Zukunft der Lebensversicherung: Zentrale Herausforderungen ......Entwicklung neuer Produkte, die...

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Prof. Dr. Hato Schmeiser, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft Mai 2018 Zukunft der Lebensversicherung: Zentrale Herausforderungen und strategische Optionen

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Prof. Dr. Hato Schmeiser, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft

Mai 2018

Zukunft der Lebensversicherung: Zentrale Herausforderungen und strategische Optionen

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Agenda

1. Einführung und zentrale Herausforderungen

2. Langfristige Investmentgarantien aus Kundensicht: Kosten versus Nutzen

3. Produktkosten versus Zahlungsbereitschaft der Kunden

4. Strategische Optionen

5. Zusammenfassung und Ausblick

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1. Einführung: Umfeldanalyse

Nachfrage nach privater Altersvorsorge ist sehr positiv zu beurteilen

• Auf Bedarfsseite (Demographie / staatliche Altersvorsorgesysteme stehen unter Druck)

• Auf Nachfrageseite (Vermögens- und Einkommensentwicklung CH)

Private Versicherungsunternehmen mit Eigenkapital sind ein gutes Vehikel für die Altersvorsorge und haben strukturelle Vorteile gegenüber Alternativmodellen

Gemischte Kapitallebensversicherung war bisher ein Erfolgsmodell … und steht trotzdem wie kaum zuvor unter Druck

• Kapitalmarksituation / langfristige Investmentgarantien

• Regulierung

• Digitalisierung und Transaktionskosten

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1. Einführung: Wenig Anreize zum Sparen

Warum sparen im Kontext von Negativzinsen?

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1. Einführung: Digitalisierung und Gesellschaftlicher Wandel

Wenn die Titanic heute sinken würde …

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1. Einführung: Modelle des digitalen Monitorings in der Assekuranz

Siehe: Versicherungswirtschaft heute

Pricing auf Basis des biologischen Alters?

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1. Einführung: Strategische Herausforderungen

Management von Zinsgarantien für Alt- und Neubestände

Entscheidung zur Wahl des Kollektivversicherungsmodells

Entwicklung neuer Produkte, die ….

• nicht nur zur Risikoabsicherung dienen, sondern auch Sparprozesse beinhalten

• mit der Kostenstruktur anderer Anbieter «mithalten» können

• sich am Kundennutzen orientieren und daher auch

• gewisse Absicherungen besitzen

Digitalisierungstrend im Bereich Vertrieb und Risikoselektion konstruktiv aufnehmen

Marktpotential nutzen (z. B. Absicherungsbedarf im Bereich Pflege)

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Agenda

1. Einführung und zentrale Herausforderungen

2. Langfristige Investmentgarantien aus Kundensicht: Kosten versus Nutzen

3. Produktkosten versus Zahlungsbereitschaft der Kunden

4. Strategische Optionen

5. Zusammenfassung und Ausblick

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2. Langfristige Investmentgarantien: Überblick

Formen

• «Cliquet-style»-Garantie (Einzelleben / Kollektivleben)

• «Point-to-point»-Garantie (anteilsgebundene Verträge)

Preis der Garantie

• Ermittlung des «fairen» Preises auf Basis der Optionspreistheorie

• Theoretischer Preis reagiert sehr sensitiv auf Parameterveränderungen (Zins, Volatilität)

• Daher: Versicherer muss Parameter- und Modellrisiken «einpreisen»

• Erhöhte Komplexität durch Ausübungsoptionen der Kunden (Chang / Schmeiser 2018)

• Risiken nicht (vollständig) absicherbar

Chang / Schmeiser (WP 2018): «Should I stay or should I go»

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2. Langfristige Investmentgarantien: Dilemma der Anbieter

Problematischer Prozess

• Niedrige Zinsen und steigende Volatilitäten am Kapitalmarkt erhöhen den Wert der Investmentgarantie

• Zinsgarantie kann nicht durch (quasi-)sichere Anlage erwirtschaftet werden

• Aber: Für unsichere Anlageformen sind Solvenzkapitalunterlegungen erforderlich

• Risikoadäquate Verzinsung des Solvenzkapitals schwer erzielbar

• Folge: Geschäftsmodell in Gefahr

Spannungsfeld

• Massive Senkung des Garantiezinses (nur Einzelleben-Neugeschäft)

• Risikoreduktion in der Anlage (suboptimal für Kunden mit Garantieprodukt)

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Zurich reduziert Garantiezins auf 0 % (CH)

Allianz stellt neue Produkte mit temporären Zinsgarantien vor

Senkung Rechnungshöchstzins (2017)

Ergo entwickelt neue fondsgebundene Produkte mitnominaler Kapitalerhaltungsgarantie

Senkung BVG-Zins auf 1 % (2017)

Standard Life stellt Verkauf von Garantieprodukten ein

2. Langfristige Investmentgarantien: Strategische Optionen

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2. Langfristige Investmentgarantien: Kundenperspektive (I)

Theorie zur Nachfrage nach Cliquet-style-Garantien

• Zu teuer (Performanceverlust in der Langfristperspektive zu gross)

• Gilt für praktisch alle Entscheidertypen (normativ-rational / «behavioral»)

• Zudem: «Doppelhürden-Problem», Risikoanreizsproblem sowie Parameter- und Modellrisiken

Praxis zur Zahlungsbereitschaft für Garantien

• «Kunde will Garantie» … gilt dies auch wenn er die Kosten kennt?

• Direktbefragung kritisch, Choice-based-conjoint-Analyse adäquat

• Luca / Schmeiser / Schreiber (WP 2017): Ermittlung Zahlungsbereitschaft

• Repräsentatives Sample (N = 1’078) im Alter 20 bis 54 (D)

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2. Langfristige Investmentgarantien: Kundenperspektive (II)

-30.00

-20.00

-10.00

0.00

10.00

20.00

30.00

Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4

Part-worth utilities for the price level

40 % OPT price 70% OPT price 100% OPT price 130% OPT price 160% OPT price

Cluster 1: «Guarantee Accepting Yield Seekers» Cluster 2: «Guarantee Skeptics Yield Seekers»

Cluster 3: «Risk Averse Asset Preservers» Cluster 4: «Risk Averse Yield Optimizers»

Kurzum: Zahlungsbereitschaft für Garantien ist bei weitem nicht ausreichend zur Deckung der Kosten

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Agenda

1. Einführung und zentrale Herausforderungen

2. Langfristige Investmentgarantien aus Kundensicht: Kosten versus Nutzen

3. Produktkosten versus Zahlungsbereitschaft der Kunden

4. Strategische Optionen

5. Zusammenfassung und Ausblick

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3. Zahlungsbereitschaft vs. Produktkosten in anderen Branchen

Ein (extremes) Beispiel einer Orientierung an der Zahlungsbereitschaft der Kunden

• Porsche 911 versus 911 S

• Verkaufspreis: 128’000 CHF versus 146’700 CHF

• Produktionskostendiskrepanz?

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Quelle: Vortrag „Modernes Pricing“ 2015, M. Müller / D. Loskamp (Basler)

Zahlungs-bereitschaft

Kosten

125CHF

~10CHF

Cost-Plus

VerlorenesErtrags-potential

3. Andere Branchen: Zahlungsbereitschaften sind gut bekannt

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3. Ableitung Zahlungsbereitschaften

Beispiel auf Basis von vier generischen Produkten

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3. Zahlungsbereitschaften für Produkte und Produktfeatures

Beispiel auf Basis von vier generischen Produkten: Durchschnittliche Zahlungsbereitschaften Produkte A, B, C und D

Zahlungsbereitschaften für zusätzliche Produktfeatures Product ABudget

Budget + CI Budget + Personal Budget + Well-known

mean 17.6 €(Monatsprämie)

24.4 € 18.8 € 22.6 €

HDI 0 – 89.2 €(Spannbreite 95 % der Befragten)

0 – 111.0 € 0 – 92.0 € 0 – 104.2 €

WTP = 0 58.8 %(Prozentsatz der Befragtenohne Zahlungsbereitschaft)

51.4 % 57.4 % 50.8 %

Product ABudget

B C D

mean 17.6 €(Monatsprämie)

21.3 € 24.8 € 34.8 €

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3. Mögliche Konsequenzen

Im Versicherungssektor haben wir wenig Kenntnisse bzgl. der Zahlungsbereitschaften der Kunden

Kenntnis der Zahlungsbereitschaft von Kundengruppen wird in Zukunft zum zentralen Wettbewerbsfaktor

Informationen zur Zahlungsbereitschaft bzgl. verschiedener Produktfeatures und unterschiedlicher Formen der Preiskommunikation zukünftig von grosser Bedeutung

• Vorteile für Kunden und Versicherungsunternehmen möglich

• Kostenorientierung, aktuarielles Pricing und verfeinerte Kosten- und Risikoanalyse (Stichwort: neue Technologien) unter Berücksichtigung von Kapitalkosten verliert aber nicht an Bedeutung

Allerdings: Nähe zur Sozialversicherung und das Verständnis von Versicherung steht einer puren Orientierung an der Zahlungsbereitschaft im Wege

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Agenda

1. Einführung und zentrale Herausforderungen

2. Langfristige Investmentgarantien aus Kundensicht: Kosten versus Nutzen

3. Produktkosten versus Zahlungsbereitschaft der Kunden

4. Strategische Optionen

5. Zusammenfassung und Ausblick

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4. Mögliche Positionierungen: Überblick

Prinzip Hoffnung (steigende Zinsen)

Senkung der Garantien im Neugeschäft

Keine Garantien (siehe Standard Life)

• Nur Absicherung biometrischer Garantien

• Volatilitätsbegrenzungen u. ä. als Alternative

«Günstige Garantien» (point-to-point, Anpassungsklausel für Garantien)

Günstigere Underlying (ETF) integrieren

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4. Mögliche Positionierungen: Praxisbeispiele

Umsetzung Kapitalschutz durch z. B.

• dynamische Hybridansätze

• Portfolio-Insurance

Alternativ: Volatilitätsbegrenzende Anlagestrategien

• Halten mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Mindestverzinsungsniveau (stellt aber keine Garantie dar)

• Kosten niedrig, Chancenpotential grösser

• Kunde kann je nach Präferenz und Anlagedauer passenden Risikokorridor vorgeben

Einzahlung in drei Töpfe: Deckungsstock, Wertsicherungsfonds, Investmentfonds

Beispiel AXA Deutschland

Volatilität des Fonds bliebt im «verkauften» SRRI Korridor 3, 4 oder 5

Risiko eines nominellen Kapitalverlusts ist damit bei Langfristanlagen sehr gering

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Agenda

1. Einführung und zentrale Herausforderungen

2. Langfristige Investmentgarantien aus Kundensicht: Kosten versus Nutzen

3. Produktkosten versus Zahlungsbereitschaft der Kunden

4. Strategische Optionen

5. Zusammenfassung und Ausblick

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5. Thesen zur Zukunft der Lebensversicherung: Einzelleben (I)

Problembereiche

• Transparenz (Performance, Zuteilung)

• Transaktionskosten

• Regulierung

• Herstellung Zinsgarantie

• Suboptimale Asset Allokation für den Kunden («zu sicher»)

These: Produktkonzept ist am Ende des Lebenszyklusses angekommen

Prozesse werden durch das Niedrigzinsumfeld nur beschleunigt

USP des Versicherers ist Diversifikation der biometrischen Risiken, nicht Stellung einer lebenslangen Garantie

Bei Sparprozessen besitzt der Versicherer keine USP

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5. Thesen zur Zukunft der Lebensversicherung: Einzelleben (II)

Bei Sparprozessen stehen zunehmend Transaktionskosten im Mittelpunkt

• ETF-Welt bringt Investmentsfonds und Kapitallebensversicherungen in Zugzwang

Versicherer kann kostengünstig durch ETF-Kombinationen praktische alle Risiko- und Renditeprofile der Kunden abdecken

Kundengruppen mit ausreichender Zahlungsbereitschaft für Garantien sollten durch Choice-based-conjoint-Analyse vorgängig identifiziert werden

• Transparenter Anpassungsmechanismus mit maximal dreijähriger Zusage

• Handelbares Underlying, variabler Hinzukauf einer einjährigen Verkaufsoption

• Transparenter Ausweis der Absicherungskosten

• Volatilitätsbegrenzende Strategien als Alternative zu Garantien

Produkte müssen transparent bleiben, keine «Variable Annuity»-Welt