Zukunft

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Journal für Businesskunden der EnBW Vertrieb GmbH | 02-2012 energiezukunft 1 / 3 Zur Person Kurt Reinicke ist ein erfahrener Spitzenmanager der Erdöl- und Erdgasindu- strie und Wissenschaftler. Bis Ende März leitete der studierte Maschinenbauer und Physiker das Institut für Erdöl- und Erdgastechnik an der TU Clausthal. Be- vor Reinicke an die Uni zurückkehrte, war er technischer Geschäftsführer der BEB Erdgas und Erdöl GmbH, eine ehemalige Shell- und Essotochter, die bis Anfang des Jahrtausends einen Großteil des deutschen Erdgases und -öls för- derte. Zuvor war Reinicke bereits Manager bei Shell in Den Haag und bei Exxon in Texas. Heute arbeitet er als Dozent an der TU Clausthal und übernimmt im Sommer den Posten des Geschäftsführers bei der Deutz Erdgas GmbH. Vordenker „Ohne Erdöl geht es nicht“, sagt Professor Kurt Reinicke. Der Rohstoffexperte über neue Quellen und Fördertechniken und die Schwierigkeiten, den Ölhunger von Wirtschaft und Gesellschaft zu stillen. Ressourcen aus der Tiefe Der Benzinpreis bewegt sich in Rekordhöhen. Wird das Öl schon knapp? Nein, die Nachfrage in Schwellenländern wie Chi- na und Indien steigt seit Jahren dramatisch an. Die Produktion kann mit dem Zuwachs schwer Schritt halten. Schon kleinste Stö- rungen, etwa die Fördereinschränkungen in Libyen, schlagen so- fort durch. Aber Öl ist noch ausreichend vorhanden. Wie lange noch? Das ist Kaffeesatzleserei. Prognosen zum Peak Oil, also dem Zeitpunkt, ab dem die Förderung nicht mehr gestei- gert werden kann, sind immer wieder daran gescheitert, dass sie Angebot und Nachfrage falsch prognostiziert haben. Aber Öl ist endlich. Die Zeiten des leichten und billigen Öls sind bereits vor- bei. Darauf müssen sich alle einstellen. Wir haben aber noch ein riesiges Potenzial bei schwer förderbaren Vorkommen. Die Frage lautet also nicht: Wie viel Öl haben wir noch?, sondern: Wie viel können wir pro Jahr davon zur Verfügung stellen? Wo schlummert noch Potenzial? Im Tiefseebereich. Aber dort haben Sie lange Vorlaufzeiten. Bis Sie ein Feld in Betrieb nehmen können, brauchen Sie 20 Jahre. Und die Förderung ist teuer. Eine Plattform im Tiefwasserbereich kostet bis zu einer Milliarde Euro. Welche neuen Quellen gibt es noch? Öl- und Teersande, also Sande mit einer bituminösen Ölfüllung, Ölschiefer und ganz neu Schieferöl. Die Förderung der bituminösen Öle in den Öl- und Teersanden von insbesondere Kanada und Venezuela wird inzwi- schen gut beherrscht, aber es wird natürlich unter ganz anderen Bedingungen wie zum Beispiel in den saudi-arabischen Ölfeldern gefördert. Um die gleiche Ergiebigkeit eines saudischen Feldes zu erreichen, sind im Schwerölbereich zehn- bis hundertmal so viele Bohrungen notwendig. Das dauert und kostet. Ähnlich verhält es sich beim Schieferöl.

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  • Journal fr Businesskunden der EnBW Vertrieb GmbH | 02-2012

    energiezukunft

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    Zur Person

    Kurt Reinicke ist ein erfahrener Spitzenmanager der Erdl- und Erdgasindu-

    strie und Wissenschaftler. Bis Ende Mrz leitete der studierte Maschinenbauer

    und Physiker das Institut fr Erdl- und Erdgastechnik an der TU Clausthal. Be-

    vor Reinicke an die Uni zurckkehrte, war er technischer Geschftsfhrer der

    BEB Erdgas und Erdl GmbH, eine ehemalige Shell- und Essotochter, die bis

    Anfang des Jahrtausends einen Groteil des deutschen Erdgases und -ls fr-

    derte. Zuvor war Reinicke bereits Manager bei Shell in Den Haag und bei Exxon

    in Texas. Heute arbeitet er als Dozent an der TU Clausthal und bernimmt im

    Sommer den Posten des Geschftsfhrers bei der Deutz Erdgas GmbH.

    Vordenker Ohne Erdl geht es nicht, sagt

    Professor Kurt Reinicke. Der Rohstoffexperte

    ber neue Quellen und Frdertechniken und die

    Schwierigkeiten, den lhunger von Wirtschaft

    und Gesellschaft zu stillen.

    Ressourcen aus der Tiefe

    Der Benzinpreis bewegt sich in Rekordhhen. Wird das l schon knapp? Nein, die Nachfrage in Schwellenlndern wie Chi-na und Indien steigt seit Jahren dramatisch an. Die Produktion kann mit dem Zuwachs schwer Schritt halten. Schon kleinste St-rungen, etwa die Frdereinschrnkungen in Libyen, schlagen so-fort durch. Aber l ist noch ausreichend vorhanden.

    Wie lange noch? Das ist Kaffeesatzleserei. Prognosen zum Peak Oil, also dem Zeitpunkt, ab dem die Frderung nicht mehr gestei-gert werden kann, sind immer wieder daran gescheitert, dass sie Angebot und Nachfrage falsch prognostiziert haben. Aber l ist endlich. Die Zeiten des leichten und billigen ls sind bereits vor-bei. Darauf mssen sich alle einstellen. Wir haben aber noch ein riesiges Potenzial bei schwer frderbaren Vorkommen. Die Frage lautet also nicht: Wie viel l haben wir noch?, sondern: Wie viel knnen wir pro Jahr davon zur Verfgung stellen?

    Wo schlummert noch Potenzial? Im Tiefseebereich. Aber dort haben Sie lange Vorlaufzeiten. Bis Sie ein Feld in Betrieb nehmen knnen, brauchen Sie 20 Jahre. Und die Frderung ist teuer. Eine Plattform im Tiefwasserbereich kostet bis zu einer Milliarde Euro.

    Welche neuen Quellen gibt es noch? l- und Teersande, also Sande mit einer bituminsen lfllung, lschiefer und ganz neu Schieferl. Die Frderung der bituminsen le in den l- und Teersanden von insbesondere Kanada und Venezuela wird inzwi-schen gut beherrscht, aber es wird natrlich unter ganz anderen Bedingungen wie zum Beispiel in den saudi-arabischen lfeldern gefrdert. Um die gleiche Ergiebigkeit eines saudischen Feldes zu erreichen, sind im Schwerlbereich zehn- bis hundertmal so viele Bohrungen notwendig. Das dauert und kostet. hnlich verhlt es sich beim Schieferl.

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    Was ist das genau? lschiefer und Schieferl sind Begriffe, die hufig miteinander verwechselt werden. lschiefer ist ein Schie-fergestein mit einem hohen Gehalt an organischer Materie, die durch verschiedene Umwandlungsprozesse die Vorstufe konventi-oneller Erdle erreicht hat. Beim Schieferl sind die Umwand-lungsprozesse schon weiter fortgeschritten und aus der Vorstufe Kerogen ist konventionelles Erdl entstanden. Dieses ist im Schiefergestein in kleinsten Poren und Haarrissen gefangen und nur mit Hilfe unkonventioneller Verfahren wirtschaftlich produ-zierbar.

    Welche Rolle kann Schieferl einmal spielen? Vor zehn Jahren begann man in den USA, Schiefergas zu frdern. Die Staaten ha-ben seitdem ihre Erdgasfrderung von wenigen Milliarden Kubik-metern pro Jahr auf 135 Milliarden Kubikmeter im Jahre 2010 ge-steigert. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht als grter europischer Markt 95 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr. Weltweit hat die Nutzbarmachung von Schiefergas die Erdgasres-sourcen vervielfacht. Beim l knnte es hnlich werden. Schiefer-l ist der neue Joker der Branche.

    Das klingt, als wren damit die Versorgungsprobleme gelst? So einfach ist es nicht. Schiefergas bzw. -l liegt in tiefen Ge-steinsschichten. Um da heranzukommen, mssen Sie Horizontal- und Multilateralbohrungen herstellen und die Fracking-Methode einsetzen. Dabei wird Flssigkeit unter hohem Druck in ein Bohr-loch gepresst, um im tiefen Untergrund Risse in der lfhrenden Gesteinsformation zu erzeugen. Die Flssigkeiten erhalten zum Teil noch umweltschdliche Zustze. Auerdem hat man Angst, dass ber die Risse Gas ins Trinkwasser gelangt, Dinge, die trotz hundertfacher Anwendung seit den 70er Jahren in Deutschland noch nicht beobachtet wurden. Die Technik ist des-halb umstritten, in einigen europischen Lndern sogar verboten. Die Herausforderung besteht darin, die Verfahren zu verbessern und Ausgleiche zwischen kologie und konomie zu schaffen. Wir knnen es uns aus meiner Sicht nicht leisten, auf das von dieser Technologie abhngige Potenzial zu verzichten.

    Schaubild

    Wie viel ist noch da?

    DieBundesanstaltfrGeowissenschaftenundRohstoffe(BGR)berechnetregelmigdasweltweitePotenzialanErdl.DieBGR-ForscherunterscheidendabeizwischenReservenundRessourcen.AufdieReservenkannmanbereitsheutetechnischundwirtschaftlichzugreifen.RessourcenkannmanaufgrundvonExplorationenundgeologischenberlegungenalsQuelleerwarten.l-schieferundSchieferlzhltdieBGRbislangnichtzudenReservenoderRessourcen.brigens:DenPeakOilberechnetmaninderRegelnuraufBasisderReserven.

    Das Erdlvorkommen der WeltZumVergleich:2010wurdenweltweitvierMilliardenTonnenlgefrdert.

    298 Mrd. Tonnen Ressourcen

    164 Mrd. Tonnen sind bereits verbraucht

    217 Mrd. TonnenReserven

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    Kann man aus den bisherigen Feldern noch mehr rausholen? Sicher. Bislang schpft man eine Quelle nur zu einem Drittel aus, mit Enhanced-Oil-Recovery-Verfahren knnen Sie die Ausbeute deutlich erhhen. Sie fhren dem l beispielsweise Wrme oder Gas zu, um die Fliefhigkeit zu erhhen. Das ist teuer, aber bei einem hohen lpreis lohnt sich das.

    Sind die erneuerbaren Energien eine Alternative? Je frher wir auf sie setzen, desto besser, weil sie lange Vorlaufzeiten haben, bevor sie einen signifikanten Beitrag zur Energieversorgung lei-sten. In Deutschland mgen wir relativ weit sein, weltweit knnen die Erneuerbaren aber trotz aller Erfolge noch nicht einmal die Zuwchse beim Energiebedarf ausgleichen. Deshalb kommen wir an l und Gas nicht vorbei.

    Ein Leben ohne l? Andreas Eschbach zeichnet in seinem Buch Ausgebrannt ein dramatisches Endzeit-Szenario. Wir verlo-sen zehn Exemplare ber unseren Leserservice.

    Stichwort Peak Oil Der Begriff beschreibt den Verlauf der lfrderung fr eine Quelle, eine Region oder die ganze Welt. Die klassische Theorie sieht einen symmetrischen Verlauf vor, mit einem steilen Anstieg und einem steilen Abfall. Einige Experten gehen davon aus, dass der Peak bereits erreicht ist bzw. kurz bevor-steht. Andere rechnen mit einer lngeren, wellenartig verlaufenden Plateauphase, bevor die Frderrate zurckgeht.

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