige Zustimmung zufinden. Schweizer definieren sich zuallererst als Bürger eines Kantons.Und da es auf der kleinen Fläche derSchweiz 26 davon gibt, ist die kultu-relle Landschaft der Schweiz min-destes so zerklüftet wie die geogra-phische. Diese Tatsache sollte ei-gentlich nicht verwundern, dennkulturelle Identitäten haben sichimmer gemeinsam mit den Wirt-schafts- und Lebensräumen entwi-ckelt. Und diese sind wegen der To-pographie des Landes eben notge-drungen stark fragmentiert. Tat-sächlich sind die kulturellen Le-bensformen zwischen einem Be-wohner Genfs und demjenigen von

Evolène in den Walliser Alpen sehrunterschiedlich, auch wenn sie heu-te die gleiche Sprache sprechen (vor50 Jahren wurde in Evolène nochmehrheitlich das Patois gesprochen,das vom Standart Französisch min-destens so weit entfernt ist, wie dasNiederländische vom Deutschen).

Heterogene GesellschaftSchon Napoleon, der nicht als be-sonders einsichtig bekannt war,musste einsehen, dass sein Modelleiner zentralistischen Helvetischen

Republik nach dem Vorbild Frank-reichs in der Schweiz nichts taugte.Die heterogene Kleinräumigkeitmuss anerkennt werden, will mandie Schweiz verstehen. Böse Zun-

gen behaupten gar, dass die Eidge-nossenschaft nur darum zusam-menhalte, weil sich die einzelnenLandesteile nicht für die jeweils an-deren interessieren würden. Einegemeinsame Kulturpolitik zu defi-nieren scheint unter diesen Um-ständen ein Ding der Unmöglich-keit. Tatsache jedenfalls ist, dass inder Verfassung (Grundgesetz) derSchweiz die Hoheit über kulturelleBelange stets bei den Kantonen lagund auch heute noch liegt. Es gibtdaher in Bern genau so wenig wie in

Deutschland ein Bundesministeri-um für Kultur. Auf Bundesebenekümmert sich lediglich ein Bundes-amt für Kultur innerhalb des Eidge-nössischen Departements des In-

nern (Innenministerium) um kultu-relle Belange der Bundespolitik.Hauptträger der öffentlichen Kul-turpflege sind die Kantone und dieGemeinden. Anders als in Deutsch-land gibt es aber keine Kultusminis-terkonferenz, in welcher sich die aufregionaler Ebene für die Kultur zu-ständigen Minister austauschen

könnten. Es fehlt auch an einerzentralen Stelle für die landesweiteKoordination im Kulturbereich.Diese Situation widerspiegelt sichim Fehlen eines spartenübergrei-

fenden Dachverbandes für Kulturauf Seiten der Kulturschaffenden.

Demokratische Mitwirkung

Dies mag nun alles sehr ernüch-ternd tönen. Es muss daher gleich-zeitig betont werden, dass das kultu-relle Leben in der Schweiz auch oh-ne bundesstaatliche Lenkung in derTat sehr vielfältig ist. Kulturelle Pro-jekte werden durchaus an die Handgenommen, aber nicht primär vomBund sondern von privaten Trägern,von öffentlichen Institutionen oder,möglichst bürgernah, von den Re-gional- oder Kommunalverwaltun-gen. Dank der Steuerautonomie die-ser Gemeinwesen können die regio-nalen und lokalen Regierungen,bzw. das Volk in Volksabstimmun-gen weitgehend mitbestimmen, wieviele Mittel sie für die Kultur ausge-ben wollen. Möchte sich eine Stadtein aufwendiges und vielseitigeskulturelles Angebot leisten, erfor-dert dies u.U. die Erhöhung deskommunalen Steuersatzes. Es sindsomit die Bürger aufgerufen zu ent-scheiden, ob sie lieber ein Theatermit eigenem Ensemble und höhereSteuern haben möchten oder ob siedoch lieber in die benachbarte Stadtins Theater gehen und dafür weni-ger Steuern bezahlen möchten.

In Deutschland erntet diesesModell im allgemeinen tiefes Miss-trauen unter den Kulturschaffen-den, weil man sich kaum vorstellenkann, dass sich eine Mehrheit derBürger tatsächlich für Kultur so stark

„Die Schweiz gibt es nicht“Merkmale eidgenössischer Kulturpolitik • Von Norbert Bärlocher

Schweizer Schmuckstück: Kultur- und Kongresszentrum Luzern von Jean Novelle. Foto: KKL

Wie ist der Kulturbereich in anderen europäischen Ländern organisiert?Wie wird Kultur finanziert? Welche Fragen beschäftigen die Kulturverbändedort? Solche und andere Fragen stellten wir Vertretern derKultureinrichtungen und Kulturattachés in Berlin. Eine kleine Serie.

beim Nachbarn

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KULTURELLE VIELFALT / EUROPA politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 11

Kulturelle Vielfalt und HandelsabkommenDie jüngsten Entwicklungen von Cancún, Paris und Opatija • Von Gary Neil

Vertreter von Kultur-Organisationenaus 21 Ländern trafen sich im Sep-tember 2000 auf der griechischenInsel Santorin zur der Konferenz „DerKünstler, Kultur und Globalisierung“.Diskutiert wurden die Herausforde-rungen an die kulturelle Vielfalt inder globalisierten Welt. Man kam un-ter der Federführung des Internatio-nal Network for Cultural Diversity(INCD) überein, zusammen zu arbei-ten und fasste den Beschluss, dass„nicht allein Marktkräfte die kultu-relle Vielfalt auf nationaler und inter-nationaler Ebene garantieren kön-nen“. Die Regierungen wurden auf-gefordert, von Übereinkommen Ab-stand zu nehmen, die eine Politik derkulturellen Vielfalt behindern. Sie be-fürworteten „die Schaffung einer in-ternationalen Konvention, die derkulturellen Vielfalt eine dauerhaftegesetzliche Grundlage bietet“.

1996 erwog Kanada rechtlich bin-dende Mittel zum Schutz der kul-

turellen Vielfalt gegen den Einsatzvon Handelsabkommen, die die Kul-turpolitik gefährden: Als Antwort aufeine Entscheidung einer Handels-schiedsstelle der WTO, welche allekanadischen Maßnahmen kippte,seine eigene Zeitschriften-Industrieangesichts des unfairen Wettbe-werbs durch US-Importe zu fördern,hatten sich kanadische Kultur-Akti-visten Strategien überlegt, die weitüber die so genannte „exception cul-

turelle“ hinausreichen und Staatenerlauben würde, ihre eigenen Künst-ler und Produzenten mit Mitteln zuunterstützen, die andere als Frei-handelshemmnisse betrachtenkönnten. Die Gründungs-Konfe-renz des INCD auf Santorin hat er-kennen lassen, wie sehr das Konzeptdieser neuen Konvention von nicht-staatlichen Kultur-Organisationenaus aller Welt begrüßt wurde. Leiderist es mehr als schwierig, einerseitsdie NGOs auf seiner Seite zu haben,und andererseits Regierungen vonder Notwendigkeit von diesemSchritt in die richtige Richtung zuüberzeugen.

Vorgespult zum Herbst 2003 undzu den drei Schlüsselbegebenheitenin der kurzen Geschichte der Kon-vention: Im September trafen sichdie Handelsminister dieser Welt inCancún, Mexiko, um die umfassen-den Handelsgespräche, die in Doha,Katar, begonnen worden waren,fortzusetzen. Anträge, die zur De-batte standen, drohten negativeAuswirkungen auf die Kulturpolitikhaben. Der Vorstoß, den Rahmendes Allgemeinen Übereinkommensüber den Handel mit Dienstleistun-gen (GATS) auch auf audiovisuelleund andere kulturelle Dienstleistun-gen auszuweiten, ist eine unmittel-bare Herausforderung. Der Antrag,Verhandlungen über Investitions-vorhaben und Wettbewerbspolitikaufzunehmen, alarmierte den Kul-

turbereich, da beide Instrumente inder Kulturpolitik angewandt wer-den. Angesichts der kurzen bis zumEnde der WTO-Gespräche im Januar2005 verbleibenden Zeit, erschienendie Aussichten, die Konventionrechtzeitig zu verabschieden, düster.Letztendlich bremsten die Entwick-lungsländer die wohlhabenden In-dustrieländer, indem sie ihre Zu-stimmung zum vorgesehenen Mi-nisterbeschluss verweigerten, unddie Gespräche dadurch bis auf Wei-teres vertagt wurden.

Während Themen rund um diekulturelle Vielfalt in Cancún nicht,weder innerhalb der Konferenzräu-me, noch auf den Straßen der Stadt,im Zentrum der Ereignisse standen,tat sich der Deutsche Kulturrat mitdem INCD und anderen Organisa-tionen wie der ARD und der Hein-rich-Böll-Stiftung zusammen, umverschiedene Aktionen zu koordi-nieren. Eine Pressekonferenz, einePodiumsdiskussion und ein hoch-rangiges Event für die Konferenzteil-nehmer machten die Bedenken desKulturbereichs öffentlich.

Als Nächstes kam das UNESCO-Treffen in Paris: Am 14. Oktober2003 votierte die Generalversamm-lung zu Gunsten der Ausarbeitungeines Instrumentes zum Schutz derkulturellen Vielfalt. Dies war die Fol-ge eines Vorstoßes der im INCP ver-bündeten Kultur-Minister, die die-sen Tagesordnungspunkt der UN-

Organisation abgerungen haben.Die Abstimmung verlief nicht un-dramatisch – ein, von den USA vor-gelegter, Beschlussfassungsentwurfdrohte ein mögliches Abkommen inletzter Minute aufzuweichen bzw.zu vertagen.

Zeitgleich fand im kroatischenOpatija die vierte INCD Jahresta-gung statt. Auf dieser Konferenz ka-men mehr als 100 Delegierte aus 37Ländern zusammen. Während dieKonferenz Aspekte der Globalisie-rung analysierte und entschied, dasssich der INCD auch in Fragen derMedienvielfalt engagieren sollte,diskutierten die Delegierten diekünftige Fassung der Konvention.An die Adresse der UNESCO gerich-tet, legten die Delegierten dennächsten Schritt in der Auseinan-dersetzung fest: Dass nämlich si-chergestellt wird, dass der von derUNESCO vorbereitete Vertrag dieGrundzielstellungen erfüllt.

Die INCD-Delegierten warntenvor dem US-Vorschlag zu einer Re-solution wie folgt:

„Es wird ein Mandat unterstellt,dass alle Aktivitäten der UNESCOauf diesem Gebiet vollständig mitder gegenwärtigen internationalenGesetzeslage übereinstimmen soll;hierdurch versucht die Resolutionsicherzustellen, dass die Konventionauf Dauer multilateralen Handels-abkommen untergeordnet bleibe.Der INCD betont, dass Bestimmun-

gen in bestehenden Handelabkom-men längst in einer Art und Weisedazu benutzt worden sind, dasRecht souveräner Staaten, ihre eige-ne Kulturpolitik umzusetzen, anzu-fechten und dass bestimmte Länderbeabsichtigen, diese Bestimmungenauch auf die laufenden Verhandlun-gen auszuweiten.“

Das Konzept der Konvention zurkulturellen Vielfalt katapultierte sichauf die internationale Agenda, unddie fehlgeschlagenen Gespräche inCancún haben Zeit geschaffen, wei-ter zu verhandeln, bevor Handelsab-kommen der Kulturpolitik weiterenSchaden zufügen. Der weltweiteKulturbereich muss alle Kräfte fürdas Verfahren bei der UNESCO mo-bilisieren, damit gesichert ist, dassdie Formulierungen der Konventionin Einklang mit unseren Zielvorstel-lungen stehen.

Der Verfasser ist Koordinator desInternational Network for Cultural

Diversity ■

Mehr zum INCD und dem Thema,insbesondere den Entwurf zur Kon-vention, können Sie unterwww.incd.net nachlesen.

English text page 7

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EUROPA politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 12

„Die Schweiz gibt es nicht“

interessiert, dass sie auch bereit ist,höhere Steuern dafür zu entrichten.Tatsächlich gibt es auch immer wie-der Finanzierungsvorlagen für kom-munale oder kantonale Kulturpro-jekte, die in den Volksabstimmun-gen keine Mehrheiten finden. Wennich aber daran erinnern kann, dassder Schweizer Souverän auch „frei-willig“ in einer Volksabstimmung ei-ner Erhöhung des Benzinpreises ausumweltpolitischen Überlegungen(Einschränkung des Individualver-kehrs, Förderung des öffentlichenVerkehrs) zugestimmt hat, dann darfman schon davon ausgehen, dassdie Eigenverantwortung des Schwei-zer Stimmbürgers für das Allge-meinwohl recht entwickelt ist. Tat-sächlich lässt ja auch die grosseDichte an kulturellen Einrichtungen(die Schweiz ist Weltmeister was dieMuseumsdichte pro Einwohner be-trifft) den Schluss zu, dass auch imdirektdemokratischen System derSchweiz durchaus Platz ist für einedurch die öffentliche Hand finan-zierte Kulturpolitik. Es ist manchmalwohl schwierig, Mehrheiten für ge-wagte, innovative Kulturprojekte zufinden. Dafür ist die Identifikationdes Bürgers mit seinem Theater, sei-ner Musikschule, mit seiner Kunst-sammlung oft ausgeprägter als inanderen Ländern.

Private Eigenverant-wortung

Weil die Leidensbereitschaft desSteuerzahlers nicht überstrapaziertwerden darf, sind auch die an denStaat gerichteten Erwartungen imallgemeinen bescheidener als in ver-gleichbaren Staaten. Dies betrifft so-wohl die Kunstschaffenden selbst alsauch die Kunstliebhaber. Ersteresind sich wohl der liberalen Grund-haltung der Schweizer Politik be-wusst wonach man zuerst einmalversuchen sollte, sich selbst zu hel-fen. Tatsächlich nehmen sich die An-sprüche der Künstler in der Schweiz

gegenüber dem Gemeinwesen zu-rückhaltend aus. Dies mag auch da-mit zu begründen sein, dass es in derSchweiz neben der Unterstützungdurch öffentliche Einrichtungen eineVielzahl von privat finanziertenKunstförderungsprogrammen gibt.So gehen etwa eine Vielzahl der be-kanntesten Museen unseres Landesauf Privatsammlungen zurück, wel-che heute von privaten Stiftungender Öffentlichkeit zugänglich ge-macht werden. Überhaupt hat dieseForm des öffentlichen Mäzenen-tums in der Schweiz eine lange Tra-dition, die sich auch in jüngster Zeitfortsetzt. So gelang es etwa einerGruppe von theaterinteressiertenDamen aus Basel innerhalb von kur-zer Zeit, unter privaten Sponsorengenügend Geld aufzutreiben, um ne-ben dem Mehrsparten-Stadttheaterein Schauspielhaus zu eröffnen.

Die Schweiz und die WeltNun, auch in der Schweiz nimmt dieMobilität der Menschen zu. Auch inder Schweiz wird man sich bewusst,wie stark international vernetzt heu-te wirtschaftliches und staatlichesHandeln ist. Und vollkommen un-berührt von dieser Entwicklungbleibt in Zeiten der Globalisierungauch die Kultur nicht. Wollten zumBeispiel früher die so genanntenGastarbeiter für eine bessere Inte-gration an ihrem Arbeitsort Schwii-zertütsch lernen, wurden sie sofortgefragt, welches Schwiizertütsch,den Basler Dialekt, oder den St. Gal-ler oder den Luzerner oder gar Sens-ler Dialekt des deutschsprachigenTeils des Kantons Fribourg? Heutewird in den Sprachschulen der„Bahnhof Buffet Olten Dialekt“ un-terrichtet (in Olten kreuzen sich dieHauptverbindungslinien der Bahnzwischen St. Gallen im Osten undBern im Westen, Basel im Nordenund Luzern im Süden der Deutsch-schweiz). In der Schweiz findet so-mit durchaus ein Integrationspro-zess statt, wenn auch vorerst vor-wiegend auf nationaler Ebene...

Die Schweiz, ein Europa im Klei-nen, so wird sie oft genannt. Inso-fern ist wohl der Vergleich nahelie-gend, dass ebenso wenig eine um-

fassende Schweizer Kulturpolitikexistiert, wie es eine europäische(noch) nicht wirklich gibt. Die kultu-relle Integration ist mitunter die an-spruchsvollste, weil sie dem Bürger„unter die Haut geht“. Gleichzeitigist es eine nicht zu vernachlässigen-de Pflicht für jeden Staatenbundund jeden Bundesstaat, den Zusam-menhalt unter den Gliedstaaten undden Bürgern zu stärken durch dieFörderung von gemeinsamen kultu-relle Werten.

Verstärktes Engagementder Bundesregierung

Als föderaler Staat ist sich dieSchweiz zunehmend bewusst ge-worden, dass auch der Bund die Kul-turpolitik ernst nehmen muss. Seinkulturpolitisches Engagement hatsich nach zögerlichen Anfängen im19. Jahrhundert in letzter Zeit stetigverstärkt. Angefangen hat dieschweizerische Bundesregierung ih-re kulturellen Aktivitäten historischgesehen als Träger des Schweizeri-schen Landesmuseums in Zürichund – Mehrsprachigkeit verpflichtet– seit einigen Jahren auch im SchlossPrangins bei Lausanne. Die Schwei-zerische Landesbibliothek in Bernund das Literaturarchiv stehenebenfalls seit deren Gründung in derVerantwortung des Bundes. Tradi-tionell ist auch die Mitwirkung desBundes in der Organisation der sogenannten Landesausstellung oderExpo nationale, die ca. alle 25 Jahredurchgeführt wird (2002 in der Ge-gend von Biel/Neuenburg) sowie dieTeilnahme an Weltausstellungen.Für den Zusammenhalt der vierLandesteile fördert der Bund dieVerständigung und den Austauschzwischen den Sprachgemeinschaf-ten und unterstützt insbesondereÜbersetzungen von literarischenWerken in die jeweils anderen Lan-dessprachen. Zudem entrichtet erBeiträge an Programme für denAustausch von Schulklassen zwi-schen den Landesteilen. Der Bundfördert weltweit 15 Schweizer Schu-len im Ausland. Schließlich verfügtdas Bundesamt für Kultur über ei-nen Kredit zur Unterstützung kultu-

reller Organisationen. Jahresfinanz-hilfen gehen an Verbände und Dach-organisationen von Kulturschaffen-den mit gesamtschweizerischer Be-deutung in den Bereichen Musik,Tanz, Theater, Literatur, BildendeKunst und Film. In diesem letztenBereich haben die Kulturpolitikerder Schweiz erkannt, dass für dieFilmförderung Mittel erforderlichsind, welche die finanziellen Mög-lichkeiten vieler Kantone überstei-gen. Gestützt auf das Filmgesetz istder Bund daher in der Lage, Film-produktionen aus der Schweiz fi-nanziell zu unterstützen. In den üb-rigen Sparten aber fehlen der Kul-turverwaltung des Bundes aber diegesetzlichen Grundlagen, Einzel-projekte zu unterstützen. Für dieUnterstützung von kulturellen Ein-zelprojekten ist die öffentlich-recht-liche, vom Bund vollumfänglich fi-nanzierte Schweizerische Kulturstif-tung Pro Helvetia zuständig. AusRücksicht auf die Kulturhoheit derKantone trifft diese Stiftung ihreFörderungsentscheide vollkommenautonom von staatlichen Stellen. ImBereich der bildenden Kunst stehendem Bund einzelne Förderungspro-gramme zur Verfügung. Dabei sinddie Eidgenössischen Wettbewerbefür Kunst und für Architektur zunennen, ferner die Atelierstipendienfür Schweizer Künstler in Berlin undNew York sowie ein Kulturfonds fürdie Unterstützung von professionel-len Künstlern in finanziell schwieri-gen Situationen. Schließlich hat derBund auch die Möglichkeit, die Be-triebskosten von unabhängigen Kul-turräume mittels Jahressubventio-nen mitzutragen. Bei der Auswahlund Vergabe dieser Fördermittelsteht dem Bund die EidgenössischeKunstkommission beratend zur Seite.

Modernes Kulturförde-rungsgesetz

Aufgrund dieser Ausführungen istersichtlich, dass die SchweizerischeBundesregierung – auch wenn dieKulturhoheit nach wie vor bei denKantonen und Gemeinden liegt unddiese weitestgehend Träger der kul-turellen Institutionen bleiben – sich

in verschiedenen Bereichen der Kul-turpflege direkt engagiert oder wiezum Beispiel über die KulturstiftungPro Helvetia indirekt unterstützt.Diese Aufgabenverteilung ent-spricht keinen Dogma der Gewal-tenteilung sondern ist organisch ge-wachsen und erlaubt eine pragmati-sche Umsetzung der Kulturpolitikauf breiter Ebene.

Dennoch ist darauf hinzuweisen,dass in der auf den 1.1.2000 in Kraftgesetzten revidierten Bundesverfas-sung in Art. 69 grundsätzlich dieKulturhoheit bei den Kantonen be-lassen wird. Neu erhält aber auchder Bund die Möglichkeit, kulturelleBestrebungen von gesamtschweize-rischem Interesse zu unterstützen.Gemäss diesem Verfassungsauftragist die schweizerische Bundesregie-rung zur Zeit dran, ein Kulturförde-rungsgesetz zu erlassen, welches dieEinzelheiten der Zusammenarbeitzwischen dem Bund, den Kantonen,den Gemeinden aber auch den pri-vaten Kulturförderern regelt. Neueingeführt soll mit diesem Gesetzauch die Vierjahresplanung derbundesstaatlichen Kulturförderungwerden. Insgesamt erhofft man sichvom Kulturförderungsgesetz zusam-men mit den anderen kulturrelevan-ten Artikeln der revidierten Bundes-verfassung und der entsprechendenAusführungsgesetzgebung, ein mo-dernes Instrument für eine aktiveKulturverträglichkeitsprüfung zu er-halten. Der Gesetzgebungsprozessist noch nicht abgeschlossen und esfinden zur Zeit ähnliche Diskussio-nen innerhalb der Schweiz statt, wiewir sie in den EU-Mitgliedstaaten imZusammenhang mit der Schaffungder Europäischen Verfassung ken-nen. Die Kulturpolitik scheint alsoganz allgemein zur Diskussion zustehen. Dieser Diskussion stellt sichunser Land, das sich gerade in kultu-reller Hinsicht seiner Zugehörigkeitzu Europa bewusst sein will, ohnegleichzeitig aber auch seine spezifi-schen historischen und politischenBedingungen ausser Acht zu lassen.

Der Verfasser ist Botschaftsrat und lei-tet die Abteilung Kultur und Bildung

der Schweizerischen Botschaft ■

Fortsetzung von Seite 11

Im kommenden Jahr werden in Brüs-sel die Weichen gestellt für die Zu-kunft zumindest solcher Programme,deren Existenz niemand in Fragestellt und die gleichzeitig in Zeitenschmerzhafter Einschnitte in Finanz-ausstattungen einen, wenngleichauch vergleichsweise bescheidenen,Rettungsanker für viele darstellen,nämlich die Förderprogramme wieKULTUR 2000 und MEDIA Plus.

Im Frühjahr will die Kommission,nachdem die Ergebnisse der Eva-

luierungen in den kommenden Ta-gen vorgelegt werden sollen, Vor-schläge für die neue Generation ab2007 machen. Obwohl die interes-sierten und betroffenen Kreise sichbereits diesen Sommer zu KULTUR2000 äussern konnten und auch zuMEDIA Plus bereits eine grosse öf-fentliche Anhörung stattfand, wirdalso 2004 noch einmal die Gelegen-heit bestehen, den Entscheidungs-prozess aktiv und konstruktiv zu be-gleiten. Zumindest für das Kultur-programm haben die zuständigenStellen bei der Beauftragten für Kul-tur und Medien bereits angekün-digt, dass in Deutschland ein umfas-sender Konsultationsprozess statt-finden soll. Fest steht schon jetzt,dass der so genannte EuropäischeMehrwert eine größere Rolle spielensoll, doch gibt es zwischen den Insti-tutionen unterschiedliche Auffas-

sungen darüber, wie die Umsetzungin die Praxis erfolgen soll. Die Kom-mission wünscht sich, aus gutemGrund, die Konzentration auf weni-ge Themenbereiche und grössereProjekte, das Ergebnis der Konsulta-tion macht jedoch auch deutlich,dass man das Kriterium der „Sicht-barkeit“ von Projekten nicht zu Las-ten des qualitativen Aspekts, alsoauch kleinerer Umfang und kurzfris-tige Zusammenarbeit, überhöhensollte.

Interessant auch, wie der Vor-stoß der Kommission, angeregt vomBericht Zorba des EuropäischenParlaments, zugunsten der Kulturin-dustrien angekommen ist. Zweifelan der Notwendigkeit, einen „alswirtschaftlich tragfähig empfunde-nen Sektor“ zu unterstützen, seiengeäußert worden. Andere fürchtenwohl, das vermutlich geringe För-dervolumen auf EU-Ebene würdeeine solche Initiative gleich sinnlosmachen. Wieder andere wollen einemögliche Unterstützung nicht aufdie Bereiche Musik und Verlagswe-sen begrenzt sehen. In diesem Punktwerden die grundsätzlich unter-schiedlichen Auffassungen überKulturindustrie und darüber, wieman unter wirtschaftlichen Aspek-ten mit ihr umgeht oder umgehensollte, überaus deutlich. So kannman etwa auch die derzeit aktuellenVerhandlungen über eine ermäßigte

Mehrwertsteuer für Kulturgüter und-dienstleistungen sehen, bei denensich das Europäische Parlament (beiRedaktionsschluss zumindest derzuständige Wirtschaftsausschuss)zwar für Tonträger begeistern kann,anderen Gütern jedoch nicht auto-matisch dieselbe Förderung zukom-men lassen will. Die meisten Abge-ordneten möchten jedoch die Be-deutung des kulturellen Erbes posi-tiv anerkannt und gefördert sehen.

Eine weitere Herausforderungsteht für das kommende Jahr an,nämlich die volle Integration derneuen Mitgliedstaaten in die För-derprogramme der EuropäischenUnion. Auch hier ist bereits zu be-obachten, dass der Wunsch nachpositiver Diskriminierung und be-sonders auf die „Erweiterungslän-der“ zugeschnittenen Ausschrei-bungen politisch übereinstimmendgewünscht werden, wie man diesesjedoch dann in die Praxis umsetzenmöchte und wie mögliche finanziel-le Einbußen bei den Betroffenen inden „alten“ Mitgliedstaaten ankom-men, wird spannend zu beobachtensein. Es wäre daher sehr wünschens-wert, wenn sich, wie bisher, auch dieneuen Europaabgeordneten ab demHerbst 2004 für eine bessere finanzi-ellere Ausstattung der Programmeeinsetzen würden. Dass sie dieses inder Vergangenheit bei Bildungs- undKulturprogrammen mit Erfolg getan

haben, ist zwar sicher manchem Fi-nanzminister ein Dorn im Auge,aber für die Kulturschaffenden inEuropa von nicht zu unterschätzen-dem Wert. Auch die Regierungenmüssten der historischen Erweite-rung der Europäischen Union nichtnur Lippenbekenntnisse zollen,sondern dem konkret im wichtigenKulturbereich durch Aufstockungder Budgets Rechnung tragen. Der-selbe Appell geht natürlich auch andie Kulturschaffenden in den jetzi-gen Mitgliedstaaten, denn auch siefreuen sich zwar auf das Mehr ankulturellem Reichtum, das die Er-weiterung mit sich bringen wird,wollen jedoch ungern auf die liebge-wonnene Unterstützung verzichten.An einem konkreten Beispiel wird zubeobachten sein, wie man ein sol-ches Dilemma behandeln kann,nämlich mit Blick auf dem Vorschlagder Kommission zur Ernennung vonKulturhauptstädten in den Erweite-rungsländern ab 2009. Es gibt nie-manden in Europa oder in Deutsch-land, der die Notwendigkeit diesesVorschlags in irgendeiner Art undWeise bezweifeln würde. Wichtig istaber, dass der finanzielle Rahmen,so klein er auch ist und der ja auchnicht eigentlich das ausschlagge-bende Element für eine Bewerbungist, und die Rahmenbedingungenfür die sich jetzt schon in der Vorbe-reitungsphase befindlichen Städte

bis 2009 zumindest Planungssicher-heit erlauben.

Im Oktober kommenden Jahresplant die Kommission, einen Richt-linienvorschlag über Verwertungs-gesellschaften vorzulegen. Das The-ma wird derzeit im EuropäischenParlament behandelt. Auch hierwird besonderer Wert auf die man-gelhafte Situation in den neuen Mit-gliedstaaten gelegt. Weiterhin solldie Kommission insbesondere auf-gefordert werden, sich dem Themavertikale Medienkonzentration, de-ren Kontrolle und ihrer Auswirkun-gen auf die Rechtewahrnehmungaktiv anzunehmen.

Der Startschuss für die UN-ESCO-Konvention ist gegeben, dasEuropäische Parlament hat sich da-zu aktiv eingeschaltet. Anfang 2004wird der Bericht Prets (siehe Seite10) über die Erhaltung der kulturel-len Vielfalt nach erfolgreichen Be-mühungen um einen guten Kom-promiss in die Plenardebatte einge-bracht werden. Unter anderem wirddort nochmals auf die Einbeziehungder Zivilgesellschaft in die Ausarbei-tung des Rechtsinstruments ge-pocht, eine Herausforderung auchfür den Deutschen Kulturrat.

Europa und KulturStartschuss bei der UNESCO • Von Barbara Gessler

Page 12: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

politik und kultur 01/04 Seite 13 HKS 47 schwarz

EUROPA politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 13

Als im Sommer 1997 das Auswärti-ge Amt und das Bundesministeriumdes Innern an den Deutschen Kultur-rat herantraten, die deutsche Bera-tungsstelle für die EU-Kulturförder-programme Kaleidoskop, Ariane undRaphael zu übernehmen, ahnte nie-mand, welche Erfolgsgeschichte da-raus entstehen würde und welchwichtige Hilfe der Cultural ContactPoint für deutsche Antragsteller wer-den würde. Die Hürden für die Ein-richtung des deutschen CulturalContact Point lagen zunächst sehrhoch. Dabei hatte alles in Brüsselmit einer sehr ehrenwerten Idee be-gonnen.

Die EU-Kommission wollte dieVielzahl der Anträge auf EU-

Kulturfördermittel kanalisieren undvor allem im Vorfeld all jene aus-schließen, die aus formalen Grün-den für eine Förderung nicht in Fra-ge kamen. Die Antragsteller solltendirekt in den Mitgliedstaaten bera-ten und die komplizierten Förde-rungsmodalitäten von Fachkräftenvor Ort erläutert werden. In anderenFörderprogrammen hatte die EU-Kommission mit diesem Verfahrenbereits positive Erfahrungen gesam-melt.

Auch von deutscher Seite wurdediese gute Idee zur Verbesserung derStartbedingungen für die Antrag-steller zur EU-Kulturförderung ger-ne aufgegriffen, sechzehn Bundes-länder wollten je einen CulturalContact Point einrichten und dafürjeweils EU-Fördermittel erhalten.Dieser Vorschlag hingegen stieß beider EU-Kommission auf wenig Ge-

genliebe, so sah es einige Zeit so aus,als würde nun Deutschland keinenCultural Contact Point erhalten. Indiesem Augenblick kamen das Bun-desministerium des Innern und dasAuswärtige Amt auf den DeutschenKulturrat zu, ob er nicht den deut-schen Cultural Contact Point über-nehmen würde. Die Bereitschaft warsofort da und der Hürdenlauf be-gann.

Es galt die Länder zu überzeu-gen, dass keine Einmischung in ihreFördertätigkeit erfolgen würde. Denkommunalen Spitzenverbändemusste vermittelt werden, dassletztlich die Kulturakteure vor Ortvon einer solchen Beratungsstelleprofitieren würden. Und die Kom-plementärmittel zur EU-Förderungdes Cultural Contact Point musstenbeschafft werden.

Am 15.12.1997 war es dann soweit, der deutsche Cultural ContactPoint nahm im Haus der Kultur inBonn seine Arbeit auf. Der DeutscheKulturrat hatte die Rechtsträger-schaft, im Innenverhältnis wurdemit der Kulturpolitischen Gesell-schaft eine Kooperation eingegan-gen. Beim Sommerfest 1998 desHauses der Kultur fand die feierlicheEinweihung des Beratungsbürosstatt.

Die Anfangsgeschichte des Cul-tural Contact Point fiel genau in dieZeit, in der auf kulturpolitischerEbene heftig darum gestritten wur-de, ob der Bund überhaupt kultur-politische Kompetenz besitzt undwie er sie ausfüllen darf. Der Deut-sche Kulturrat hatte im Frühsommerdes Jahres 1998 die Forderung erho-

ben, dass nach der Bundestagswahl1998 ein Ansprechpartner für Kul-turpolitik mit Kabinettsrang einge-richtet werden sollte. Dieser Forde-rung, der sich zuerst andere Verbän-de anschlossen und die dann auchvon Politikern aller Fraktionen imDeutschen Bundestags aufgegriffenwurde, stellten sich die Länder vehe-ment entgegen. Der Cultural Con-tact Point der nicht mehr aber auchnicht weniger als eine Informations-und Beratungsstelle zu der EU-Kul-turförderung sein wollte, wurde voneinigen als bundespolitische Anma-ßung gesehen. Dieses Misstrauen istinzwischen einer partnerschaftli-chen Zusammenarbeit gewichen.

In den sechs Jahren seiner Tätig-keit ist der Cultural Contact Point in-zwischen zu seiner wichtigen An-laufstelle für die EU-Kulturförde-rung geworden. Nach dem Auslau-fen der Programme Kaleidoskop,Ariane und Raphael werden Antrag-steller über das FolgeprogrammKULTUR 2000 beraten. Neben einerersten Information über die Voraus-setzungen zur EU-Kulturförderunghalten die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter eine Vielzahl praktischerTipps für die konkrete Antragstel-lung bereit und sehen, so es ge-wünscht wird, Förderanträge fürKULTUR 2000 auf Plausibilität undVerständlichkeit durch. Informati-onsveranstaltungen in den Ländernsowie bei Verbänden haben mög-lichst vielen potenziellen Antragstel-lern das Programm KULTUR 2000nahe gebracht. Zusätzlich werdenHinweise auf andere Förderpro-gramme gegeben, die von Kulturak-

teuren unter Umständen auch inAnspruch genommen werden kön-nen. Viele Kulturorganisationensind in den letzten Jahren zu„Stammkunden“ des Cultural Con-tact Point geworden und informie-ren sich regelmäßig über aktuelleEntwicklungen in der EU-Kulturför-derung.

Über die Informationstätigkeitin Deutschland hinaus arbeitet derdeutsche Cultural Contact Point imNetzwerk der Cultural Contact Pointmit. In allen an KULTUR 2000 teil-nahmeberechtigten Staaten, dassind sowohl die EU-Mitgliedstaatenals auch die Beitrittsländer, wurdenCultural Contact Points eingerich-tet. Sie treffen sich zweimal jährlichin dem Land, welches die EU-Rats-präsidentschaft innehat und bera-ten praktische Fragen des Pro-gramms KULTUR 2000. Bei vielenProbleme, die zunächst als deutsch-landspezifisch erschienen, stelltesich heraus, dass sie in verschiede-nen Teilnahmeländern auftauchen.Auch wird eine gemeinsame Koope-rationspartnerdatenbank gepflegt,die vom spanischen Cultural Con-tact Point installiert wurde.

Nach nunmehr sechs JahrenRechtsträgerschaft des CulturalContact Point durch den DeutschenKulturrat geht diese zum 1.1.2004 andie Kulturpolitische Gesellschaftüber. Der Deutsche Kulturrat wirdnun die vorherige Rolle der Kultur-politischen Gesellschaft überneh-men und als Kooperationspartnerdas Projekt inhaltlich mittragen abernicht mehr Rechtsträger sein.

Mir bleibt an dieser Stelle allen

zu danken, die zum Gelingen desProjektes und seinen Erfolg beige-tragen haben. Da sind zuerst die Mi-nisterien zu nennen, die die Mittelbereitgestellt haben, dass sind dieGeneraldirektion Bildung und Kul-tur der Europäischen Kommissionsowie von deutscher Seite das Bun-desministerium des Innern und seit1999 die Beauftragte der Bundesre-gierung für Kultur und Medien. Wei-ter wurde die Arbeit durch einenBeirat begleitet dem im Laufe derJahre angehörten: Heinrich Blei-cher-Nagelsmann, Barbara Gessler,Gerhard Horn, Ulrike Knotz, Wolf-gang Maurus, Dr. Frank Schilling,Ingrid Sprengelmeier-Schnock,Jörg-Ingo Weber, Peter von Wesen-donk, Rolf Zitzlsperger. Mein Dankgilt weiter dem MitgeschäftsführerDr. Norbert Sievers, KulturpolitischeGesellschaft, für die gelungene Koo-peration. Last but not least möchteich allen Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern danken, die durch ihreSachkenntnis und durch ihr Engage-ment zum Gelingen des Projektesentscheidend beigetragen haben. Essind: Christine Beckmann, SabineBornemann, Ralf Brünglinghaus,Annette Cammann, Caroline Dan-gel, Heike Degener, Christina Det-scher, Ulrika Hallensleben, AthinaTrakas.

Ab dem 01.01.2004 lautet die An-schrift:Cultural Contact Pointc/o Kulturpolitische GesellschaftWeberstraße 59a53113 Bonn

Erfolgsgeschichte Cultural Contact PointErst umstritten, inzwischen wichtige Anlaufstelle zur EU-Kulturförderung • Von Olaf Zimmermann

Im Jahr 2010 darf sich eine deut-sche Stadt mit dem Ehrentitel Kul-turhauptstadt Europa schmücken. Inder Ausgabe 3/2003 von politik undkultur wurde ausführlich über daserste Treffen der Bewerberstädte aufEinladung der Stadt Kassel berich-tet. Bei diesem Treffen wurde derDeutsche Kulturrat gebeten, dienächste Zusammenkunft der Bewer-berstädte auszurichten.

Am 03.11.2003 trafen sich auf Ein-ladung des Deutschen Kulturra-

tes fünfzehn der sechszehn Bewer-berstädte (Augsburg, Bamberg,Braunschweig, Bremen, Des-sau/Wittenberg, Essen, Görlitz, Hal-le, Karlsruhe, Kassel, Köln, Lübeck,Münster, Osnabrück, Potsdam, Re-gensburg) im Max-Liebermann-Haus der Stiftung BrandenburgerTor in Berlin. Nach einer kurzen Ein-führung durch den Stellvertreten-den Vorsitzenden des Deutschen

Kulturrates Heinrich Bleicher-Na-gelsmann wurden ausführlich Fra-gen einer gemeinsamen Öffentlich-keitsarbeit der Bewerberstädte erör-tert. Die Redaktion Kulturzeit von3sat stellte vor, wie Filmportraits derStädte aussehen könnten, die imLaufe des Jahres 2004 in Kulturzeitausgestrahlt werden könnten.

Breiten Raum nahm in der Dis-kussion das nationalen Auswahlver-fahren ein. Bislang ist immer nochoffen, wie viele Städte das Auswärti-ge Amt als Bewerberstädte für dieKulturhauptstadt 2010 nach Brüsselmelden wird. Wird es nur eine sein,die dann mit hundertprozentiger Si-cherheit den Zuschlag erhält? Oderwerden es mehrere sein und wirdder Europäischen Kommission dieAuswahl überlassen? Die Auswahl inDeutschland soll der Bundesrat vor-nehmen. Bislang ist noch vollkom-men offen, ob der Bundesrat dafüreine unabhängige Jury berufen wird

oder ob diese Entscheidung im Kul-turausschuss des Bundesrates ge-fällt wird. Der Deutsche Kulturrathat auf Bitten der Bewerberstädteden Bundesrat um Klärung gebeten.

Nur wenige Wochen nach dieserSitzung kristallisierte sich heraus,dass neben der deutschen Kultur-

hauptstadt Europas im Jahr 2010wahrscheinlich noch eine ungari-sche Stadt Kulturhauptstadt Euro-pas wird. Staatsministerin für Kulturund Medien Christina Weiss hattebereits im Oktober dieses Jahres an-geregt, die Beitrittsländer stärker ander Kulturhauptstadt Europas zu be-teiligen und den Städten der Bei-trittsländer möglichst frühzeitig dieMöglichkeit zu eröffnen Kultur-hauptstadt Europas zu werden.

Am 17.11.2003 hat nun die Euro-päische Kommission eine Änderungdes Beschlusses über die Kultur-hauptstädte Europas (KOM (2003)700 endg.) vorgelegt. Darin wird u.a.vorgeschlagen, dass Deutschland imJahr 2010 nicht mehr alleine das Be-nennungsrecht für die Kulturhaupt-stadt Europas 2010 hat, sondernauch Ungarn eine Kulturhauptstadtbenennen darf. Das bedeutet, dass2010, sollte der Vorschlag eine Mehr-heit finden, zwei Städte – und zwareine aus Deutschland und eine ausUngarn – Kulturhauptstadt Europaswerden. Über diesen Vorschlag müs-sen nun das Europäische Parlament

und die Mitgliedstaaten entscheiden. Die Situation für die Bewerber-

städte hat sich durch diesen Vorstoßgravierend verändert. Die Städtemüssen nun damit rechnen nichtmehr allein Kulturhauptstadt Euro-pas zu sein, sondern diesen Ehren-titel mit einer anderen Stadt zu tei-len. Mit Blick auf die Integration derBeitrittsländer in die EuropäischeUnion ist diesem Vorschlag sogar ei-niges abzugewinnen. Die deutschenBewerberstädte aber brauchen Pla-nungssicherheit. Sie müssen wissen,ob sie im Jahr 2004 allein die Kultur-hauptstadt stellen oder ob noch einezweite Stadt aus Ungarn oder einemanderen Beitrittsland hinzukommt.

Der Deutsche Kulturrat wurdevon den Bewerberstädten wiederumaufgefordert, das nächste Treffen imFebruar in Berlin auszurichten.Mittlerweile hat das Auswärtige Amtangeboten, dass das Treffen in ihrenRäumen stattfinden könnte unddass Vertreter des Auswärtigen Am-tes den Bewerberstädten Rede undAntwort stehen werden. ■

Klarheit auf dem Weg zur Kulturhauptstadt EuropasErstes Treffen der Bewerberstädte beim Deutschen Kulturrat • Von Olaf Zimmermann

v.l.r.: Prof. Monika Grütters (Vorstand Stiftung Brandenburger Tor), Olaf Zimmermann (Geschäftsführer Deutscher Kulturrat),Heinrich Bleicher-Nagelsmann (Stellv.Vorsitzender Deutscher Kulturrat), Barbara Gessler (Wissenschaftliche MitarbeiterinDeutscher Kulturrat), Armin Conrad (Koordinator 3Sat)

v.l.r.: Silke Heilmerl (Bamberg), Oliver Will (Bamberg), Werner Hipelius (Bamberg), Ullrich Eidenmüller (Karlsruhe), Dr. WilhelmNeufeldt (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg), Joachim Ebel (Kassel)

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Musik bringt Menschen zusammen.Also gehören Musik und musikali-sche Bildung zum Mittelpunkt vonSchule. Musik sorgt aber auch fürKommunikation. Wer singt oder aufeinem Instrument musiziert, der er-lernt genau genommen eine zweiteSprache. Sie ist unerschöpflich in ih-rer Vielfalt.

Wenn Deutschland sich nochheute einer hohen Musikkul-

tur rühmen darf, ist dies nicht zu-letzt der Verdienst der Laienmusik-erinnen und Laienmusiker. Vor die-sem Hintergrund freue ich mich, dieSchwerpunkte, die das Land Baden-Württemberg bereits seit Jahrzehn-ten in der Zusammenarbeit vonSchule und Verein setzt, im Über-blick vorstellen zu können.

Die Wechselbeziehungen zwi-schen den Vereinen der Laienmusikund der schulischen Musikpflegesind in Baden-Württemberg in denzurückliegenden 20 Jahren in neuerWeise betont worden. Dies warmöglich, weil die Verbände und dieVereine der Amateurmusik gerade inBaden-Württemberg in einer quan-titativ und qualitativ guten Entwick-lung stehen, was sich auch auf dieSchulen auswirkt.

In den öffentlichen Schulen wir-ken rund 150.000 Schülerinnen undSchüler, dies sind etwa zehn Prozentder Gesamt-Schülerschaft, freiwilligin den 6.000 Chören und Instrumen-talgruppen der Schulen mit. DieFreude der Baden-Württembergeram gemeinsamen Singen und Musi-zieren gehört somit zur besonderenIdentität und den Wesensmerkma-len dieses Bundeslandes. Deshalbwurde Baden-Württemberg auch

schon mehrmals der Ehrentitel„Musikland Nr. 1“ verliehen. DieseGegebenheiten stellen eine sehr gu-te Voraussetzung dar, den aktivenUmgang der Schülerinnen undSchüler mit Musik im „kulturellenLebensraum von Schule“ noch wei-ter zu entwickeln und Modelle fürweitere und musikbetonte Betreu-ungsangebote im Schulwesen zu er-proben bzw. dauerhaft einzuführen.

Die musikalische Zusammenarbeit benötigt

Strukturen

Die Formen der Zusammenarbeitvon Schule und Verein im Musikbe-reich, die sich in Baden-Württem-berg entwickelt haben, resultierenaus einer besonderen Struktur, dieüber Jahre entstanden ist. Die ein-zelnen Schritte seien hier nur stich-wortartig genannt:• Einführung von speziellen Fachre-

ferenten für Musik und Kunst inden 4 Oberschulämtern bzw. imKultusministerium selbst;

• Einführung von musikspezifi-schen Ansprechpartnern in allen30 Staatl. Schulämtern und Ein-führung von speziellen Beauftrag-ten der musikalischen Zusam-menarbeit mit den Sängerbünden,den Blasmusik-Verbänden unddem Deutschen Harmonika-Ver-band in Baden-Württemberg.

• Entwicklung von speziellen Ar-beitskreisen auf Ebene des Ministe-riums, in denen Experten der Mu-sikbünde und Vertreter der schuli-schen Musikerziehung zusammen-arbeiten und gemeinsame Vorha-ben entwickeln und betreuen.

• Hinzugetreten sind Arbeitskreisemit den großen Musiktheatern inBaden-Württemberg, der Arbeits-kreis mit dem Musikbereich desSüdwestrundfunks sowie Ge-sprächsforen mit den Kulturäm-tern der größeren Städte in Baden-Württemberg.

Erfolg mit speziellen Kulturprogrammen

Bereits im Jahre 1985 hat Baden-Württemberg spezielle Kulturpro-gramme zur Entwicklung einer um-fassenden Zusammenarbeit vonSchule und Verein im Musikbereichentworfen, die ständig weiterentwi-ckelt werden.

Ausgangspunkt hierfür ist das„musisch-kulturelle Förderpro-gramm“, das verschiedene Formender aktiven Zusammenarbeit in Ver-ein und Schule begleitet. In diesemRahmen finden Jahr für Jahr ca. 1000Kooperationskonzerte statt.

Motor dieser Entwicklung sindsog. „Modellkonzerte“, bei denen aneinem gemeinsamen Konzertabendjeweils eine Grundschule, eineHauptschule, eine Realschule ggf.auch eine Sonderschule bzw. einGymnasium beispielhafte Formender musikalischen Zusammenarbeitmit einem jeweils zugeordnetenMusikverein präsentieren. Viele Mu-sikvereine tun sich aktuell schwer,ausscheidende Chorleiter bzw. Ver-einsdirigenten adäquat zu ersetzen.Auch etwa im Bereich der Haupt-und der Realschulen in Baden-Württemberg fehlen oftmals musi-kalische Fachkräfte, welche Chöreund Orchester betreuen können.Daher hat Baden-Württemberg seit

den 90er Jahren Programme der „ge-meinsamen Chorleiterausbildung“(GC) bzw. der „gemeinsamen Diri-gentenausbildung“ (GD) aufgelegt.Hierbei werden interessierte – abermusikfachlich nicht ausgebildete –Lehrkräfte der Schulen mit beson-deren Talenten aus der Aktivitas derMusikvereine zusammengefasstund in eintägigen Veranstaltungenals Chorleiter bzw. Dirigent nach-qualifiziert. Naturgemäß entsprichtdiese Nachqualifizierung nicht derförmlichen Dirigentenausbildungan Musikhochschulen bzw. Kirchen-musikhochschulen, sie erweist sichaber immer dann als besonders effi-zient, wenn es darum geht, an Schu-len erstmals Chor- oder Instrumen-talgruppen aufzubauen bzw. Musik-vereinen und Chören im Amateur-status, die künstlerisch nicht allzuambitioniert sind, einen adäquatenDirigenten zu vermitteln.

Als besonders nachhaltig hatsich in Baden-Württemberg die Aus-bildung von Musikmentorinnenund Musikmentoren erwiesen. Sol-che Mentoren-Programme bestehenim internationalen Rahmen bislangnur in Südkorea und in Schweden.Bei dieser Mentorenausbildung wer-den 15 bis 16-jährige Schülerinnenund Schüler aller Schularten, diesich für eine spezielle Musikgattunginteressieren, bei Wochenend-Lehr-gängen in enger Zusammenarbeitmit den Musikbünden des Landesausgebildet, wobei die Schulverwal-tung den administrativen Rahmenstellt. Die Musikbünde bringen Re-ferentinnen und Referenten ein, dienicht allein musikfachlich, sondernauch im Umgang mit Jugendlichenbesonders erfahren sind. Derzeit

werden in Baden-Württembergjährlich 250 bis 300 Mentorinnenund Mentoren der Musik ausgebil-det. Sie erhalten ein Zertifikat überihre Ausbildung und werden dannentweder in der musikalischen Ju-gendarbeit eines Vereins, im Musik-leben ihrer Schule oder auch in bei-den Bereichen gleichzeitig tätig.

Für Schülerinnen und Schülerder Fachschulen für Sozialpädago-gik, die den Beruf der Erzieherinbzw. des Erziehers an den Kinderta-geseinrichtungen anstreben, wirdaktuell auch eine Mentorenausbil-dung im Bereich des „Singens mitKindern“ entwickelt. Viele musika-lisch besonders talentierte Schül-erinnen der Fachschulen nehmeninzwischen an diesem weiterenMentoren-Ausbildungsweg teil undwerden seitens der Kindergarten-träger bevorzugt eingestellt.

Zur Abrundung der oben ge-nannten Entwicklungsprogrammeist seit dem Jahre 2001 in Baden-Württemberg die sog. „Dauerkoope-ration Schule – Verein“ im Musikbe-reich eingeführt. Hierbei unter-zeichnen Schule wie Verein ein„Partnerschaft-Gelöbnis“, welchesfür viele Jahre Bestand haben sollund die wechselseitige Unterstüt-zung, die Bildung neuer Musizier-gemeinschaften, Beiträge zum Musik-leben der Heimatregion und dieFörderung des jugendlichen Ehren-amtes als zentrale Inhalte ausweist.Das Land Baden-Württemberg för-dert diese Dauerkooperationen je-weils mehrere Jahre nacheinander– je nach Qualität und finanziellem

Zusammenarbeit von Musikverein und SchuleEin Modell, das in Baden-Württemberg „Schule“ macht • Von Annette Schavan

politik und kultur 01/04 Seite 14 HKS 47 schwarz

BILDUNGSREFORM politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 14

Mit dem Investitionsprogramm „Zu-kunft Bildung und Betreuung“ för-dert die Bundesregierung in dennächsten Jahren den Aufbau vonGanztagsschulen. Dies ist ein not-wendiger Schritt, um die Bildung vonKindern und Jugendlichen zu verbes-sern. Er fordert Schule und Jugend-hilfe auf, zu einem neuen Selbstver-ständnis ihrer jeweiligen pädagogi-schen Arbeit zu kommen und ihr Bil-dungsverständnis zu erweitern.

Allerdings wird in Deutschlandder Begriff „Bildung“ immer zu

häufig allein mit Schule verbunden.Gelingende Lebensführung und so-ziale Integration bauen aber ebensoauf Bildungsprozessen in Familiensowie beispielsweise in Einrichtun-gen der Kinder- und Jugendkulturund des Sports auf.

Die Kooperation zwischen Schu-le auf der einen und Einrichtungenwie Musikschulen, Theaterwerkstät-ten, medienpädagogischen Zentrenoder Kindermuseen auf der anderenSeite ist nicht neu. Es gibt bereits et-liche gelungene Beispiele und dieZahl der Schulen, die für ihr Nach-mittagsangebot die Zusammenar-beit mit außerschulischen Trägernsuchen, steigt. Aber die Kooperationzwischen zwei so verschiedenenPartnern ist nicht immer einfach.Kooperation gelingt nur dann, wenndie Partner sich gegenseitig in ihrerProfessionalität anerkennen und inihren unterschiedlichen Bildungs-aufträgen respektieren. So müssensich Kultureinrichtungen auf die be-sonderen Erfordernisse der Schuleeinstellen. Die Schule muss sich aufandere, ungewöhnliche Lern- und

Lehrformen einlassen.Ausgangs- und Mittelpunkt aller

Kooperationsbemühungen sind dieKinder und Jugendlichen selbst. Ge-meinsames Ziel sollte es sein, sie inihrer Entwicklung zu einer umfas-send gebildeten Persönlichkeit zufördern und zu unterstützen. Damitdies gelingt, sollten Schule und au-ßerschulische Träger ein gemeinsa-mes Bildungsverständnis entwi-ckeln. Dabei ist Bildung nicht zu re-duzieren auf unmittelbar verwert-bares Wissen oder berufsverwertba-re Fertigkeiten. Bildung bezieht sichauf den ganzen Menschen, auf seinekognitiven, aber eben auch auf seinesozialen, emotionalen und ästheti-schen Fähigkeiten.

Entdeckendes Lernenin eigener Regie

Eine solchermaßen umfassende Bil-dung ist nicht allein durch formaleBildungsprozesse, wie sie vorrangigin Schule stattfinden, zu erreichen,sondern nur durch das Zusammen-spiel von formalen, nicht-formellenund informellen Bildungsprozessen,also durch die Zusammenarbeit vonSchule und Trägern und Einrichtun-gen der kulturellen Bildung. Denngerade in Musikschulen, in Jugend-kunstschulen, Kindermuseen, Me-dienwerkstätten, Theaterzentren,Leseclubs und vielen anderen Ein-richtungen kultureller Bildung gibtes Möglichkeiten zum entdecken-den Lernen in eigener Regie, zumAusprobieren und Experimentieren.Fremdes und bisher Unbekannteskann ergründet werden, neue Sicht-weisen laden zum Perspektivwech-

sel ein. Wir können es uns gar nichtleisten, die hierbei erworbenenSchlüsselkompetenzen nicht als sol-che wahrzunehmen und wertzu-schätzen.

Sowohl kulturelle Bildung alsauch der Sport können Beachtlichesdazu beitragen, dass aus den künfti-gen Ganztagsschulen lebensweltbe-zogene Lern- und Lebensorte wer-den, in die Kinder und Jugendliche,Pädagogen und Pädagoginnen,Fachkräfte und natürlich auch dieEltern gerne gehen.

Mehr als die Summe der Teile

Den Kunstsparten sage ich: BringenSie Ihre Professionalität und Quali-tät, aber auch ihre Kreativität undFantasie mit in die Schulen. Entwi-ckeln Sie gemeinsam mit Lehrkräf-ten, Schulleitungen, Eltern und derSchülerschaft ein Konzept, das überdie Addition von „Schule plus au-ßerschulischer Jugendbildung“ hi-nausgeht, ein Konzept, bei dem dieschulischen Veranstaltungen unddie außerunterrichtlichen Angeboteaufeinander Bezug nehmen, sich er-gänzen und bereichern.

So wie zum Beispiel in einer offe-nen Ganztagsgrundschule in Mühl-heim an der Ruhr, an der die Lan-desarbeitsgemeinschaft Musik Nord-rhein-Westfalen zusammen mit ei-nem Cellisten der Essener Philhar-monie ein Nachmittagsangebotdurchgeführt hat. Die Kinder, vielemit Migrationshintergrund, mach-ten begeistert mit. Mit Hilfe von Mu-sik und Rhythmusinstrumentenwurden zunächst Wahrnehmung

und Körpergefühl geschult – dieFörderung der Konzentration, dieErweiterung von Bewegungs- undAusdrucksmöglichkeiten war dasZiel. Kurze Tänze, Instrumentenbau,kleine improvisierte Spielszenenfolgten. Den inhaltlichen Schwer-punkt bildeten Lieder aus den Her-kunftsländern der Kinder. Die warenmit unglaublichem Eifer bei der Sa-che und erste Wirkungen beschreibtdie Schulleiterin so: „Beim Singender türkischen Lieder – in der Origi-nalsprache – fühlten sich die türki-schen Kinder einmal in einer ganzanderen Rolle als im Unterrichtsall-tag. Hier profitierten sie von ihrerZweisprachigkeit und es war zu be-obachten, dass einige Teilnehmerrichtig aufblühten. Die deutschenKinder und Jugendlichen lernten in

dem Projekt den türkischen Textund setzten sich so verstärkt mit derHerkunft und Sprache ihrer Klassen-kameraden auseinander. Dieser Rol-lentausch – einmal in der Rolle desNicht-Verstehenden zu sein – wareine besondere Herausforderung fürdie deutschen Teilnehmer.“

Neue Qualität von Bildung

Das Beispiel zeigt: Die Fachlichkeit,Ideen und Methoden der kulturellenBildung tun der Schule gut! Trägerund Fachorganisationen der Kultur-arbeit sollten Mut und Energie ha-ben, ihre – manchmal auch unkon-ventionellen – Anregungen in dieSchulen zu tragen. Denn dann wirdaus der Ganztagsschule der von al-len gewünschte neue Lern- und Le-bensort, an dem das Zusammen-spiel von Schule und Trägern außer-schulischer kultureller Bildung zueiner neuen Qualität von Bildungauf der Grundlage innovativer undintegrativer Konzepte führt.

Theater, Musik, Multimedia-kunst und Literatur können ebensowie Bewegungsangebote aus demInvestitionsprogramm des Bundesein Innovationsprogramm machen,damit aus Schulen „Häuser des Ler-nens“ werden, die Kindern und Ju-gendlichen eine umfassende Bil-dung ermöglichen.

Die Verfasserin ist Bundesministerinfür Familie, Senioren, Frauen und

Jugend ■

Die Ganztagsschule – ein neuer Lern- und LebensortFür eine Kooperation von Schule und Trägern kultureller Jugendbildung • Von Renate Schmidt

Renate SchmidtFoto: Bundesministerium für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend

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Page 14: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

Die aktuelle Bildungsdebatte inDeutschland wurde einerseits vonden Ergebnissen der PISA-Studie(Deutsches PISA-Konsortium 2002)und andererseits von den Erkennt-nissen des Forum Bildung motiviert.Die PISA-Studie löste im Land einennationalen Bildungsschock aus. Siekonstatierte unterdurchschnittlicheWerte bezüglich der Lesekompetenzvor allem bei den 15-jährigen Jun-gen. Einer „frühen Förderung dieserKompetenz“ (S. 134) misst sie „einegroße Bedeutung zu“ und empfiehlt,den Aspekt „der frühen Leseförde-rung dezidiert (als) Gegenstand vonvorschulischen Programmen“ anzu-sehen. „Von besonderer Bedeutungist hierbei die Förderung von Kindernaus Migrationsfamilien und aus anre-gungsarmen und lesefernen Eltern-häusern“ (S. 134).

Das Forum Bildung, das im Janu-ar 2002 seine zwölf Empfehlun-

gen als Ergebnis einer zweijährigenArbeit und als konsensuale Grund-lage für Bildungsreformen präsen-tiert hat, hebt ebenfalls die Bedeu-tung von Bildungsprozessen in denfrühen Jahren der kindlichen Ent-wicklung hervor und fordert an vor-derster Stelle die frühe, individuelleFörderung des kindlichen Lernens.Es weist auf die Notwendigkeit hin,„Motivation und Fähigkeit zu konti-nuierlichem und selbst organisier-tem Lernen früh zu wecken“, „Mög-lichkeiten der Kindertageseinrich-tungen zur Unterstützung früherBildungsprozesse besser zu nutzen“und eine „Verbesserung der Bedin-gungen für individuelle Förderung(in der Grundschule) einzuleiten“.

Der derzeit in Deutschland ge-führten, vorwiegend politisch-ge-sellschaftlich motivierten, Bildungs-debatte gingen Diskussionen vo-raus, die sich mit frühkindlichen Bil-dungsprozessen, der Qualität desBildungscurriculums, der pädagogi-schen Qualität und den Rahmenbe-dingungen befassten. Diese Beiträgebefürworten eine Modernisierungund Neugewichtung der Bedeutungvon Bildung für Kinder unter sechsJahren. Es sind jedoch nicht natio-nale Debatten, sondern internatio-nale Entwicklungen, die einen theo-retischen wie bildungspolitischenRahmen zur Entwicklung neuer Bil-dungspläne bereit gestellt haben,

auf den kurz eingegangen wird.Gewandeltes Weltverständnis als

Ausgangspunkt neuer Bildungscur-ricula: Betrachtet man die Argu-mentation, die zur Begründung derNotwendigkeit einer Bildungsre-form für Kinder (auch) im vorschuli-

schen Alter herangezogen wird, sowerden neben wirtschaftlichen,kontextuellen, familialen und natio-nalen vor allem solche Argumenteherangezogen, die auf einen kultu-rellen und sozialen Wandel hinwei-sen. Verfechter dieser Argumentati-on vertreten die Ansicht, dass sichunser Verständnis von der Welt, inder Kinder heute leben und auf-wachsen, tief greifend gewandelthat, worauf die Bildungspläne stär-ker reagieren sollten.

Es ist der Verdienst von Dahl-berg, Moss und Pence (1999), dieKonsequenzen aufgezeigt zu haben,die sich aus einem verändertenWeltverständnis für die Konstruk-tion von Bildungskonzepten und fürdie Definition von Bildung ergeben.Hier wird ersichtlich, dass bisherigeBildungskonzepte in Deutschlandeine Weltsicht implizieren, die es zuhinterfragen gilt: Diese setzen näm-lich voraus, dass die Welt struktu-riert ist und in ihren Abläufen undGesetzmäßigkeiten erfasst werdenkann mit Rückgriff auf Wissen mitwertfreiem und universellem Cha-rakter, das mittels der empirischenWissenschaft gewonnen wurde. DasIndividuum wird als autonom ange-nommen und existiert unabhängigvom jeweiligen Kontext und Ent-wicklung wird in Reife, Autonomie

und Rationalität manifest, Eigen-schaften, die der menschlichen Ver-nunft zu dienen hätten. Lernen wirdals vom Kontext unabhängiger, vor-wiegend individueller Prozess auf-gefasst, und das Kind bildet sichnach dieser Auffassung selbst. Von

daher wird ein einheitliches Bil-dungskonzept für alle Kinder befür-wortet. Kulturelle und ethnische Di-versität bleibt unberücksichtigt,kontextuelle Aspekte werden nichtthematisiert.

Solche dekontextualisierten Bil-dungskonzepte werden aktuell nochvertreten. Es wird nach wie vor einBildungsbegriff verwendet, der un-ter Vernachlässigung des histori-schen und sozialen Kontextes defi-niert wird. Man greift zu diesemZweck auf entwicklungspsychologi-sche Argumentationslinien zurück,die der konstruktivistischen Traditi-on piagetscher Prägung entstam-men. Die zentrale These lautet da-bei: Frühkindliche Bildung ist in ers-ter Linie Selbstbildung. Das Kindeigne sich die Welt durch Eigentätig-keit an. Bildung ist demnach ein au-topoietischer Prozess. Das wesentli-che entwicklungspsychologische Ar-gument, das dieser Behauptung zu-grunde liegt, besagt, dass alles Wis-sen vom Kinde nach Maßgabe sei-ner kognitiven Fähigkeiten konstru-iert werde. Zwar ist in dieser Theseder allgemein akzeptierte Grundsatzenthalten, dass Wissen und Bildungdem Kind nicht unmittelbar vermit-telt – gewissermaßen „eingetrich-tert“ – werden können, es werdenaber soziale Prozesse des Bildungs-

geschehens weitgehend vernachläs-sigt bzw. nicht in ihrer tatsächlichbestehenden zentralen Bedeutungbetrachtet. Mayall (1994, S. 2) argu-mentiert, dass ein konstruktivisti-sches Verständnis von Bildung dasHandlungsfeld des Kindes ein-schränkt, den Fokus auf das Indivi-duum legt, und dass dadurch eineBeschreibung des „universell dekon-textualisierten Kindes“ angestrebtwerde.

Komplexe LebensweltAus der so genannten postmoder-nistischen Perspektive im SinneDahlbergs betrachtet, wird hingegendie Auffassung vertreten, dass wirKinder auf das Leben in einer Welthin zu bilden und zu erziehen ha-ben, die in hohem Maß kulturell di-vers und sozial komplex gewordenist. Pluralität wird als konstitutivesElement unserer Existenz betrach-tet. Komplexität, Diversität, Unsi-cherheit, Nichtlinearität und Sub-jektivität gelten als genuine Charak-teristika dieser Welt. Es gebe keineuniversellen Gesetzmäßigkeiten.Ein objektives Wissen, das daraufwarte, entdeckt zu werden, wird zu-nehmend in Frage gestellt. Unter-schiedliche Perspektiven und zeitli-che und räumliche Besonderheitenseien kennzeichnend für diese Welt.Komplexität und Unsicherheit wer-den dabei als reichhaltige Quellenfür das Lernen bejaht. Lernen wirdals sozialer Prozess definiert, an des-sen Konstruktion das Kind selbst,wie auch die Fachkräfte, die Elternund andere beteiligt sind. Kontext-freies Lernen stelle keine ernsthafteOption mehr dar. Bildungsplänehätten demnach den sozialen, kul-turellen und ethnischen Hinter-grund des Kindes in hohem Maße zuberücksichtigen.

Dem Lernprozess in einer sokennzeichenbaren Welt komme einehohe sozialintegrative Funktion zu.Bildungskonzepte haben aus dieserPerspektive die Aufgabe, dem KindOrientierungskompetenz sowie Fer-tigkeiten zum Umgang mit Krisen,Brüchen und Diskontinuität zu ver-mitteln. Es wird demnach die Auf-fassung vertreten, dass frühkindli-che Bildungsprozesse auf den jewei-ligen Kontext auszurichten seien, indem sie stattfinden, also die Gesell-schaft und Kultur mit ihren jeweili-

gen spezifischen Möglichkeiten undAnforderungen.

Anderer BildungsansatzNeudefinition von frühkindlicherBildung: Unser Bildungsansatz, wieer im Bayerischen Bildungs- und Er-ziehungsplan zum Ausdruck kommt,ist – in Übereinstimmung mit inter-nationalen Entwicklungen, sowohlin den Grundlagendisziplinen (zumBeispiel Entwicklungs- und Lernpsy-chologie) als auch in den Anwen-dungsdisziplinen (z.B. pädagogischeLernkonzepte, Instruktionspsycho-logie) – im Kern ein anderer, nämlichein sozialkonstruktivistischer (vgl.Palincsar 1998). Im Sozialkonstrukti-vismus wird das Kind als von Geburtan in soziale Beziehungen eingebet-tet angesehen. Lernen und Wissens-konstruktion werden als interaktio-naler und ko-konstruktiver Prozessaufgefasst.

Ein klassisches Beispiel für dieKo-Konstruktion findet sich in denBeobachtungsstudien des Entwick-lungspsychologen Jerome Bruner(1987). Er hat gezeigt, wie Kleinkin-der in der Sprachentwicklungsphasein der Interaktion mit der Mutter ler-nen, Bilderbücher zu betrachten.Ohne interaktionalen ko-konstrukti-ven Kontext, in dem die Mutter aufdie Äußerungen des Kindes eingehtund die Bilder verbalisiert, wären siefür ein Kleinkind bedeutungslos.Der in unserem Bildungs- und Er-ziehungsplan (2003) vertretene An-satz stellt demnach die Interaktions-prozesse zwischen Kind und Er-wachsenem in den Mittelpunkt, undzwar von Geburt an.

Es geht dabei nicht allein um ein„Mittragen“, sondern zentral da-rum, pädagogische Leitlinien zu fin-den, die den Interaktionsprozess sogestalten, dass Entwicklung sichüberhaupt vollziehen kann. Ent-wicklung ist nicht etwas, das imKind eo ipso voranschreitet, son-dern ein Prozess, der nicht von dersozialen und kulturellen Lebensweltdes Kindes getrennt werden kann.Bildung muss daher notwendiger-weise entwicklungs- und kompe-tenzfördernde Interaktionen enthal-ten, die gezielt zu gestalten sind. Esreicht deshalb nicht aus, in Bildungs-

Den Umgang mit der Krise rechtzeitig lernenKultur in den neueren Bildungsplänen für Kinder unter sechs Jahren • Von Wassilios E. Fthenakis

Der Autor bei einem Vortrag in Bozen Foto: Archiv

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BILDUNGSREFORM politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 15

Aufwand. Sie stellen eine wesent-liche Voraussetzung dafür dar, diemusikalischen Betreuungsangebotedurch Vereine an Schulen sowie dieMusikerziehung von Kindern und Ju-gendlichen vor allem im Bereich despraktischen Singens und Musizie-rens auszuweiten und für die Nach-wuchsarbeit der Vereine neue undweitere Potentiale zu erschließen.

Besondere Akzente im Bereich des Singens

Der gesellschaftliche Wandel und ei-ne zunehmende Technisierung derLebensverhältnisse haben dazu ge-führt, dass Singen in der Alltagskul-tur in den Familien, in den Kinder-Tageseinrichtungen, aber auch imkirchlichen Bereich in bedauerlicherWeise zurückgegangen ist. Da dieHeranführung an die Musik, d. h. dieMusikalisierung eines Kindes in al-ler Regel über das Singen und ent-sprechende Bewegungsspiele er-folgt, hat Baden-Württemberg ein„Bündnis für das Singen mit Kin-dern“ angeregt, bei dem inzwischenalle Ämter der Kirchenmusik, alle

Musikbünde, die wesentlichen Mu-sikinstitutionen des Landes, die El-terngremien usw. engagiert mitwir-ken. Die Gründung einer Stiftung„Singen mit Kindern“ hat dazu ge-führt, dass nunmehr Monatslieder-kalender für alle Grundschulklassenzur Verfügung gestellt werden kön-nen, Singepässe für Kinder und vieleSonderveranstaltungen für das „Fa-miliensingen“ in Baden-Württem-berg geschaffen wurden.

Ich bin davon überzeugt, dassdas gemeinsame Singen der Kinderund das Singen der Erwachsenenmit den Kindern weit über den mu-sikerzieherischen Ansatz hinausauch die emotionale Intelligenz, dieKommunikationsbereitschaft, dieKreativität und die Lebensfreude derKinder erhöhen und erhebliche Bei-träge zum Spracherwerb, zur Lese-freudigkeit usw. ermöglichen. Daherspielen bei der aktuellen Einführungdes Fremdsprachenunterrichts inden Grundschulen in Baden-Würt-temberg gerade auch das miteinan-der Singen und die Musikerziehungeine wesentliche Rolle. Angesichtsdes hohen videophonen Medien-konsums vieler Kinder und Jugend-licher ist die Wiederentdeckung des„Klangs gesprochener Worte“ für

Kinder und Jugendliche, aber auchihrer Lehrerinnen und Lehrer, einwesentlicher Beitrag, den pädagogi-schen Wert von Sprache und Musikin Familie wie Schule neu zu erken-nen.

Musikerziehung als gemeinsamer

Bildungsauftrag

Aktive Musikerinnen und Musikersind Botschafter der Freude, der Ge-selligkeit – aber auch der tiefen undder bewegenden Emotionen. Sie be-wahren unsere, an Traditionen soreiche Musikkultur, unsere Sprache,die Worte der großen Dichter, auchunsere Anschauungen und Werte.

In einer Zeit, in der in unsererGesellschaft das Streben nach indi-vidueller Selbstverwirklichung inden Mittelpunkt gestellt wird,gleichzeitig aber viele Menschen –und gerade Kinder und Jugendliche– ein großes Bedürfnis nach Ge-meinschaft haben, ist das miteinan-der Singen und das miteinanderMusizieren in den Chören und Or-chestern, ein besonders wichtigerBeitrag für Lebensqualität und Freu-de am Lernen. Gerade weil die Liebe

zur Musik Menschen verschiedens-ter Altersstufen und aus den ver-schiedensten Berufen und Lebens-bereichen verbindet, müssen wir er-

kennen, dass die musikalische Bil-dung der Kinder und Jugendlichennicht ausschließlich auf der reinschulischen Ebene erfolgen kann,sondern einen Gemeinschaftsauf-trag von Elternhaus, Musikschule,

Kirchenmusik, musizierenden Verei-nen und Schule darstellt. Die Musik-kultur eines Landes beginnt hierbeiimmer bei den Kindern und längstvor Erreichen des schulpflichtigenAlters.

Die in Baden-Württemberg ge-wachsene musikalische Zusammen-arbeit von Schule und Verein bildeteine neue und weitere Basis für dieEntwicklung der Musikkultur, siehilft den Kindern und Jugendlichen,den aktiven Umgang mit Musik alsbesonders schöne Form der Lebens-gestaltung zu entdecken und denReichtum an musikalischer Bildungund Erziehung zu vergrößern. Des-wegen hat die Kooperation vonSchule und Verein neben der da-durch möglichen musikalischenAusbildung der Jugendlichen aucheine hohe gesellschaftliche Bedeu-tung. Beides sind wichtige Argu-mente das aktive Singen und Musi-zieren im Schulalltag wieder stärkerzu verwurzeln.

Die Verfasserin ist Ministerin fürKultus, Jugend und Sport des Lan-

des Baden-Württemberg ■

Annette SchvanFoto: Ministerium für Kultus, Jugend und

Sport des Landes Baden-Württemberg

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Den Umgang mit der Kriserechtzeitig lernen

konzepten für die Kinder von heuteauf selbstbildende Potenziale zubauen. Die Forschung hat gezeigt,dass der Kontext für die Entwicklungdes Kindes und für das kindlicheLernen von wesentlicher Bedeutungist, dass Entwicklungsverläufe nichtuniversal sind und dass die Auffas-sung, Lehren in der frühen Kindheitsei das Vermitteln von einzelnenWissenskomponenten, keine Gültig-keit mehr hat (Carr 1998b, S. 323).

Paradigmenwechsel bei der Kon-struktion neuer Bildungspläne: Die-ser Paradigmenwechsel eröffnetneue Sichtweisen, auch mit Blick aufunser Verständnis und unsere Sinn-konstruktionen von pädagogischerPraxis und Theorie. Es wird zudemdie Auffassung vertreten, dass bishe-rige Bildungskonzepte vielfach derPhilosophie und den Anforderun-gen entsprochen hätten, die der Na-tionalstaat an sie gerichtet hat, etwadie Betonung der Dominanz derMuttersprache und der ethnischenIdentität bei Vernachlässigung lin-gualer Diversität und interkulturel-ler Kompetenz.

Parallel mit der Erkenntnis, dasssich die Welt, auf die hin heute Kin-der zu erziehen sind, fundamentalgewandelt hat, gingen auch nationa-le und internationale Entwicklungeneinher, die ein verändertes Verständ-nis von Bildung ankündigten. Vor al-lem Entwicklungen in den USA, Ka-nada, Australien und Neuseeland,aber auch in europäischen Ländernwie Schweden (Pramling Samuelson2002), Norwegen (1996), Finnland(1998), England (2002, 2002), führtenzur Konstruktion neuer Bildungscur-

ricula für Kinder im Alter von untersechs Jahren, denen das skizziertegewandelte Verständnis von Welt zuGrunde liegt. So wird z. B. im norwe-gischen Bildungsplan die Beziehungzwischen Kultur und Curriculumthematisiert und Tageseinrichtun-gen werden als „Mediator of Culture“konzeptualisiert. Die Sami-Spracheund Kultur wird dann folgerichtigzum Bestandteil des norwegischenBildungsplans. Entwicklungen die-ser Art sind auch im schwedischenBildungsplan enthalten, wobei ausinhaltlicher Sicht, Demokratie dasHauptthema des (schwedischen)Curriculums ist. Sie werden im Kon-zept des Lernens sowie in den for-mulierten Werten und Normen deut-lich wie auch im Stellenwert, der derPartizipation und Mitbestimmungder Kinder und der Kooperation inElternhaus und Schule beigemessenwird (Pramling Samuelson 2002). Vordem Hintergrund einer zu bejahen-den kulturellen Diversität können imWeiteren Entwicklungen in Neusee-land nachvollzogen werden, wo seitBeginn der 90er Jahre die Entwick-lung eines neuen Bildungscurricu-lums „Te Whäriki“ initiiert wurde. „TeWhäriki“ (das bedeutet „gewobeneMatte“) ist ein gutes Beispiel neuererCurriculumentwicklung, in der kul-turelle und linguale Diversität als ge-wünschte und bereichernde Ele-mente in der Curriculumkonstrukti-on berücksichtigt werden, wobei dieSprache, die Kultur und die Wertevon Maori und Pakeha Eingang indas Curriculum finden. Damit liefertdieses Curriculum ein exzellentesBeispiel eines Bildungskonzeptes, indem die Vision der Umsetzung einerbikulturellen Perspektive und einesantirassistischen Ansatzes in Verbin-dung mit einer respektvollen Bezie-hung zu den Maori vollzogen wird(Ritchie 1996). Auch dieses Curricu-

lum betont die kritische Rolle vonsozial und kulturell vermitteltemLernen sowie der interdependentenBeziehungen von Kindern zu Men-schen, Orten und Dingen und Kultur.Kinder lernen durch Zusammenar-beit mit Erwachsenen und Gleichalt-rigen, durch angeleitete Partizipati-on und am Beispiel anderer wiedurch individuelle Erkundung undReflexion.

Aktive Ko-KonstrukteureDass es (auch kulturelle) Differen-zen durch das Bildungssystem nichtzu beseitigen gilt, sondern dass die-se im Bildungsplan als eine Quelleder Bereicherung reflektiert werdensollten, lässt sich auch an einigenweiteren Ansätzen frühkindlicherErziehung und Bildung, z. B. im Bay-erischen und Berliner Bildungsplanaufzeigen. Kinder und Pädagogenwerden in diesen Plänen als Ko-Konstrukteure von Wissen und vonKultur und als Bürger mit Möglich-keiten, Rechten und Pflichten ver-standen.

Diese Vorstellung vom Kind alsaktivem Ko-Konstrukteur von Wis-sen und Kultur basiert auf einer re-spektvollen Haltung gegenüber demKind. Dieses wird als neugierig undmutig beschrieben, als Wesen, dasaus eigenem Antrieb heraus lernen,erkunden und sich in aktivem Dia-log mit anderen Menschen entwi-ckeln will. Dies ist das Bild eines„kompetenten“ Kindes, welches anden Vorgängen in unserer Welt teil-hat und (dadurch) sein Lernenselbst in die Hand nimmt. Lernen indiesem Sinne wird als kooperativeund kommunikative Aktivität ver-standen, wobei sich Kinder zusam-men mit Anderen Wissen erschlie-ßen und den Vorgängen in der WeltSinn verleihen. Das Kind ist hiernicht mehr ein „leeres Gefäß“, wel-

ches langsam mit Wissen gefülltwird. Vielmehr entwickelt das Kindeigene Ideen und Theorien, denenes sich auf der einen Seite lohnt zu-zuhören, die aber auf der anderenSeite auch geprüft und in Frage ge-stellt werden können und sollen.

Die Forderung kulturelle, ge-schlechtsbezogene und sonstige Di-versität in der Curriculumkonstruk-tion so zu reflektieren, dass sie als zubejahendes konstitutives Merkmaleines Bildungskonzeptes gilt, kannvor dem angedeuteten Hintergrundnachvollzogen werden. Die rich-tungweisende Arbeit von Derman-Sparks (1989), die in Deutschlanddurch Christa Preißing und ihr Teamweitergeführt wird, sowie generelldie Bewegung von „Cultural Diversi-ty“ in der vorschulischen (und schu-lischen) Erziehung und Bildung,deuten in die gleiche Richtung: Wirbenötigen ein Bildungskonzept, indem auf einer sozialkonstruktivisti-schen Grundlage Bildung als sozia-ler Prozess definiert wird, dem dasBild eines kompetenten und aktivenKindes zugrunde liegt, das seineLernumwelt mitkonstruiert. Wir be-nötigen ein Bildungskonzept, dasden kulturellen, sozialen und ethni-schen Hintergrund des Kindes re-flektiert, kontextuelle Faktoren ein-bezieht und in hohem Maße sozial-integrativ ist. Der zuletzt genannteAspekt ist gerade in Deutschlandvon zentraler Bedeutung, da zum ei-nen die PISA-Studie für das deut-sche Bildungssystem ein Höchst-maß an sozialer (und kultureller)Ausgrenzungswirkung nachweistund zum anderen eine Untersu-chung (Civil Study) deutschen Kin-dern weltweit den höchsten Wert anXenophobie bescheinigt.

Der Verfasser ist Direktor des Staats-instituts für Frühpädagogik ■

Literatur

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lian Journal of Early Childhood, 21/1996 (3),

28-32

Als Dachorganisation der instrumen-talen Laienmusik führte die Bundes-vereinigung Deutscher Orchesterver-bände e.V. (BDO) am 30./31. Okto-ber 2003 in der LandesvertretungBaden-Württemberg in Berlin eineForumsveranstaltung durch, die dieChancen und Perspektiven künftigerKooperationen zwischen allgemein-bildenden Schulen und Musikverei-nen vor dem Hintergrund schulischerGanztagsangebote praxisorientiertdarstellen und bewerten sollte.

Mit der Unterstützung des Bun-des wird angestrebt, in fünf

Jahren fast jede dritte Schule inDeutschland zu einer Ganztags-schule auszubauen. Ob diese Ent-wicklung eintreten wird, wurde voneinigen Teilnehmern bezweifelt. Si-cher ist aber wohl, dass der Ganz-tagsbereich erheblich an Bedeutunggewinnen wird. Vor diesem Hinter-grund herrschte unter den acht Re-ferenten und 90 angereisten Teil-nehmern Einigkeit darüber, dassdem Fach Musik im Rahmen vonGanztagsangeboten eine entschei-dende Bedeutung zukommen kann:Wir brauchen eine Schule, die zurVerantwortung in Freiheit erzieht.Eine Schlüsselrolle kommt dabei derkulturellen Bildung zu, die für dasBildungsgeschehen und die Welt-aneignung des Jugendlichen min-destens den gleichen Stellenwert hatwie beispielsweise die HauptfächerDeutsch und Mathematik. Musizie-ren fordert und fördert in diesemSinne Schlüsselqualifikationen undbesitzt integrative Wirkung sowiesoziale Kraft. Wer Musik spielt, spieltbesser – vor allem auch auf der Kla-viatur schulischer Lernziele. Umdiese Wirkungen des Schulfachs

Musik jedoch entfalten zu können,wird es in Zukunft darauf ankom-men, dass sich schulische und au-ßerschulische Institutionen als Part-ner verstehen in dem gemeinsamenStreben, die musikalischen Bil-dungschancen der Kinder und Ju-gendlichen aufrecht zu erhalten undzu entwickeln.

Von dieser Position ausgehendkonnten durch das Forum folgendeErkenntnisse gewonnen werden:• Die Türen für Kooperationen zwi-

schen Schulen und Musikvereinensind so offen wie nie zuvor.

Für den Musikunterricht der ver-gangenen Jahrzehnte waren fastausschließlich die beim Staat festangestellten Lehrkräfte zuständig.Im Rahmen der Bereitstellung einesGanztagesangebots werden die all-gemeinbildende Schulen aus orga-nisatorischen und finanziellenGründen die Notwendigkeit haben,mit außerschulischen Partnern zu-sammenzuarbeiten. Aus dieser Not-wendigkeit ergeben sich jedochreichhaltige Perspektiven, die be-reits von vielen Schulen erfolgreichausgebaut werden.• Die derzeitige Diskussion um

Ganztagsangebote ist eine Chan-ce, das Schulfach Musik neu zu ge-stalten.

Verschiedene Praxismodelle, die imRahmen des Forums vorgestellt wur-den, haben gezeigt, dass über eineZusammenarbeit von schulischenund außerschulischen Lehrkräftendem Schulfach Musik eine große Ge-staltungsvielfalt zukommt, bei dervor allem auch das praktische Musi-zieren in den Mittelpunkt des Unter-richts gerückt werden kann. Ent-scheidend dabei ist die Frage, aufwelche Weise der schulische und au-

ßerschulische Angebotsanteil kon-zeptionell und infrastrukturell mit-einander verbunden werden kann.• Musikvereine können im Rahmen

neu entstehender Lern- und Be-treuungsallianzen an allgemein-bildenden Schulen kompetentePartner sein.

Viele Musikvereine beschäftigengrößtenteils qualifizierte Musikpä-dagogen, die ihre Ausbildung an ei-ner Musikhochschule absolviert ha-ben und die über ihr Studium in-strumentalspezifische Fachkompe-tenzen in die allgemeinbildendeSchule hineintragen können. DieMusikvereine sind aber noch in an-derer Hinsicht, die nicht vernachläs-sigt werden sollte, kompetente Part-ner. Auch unter dem Gesichtspunktder Kunst- und Traditionspflege, dergemeinschafts- und gesellschafts-bildenden wie auch der jugendpfle-gerischen Aufgaben haben die Mu-sikvereinigungen einen hohen ge-sellschaftspolitischen Stellenwert.Denn Musikvereine verstehen sichnicht nur als Ort der Musikpflege,sondern auch als Institution sozialerund kommunikativer Repräsentanz,die durch Kooperationen auch denSchulen zugänglich gemacht wer-den kann.• Über Kooperationen kann die

mangelnde Ausbildung von Mu-siklehrern an allgemeinbildendenSchulen nicht ausgeglichen wer-den.

Von verschiedenen Referenten wur-de auf die mangelnde Ausbildungvon Musiklehrern und den darausresultierenden Musikstundenausfallan Schulen hingewiesen. Es kann je-doch nicht das Ziel sein, über Koo-perationen diese Defizite ausglei-chen zu wollen. Die Musikvereine

können den Musikunterricht anSchulen kompetent ergänzen undunterstützen helfen, ihn ersetztenkönnen sie nicht.• Die notwendigen Voraussetzun-

gen sind prinzipiell für jeden Mu-sikverein und jede allgemeinbil-dende Schule vorhanden.

Durch verschiedene Redebeiträgevon Teilnehmerinnen und Teilneh-mern wurde deutlich, dass die der-zeitigen staatlichen Fördermöglich-keiten von Kooperationen sich imLändervergleich stark unterschei-den. Vor diesem Hintergrund stelltendie Referenten, die als „Praktiker“ ih-re eigenen Erfahrungen bei der Um-setzung von Kooperationen in ihrenForumsvorträgen skizzierten, dar,wie auch ohne jegliche oder lediglichminimale finanzielle UnterstützungAllianzen für die Musik erfolgreichund nachhaltig verwirklicht werden

können. Notwendige Voraussetzun-gen sind dabei weniger finanzielleFördermöglichkeiten als Ideenreich-tum, eine umfassende Kommunika-tion zwischen den Institutionen, einden Partnern entgegengebrachtesgroßes Vertrauen sowie eine hoheAusdauer und Kontinuität.• Die erkannten Chancen und Per-

spektiven müssen ausführlich undpraxisorientiert dargestellt undverdeutlicht werden.

Am Ende der Forumsveranstaltungherrschte unter den Teilnehmerin-nen und Teilnehmern Einigkeit: Ko-operationen mit allgemeinbilden-den Schulen stellen eine großeChance für die Zukunftsgestaltungder Musikvereine dar. Vor diesemHintergrund ist entscheidend, dassden handelnden Personen in denVereinen und den Schulen Hilfestel-lungen gegeben werden, die denEinstieg in eine erfolgreiche undnachhaltige Kooperation erleich-tern. Dieser Aufgabe wird sich dieArbeit der Bundesvereinigung Deut-scher Orchesterverbände e.V. in denkommenden Monaten und Jahrenwidmen.

Die Ergebnisse des Berlin-Fo-rums liegen Anfang des kommen-den Jahres auch in schriftlicherForm vor und können über die Ge-schäftsstelle der BundesvereinigungDeutscher Orchesterverbände ange-fordert werden (Email: [email protected]).

Der Verfasser ist Präsident der Bun-desvereinigung Deutscher Orches-

terverbände e.V. und Parlamenta-rischer Geschäftsführer der FDP-

Bundestagsfraktion ■

Türen für Kooperationen so offen wie nie zuvorForum zum Thema allgemeinbildende Schulen und Musikvereine • Von Ernst Burgbacher

Ernst Burgbacher Foto: Bundesver-einigung Deutscher Orchesterverbände

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WERT DER KREATIVITÄT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 17

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates – Berlin, den 11.12.2003.

Zur Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Zweiter Korb“)Der Deutsche Kulturrat, der Spit-zenverband der Bundeskulturver-bände, begrüßt, dass die Bundesre-gierung mit dem „Gesetz zur Rege-lung des Urheberrechts in der Infor-mationsgesellschaft“ die im Mai2001 verabschiedete „EU-Richtliniezum Urheberrecht in der Informati-onsgesellschaft“ zeitnah in deut-sches Recht umgesetzt hat. DasGesetz zur Regelung des Urheber-rechts in der Informationsgesell-schaft trat am 13.09.2003 in Kraft.Nach der Umsetzung der EU-Richtli-nie steht nun Korb II auf der Agen-da. Der Deutsche Kulturrat begrüßt,dass die Bundesregierung zügignach Abschluss der Arbeiten amGesetz zur Regelung des Urheber-rechts in der Informationsgesell-schaft die Beratungen zu Korb IIaufgenommen hat. Korb II bietetdie Gelegenheit, weitere regelungs-bedürftige Aspekte im Urheberrechtim Rahmen des Gesetzgebungsver-fahrens mit zu behandeln. Der Deutsche Kulturrat hat bereitsin der Vergangenheit zu den auchjenseits der notwendigen Einarbei-tung der genannten EU-Richtlinie indas deutsche Urheberrechtsgesetzakuten Probleme Stellung bezo-gen1.Wir nehmen im Folgenden zu eini-gen wesentlichen unter den Verbän-den der Künstler, der Kultureinrich-tungen, der Kulturvereine und derKulturwir tschaft unstreitigen Fra-gen Stellung.

I. Wert kreativer

Leistungen

Urheber und ausübende Künstlerleben von der Verwertung ihrerkünstlerischen Arbeiten. Ihre Kreati-vität bildet die Grundlage für ihrenLebensunterhalt und sie gehören zuden wichtigen Inhaltslieferanten derInformations- und Wissensgesell-schaft. Das Urheber- und Leistungs-schutzrecht bietet für Künstler undfür die Unternehmen der Kulturwirt-schaft, insbesondere Verleger undProduzenten, einen wesentlichenRechtsrahmen für eine wir tschaftli-che Ausübung ihrer Tätigkeit.Künstlerische Arbeiten haben ne-ben dem wichtigen ideellen auch ei-nen ökonomischen Wert. DiesenWert kreativer Leistungen zu schüt-zen, muss auch im digitalen Zeital-ter das wesentliche Anliegen desUrheber- und Leistungsschutz-rechts bleiben.

II.Position des Deutschen Kulturrates zu einzelnen

Aspekten des Urheber- undLeistungsschutzrechts

1. § 53 UrhG (Vervielfältigung zumprivaten Gebrauch)Im Zuge der Debatte um das Gesetzzur Regelung des Urheberrechts inder Informationsgesellschaft hatder Deutsche Kulturrat zu § 53UrhG umfassend Stellung genom-men. Die Positionen des DeutschenKulturrates wurden aufgegrif fen.

Insbesondere wurde erneut klarge-stellt, dass die privilegier ten Verviel-fältigungen auch digital erlaubt sind.Es gilt jetzt abzuwarten, wie sich dieneugefassten Regelungen bewähren,ehe über eine erneute Änderung von§ 53 UrhG befunden wird.

2. Pauschalvergütung oder DigitalRight ManagementDer Deutsche Kulturrat hat in seinerStellungnahme darauf verwiesen,dass die Digital Right Management-Systeme zum gegenwärtigen Zeit-punkt technisch noch nicht ausge-reift sind und damit auch eine flä-chendeckende Vergütung der Nut-zung urheberrechtlich geschützterWerke nicht gewährleisten können.Sie sind derzeit allenfalls in eng be-grenzten Bereichen der Online-Über-mittlung von Werken wirksam. Auchauf längere Sicht, wenn die DigitalRight-Management-Systeme ausge-reift sind, wird nach Auffassung desDeutschen Kulturrates die Notwen-digkeit der pauschalen Vergütung fürdie private Vervielfältigung von Wer-ken erforderlich bleiben. Der Deut-sche Kulturrat sieht daher zum ge-genwärtigen Zeitpunkt keinen Hand-lungsbedarf für eine Regelung zuGunsten von Digital Right Manage-ment-Systemen. Unabhängig davonverweist der Deutsche Kulturrat da-rauf, dass beim Einsatz von DigitalRight Management Systemen stetsder Datenschutz ausreichend zu ge-währleisten ist.

3. Höhe der PauschalvergütungenDie in der Anlage zu § 54 d UrhGfestgeschriebenen Vergütungssätzesind seit 1985 unverändert. In denbeiden Vergütungsberichten der Bun-desregierung wurde bereits daraufhingewiesen, dass diese Tarife drin-gend angehoben werden müssen.Zuletzt hat die Bundesregierung in ih-rer Antwort auf eine Große Anfrageam 27.9.2001 erneut darauf hinge-wiesen, dass diese Vergütungssätzeseit 1985 nicht erhöht worden sindund es nicht einmal einen „Inflations-ausgleich“ gab (BT-Drucks. 14/6993S. 34, Frage 54). Der Deutsche Kul-turrat fordert daher die Bundesregie-rung auf, beim jetzt anstehenden Ge-setzesvorhaben endlich die Konse-quenzen hieraus zu ziehen.Darüber hinaus vertritt der DeutscheKulturrat die Auffassung, dass sichdie bisherige Regelung, die Vergü-tungssätze gesetzlich zu regeln,nicht bewährt hat. Der Deutsche Kul-turrat empfiehlt daher, dass künftigdas Bundesministerium der Justizdie Vergütungssätze im Rahmen ei-ner Gesetzesermächtigung durchRechtsverordnung festsetzt.

4. Verwertung von ArchivbeständenIn den Archiven, besonders der öf-fentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-ten, ruhen bedeutende kulturelle„Schätze“ in Form von Aufzeichnun-gen insbesondere musikalischer undliterarischer Werke und Darbietun-gen. Mit Hilfe der neuen technischenMittel könnte und sollte dieses wich-tige kulturelle Erbe einem breiterenPublikum on- und offline zur Verfü-

gung gestellt werden. Das Urheber-recht muss dabei dazu dienen, denRechteinhabern für solche Nutzungeine angemessene Vergütung zu si-chern. Der Deutsche Kulturrat for-dert die Bundesregierung auf, imRahmen von Korb II eine Lösung derArchivproblematik unter Berücksichti-gung des Urheberpersönlichkeits-rechts herbeizuführen.

5. Verbesserung der Position bilden-der Künstler Im Vergleich zu Urhebern andererkünstlerischer Sparten besteht einestrukturelle Benachteiligung Bilden-der Künstler, deren Werke ebensowie die Werke musikalischer Autorender Öffentlichkeit überall zugänglichgemacht werden, ohne allerdingshierfür Vergütungen zu erhalten. DerDeutsche Kulturrat fordert die Bun-desregierung im jetzt anstehendenGesetzgebungsver fahren auf, diesestrukturelle Benachteiligung zu be-seitigen. Darüber hinaus sollte in §59 I UrhG eine Vergütungspflicht fürKunstwerke im öffentlichen Raumeingeführt werden, wenn die dadurchprivilegierte Nutzung zu gewerblichenZwecken er folgt.

6. Kopienversand auf BestellungDer Versand von Kopien wissen-schaftlicher Ar tikel aus Fachzeit-schriften insbesondere durch zentra-lisierte öffentliche Fachbibliothekenzählt heute zu den Eckpfeilern deswissenschaftlichen Informationsflus-ses. So hat allein die British Libraryals wohl größter Kopienversand-dienst der Welt bereits im Jahr 1998über 4 Millionen Artikel in alle Weltversandt; in Deutschland haben wis-senschaftliche Bibliotheken 2003insgesamt rd. 1,2 Millionen Artikelversandt. Einerseits ist das reibungs-lose Funktionieren des Kopienver-sandes Voraussetzung für einen flo-rierenden Wissenschaftsstandor t.Andererseits ist sicherzustellen,dass dabei die Interessen der Urhe-ber und ihrer Verleger angemessenberücksichtigt werden. Der BGH hatin seiner Entscheidung „Kopienver-sand durch öffentliche Bibliotheken –Kopienversanddienst“ (NJW 1999,1953) die „nachträglich entstandeneGesetzeslücke“ durch das Konstrukteiner gesetzlichen Lizenz geschlos-sen. Trotz dieser BGH-Entscheidungergaben sich jedoch in der prakti-schen Abwicklung, insbesondere beidem dem heutigen Stand der Technikentsprechenden elektronischen Arti-kelversand und beim Versand insAusland erhebliche juristische Prob-leme. Um den Wissenschaftsstand-ort Deutschland nicht zu gefährden,ist es daher dringend geboten, dassder Gesetzgeber selbst eine klarstel-lende Regelung in das Urheber-rechtsgesetz aufnimmt.

7. On-the-Spot-ConsultationDie unverzichtbare Kompetenz desöffentlichen Bibliothekswesens fürdie Erlangung von Medienkompetenzder Bevölkerung, wie es die Enquete-Kommission des Deutschen Bundes-tages in ihrem Abschlussbericht„Deutschlands Weg in die Informati-

onsgesellschaft“ formulier t hat,könnte durch eine auf die hiesigenVerhältnisse zugeschnittene Umset-zung des Art. 5 Abs. 3 n) der Urhe-berrechtsrichtlinie in das deutscheUrheberrechtsgesetz eine Unterstüt-zung er fahren. Hierbei sollte es aus-schließlich um die Zugänglichma-chung von rechtsgeschäftlich zu Ei-gentum erworbenen Bibliotheksbe-ständen mittels moderner Technolo-gien in den Räumen der Bibliothekgehen. Die Schranke muss im Hin-blick auf den Dreistufentest derRichtlinie so gefasst werden, dassdie ermöglichten Nutzungen nicht zuVeränderungen im Anschaffungsver-halten der Bibliotheken führen. Diesist vor allem deshalb er forderlich,weil ein hoher Anteil der Bevölkerungüber die gerade für die Nutzung digi-taler of fline-Medien notwendigenWiedergabegeräte im häuslichen Um-feld nicht ver fügt. Das Ausleihrechtgeht damit häufig ins Leere. Aberauch besonders zu schützende Be-stände könnten so in den Räumender Bibliothek zugänglich gemachtwerden, ohne dass das Original einerBenutzung unterliegen muss. DerVorrang des Vertrages sichert, dasses dem Rechteinhaber jederzeit mög-lich ist, diese Anwendung andersauszugestalten. Spätestens seit derSelbstverpflichtungserklärung derDeutschen Bibliotheksverbände zumVerleihrecht der Computersoftwarekann davon ausgegangen werden,dass das Bibliothekswesen alle Vor-kehrungen gegen eine missbräuchli-che Anwendung des Ausnahmetatbe-standes ergreifen wird.

8. Leistungsschutzrechte ausüben-der KünstlerDer neugefasste § 79 ist dogmatischwidersprüchlich: Nach § 79 Abs. IIwird die Einräumung von Nutzungs-rechten nur eingeschränkt zugelas-sen, nach § 79 Abs. I ist aber dieÜbertragung von Rechten und An-sprüchen ohne weitere Einschrän-kung ermöglicht. Es ist nicht nach-vollziehbar, wie sich das für Urhebervon je her bekannte Prinzip der Ein-räumung von Nutzungsrechten, dasder Gesetzgeber nun auch für dieLeistungsschutzrechte gewählt hat(§79 Abs. II), zur Möglichkeit derÜbertragung der Vollrechte (§ 79Abs. I) verhält. Zur Heilung des Wi-derspruchs schlägt der DeutscheKulturrat vor, § 79 Abs. I ersatzlos zustreichen.

9. Elektronische PressespiegelDer Deutsche Kulturrat hat bereits1998 auf die verstärkte Nutzungelektronischer Pressespiegel hinge-wiesen. Der BGH hat in seiner Ent-scheidung vom 11.7.2002 „Elektro-nischer Pressespiegel“ (ZUM 2002,740) ausdrücklich bestätigt, dasselektronische Pressespiegel – beiVorliegen gewisser Voraussetzungen– der Privilegierung von §49 unterlie-gen. Aufgrund dieses Urteils ist eszwischenzeitlich zu einer Kooperati-onsvereinbarung zwischen der Pres-se Monitor GmbH (als Vertreter derZeitungsverlage) und der VG WORTgekommen. Dennoch sollte dieses

Urteil zum Anlass genommen wer-den, um in § 49 UrhG abschließendauch das Recht der elektronischenPressespiegel zu regeln. Dabei soll-te eine bisher bestehende Lückegeschlossen und Abbildungen –auch wenn es hier für in der Praxisbefriedigende vertragliche Regelun-gen gibt – in die gesetzliche Rege-lung einbezogen werden.

10. Schadensersatz bei VerletzungenBei Urheberrechtsverletzungen hatder Verletzer nach derzeit geltenderRegelung in Deutschland nur dieübliche Lizenzgebühr zu bezahlen,die er auch bei entsprechend ord-nungsgemäßem Erwerb der Rechtezu bezahlen gehabt hätte. Dasdeutsche Urheberechtsgesetz soll-te – ausländischen Beispielen fol-gend – jedenfalls bei vorsätzlichenUrheberrechtsrechtsverletzungenmindestens die doppelte Lizenzge-bühr als Schadensersatz zum Re-gelfall machen. Dies sieht auch dervorliegende Entwurf einer EU-Richt-linie über „Maßnahmen und Verfah-ren zum Schutz der Rechte an geis-tigem Eigentum“ vor.Diese und die weiteren gefordertendringenden Änderungen müssenjetzt durchgeführt werden. Den Ur-hebern, Leistungsschutzberechtig-ten und sonstigen Rechteinhabernist ein abermaliges Zuwarten auf ei-ne nächste Urheberrechtsnovellenicht mehr zuzumuten.

Fußnote1 In seiner Stellungnahme„Urheber- und Leistungsschutzrechtin der Informationsgesellschaft“vom September 1998 hat der Deut-sche Kulturrat hervorgehoben,dass für eine positive Entwicklungder Informationsgesellschaft einfunktionierendes Urheberrecht un-abdingbare Voraussetzung ist. ImSchreiben des Deutschen Kulturra-tes an das BMJ vom 24.2.1999wurde zum „Diskussionsentwur f ei-nes 5. Gesetzes zur Änderung desUrheberrechtsgesetzes“ ausführ-lich Stellung bezogen. Dabei wurdebetont, dass eine 5. Urheberrechts-novelle nicht nur der Umsetzung derbeiden WIPO-Verträge dienen dür fe,sondern weitergehende, dringendeÄnderungen des Urheberrechtsge-setzes notwendig sind. Dies gilt un-verändert. In der Stellungnahmedes Deutschen Kulturrates zum Re-ferentenentwurf für ein „Gesetz zurRegelung des Urheberrechts in derInformationsgesellschaft“ hat derDeutsche Kulturrat bereits zu wich-tigen Aspekten bei Umsetzung dergenannten EU-Richtlinie Stellungbezogen. In der Stellungnahme desDeutschen Kulturrates zum Geset-zesentwurf der Bundesregierung fürein „Gesetz zur Regelung des Urhe-berrechts in der Informationsgesell-schaft“ hat der Deutsche Kulturrat,einige wesentliche Gesichtspunktezur Umsetzung der EU-Richtlinie he-rausgegriffen und die Regelung wei-terer Fragestellungen angemahnt.

Zeitung des Deutschen Kulturrates

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KulturstiftungenMit dem Handbuch wollen die Heraus-geber Beauftragte für Kultur undMedien, Bundesverband DeutscherStiftungen und Deutscher Kulturratden kulturinteressierten, noch stif-tungsunerfahrenen Nutzer in seinemEngagement für die Kultur bestärkenund ihm die Vorteile der Rechtsform

Stiftung für eine dauerhafte undeffektive Förderung der Kultur vorAugen führen.Das Buch enthält Hinweise vonStiftungs- und Kulturexperten zur„Gründung und Leitung einer Kul-turstiftung“. Da es sich um einHandbuch von direktem Nutzenfür die praktische Arbeit handelnsoll, berichten Vertreter aus allen16 Ländern über „Kulturstiftun-gen in der Praxis“. Ein Serviceteilund ein Anhang bieten Adressen,Literaturtipps zu Detailfragen, zuWeiterbildungs- und Beratungs-möglichkeiten sowie Mustersat-zungen und Mustertexte für dasStiftungsgeschäft.Format DIN A5, 192 Seiten

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Die CDU/CSU-Bundestagsfrakti-on ist in tiefer Sorge um die Stel-

lung des geistigen Eigentums im Di-gitalen Zeitalter. Die technologi-schen Entwicklungen ermöglichenes immer schneller, geistige Inhalteüber das Internet zu verbreiten.Konnte man geistiges Eigentum frü-her – im „Analogen Zeitalter“ – um-fassend schützen und damit inhaltli-

che Vielfalt des Angebots auch unterdem Gesichtspunkt der Wirtschaft-lichkeit garantieren, rinnt heute – im„Digitalen Zeitalter“ – den wirt-schaftlichen und politischen Ent-scheidungsträgern diese Möglichkeitimmer mehr durch die Hände. Mitdem sich abzeichnenden Ende derphysischen Distribution – zumin-dest aber mit dem zunehmenden

Wettbewerb zwischen physischerund digitaler Weiterverbreitung geis-tigen Eigentums – eröffnen sich neuerechtliche und politische Fragestel-lungen sowie umfassende wirt-schaftliche Anpassungsprozesse.

Die Kulturwirtschaft ist davon inbesonderer Weise betroffen. Das giltfür alle Teilbereiche, für Musik- undFilmwirtschaft ebenso wie für das

Buchwesen. Die Umsatzeinbrücheder internationalen Musikwirtschaftmarkierten den Beginn fortschrei-tender wirtschaftlicher Problemeausgelöst durch die Missachtunggeistigen Eigentums. Die Musikwirt-schaft hängt nicht von öffentlichen

Keine kulturelle Vielfalt ohne Schutz geistigen EigentumsZur Begründung eines fachübergreifenden Gesprächskreises in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion • Von Steffen Kampeter

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I.Das alte Urheberrechtsgesetz (LUG)von 1901 blieb ohne tiefgreifendeÄnderungen bis 1965 in Kraft –,dank seiner abstrakten Formulie-rungen konnte die Rechtsprechungneue Phänomene wie Schallplatte,Film, Rundfunk und Fernsehendurchaus zufriedenstellend ins gel-tende Rechtssystem einordnen.Auch unser aktuelles Urheber-rechtsgesetz von 1965 erfuhr bis1985 keine wesentlichen Änderun-gen (lediglich die Einführung einerVergütungspflicht für die Übernah-me von Fremdtexten in Schulbü-chern war durch das Bundesverfas-sungsgericht erzwungen worden).Erst 1985, nach 20 Jahren also, ent-schloss sich der Gesetzgeber insbe-sondere in den Bereichen privateÜberspielung und Reprographie zugrundlegender – und internationalbeispielgebender – Überarbeitungdes Gesetzes. Seither wird das Urhe-berrechtsgesetz in immer kürzerenAbständen reformiert – teils von derEU erzwungen (durch sieben Richt-linien seit 1991), teils aber auch auseigenem Antrieb (typisches Beispielhierfür ist das Urhebervertragsrechtvon 2002). Unmittelbar nach Einar-beitung der zwingenden Vorgabender EU-Richtlinie zum Urheberrechtin der Informationsgesellschaftdurch den „1. Korb“ steht nun alsoder „2. Korb“ zur Behandlung an,der noch vor der Sommerpause2004 in einen Referentenentwurf

münden soll. Und schon kündigt dieBundesministerin der Justiz an, dass„zur Not“ noch ein 3. Korb gefloch-ten werden müsse, „um den 2. Korbschneller ans Ziel zu bringen“ (Bri-gitte Zypries in puk Nov./Dez. 2003,S. 28). Das Urheberrecht wird alsozu einer permanenten Baustelle.Dies freilich darf nicht zu bloßemAktionismus führen. Neuregelungensollten nicht gleich wieder geändertwerden, ehe noch deren praktischeAuswirkungen, deren Konsequen-zen – gegebenenfalls durch dieRechtsprechung – ausgelotet wor-den sind. Und wenn schon von Kör-ben gesprochen wird: Die Mutterschärfte Rotkäppchen ein, gut aufden Weg aufzupassen, damit nichtder Korb herunterfällt und die Fla-sche Wein zerbricht. Rotkäppchenversprach‘s. Auch der Gesetzgebersollte vorsichtig mit dem Inhalt derUrheberrechtskörbe umgehen!

II.Mitte Oktober berief das Bundesjus-tizministerium die „Arbeitsgruppe 2.Korb“ ein und etablierte gleichzeitigelf „Unterarbeitsgruppen“ zu Spezi-althemen. Es machte damit – undmit seinem an alle beteiligten Kreiseversandten Fragebogen – deutlich,worin aus seiner Sicht die Schwer-punkte für den 2.Korb liegen.

Zentralen Raum nimmt die pri-vate Überspielung ein. Nachdemaufgrund zwingender Vorgaben derEU-Direktive in einigen Fällen be-reits ein unverzichtbares Recht aufungehinderte – reprographische –Kopien etabliert wurde (Paragraf95b, Absatz 1 UrhG), ist jetzt die Fra-ge zu beantworten, ob es auch ein –gegebenenfalls gegen Kopiersperrenund Ähnliches durchsetzbares –Recht auf Privatkopie im Audio- undaudiovisuellen Bereich geben soll(die EU-Direktive überlässt diese

Entscheidung dem nationalen Ge-setzgeber). Überflüssig scheint da-gegen der Streit, ob die bisherigenPauschalvergütungen für privatesKopieren mittels Geräte- und Leer-trägerabgabe durch Digital-Rights-Management-Systeme abgelöstwerden können und sollen: BeideSysteme werden in Zukunft neben-einander bestehen. Der Gesetzgeberselbst hat diese Dualität bereits an-erkannt, indem er festgelegt hat,dass bei Bemessung der Höhe derPauschalvergütungen zu berück-sichtigen ist, inwieweit technischeSchutzmaßnahmen private Kopienunmöglich machen (Paragraf 13,Absatz 4 WahrnG). Unabdingbaraber ist, dass sich der Gesetzgeberjetzt endlich mit der Höhe dieserdurch Gesetz fixierten Pauschalver-gütungen befasst. Diese sind seit1985 unverändert und die Bundes-regierung hat in ihren zwei Vergü-tungsberichten schon 1989 und2000 unmissverständlich die Not-wendigkeit und Absicht erklärt, sieangemessen zu erhöhen.

Unter der Überschrift „Unbe-kannte Nutzungsarten“ wird dasThema Archivregelung angeschnit-ten. Unbestritten ist, dass zahlreicheWerke kaum im Rahmen neuerÜbermittlungsarten (zum BeispielWebcasting) verwendet werdenkönnen, da es praktisch nahezu un-möglich ist, bei komplexen Werken(zum Beispiel Tonträger oder Film)die Zustimmung jedes Einzelnender vielen Berechtigten hierfür indi-viduell einzuholen. Ebenso unbe-streitbar ist, dass es aus kulturpoliti-schen Gründen bedauerlich wäre,wenn aus diesem Grund wertvollekulturelle „Schätze“, wie sie insbe-sondere in den Archiven der öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanstaltenversteckt sind, der Öffentlichkeitvorenthalten werden müssten. Zur

Lösung dieses Problems hat schonin den vergangenen Jahren einebeim Erich-Pommer-Institut ange-siedelte Arbeitsgruppe gute Ansätzeentwickelt. Das zum Schutze der Ur-heber bestehende Verbot der Über-tragung von Rechten an unbekann-ten Nutzungsarten (Paragraf 31,Absatz 4 UrhG) muss deshalb nichtaufgehoben werden.

Unter der Überschrift „Schran-ken“ werden höchst unterschiedli-che Themen angeschnitten. Obwohldie Problematik elektronischer Pres-sespiegel durch das bekannte BGH-Urteil und die danach vereinbarteKooperation zwischen der Verwer-tungsgesellschaft Wort und dendurch die Presse Monitor GmbHvertretenen Zeitungsverlegern vor-erst entschärft wurde, ist dem Ge-setzgeber im Interesse der Rechtssi-cherheit zu empfehlen, diese Fragegesetzlich zu regeln. Darüber hinauswirft das Bundesjustizministeriumdie Frage auf, ob weitere Schrankendes Urheberrechts zum Beispiel für„on-the-spot-consultation“ in Bib-liotheken oder elektronischen Ar-chive notwendig sind. Diese Fragenbedürfen sicher intensiver Diskussi-on; klar muss jedenfalls sein, dasssolche neuen Schranken – sofern siedenn geboten sind – entsprechendden verfassungsrechtlichen Vorga-ben nur im Rahmen gesetzlicher Li-zenzen, das heißt, gegen Bezahlungzulässig wären. Schließlich gehört indie Hand des Gesetzgebers auch dievom BGH etablierte Schranke fürden Kopienversand auf Bestellung.

III.Neben diesen Essentialia will dasBundesjustizministerium noch eineReihe weiterer Themen behandeltwissen. Erstaunlicherweise gehörendazu auch die Kabelweitersende-rechte, obwohl diese doch erst 1998

in Paragraf 20b UrhG eine abschlie-ßende und auch in der Praxis insge-samt zufriedenstellende Regelunggefunden haben. Die Kabelnetzbe-treiber (insbesondere die Nachfol-georganisationen der Telekom) unddie Rechteinhaber haben sich gera-de geeinigt, den bisherigen Kabel-globalvertrag für vier weitere Jahrefortzusetzen und in Hinblick auf dieSatellitensendungen zu erweitern.Sollte etwa nun versucht werden,die vertraglich fixierte Freistellungs-grenze von 75 Wohneinheiten (klei-nere Einheiten werden als urheber-rechtlich neutrale Gemeinschafts-antennen behandelt) anzuheben, sowäre dies schon konventionsrecht-lich nicht zulässig. Der Korb solltejedenfalls nicht durch solchen Bal-last unnötig beschwert werden.

Weitere Fragen des Justizminis-teriums beziehen sich – hier nurstichwortartig wiedergegeben – aufdie Rechtsdurchsetzung im Internet,die Filmurheberschaft und die –durchaus begrüßenswerte – Erwei-terung des Schutzes der Urheber,der bei Vermietung bisher nur fürTonträger und Videos besteht, auchauf andere Werkstücke (insbesonde-re Lesezirkelvergütung). Grundsätz-liche Fragen wirft das Bundesjustiz-ministerium dagegen auf, wenn esdie Einführung einer Ausstellungs-vergütung und eines Künstlerge-meinschaftsrechts („Goethegro-schen“) zur Diskussion stellt. Einbisschen viel das alles für einen ein-zigen Korb – das Urheberrechtsge-setz wird wohl zukünftig zu einemWork in Progress.

Der Verfasser ist Geschäftsführen-des Vorstandsmitglied der Verwer-tungsgesellschaft Wort und Vorsit-zender des Fachausschusses Urhe-

berrecht des Deutschen Kulturrates ■

Das Urheberrechtsgesetz als „Work in Progress“Überlegungen zum „2. Korb“ der Reform • Von Ferdinand Melichar

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Es gibt Leute, die wollen uns weis-machen, alles wäre wie im Film – na-türlich kein Piraten-Epos, da geht‘sviel zu blutig zu, sondern anders: Einpaar kleine Gauner, Typ „Butch Ca-ssidy and Sundance Kid“ oder auch –bloß keine Geschlechterdiskriminie-rung! – „Bonnie and Clyde“, diesmalsogar ohne Knarre, zweigen sich et-was ab aus dem Überfluss superrei-cher Big Bosse und teilen das dannauch noch echt nett mit dem Restder Welt, selbstverständlich alles ar-me Brüder und Schwestern! Und zumSchluss sind die Big Bosse ein biß-chen ärmer und alle andern ein biss-chen gleicher – irgendwie sympa-thisch. Aufwachen!

Denn die reale Welt sieht andersaus – und das erleben derzeit

ganz massiv diejenigen, die dafür ge-sorgt haben, dass die Bilder für denVerharmlosungsfilm über den größ-ten Massendiebstahl aller Zeiten injedem Kopf parat sind: die Filmema-cher selbst! Mancher mag das unter„Ironie des Schicksals“ abbuchen –in der Filmbranche lacht keiner!

Hier ein paar Nachrichten undZahlen aus der realen Welt:• Hollywood meldete im letzten Jahr

eine Schadenssumme von 3,5 bis 4Milliarden Dollar weltweit durchillegale Kopien und Downloads –in Europa belaufen sich die Ein-nahmeverluste auf etwa eine Milli-arde Dollar.

• Im vergangenen Jahr branntensich mehr als fünf Millionen Deut-sche 60 Millionen CDs mit Raub-kopien, klagt der Verband derFilmverleiher – die Effekte für dieBranche: etwa 15 Prozent Umsatz-rückgang jeweils im Film- und Vi-deo-Bereich, dazu passt der Rück-gang beim Kinopublikum um circa

12 Prozent in den ersten drei Quar-talen 2003.

• In diesem Jahr hat die BerlinerFilmförderungsanstalt (FFA)gleich zwei Studien zur Entwick-lung der illegalen Digital-Kopievorgestellt. Die neuesten Zahlender „Brenner-Studie 2“: 23,5 Mil-lionen unserer lieben Mitbürger

haben zu Hause Zugriff auf einenCD-Brenner und bespielten damitin den ersten Monaten dieses Jah-res mehr Rohlinge mit Filmen alsim gesamten Vorjahr; auch beimDownload ist von Januar bis Au-gust schon der Vorjahresstand er-reicht, und jeder zweite „Konsu-ment“ lädt sich die Filme vor Vi-deo-Start und jeder vierte sogarvor Kinostart aus dem Netz;71 Prozent der befragten Kopiererund Downloader sind zwischen 10und 39 Jahren alt – das ist die Kern-zielgruppe der Kinogänger, aus derman sich aber offensichtlich ver-abschieden will: 46 Prozent derBefragten wollen nach dem Bren-nen/Download nicht mehr oderweniger Kinofilme besuchen.

• Unsere „Lieblingsfilme“ werdenwie verrückt illegal kopiert: Knappeine Millionen Menschen besaßeneine Kopie von „Terminator 3 – Re-bellion der Maschinen“ schon ei-nen Monat nach Kinostart, schonvor der Video-Veröffentlichungverfügten an die 1,6 Millionen Leu-

te über eine Kopie von „Herr derRinge – Die zwei Türme“ und circa770.000 liebe Mitbürger hatten„Good Bye, Lenin“ zu Hause. Wirerinnern uns: „Anatomie“ lockte1,9 Millionen Besucher ins Kino,der zweite Teil kam nur auf 800.000– massenhaft war „Anatomie 2“ al-lerdings schon VOR Kinostart aus

dem Internet geladen worden! Das ist Entwertung und Enteignungvon geistigem Eigentum im großenStil. Natürlich wehrt sich die Filmin-dustrie!

Nachdem eine DVD für die Os-car-Abstimmung als illegale Kopier-quelle identifiziert wurde, hat diepreisverleihende Academy of Moti-on Pictures and Sciences in diesemJahr den DVD-Versand an die Aka-demiemitglieder gestoppt. Wirkonnten alle nachlesen, welchenSturm der Entrüstung das ausgelösthat –, aber auch, wie Jack Valenti, derlegendäre Präsident der MPAA, denKampf gegen den digitalen Kino-film-Raub in der Branche voran-treibt: Hier geht es nicht mehr um„more profit“, sondern um eine ge-sicherte Auswertung und damit umdie Existenzgrundlagen der Film-wirtschaft überhaupt.

In Deutschland ist es die Gesell-schaft zur Verfolgung von Urheber-rechtsverletzungen (GUV), die denKampf gegen Kino-Piraterie seitzwei Jahrzehnten führt. Ende der

80er konnte man die analoge Video-Piraterie organisierter Banden nocheffektiv stoppen, beim digitalenFilm-Raub hat sich die Szene geän-dert: Gegen die kriminelle Material-beschaffung in Kinos oder Kopier-werken verzeichnet die GUV durch-aus Erfolge, aber gegen die digitaleKopierwut der „burning generation“hat sie wenig Handhabe. Und dasliegt – so beklagt die GUV – vor allemdaran, dass Piraterie und der Wertgeistigen Eigentums in unserer Ge-sellschaft anders behandelt werdenals zuvor.

In der Tat gibt es Anzeichen füreinen gefährlichen Wertewandel:„Klauen ist cool“ könnte man janoch als pubertären Schwachsinnabtun, aber bis in die hochoffiziellenAnhörungen zu Urheberrechtsno-vellen kommt uns auch der wahrlichhistorische Irrtum „Das Internet istein globaler no-cost-shop“ und alsbizarrer neuer Interessengegensatz„Konsumenten GEGEN Kreative“

entgegen. Wer sich da allein auf dieDefensivstrategie verlässt, von VaterStaat den alten Urheberschutz ein-zuklagen, vergisst zwei eherne Er-kenntnisse: Das – mittlerweile digi-tale – Sein bestimmt das Bewusst-sein! Politik achtet auf Mehrheiten –Achtung: Konsumenten sind wir alle!

Neben der aktuell notwendigenVerteidigung von Urheberinteressen

muss eine Offensivstrategie entwi-ckelt werden. Das fordert „NeuesDenken“: Sind uns für das Informa-tionszeitalter nicht Wissen undKreativität als die wertvollsten neu-en Rohstoffe vorgestellt worden?Wie werden diese nachwachsendenSchätze ausreichend geschützt undentwickelt? Diese Frage eröffnet ei-ne Agenda von „Bankenregeln“ bis„Bildungspolitik“ und schreibt derPolitik ins Stammbuch: Nur legaleProdukte und Leistungen lassensich besteuern! Die neue Kulturwirt-schaft ist aber auch nach innen ge-fordert. Wer die digitale Zukunft re-geln will, muss klären, wie Arbeits-teilung und Kreativität heute REALfunktionieren. Die Filmproduktionmit ihrem Zusammenspiel von Ur-hebern, die ihr geistiges Eigentumohne den kreativen Produzenten garnicht verwerten können, ist hier einParadebeispiel. Von der ewigen Aus-nahme im Urheberrecht könnte derFilm als Prototyp für die Neurege-

lung von Wert und Verwertung derKreativität dienen. Hier mussschnell gearbeitet werden. Denn dieZukunft als Parasiten-Ökonomiekönnen wir alle uns nicht leisten.

Zahlenquellen: Brenner-Studie 1und 2 unter www.ffa.de

Die Verfasserin ist General-sekretärin von film20 ■

Von wegen HeldenPiraten sind Parasiten • Von Georgia Tornow

Keine kulturelle Vielfaltohne Schutz geistigen

EigentumsSubventionen ab, daher hat sich dieKommunikation der Branche langeausschließlich auf die Marktseitekonzentriert und sich nicht auf diepolitischen und rechtlichen Rah-menbedingungen. Hinweise aufnotwendige urheberrechtliche An-passungen wurden, vor allem in Eu-ropa, erst verspätet aufgegriffen.

Anders bei der Filmwirtschaft:Die Bedrohung des Kulturgutes Filmwurde rasch kommuniziert und Än-derungen angemahnt, denn durchdie breitbandigen Übertragungs-möglichkeiten nutzt eine steigendeSchar von Konsumenten die Option,innerhalb kurzer Übertragungszeitenganze Filme aus dem Netz zu laden.Durch frühzeitigen Diebstahl, z.B. inden Kopierwerken, werden verstärktauch aktuellste Filme auf illegalenTauschbörsen angeboten – zum Teilbereits vor der Weltpremiere. AufGrund des raschen Handelns derFilmwirtschaft wurde dieses Problemrecht schnell ins Bewusstsein einerbreiteren Öffentlichkeit gerückt.

Ebenso wie die anderen Bereicheder Kulturwirtschaft ist das Buchwe-sen von der illegalen digitalen Ver-breitung von Inhalten – z.T. ganzer

Bücher – betroffen. In den Netzenvon Bildungseinrichtungen kursie-ren beispielsweise Online-Versionenvon Bestsellern, die für einen spezi-ellen Kreis von Nutzern eine interes-sante Alternative zum Erwerb dergebundenen Ausgabe sein können.Und wer glaubt, dass der Vertriebvon Musik-Noten im Internet nichterfolge, der sollte einmal einen Blickauf einschlägige Websites werfen.

Egal, welchem Bereich der Kul-turwirtschaft man sich also zuwen-det, sieht man sich mit dem glei-chen Problem konfrontiert. DieMissachtung geistigen Eigentumsund sein nicht ausreichender Schutzsind die Hauptursache für die zu-nehmenden Schwierigkeiten einesganzen Wirtschaftszweiges.

Die Anpassungsreaktionen inden verschiedenen Kulturwirt-schaftsbereichen sind ähnlich. Mansucht Kosteneinsparpotentiale. Fürdie Musikwirtschaft z.B. bedeutetdas Personalabbau, Fusion von Un-ternehmen und Beschränkung desRepertoires. Vor allem Letzteres be-droht die Vielfalt angebotener Musik,denn nach den Gesetzen des Wirt-schaftens bedeutet dies eine Kon-zentration auf das problemlos zuvermarktende kommerzielle, aberkeinesfalls auf das experimentelleAngebot. Davon sind deutschspra-chige Produktionen, ebenso wie wei-te Teile des klassischen Repertoires,betroffen. Unbekannte Künstler, In-

terpreten oder Komponisten drohenOpfer genau des Netzes zu werden,das ja Vielfalt sichern wollte.

Warum verhalten sich Konsu-menten so gleichgültig gegenüberden Eigentumsrechten von Kreati-ven an ihren Werken? Zum einengibt es kein umfassendes Verständ-nis für die Schutzbedürfnisse geisti-gen Eigentums. Vielmehr hat die imInternet vorhandene freie Verfüg-barkeit von geistigen Inhalten dieWahrnehmung des Wertes von Krea-tivität nicht gerade gefördert. Wasnichts kostet, ist auch nichts wert.Geistige Inhalte werden als öffentli-ches Gut wahrgenommen – ihr Werttendiert gegen Null. Daran habenleider bewusstseinsbildende Maß-nahmen, wie die aktuelle Kampagneder Filmwirtschaft zu Raubkopien,bisher nichts ändern können. Obder Versuch der amerikanischenMusikwirtschaft, mit Klagewellenvor Gerichten diesen Bewusstseins-wandel einzuleiten, sich als erfolg-reich erweist, bleibt abzuwarten.Hinzu kommt die Diffusion der inDeutschland sehr beliebten Hard-und Software zum Brennen vonCDs, die ein preiswertes Klonen die-ses Mediums für den technikinteres-sierten Konsumenten überaus ein-fach gestaltet. Zum anderen hat dieBranche zu lange gezögert, ja hat esbis heute nicht geschafft, einen vomKonsumenten akzeptierten Weg deslegalen digitalen Erwerbs von Con-

tent anzubieten. Erst in Zeiten vonKrise und Umsatzrückgang gibt esjetzt erste digitale Videotheken. Derlegale Vertrieb von Musik auf digita-lem Weg befindet sich angesichtsdes enormen Potentials noch nichteinmal in den Kinderschuhen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfrakti-on möchte den Kreativwirtschafts-standort Deutschland stärken. Sietut dies aus mehreren Gründen. Auskulturpolitischen Gründen wollenwir die Vielfalt des Inhaltsangebotserhalten. Deutschland versteht sichals Land der Dichter und Denker. Wirmüssen daher die Vernichtung derkulturellen Vielfalt durch millionen-fachen digitalen Diebstahl beenden.Aus arbeitsmarktpolitischen Grün-den müssen wir der Vernichtung vonArbeitsplätzen im Kreativ- undDienstleistungsbereich entschiede-ner entgegentreten. Und aus wirt-schaftspolitischen Gründen wollenwir schließlich der Kreativwirtschaftin Deutschland – über den engenkulturellen Bereich hinaus – einenstärkeren Stellenwert verschaffen.

Daher hat unsere Fraktion imNovember 2003 einen Querschnitts-gesprächskreis für diesen Aufgaben-bereich gegründet. Wir wollen demWert geistigen Eigentums auch imparlamentarischen Prozess einenhöheren Stellenwert zuweisen.Dazu sollen insbesondere • regelmäßig Expertengespräche zu

aktuellen und perspektivischen

Fragen des geistigen Eigentumsstattfinden,

• die Instrumente zum Schutz vongeistigem Eigentum im Hinblickauf die marktwirtschaftliche Ord-nung überprüft und fortentwickeltwerden,

• die technologischen Entwicklun-gen in diesem Bereich beobachtetund die Möglichkeiten des Konsu-menten sowie die Schutzperspek-tiven geistigen Eigentums analy-siert werden,

• die Gesetzgebungen im nationa-len wie im internationalen Bereichbegleitet und gegebenenfalls par-lamentarische Initiativen über dieFraktion eingebracht werden,

• die Vernetzung der Aktivitäten derverschiedenen Aufgabenbereiche,wie z.B. Musikwirtschaft oderFilmwirtschaft, vorgenommenwerden,

• der Austausch mit den Erfahrun-gen anderer Länder intensiviertwerden, denn der Schutz geistigenEigentums ist eine internationaleAufgabe. Einzelne Länder beteili-gen sich leider aktiv am Diebstahlgeistigen Eigentums. Hier gilt es,Aufklärung zu leisten um diesePraxis zukünftig zu verhindern.

Der Verfasser ist seit 1990 Abgeord-neter des Deutschen Bundestags

und Initiator des Gesprächskreises„Geistges Eigentum im digitalen

Zeitalter“ ■

Fortsetzung von Seite 18

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politik und kultur 01/04 Seite 20 HKS 47 schwarz

PORTRAIT politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 20

Zwei markante Sichtbetonquader,die im rechten Winkel zueinanderstehen und einen Garten umschlie-ßen: ein Kurzbeschrieb des Muse-ums „franz gertsch“ in Burgdorf beiBern, das dem Werk des gleich-namigen Schweizer Malers undHolzschneiders gewidmet ist. Dortöffnete Anfang November eine au-ßergewöhnliche Ausstellung ihrePforten: die Installation „TheaterBoxes“ des Düsseldorfer KünstlersWasa Marjanov.

Das Außergewöhnliche ist nichtallein die Installation an sich,

sondern die einjährige „Tournee“,auf die sie geht. Die Stationen nachdem museum franz gertsch sind:Museum Folkwang, Essen, Deut-sches Architektur-Museum, Frank-furt, Kunstmuseum Ahlen, Galerieder Stadt Tuttlingen und Leopold-Hoesch-Museum-Düren (Terminesiehe unten).

Dass die Arbeiten Wasa Marja-novs bei derart unterschiedlich kon-zipierten Museen auf Interesse sto-ßen, hängt mit ihrem Facettenreich-tum zusammen. Sie sind als Skulp-turen ebenso zu begreifen wie alsArchitekturmodelle, sie knüpfen anTraditionen der klassischen Moder-ne an, nicht ohne dabei immer auchneues Terrain zu sondieren und siebeziehen auf innovative Weise Foto-grafie, Musik, Theater und Prosa inihr Konzept mit ein.

Ein Blick ins Innere der grauenSichtbetonquader des museumfranz gertsch: In einem beinahequadratischen Raum – auch hier al-les grau und weiß – hängen 20 graue,etwa DIN A 4 große Kästen an denvier Wänden, die „Theaterkisten“Marjanovs. Über jeder eine Fotogra-fie, die den Künstler von hinten vorungewöhnlichen DüsseldorferStadtansichten zeigt und deren Mo-tiv jeweils mit dem Titel einer Thea-ter-Box korrespondiert. In der Mittedes Raumes stehen zwei überle-bensgroße Skulpturen, besserSkulpturen-Möbel: „Die tischbeini-ge Jungfrau“ und „Ein Schrank voneinem Mann“. Daneben eine Podestmit TV-Bildschirm, der nochmals al-le Fotos zeigt, untermalt von Musik-miniaturen des Physikers und Kom-ponisten Hans Joachim Bormann.

Die grauen Kästen hängen in Au-genhöhe des Besuchers und könneneinzeln von diesem geöffnet und be-trachtet werden: „Der Architekt und

der Kaiser von Assyrien“ (FernandoArrabal), „Geister in der Stadt“(Thaddäus Rittner), „Das Leben imstillen Haus (Pavel Kohout), „DasZeichen an der Wand“ (Franz Theo-dor Csokor)), „Die große Schmähre-de an der Stadtmauer“ (TankredDorst), „Die Häuser des Sartorius“(George Bernard Shaw), „Zimmer-schlacht“ (Martin Walser), „BernardaAlbas Haus“ (Frederico Garcia Lorca)– jedes Theaterstück führt Architek-tur im Namen. Das genügte, um dieFantasie Marjanovs anzuregen undzwanzig Miniaturtheater mit Zu-schauerraum, Bühne und Bühnen-bild zu erfinden – jedes formal undfarblich dem Titel entsprechend.

Am Anfang steht der TitelSeit Wasa Marjanov 1976 die Klassefür Bildende Kunst und Architekturan der Kunstakademie Düsseldorfbesucht hat, zeichnen drei Dingesein Schaffen aus: Architektur,Skulptur und der menschliche Kör-per. Das Wichtigste und sicher Un-gewöhnlichste für einen Bildhauerist dabei: Am Anfang steht immerdas Wort.

Titel wie „Das eingemachteAbendmahl“, „Resonanzkörper fürverwirrte Halbtöne“, „Gesichtsskulp-turen des Verbergens und Nicht-seins“ sind Ausgangspunkte jedesneuen Werkes. „Das Wort ist derFormgeber für alles“, sagt Marjanov.Dann erst kommt die Form, das Ma-terial, die Farbe, schließlich medien-übergreifend Fotos, Videos und Tex-te. Letztere – da legt Marjanov Wertdarauf – macht und schreibt er nichtselbst. Ganz offensichtlich kennt erkeine Berührungsängste mit derKreativität anderer. Bei seinemjüngsten Projekt etwa, den „Theater-kisten“, steuerten Bernd Jansen,Thomas Merz und Wolfgang Volz Fo-tosarbeiten bei, Hans Joachim Bor-mann komponierte die Musik, Die-ter Bartel machte Videos, JoachimGeil schrieb 20 Texte zu den einzel-nen Kisten und Armin Zweite ver-fasste den Einleitungstext. Erst alleElemente zusammen ergeben dasMarjanovsche Gesamtkunstwerk.

Marjanov macht an seinenSkulpturen alles selbst, hält keineAssistenten in Lohn und Brot. Und:Er fertigt keine Skizzen oder Kon-struktionszeichnungen an: „Ich ken-ne den Titel, ich kenne grob dieForm. Ich weiß aber erst am Ende,wie es aussieht, das entsteht in ei-

nem Prozess. Alles ist mit meinenHänden gemacht, gebogen, geleimt,bemalt. Ich benütze alle Materiali-en, die man tatsächlich in der Archi-tektur benützt, vom Gitterrost bis zuKacheln, Draht, Glas und Holz. DieFarbe ist nicht Künstlerfarbe, son-dern Nitrolackfarbe wie sie überallverwendet wird. Sie wird in bis zu 20Schichten sehr dünn aufgetragen.Dadurch entsteht eine weiche Ober-fläche. Wenn die Arbeiten fertigsind, haben sie schon gelebt, sie wir-ken nie neu.“

Marjanows formales Repertoireist überschaubar, was seinen Arbei-ten jedoch nichts an ihrem Reiznimmt. Es sind meist geometrischeFormen, Kuben, Dreiecke, Kugeln,Kegel, Röhren, Scheiben, Winkel,unregelmäßige geometrische Kör-per. Das Vorgefundene konstruierter neu, das Konstruierte dekonstru-iert er.

Marjanovs Material Wasa Marjanows Affinität zumHandwerklichen, aber auch zumSpiel mit den Worten korrespondiertmit seiner Biografie. Als Vierzehn-jähriger verließ er 1965 gemeinsammit der Mutter Jugoslawien und kamnach Deutschland. Auch wenn dieMutter donauschwäbischer Ab-stammung war, für Wasa Marjanov

war Deutsch Fremdsprache. Viel-leicht die Vorrausetzung für Marja-novs spielerischen Umgang mit denWorten. Marjanov studierte zu-nächst Maschinenbau und arbeiteteals Ingenieur. Erst 1976 begann einStudium an der KunstakademieDüsseldorf. Im Unterschied zu man-chem Kommilitonen hatte er vonAnfang an einen Blick aufs Materialund konnte seine Ideen auch hand-werklich umsetzen.

Marjanov lässt aus alltäglichemMaterial Kunst entstehen: Oft zeigterst der zweite Blick, das etwas an-deres, das neue Bedeutung entstan-den ist. So etwa bei Zeichnungen aufHolzbrettern, die man sonst zur Ver-schalung nimmt. Oder wenn er etwaeinen Gitterrost als Bildträgernimmt.

Die Materialfrage ist für Marja-nov eine grundsätzliche: „Ich benut-ze keine Leinwände, keinen Stein,keine Bronze, sondern das was unsumgibt.“ Wenn Marjanov fiktive Ar-chitektur in reale Umwelt montiert,wenn er in seinen Titeln mit denWorten spielt, wenn er in der Arbeit„Das eingemachte Abendmahl“ dieKöpfe von Jesus und seinen Jüngernmit roten Haushaltsgummis dar-stellt, dann nimmt er den Betrachterjeweils mit auf seinen Grenzgängenzwischen Realität und Utopie, zwi-

schen Ernst und subversiver Ironie.Gefragt, ob er sich als ein gesell-schaftskritischer Künstler verstehe,sagt er: „Politisch ist alles, aber eherauf den zweiten Blick“.

Auffällig am Werk Marjanovs istdie Kontinuität seiner Themen undMittel seit über zwei Jahrzehnten. Esgibt sicher wenige Künstler, die sobruchlos und konsequent ihremGrundthema folgen. „Man musssich treu bleiben“, meint Marjanovlapidar. „Am Ende zahlt sich dasaus“.

Andreas Kolb ■

Theater BoxesWasa MarjanovMuseum franz gertsch 7.11.2003 –5.1.2004Museum Folkwang, Essen 30.1. –12.4.2004 Deutsches Architektur-Museum,Frankfurt 27.4.- 30.5.2004Kunstmuseum Ahlen 16.5.-18.7.2004Galerie der Stadt Tuttlingen 23.7. – 12.9.2004 Leopold-Hoesch-Museum, Düren3.10. - 28.11.2004

Internetwww.wasa-marjanov.de

Kunst für den zweiten BlickDer Bildhauer Wasa Marjanov

Wasa Marjanov Foto: Klaus-Dieter Fahlbusch

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politik und kultur 01/04 Seite 21 HKS 47 schwarz

KULTURGROSCHEN politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 21

Am 10.12.2003 zeichnete der Deut-sche Kulturrat den Tänzer und Cho-reographen William Forsythe mitdem Kulturgroschen 2003 aus. Inder Jurybegründung heißt es: „DerDeutsche Kulturrat würdigt mit die-ser Auszeichnung das künstlerischeEngagement von William Forsythe.

William Forsythe steht für eineneue Sprache und Erneuerung

im Tanz. Seine künstlerischen Arbei-ten fordern veränderte Sehweisenheraus. Sie überschreiten die Gren-zen zu den anderen künstlerischenSparten. William Forsythe hat natio-nal und international einen wesent-lichen Einfluss auf Tänzer und Cho-

reographen. Seine zusammen mitdem Zentrum für Kunst- und Medi-entechnologie entwickelte Compu-ter-Installation, Improvisation Tech-nologies, ermöglichen neue Auf-zeichnungsformen und damit Tra-dierungsmöglichkeiten des Tanzes.

William Forsythe hat sich mitseinem sozialen Engagement für

seine Tänzer Verdienste erworben.Er setzt sich in verschiedenen Pro-jekten für Künstler in anderen Län-dern ein und steht damit für die In-ternationalität der Kunst.“

Nach der Begrüßung durch Mo-nika Grütters, Vorstand der StiftungBrandenburger Tor, und einer An-sprache durch Prof. Dr. Max Fuchs,

Vorsitzender des Deutschen Kultur-rates, würdigte Linda Reisch in derLaudatio das künstlerische SchaffenWilliam Forsythe und die politi-schen Wirkungen seiner Arbeit. Inihrer Rede wurde die künstlerischeAusdrucksstärke von Forsythe Wir-ken deutlich.

Vergabe des Kulturgroschens des Deutschen Kulturrates 2003an William Forsythe

Verleihung des Kulturgroschens an William Forsythe in den Räumen der Stiftung Brandenburger Tor

Bild 1 Linda Reisch (Laudatorin), Brigitte Lange ( MdA), William Forsythe, Prof.Monika Grütters (Vorstand Stiftung Brandenburger Tor), Peter vonWesendonk (AA), Dr. Thomas Flierl (Kultursenator Berlin)

Bild 2 Ekkhardt EhlersBild 3 William Forsythe, Prof. Dr. Max Fuchs (Vorsitzender des Deutschen

Kulturrates)Bild 4 William ForsytheBild 5 Dr. Bernhard von Löffelholz, Linda Reisch, Monika von LöffelholzBild 6 Prof. Monika Grütters (Vorstand Stiftung Brandenburger Tor), William

ForsytheBild 7 Christian Höppner ( Stellv.Vors. Deutscher Kulturrat) Gitta Connemann

(MdB – Vorsitzende der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages„Kultur in Deutschland“), Prof. Dr. Max Fuchs (Vorsitzender des DeutschenKulturrates)

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AUS DEM BUNDESTAG politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 22

Im Folgenden wird auf Bundes-tagsdrucksachen mit kulturpoliti-

scher Relevanz hingewiesen. Be-rücksichtigt werden Kleine und Gro-ße Anfragen, Anträge, Entschlie-ßungsanträge, Beschlussvorlagen,Schriftliche Fragen, Mündliche Fra-gen sowie Bundestagsprotokolle. Al-le Drucksachen können unter fol-gender Adresse aus dem Internetheruntergeladen werden:http://dip/bundestag.de/parfors/parfors.htm.

Berücksichtigt werden Drucksachenzu folgenden Themen:

• Auswärtige Kulturpolitik,• Bürgerschaftliches Engagement,• Daseinsvorsorge• Erinnern und Gedenken,• Europa,• Informationsgesellschaft,• Internationale Abkommen mit

kultureller Relevanz,• Kulturelle Bildung,• Kulturfinanzierung,• Kulturförderung nach § 96 Bun-

desvertriebenengesetz,• Kulturpolitik allgemein,• Kulturwirtschaft• Künstlersozialversicherungsge-

setz,• Medien,• Steuerrecht mit kultureller Relevanz,• Stiftungsrecht,• Urheberrecht.

Europa

Drucksache 15/1574 (24. 09. 2003)Antrag der Fraktionen SPD,CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN und FDPDeutsch als Arbeitssprache auf eu-ropäischer Ebene festigen – Ver-stärkte Förderung von Deutsch alserlernbare Sprache im Ausland

Drucksache 15/1694 (14. 10. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der CDU/CSUFür eine zügige Regierungskonfe-renz über die EU-Verfassung

Drucksache 15/1834 (24. 10. 2003)Unterrichtung über die gemäß § 93der Geschäftsordnung an die Aus-schüsse überwiesenen Vorlagen(Eingangszeitraum: 15. Oktober bis21. Oktober 2003)2. Überweisung von EU-Vorlagengemäß § 93 Abs. 1GO2.8. Mitteilung der Kommission anden Rat, das Europäische Parla-ment, den Europäischen Wirt-schafts- und Sozialausschuss undden Ausschuss der Regionen überden Übergang vom analogen zumdigitalen Rundfunk (digitaler Über-gang und Analogabschaltung)(Inkl. 12753/03 ADD 1 – Arbeitsdo-kument der Kommissionsdienst-stellen)KOM (2003) 541 endg.; Ratsdok.12753/03)

Drucksache 15/1878 (05. 11. 2003)Antrag der Fraktionen SPD undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDie Errungenschaften des Kon-vents sichern – das EuropäischeVerfassungsprojekt erfolgreich voll-enden

Drucksache 15/1951Beschlussempfehlung und Berichtdes Ausschusses für Kultur und Me-dien (21.Ausschuss)a) zu dem Antrag der Fraktionen

SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und FDP -Drucksache 15/1574-

Deutsch als Arbeitssprache auf eu-ropäischer Ebene festigen- Ver-stärkte Förderung von Deutsch alserlernbare Sprache im Auslandb) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dr. Peter Gauweiler, Günter Noo-ke, Bernd Neumann (Bremen),weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSU - Druck-sache 15/468-

Deutsch als dritte Arbeitsspracheauf europäischer Ebene – VerstärkteFörderung von Deutsch als lern-baresprache im Ausland

Informationsgesellschaft

Drucksache 15/1565 (23. 09. 2003)Kleine Anfrage der Abgeordnetender Fraktion der CDU/CSUÜberwindung der digitalen Spal-tung – UNO-Weltgipfel zur Infor-mations- und Wissensgesellschaftin Genf

Drucksache 15/1678 (13. 10. 2003)Antwort der Bundesregierungauf die Kleine Anfrage der Abgeord-neten der Fraktion der CDU/CSU -Drucksache 15/1565 – Überwindung der digitalen Spal-tung – UNO-Weltgipfel zur Infor-mations- und Wissensgesellschaftin Genf

Internationale Abkommenmit kultureller Relevanz

Drucksache 15/1567 (23. 09. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der CDU/CSUDoha-Verhandlungen nach demScheitern von Cancun konstruktivund zügig voranbringen

Drucksache 15/1602 (24. 09. 2003)Kleine Anfrage der Abgeordnetender Fraktion der FDPRegionale Freihandelsabkommenals mögliche Gefahr für den Welt-handel

Drucksache 15/1844 (27. 10. 2003)Beschlussempfehlung und Berichtdes Ausschusses für Bildung, For-schung und Technikfolgenabschät-zung (17. Ausschuss)zu dem Antrag der Abgeordnetender Fraktion der CDU/CSU - Druck-sache 15/1095 -Qualitätssicherung im Bildungswe-sen und kulturelle Vielfalt beiGATS-Verhandlungen garantieren

Drucksache 15/1931 (05. 11. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der FDPDoha-Runde bis 2005 zum Erfolgführen – Mehr Entwicklung, Ar-mutsbekämpfung und Wohlstanddurch Freihandel

Kulturelle Bildung

Drucksache 15/1579 und 15/1582

(24. 09. 2003)Entschließungsantrag der Abgeord-neten der Fraktion der SPD, der Ab-geordneten der Fraktion der FDPund der Abgeordneten der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZu der Abgabe einer Erklärungdurch die Bundesregierung zu denErgebnissen der Europäischen Bil-dungsministerkonferenz am18./19. September 2003 in Berlin.

Drucksache 15/1787 (21. 10. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der CDU/CSU)Für mehr Wettbewerb und Flexibili-sierung im Hochschulbereich – derBologna-Prozess als Chance für denWissenschaftsstandort Deutsch-land

Kulturfinanzierung

Drucksache 15/1517 (08. 09. 2003)Gesetzentwurf der BundesregierungEntwurf eines Gesetzes zur Reformder Gewerbesteuer

Drucksache 15/1664 (zu Drucksache15/1517) (09. 10. 2003)Unterrichtung durch die Bundesre-gierungEntwurf eines Gesetzes zur Reformder Gewerbesteuer - Drucksache15/1517-Stellungnahme des Bundesratesund Gegenäußerung der Bundesre-gierung

Drucksache 15/1727 (15.10.2003)Beschlussempfehlung des Finanz-ausschusses (7. Ausschuss)a) zu dem Gesetzentwurf der Bun-

desregierung - Drucksachen15/1517, 15/1664 -Entwurf eines Gesetzes zur Re-form der Gewerbesteuer

b) zu dem Gesetzentwurf des Bun-desrates - Drucksache 15/1470-Entwurf eines Soforthilfegeset-zes für die Gemeinden (Sofort-HiG)

c) zu dem Antrag der Abgeordnetender Fraktion der CDU/CSU -Drucksache 15/1217-Finanzkraft der Kommunen stär-ken – Kommunale Selbstverwal-tung sichern

Drucksache 15/1729 (15. 10. 2003)Beschlussempfehlung und Berichtdes Rechtsausschusses (6. Aus-schuss)zu dem Gesetzentwurf der Abgeord-neten der Fraktion der FDP - Druck-sache 15/1247 - Entwurf eines Gesetzes zur Ände-rung des Grundgesetzes

(Kommunale Finanzreform)

Drucksache 15/1739 (15. 10. 2003)Bericht des Haushaltsausschusses(8. Ausschuss) gemäß § 96 der Ge-schäftsordnungzu dem Gesetzentwurf des Bundes-rates - Drucksache 15/1470 – Entwurf eines Soforthilfegesetzesfür die Gemeinden (SofortHiG)

Drucksache 15/1746 (15. 10. 2003)Entschließungsantrag der Abgeord-neten der Fraktion der CDU/CSUzu der dritten Beratung des Gesetz-entwurfes der Bundesregierung -Drucksachen 15/1517, 15/1664,15/1727 - Entwurf eines Gesetzes zur Reformder Gewerbesteuer

Drucksache 15/1760 (16. 10. 2003)Bericht des Finanzausschusses (7.Ausschuss)Entwurf eines Gesetzes zur Reformder GewerbesteuerEntwurf eines Soforthilfegesetzesfür die Gemeinden (SofortHiG)

Drucksache 15/1964 (10. 11. 2003)Unterrichtung durch die Bundesre-gierungGesetz zur Reform der Gewerbesteu-er (Gewerbesteuerreformgesetz –GewStRefG) - Drucksachen 15/1517,15/1664, 15/1727, 15/1760 -Anrufung des Vermittlungsaus-schusses

Kulturpolitik allgemein

Drucksache 15/1607 (25. 09. 2003)Antwort der Bundesregierung aufdie Kleine Anfrage der Abgeordne-ten der Fraktion der FDP - Drucksa-che 15/1538 -Hauptstadtkulturfonds

Drucksache 15/1683 (14. 10. 2003)Beschlussempfehlung und Berichtdes Ausschusses für Verkehr, Bau-und Wohnungswesen (14. Aus-schuss)zu dem Antrag der Abgeordnetender Fraktion der SPD und der Abge-ordneten der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN - Drucksache15/1092 -Die Qualitätsoffensive für gutesPlanen und Bauen voranbringen

Drucksache 15/1708 (15. 10. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der FDPTransparenz für den Hauptstadt-kulturfonds

Drucksache 15/2106 (28. 11. 2003)Beschlussempfehlung und Berichtdes Ausschusses für Kultur und Me-

dien (21. Ausschuss)zu dem Antrag der Abgeordnetender Fraktion der FDP- Drucksache 15/1708 -Transparenz für den Hauptstadt-kulturfonds

Drucksache 15/1790 (22. 10. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der CDU/CSU sowie der Abge-ordneten der Fraktion der FDPErrichtung einer Stiftung „Staats-oper Unter den Linden“

Drucksache 15/1712 (15. 10. 2003)Antrag der Abgeordneten der Frakti-on der FDPDaseinsvorsorge nicht gegen Wett-bewerb ausspielen

Urheberrecht

Drucksache 15/1353 (02. 07. 2003)Beschlussempfehlung des Vermitt-lungsausschusseszu dem Gesetz zur Regelung des Ur-heberrechts in der Informationsge-sellschaft- Drucksachen 15/38, 15/837,15/1066 -

Bundestagsdebatten

Thema Bildung

Plenarprotokoll 15/71 (05. 11. 2003)6126 AAnlage 13Verwirklichung der ursprünglichvorgesehenen Vergabe von 1 Milli-arde Euro für Fort- und Weiterbil-dung.Schaffung der Rechtsgrundlagenfür eine Zertifizierung von Trägernfür Weiterbildungsmaßnahmen

Thema Förderalismus

Plenarprotokoll 15/66 (16.10.2003)5590 B – 5616 BTagesordnungspunkt 4:Antrag der Fraktionen der SPD, derCDU/CSU, des BÜNDNISSES90/DIE GRÜNEN und der FDP:Einsetzung einer gemeinsamenKommission von Bundestag undBundesrat zur Modernisierung derbundesstaatlichen Ordnung(Drucksache 15/1685)Redner: Wolfgang Thierse, Präsi-dent; Dr. Wolfgang Böhmer, Präsi-dent des Bundesrates; Franz Münte-fering (SPD); Wolfgang Bosbach(CDU/CSU); Otto Schily (SPD); Kris-ta Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN); Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP);Brigitte Zypries, BundesministerinBMJ; Volker Kauder (CDU/CSU);Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN); Ernst Burgba-cher (FDP); Petra Pau (fraktionslos);Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD);Helmut Heiderich (CDU/CSU); Dr.Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU)

Thema InternationalesAbkommen mit kultureller Relevanz

Plenarprotokoll 15/70 (24. 10.2003)6067 C – 6075 AZu Protokoll gegebene Reden zurBeratung der Anträge:- Neustrukturierung der Außen-

wirtschaftsförderung als Beitragzur Schaffung von Wachstum undBeschäftigung

- Doha-Verhandlungen nach demScheitern von Cancun konstruk-tiv und zügig voranbringen

(Tagesordnungspunkt 17 a und b)6067 C Dr. Sigrid Skarpelis-SperkSPD 6067 D Erich G. Fritz CDU/CSU6070 A Michaele Hustedt BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN 6073 A GudrunKopp FDP 6075 A

Bundestagsdrucksachen

Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag

Page 22: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

„Joost Smiers: Arts under Pressure.Promoting Cultural Diversity in theAge of Globalization. London/NewYork: Zed Books 2003

In Gesprächen fällt die Reaktionauf den Begriff der Globalisierung

durchaus unterschiedlich aus: Dieeinen denken an weltweite Kontak-te, an die wechselseitige Befruch-tung der Phantasie und des Den-kens, an eine Ausdehnung des eige-nen Horizonts. Andere im kulturel-len Feld haben eher die Sorge, dassnunmehr nur noch Produkte derUS-amerikanischen Unterhaltungs-industrie unsere kulturelle Praxisprägen und wir es daher nur nochmit Standardisierung und einerweltweiten Angleichung unseres Ge-schmacks auf das niedrige Niveauder Kommerzkultur zu tun haben.Auch die ökonomische Globalisie-rung ist umstritten: Es häufen sich„Sozialforen“ mit überregionaleroder sogar globaler Ausstrahlung,wo Globalisierungsgegner ihre Be-fürchtungen gegenüber einer welt-weiten Durchsetzung des Markt-und Profitdenkens deutlich artiku-lieren. Auf der anderen Seite stehtdie Front derer, die nicht bloß ausökonomischen Gründen, sondernauch wegen eines dann möglichenfreien Austausches von Werten undIdeen das Ziel des freien Welt-Mark-tes anstreben. Vergleichsweise neu

ist es nun, dass sich die ökonomi-sche Globalisierung, so wie sie vonder Welthandelsorganisation WTOvorangetrieben wird, mit der kultu-rellen Globalisierung überlagert:Nämlich dadurch, dass „Kultur“(ebenso wie Bildung, audiovisuelleMedien oder soziale Leistungen) als„Dienstleistungen“ im Sinne derWTO identifiziert werden. Kulturwird so zu einer rein ökonomischenDienstleistung, auf die nunmehr dieRegeln des internationalen Wettbe-werbsrechts angewandt werden sol-len. Konsequenz wäre unter ande-rem, dass öffentliche Zuwendungenals marktverzerrende Subventionennicht länger erlaubt sein könnten.Nun wissen sogar viele neoliberaleHardliner, dass Kultur eine „Ware ei-gener Art“ ist (so heißt es im UN-ESCO-Kontext). Aber, so wird gesagt,es schadet die Öffnung des Marktesder Kultur nichts und ohnehin bietetdas entsprechende Handelsabkom-men (GATS) hinreichend Möglich-keiten, um schlimmste Gefahren ab-zuwenden. Es stand also bisher Be-hauptung („Zerstörung der Kultur“)gegen Behauptung („Keine Gefahrim Verzug“).

In dieser Situation ist das Buchdes Utrechter Professors für Politi-sche Wissenschaften der Künste,Joost Smiers, von größter Bedeu-tung. Smiers hat in jahrelangen Un-tersuchungen verschiedener natio-

naler Kulturmärkte eine überzeu-gende Menge an Daten und Faktengesammelt, die zeigen, dass und wieeine ungeschützte Öffnung von(Film-, Musik-, Literatur- oderKunst-)Märkten das kulturelle Ange-bot genauso schrumpfen lässt, wiees die Globalisierungsskeptiker ver-mutet haben. Der Markt mag vieleVorteile bei der Allokation normalerGüter haben: Im Kulturbereich ge-fährdet er im Grundsatz aufs höchs-te kulturelle Vielfalt. Dabei zeigtSmiers durchaus auch Beispiele fürpositive Entwicklungen – wenn etwaalte Musiktraditionen bei einem in-ternationalen Publikum als Beson-derheit im Rahmen eines Kulturtou-rismus gewürdigt und daher geför-dert werden. Doch überwiegen dra-matische Beispiele, etwa wenn dienationale Film- oder Buchindustrievöllig zusammenbricht, nachdemstaatliche Schutzmechanismen aus-gesetzt werden (Beispiele sind Mexi-ko oder die Türkei). Gerade vor demHintergrund einer eher lokal wir-kenden Kunstpraxis geht also beidieser Form der Internationalisie-rung Erhebliches verloren.

Smiers analysiert sorgsam so-wohl die Produktions-, aber auchdie Distributionsbedingungen vonKunst, die erst für eine entsprechen-de Nachfrage das je vorhandene An-gebot bestimmen. Verlierer in die-sem Geschäft sind nicht nur die

Nutzer, sondern auch die Künst-lerinnen und Künstler, die zum ei-nen fremdbestimmt sind und diezum anderen nur einen geringenAnteil am Ertrag erhalten. Kunst istdurchaus ein Geschäft, aber es pro-fitieren nicht notwendig die Produ-zenten davon – auch dies ist eine be-legte Aussage von Smiers.

An dieser Stelle führt er enga-giert eine Diskussion, die auch imKontext des Deutschen Kulturratessehr viel Emotionen freisetzenkönnte: Schuld an der zu geringenund daher ungerechten Teilhabe amErtrag der Künste sei das Urheber-recht. Dieses schütze weniger dieProduzenten, sondern bevorzugevielmehr die „Investoren“ (S. 73).Dieser Gegensatz wird zudem nochverschärft, wenn man die Kulturpro-duktionen und ihre Marktchancenzwischen den reichen und den ar-men Ländern vergleicht. SmiersBuch enthält also beides: Gute Argu-mentationshilfen in Sachen Welt-handel, aber auch Sprengstoff imHinblick darauf, dass es auch in derje nationalen kulturellen Szenehandfeste Interessensgegensätzegibt. Dem Deutschen Kulturrat sindletztere auf Grund seiner Zusam-mensetzung durchaus vertraut,auch wenn die von Smiers angezet-telte grundsätzliche Debatte über„intelectual property“ bislang inDeutschland in dieser Deutlichkeit

noch nicht geführt wurde. Joost Smiers zeigt zudem, was ei-

ne akademisch verankerte Kultur-politikforschung für eine praktischeKulturpolitik leisten kann – wasauch für Deutschland keineschlechte Perspektive wäre. Viel-leicht täte uns auch eine Diskussionder angesprochenen heiklen Fragenganz gut – auch wenn zur Zeit alleKräfte benötigt werden, eine Kultur-zerstörung durch eine ungebremsteÖkonomisierung durch internatio-nale Handelsorganisationen zu ver-hindern. Auch hierbei ist JoostSmiers als Aktivist des Internationa-len Netwok of Cultural Diversity – ei-ner der Partner bei unserer Cancun-Erklärung – heftig und streitbar in-volviert.

Das Buch ist dringend jedem zuempfehlen, der weitere Argumentein der Auseinandersetzung umGATS benötigt. Marktskeptiker fin-den Ermutigung für ihre Überzeu-gung, Markteuphoriker könntenmöglicherweise etwas nachdenkli-cher werden.

Max Fuchs ■

Marktöffnung setzt Künste unter Druck

Die Mitgliederversammlung desDeutschen Kulturrates fand am04.11.2003 unter der Leitung desVorsitzenden des Deutschen Kultur-rates, Prof. Dr. Max Fuchs, im Aus-wärtigen Amtes statt. Nach dem Vor-standsbericht über die Tätigkeit imvergangenen Jahr erfolgte die kultur-politische Aussprache zu Themenund Aktivitäten des Deutschen Kul-turrates. Sowohl die GATS-Verhand-lungen als auch die Konvention zumSchutz der kulturellen Vielfalt spiel-ten dabei eine wichtige Rolle. Weiterwurde die Entlastung für den Haus-halt 2002 erteilt und der Haushalt2004 verabschiedet. Im Anschluss andie Mitgliederversammlung infor-mierte der Leiter der Kultur- und Bil-dungsabteilung des AuswärtigenAmtes, Wilfried Grolig, über die aus-wärtige Kultur- und Bildungspolitik.Es bestand eine breite Übereinstim-mung zwischen dem Deutschen Kul-turrat und dem Auswärtigen Amt.

Der Fachausschuss Urheber-

recht beriet am 19.11.2003 unterseinem Vorsitzendem Prof. Dr. Fer-dinand Melichar den Entwurf einerStellungnahme des Deutschen Kul-turrat zur Vorbereitung eines Zwei-ten Gesetzes zur Regelung des Ur-heberrechts in der Informationsge-sellschaft. Weiter erarbeitete derAusschuss die urheberrechtlichenFragen der Wahlprüfsteine desDeutschen Kulturrates zur Wahldes Europäischen Parlaments imJuni 2004.

Der Fachausschuss Steuern trafsich am 26.11.2003 unter der Lei-tung seines Vorsitzenden Bernd Fe-sel. Breiten Raum nahmen in der Sit-zung Fragen des Gemeinnützig-keitsrechts ein. Hier sollen Forde-rungen für eine kostenneutrale Re-form des Gemeinnützigkeitsrechtszur Stärkung des BürgerschaftlichenEngagements erarbeitet werden.Weiter befasste sich der Ausschussmit der Besteuerung ausländischerKünstlerinnen und Künstler sowie

mit der ermäßigten Mehrwertsteuerfür Kulturgüter. SteuerpolitischeFragen für die Wahlprüfsteine zurWahl des Europäischen Parlaments2004 wurden erörtert.

Der Fachausschuss Bildung hatsich am 04.12.2003 unter der Lei-tung des Vorsitzenden Prof. Dr.Fuchs intensiv mit den möglichenAuswirkungen der Ganztagsschuleauf die außerschulische kulturelleBildung auseinandergesetzt. DerAusschuss wird zu dem Thema eineStellungnahme vorbereiten. Weiterspielten bildungspolitische Fragenfür die Wahlprüfsteine zur Wahl desEuropäischen Parlaments 2004 einewichtige Rolle in der Ausschussdis-kussion.

Die adhoc-Arbeitsgruppe sozialeSicherung debattierte am 10.12.2003unter der Leitung des Geschäftsfüh-rers des Deutschen Kulturrates OlafZimmermann Fragen der Alterssi-cherung von Künstlerinnen undKünstlern. Als besondere Problem-

gruppe sind die Künstlerinnen undKünstler zu sehen, die jetzt das Ren-tenalter erreichen, da sie erst seit1983 in der gesetzlichen Rentenver-sicherung als freiberufliche Künstlerversichert sein können. Sie erhalteneine sehr kleine Rente. Mit Blick aufdie jetzt aktive Künstlergenerationwurde über mögliche Formen einerprivaten Absicherung diskutiert.

Die adhoc-Arbeitsgruppe Grund-versorgung traf sich am 11.12.2003unter der Leitung des Vorsitzendendes Deutschen Kulturrates, Prof. Dr.Max Fuchs, zu ihrer konstituieren-den Sitzung. In dieser Sitzung wur-den zunächst die Positionen undProblemlagen aus den verschiede-nen künstlerischen Sparten und Be-reichen des Kulturlebens ausge-tauscht, um auf dieser Grundlageein Arbeitsprogramm zu entwickeln.

Der Sprecherrat des DeutschenKulturrates verabschiedete am11.12.2003 unter der Leitung desVorsitzenden des Deutschen Kultur-

rates Prof. Dr. Max Fuchs nach einerallgemeinen kulturpolitischen Aus-sprache die Stellungnahme desDeutschen Kulturrates zur Vorberei-tung eines Zweiten Gesetzes zur Re-gelung des Urheberrechts in der In-formationsgesellschaft (siehe hierzuSeite 17). Weiter beschloss der Spre-cherrat die Fragen an die im Europä-ischen Parlament vertretenen Par-teien zur Wahl des EuropäischenParlaments im Juni 2004.

Gabriele Schulz

Der Fachausschuss Europa/In-ternationales befasste sich am27.11.2003 unter dem Vorsitz vonRolf Zitzlsperger mit den Wahlprüf-steinen zur Wahl des EuropäischenParlaments im Juni 2004. Ein weite-res wichtiges Thema war im Aus-schuss die EU-Erweiterung und de-ren Folgen für die Kultur.

Barbara Gessler ■

Aus den Gremien des Deutschen Kulturrates

English translation page 8

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AUS DEM BUNDESTAG politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 23

Gestern Stiefkind kulturpolitischerAuseinandersetzungen, heute Motoreiner „Debatte über unsere Grund-werte“ (Ursula Sowa, Bündnis90/Die Grünen): Die Baukultur hat inden letzten drei Jahren eine steileKarriere gemacht. So präsentiertesich der Deutsche Bundestag am 16.Oktober in ungewöhnlicher Einigkeit,als er den von SPD und BÜNDNIS90/Die Grünen eingebrachten An-trag „Die Qualitätsoffensive für gutesPlanen und Bauen voranbringen“ dis-kutierte und verabschiedete.

Hintergrund des Antrags ist dieInitiative Architektur und Bau-

kultur. Von der Bundesregierung zu-sammen mit Kammern, Verbändenund anderen Akteuren im Oktober

2000 gestartet zielt die Initiative da-rauf ab, das Gespräch über die ge-baute Umwelt in breite Bevölke-rungskreise zu tragen. WesentlichesInstrument soll eine nationale Stif-tung Baukultur sein.

Auch der Antrag zur Qualitätsof-fensive räumt der Stiftungsgrün-dung einen hohen Stellenwert ein.Die ersten beiden von insgesamtzehn Forderungen, die sich an dieBundesregierung richten, sind derStiftung gewidmet. Zum einen er-wartet der Bundestag von der Regie-rung, die Beratung eines Stiftungs-gesetzes im Jahr 2004 vorzubereiten.Diesen Appell knüpft das Parlamentan die Bedingung, dass „Dritte –zum Beispiel Architekten, Ingenieu-re oder Unternehmen der Bau- und

Wohnungswirtschaft“ einen finanzi-ellen Beitrag zur Stiftungsgründungleisten. Zum anderen fordert derBundestag die Bundesregierung auf,ein inhaltliches Konzept für denAufbau der Stiftung vorzulegen.

Renate Blank bekannte sich fürdie CDU/CSU-Fraktion ausdrück-lich zur Stiftung Baukultur, mahnteaber an, noch ausstehende Fragenzu klären: „Soll sie [die Stiftung]durch eine private Beteiligung unddurch einen einmaligen oder durcheinen jährlichen Bundeszuschusserfolgen? Sollen sich die Bundeslän-der oder die Kommunen ideell undfinanziell beteiligen? Welche Perso-nen vertreten die Stiftung?“ UrsulaSowa betonte, dass es mit zehn Mil-lionen Euro „um ein überschauba-

res Volumen geht“, von dem derBund die Hälfte aufbringen wolle.

Neben der Stiftungsgründungkonfrontierte der Bundestag die Re-gierung mit Forderungen zu einemweiten Themenspektrum: dem Ex-port von Bau- und Planungsleistun-gen, der Vorbildfunktion des Bau-herrn-Bund, der Denkmalpflege, derForschungsförderung, dem Stad-tumbau, der Stadt- und Stadtquar-tiersplanung sowie der Stärkung derkommunalen Finanzen. Last, butnot least mahnte das Parlament„noch in dieser Legislaturperiode ei-nen Bericht zum Stand der Umset-zung dieses Prozesses“ an.

Joachim Günther von der FDP-Fraktion vermisste im Antrag zurQualitätsoffensive „die Forderung

nach der Vereinfachung der Bauvor-schriften“. Außerdem sprach er sichfür einen Denkmalschutz aus, der„bauintegrierend“ wirkt.

Petra Weiss (SPD) würdigte ab-schließend das „ausgesprochen po-sitive Zwischenergebnis“ der Initia-tive Architektur und Baukultur: „Inerstaunlich kurzer Zeit ist ein Pro-zess verstetigt worden, der bundes-weite Ausstrahlung gefunden hatund nach unserer festen Überzeu-gung sicherlich einen Bewusstseins-wandel nach sich ziehen wird“.

Die Verfasserin ist Sprecherin desRates für Baukultur im Deutschen

Kulturrat und Referentin für Öf-fentlichkeitsarbeit der Bundesar-

chitektenkammer ■

Bundestag einig über BaukulturAntrag „Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen“ • Von Claudia Schwalfenberg

Page 23: Zeitung des Deutschen Kulturrates„Raubkopierer sind Verbrecher“, der aggressive neue Slogan der Film-wirtschaft trifft den Nagel auf den Kopf, aber es muss endlich Schluss gemacht

politik und kultur 01/04 Seite 24 HKS 47 schwarz

DAS LETZTE politik und kultur • Jan. - Feb. 2004 • Seite 24

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Dieser Ausgabe von politik und kultur liegen bei: einAbonnementrückmeldebogen und eine Beilage der „InitiativeHören“.

Wenn unsere von der Finanzmiseregebeutelten deutschen Städte im-mer früher, oft schon Mitte Oktober,ihren Weihnachts-Schmuck aus derMottenkiste holen, den einen oderanderen Glitzer-Schleier dazukau-fen, sich Lichterketten über die tiefhängenden Schultern ihrer Kon-sum-Meilen stülpen um – aufgeta-kelt wie Bahnhofs-Huren – fürsschnelle Geschäft bereit zu sein,dann könnte man sich fast schonwieder vom Mitleid einfangen las-sen. Wohin sind sie verkommen, un-sere einst stolzen Horte der Civitas:Zu einer Summe aus Horten, Kauf-hof und Parkhaus am Dom rechter-hand, links liegt der Slum.

Was ist geworden aus den vor-maligen Zentren bürgerlicher Kulturund Bildung: Einkaufszentren, dieangeblich nicht mehr genug Gewinnabwerfen, um Geld für sogenanntefreiwillige Leistungen auszugeben.Zu solchen gehören oft genug diekommunalen Kultur- und Bildungs-strukturen. Kunst am Bau: wegge-schmolzen. Bibliotheken und Mu-sikschulen: dichtgemacht. Theaterund Orchester: rationalisiert, fusio-niert, privatisiert. Deutsche Städtein der Not schleifen zuvörderst ihrekulturellen Einrichtungen. Es seidenn, sie hätten sich der breiten Be-wegung jener Kommunen ange-schlossen, die ihr Heil in einer Be-werbung um das Prädikat „Kultur-hauptstadt Europas 2010“ erhoffen.Sollte man wenigstens meinen.

Für die Initiative, eine europäi-sche Kulturstadt zu benennen, hatsich Anfang der achtziger Jahre undsicherlich mit hoch idealistischenVorstellungen die griechische Kul-tusministerin Melina Mercouristarkgemacht. Geistige und morali-sche Leuchttürme sollten empor-streben, Modelle einer kulturhalti-gen, humanen Stadtplanung. Gelan-det sind wir allerdings auf immeropulenteren Marktplätzen, umringtvon Leuchtreklamen – ganz im Sin-ne der gängigen europäischen Eini-gungs-Strategie, die traditionell aufFaktoren wie Wirtschaft und Sicher-heit setzt, für kulturelle Belange bei-spielsweise in der geplanten euro-päischen Verfassung nur minimaleStatistenrollen vorsieht. Seit 1985

proklamiert also der EU-Kulturmi-nisterrat jährlich mindestens eineKulturstadt Europas. In Deutschlandtrug zuletzt 1999 Weimar diesen Ti-tel. Dieses Jahr glänzt Graz. 2004sind Genua und Lille auserwählt.Deutschland darf – turnusgemäß –zum Jahr 2010 wieder vorschlagen.

Für sich genommen repräsentie-ren die 16 deutschen Anwärter-Städte von Augsburg bis Wittenberg,von Essen bis Görlitz zwar das denk-bar größte gemeinsame Vielfachedeutscher Kommunal-Situationenund -Geschichten. Ihre Bewerbun-gen aber haben, soweit es die Selbst-darstellungen erkennen lassen, ei-nen gemeinsamen kleinsten Nen-ner: Kunst und Kultur spielen diezweite Geige.

Im Vordergrund stehen nämlichTourismus-Förderung, Image-Pflegeund Stadt-Marketing. Unter diesemAspekt kann man schon mal einenZwei-Millionen-Etat lockermachen(Karlsruhe investiert gerade dieseSumme in die Kandidatur). Manholt sich leitende Berater aus derSchweiz (Bremen griff hilfehei-schend in diesen neutralen Profi-Topf) oder vermutete Erfahrungs-träger aus Graz (so schlau war Re-gensburg, obwohl sich Graz als „ge-setzte“ Stadt gar keinem Wettbe-werb aussetzen musste). Plötzlichist Geld da, und es wird großzügigausgegeben. Für repräsentative In-ternet-Auftritte (Bamberg, Essen);teure, unflexible Konzept-Frühge-burten (Kassel) - oder für die Prä-sentation eines strukturlosen Sam-melsuriums an Ohnehin-Events(Augsburg). Das fügt sich lückenlosin den kulturellen Habitus der euro-päischen Union: Es wächst derMarkt, die Kunst ist wurscht. Einimageträchtiges Etikett birgt mehrWert als moderne Malerei.

Und ferner fällt auf: die jeweilseinheimisch gewachsene Kunst-und Kultur-Szene kommt im Rah-men der ausgestülpten Event-Hitlis-ten unserer Kandidaten-Kommu-nen kaum vor. Wohlgemerkt: Aner-kannte Weltkultur-Erbmassen, Ka-thedralen aus dem 15. Jahrhundert,Domspatzen und sonstige traditio-nelle Aushängeschilder sind ausge-nommen – es zählt nur zeitgenössi-

sches. Komisch krank: Das am Ortgerade Wachsende, frisch Gewach-sene ist völlig unterrepräsentiert.Den Propheten aus dem eigenenStall mag man wohl nicht trauen.Oft sind sie ja auch Sand im Getrie-be einer ökonomisch zentriertenStadtentwicklungs-Planung, mau-len unbequem herum und beugensich, wertkonservativ knarzend,nicht der extrovertierten Touristen-Lockmaschinerie. Von vernünftigerFörderung hat man sie schon längerabgekoppelt. Woher soll da die Kom-petenz kommen, in nationalem –oder gar internationalem – Wettbe-werb zu bestehen. Lieber integriertman doch die üblichen Verdächti-gen. Den örtlichen Monopol-Medi-enfürsten, den Veranstalter-Zar, denTrainer des Bundesliga-Vereins.

Ein Motivationsmix aus ge-meindlichem Größenwahn – ver-klebt aus lokalen Minderwertig-keitskomplexen, zwanghafter Mar-keting-Hörigkeit – und Subventions-gier macht sich breit bei vielen Be-werber-Städten. Er verstellt denBlick auf den Gegenstand der Be-werbung – die Kultur – so gründlichwie das Flimmern der Neon-Weih-nachtssterne in unseren Metro-Po-len den Sinn der Weihnacht ge-schreddert hat. Die Kulturstadt 2010heißt jedenfalls Zombiehausen.

Theo Geißler ■

Kurz-SchlussMono-Polis

Theo Geißler, Herausgeber der „neuenmusikzeitung“ und „Jazzzeitung“ sowieMitherausgeber der puk, Moderator derRadiomagazine „taktlos“ (BR/nmz) und„contrapunkt“ (BR)

Foto: Barbara Haack

Zeichnung: Dieko Müller