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1 Zum Wahnsinn um die NSU, Version 0.0.3 Geschehnisse um die vermutete Verbindung Kiesewetter hinzugefügt u.a. Grundsätzliches ................................................................................................................................................... 1 Aufgaben und Struktur der Verfassungsschutzbehörden................................................................. 2 Aufgaben und Struktur der Polizeien......................................................................................................... 4 Abgrenzung in Hinblick auf rechtsstaatliche Grundsätze ................................................................. 5 Arbeitsweisen von Geheimdiensten und der Unterschied zur Arbeitsweise der Polizeien ..................................................................................................................................................................................... 7 Abgrenzung in Hinblick auf politische und staatsorganisatorische Zwänge ......................... 10 Ungefährer chronologischer Ablauf und Erklärungen für die behördlichen Reaktionen ............................................................................................................................................................................. 17 Bekannte oder vermutete Maßnahmen der Polizeibehörden ................................................. 18 Bekannte oder vermutete Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden ........................ 18 „Skandalträchtigkeit“ unter Berücksichtigung der Aufgaben der Behörden .................... 20 Reformüberlegungen ................................................................................................................................ 21 Kritik an den Reformüberlegungen in Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit .............. 21 Verbot der Vermischung ..................................................................................................................... 21 Bisherige Aufweichungen des Verbotes....................................................................................... 21 Gefahren ..................................................................................................................................................... 21 Fazit ....................................................................................................................................................................... 21 Grundsätzliches Es ist immer schwer, aus der Distanz des in die konkreten Geschehnisse Uneingeweihten heraus, Sachlagen zu beurteilen, wenn man nur ungefähres Wissen hat, das überwiegend vom Hörensagen stammt. Mit Ausnahme von Originalaussagen der Beteiligten wie sie in der Presse wiedergegeben wurden, sind fast alle zugänglichen Quellen solche des Hörensagens aus der Presse. Nach nunmehr 2 Jahrzehnten Erfahrung auf dem Gebiet verdeckter operativer Tätigkeit meine ich mich dennoch zumindest teilweise zu dem Fall äußern zu können, nämlich

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Zum  Wahnsinn  um  die  NSU,  Version  0.0.3  

-­‐  Geschehnisse  um  die  vermutete  Verbindung  Kiesewetter  hinzugefügt  u.a.  -­‐  

 

 

Grundsätzliches ...................................................................................................................................................1  

Aufgaben  und  Struktur  der  Verfassungsschutzbehörden.................................................................2  

Aufgaben  und  Struktur  der  Polizeien.........................................................................................................4  

Abgrenzung  in  Hinblick  auf  rechtsstaatliche  Grundsätze .................................................................5  

Arbeitsweisen  von  Geheimdiensten  und  der  Unterschied  zur  Arbeitsweise  der  Polizeien

.....................................................................................................................................................................................7  

Abgrenzung  in  Hinblick  auf  politische  und  staatsorganisatorische  Zwänge.........................10  

Ungefährer  chronologischer  Ablauf  und  Erklärungen  für  die  behördlichen  Reaktionen

.............................................................................................................................................................................17  

Bekannte  oder  vermutete  Maßnahmen  der  Polizeibehörden.................................................18  

Bekannte  oder  vermutete  Maßnahmen  der  Verfassungsschutzbehörden........................18  

„Skandalträchtigkeit“  unter  Berücksichtigung  der  Aufgaben  der  Behörden....................20  

Reformüberlegungen ................................................................................................................................21  

Kritik  an  den  Reformüberlegungen  in  Hinblick  auf  die  Verfassungsmäßigkeit ..............21  

Verbot  der  Vermischung.....................................................................................................................21  

Bisherige  Aufweichungen  des  Verbotes.......................................................................................21  

Gefahren.....................................................................................................................................................21  

Fazit .......................................................................................................................................................................21  

 

 

Grundsätzliches  

Es  ist  immer  schwer,  aus  der  Distanz  des  in  die  konkreten  Geschehnisse  Uneingeweihten  

heraus,   Sachlagen   zu   beurteilen,   wenn   man   nur   ungefähres   Wissen   hat,   das  

überwiegend   vom   Hörensagen   stammt.   Mit   Ausnahme   von   Originalaussagen   der  

Beteiligten   wie   sie   in   der   Presse   wiedergegeben   wurden,   sind   fast   alle   zugänglichen  

Quellen  solche  des  Hörensagens  aus  der  Presse.  

Nach  nunmehr  2  Jahrzehnten  Erfahrung  auf  dem  Gebiet  verdeckter  operativer  Tätigkeit  

meine   ich  mich   dennoch   zumindest   teilweise   zu   dem  Fall   äußern   zu   können,   nämlich  

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insoweit,  als  wiederkehrende  Handlungsmuster  erkennbar  sind  und  aus  diesen  Mustern  

heraus  Wahrscheinlichkeiten  der  Geschehenabsläufe  rekonstruierbar  sind.  Ich  versuche  

diesen  „Bericht“  so  objektiv  wie  möglich  und  ohne  jedes  Links-­‐Rechts-­‐Schema  im  Kopf  

zu   verfassen   und  werde  mich   bemühen  meine   Argumente  mit   so   viel   von   den  wenig  

verfügbaren   Fakten   zu   untermauern,   dass   ich   damit   meine   wenn   schon   nicht   auf  

Zustimmung,  dann  zumindest  auf  Verständnis  zu  stoßen.  Um  den  Fall  der  Organisation  

„Nationalsozialischer  Untergrund  (NSU)“  zu  erklären  bedarf  es  jedoch  zunächst  einiger  

eingehender  Erläuterungen  bestehender  Strukturen  und  Sach-­‐  und  Rechtszwänge.  

Zum  Copyright:  Jeder  kann  diesen  Bericht  vervielfältigen  und  zu  seinen  Zwecken  nutzen  

wie  er  will,  solange  er  den  Textinhalt  nicht  verändert  und  keinen  anderen  Autor  unter  

diesen  Bericht  setzt.  Ich  veröffentliche  zunächst  Version  0.1,  warte  dann  auf  Anregungen  

und  Rückmeldungen  und  behalte  mir  die  Veröffentlichung  weiterer  Version  vor.  

 

Die  Stimme  aus  dem  Off  

Aufgaben  und  Struktur  der  Verfassungsschutzbehörden    

Die   Verfassungsschutzbehörden   der   Bundesrepublik   Deutschland   sind   eines   nicht:  

Strafverfolgungsbehörden.   Das   ist   sich   im   Folgenden   immer  wieder   in   Erinnerung   zu  

rufen  und  zu  verdeutlichen,  sonst  wird  es  nicht  zu  einem  Verständnis  der  Problemlage  

kommen.  

 

Rechtsgrundlage  der  Verfassungsschutzbehörden  ist  auf  Bundesebene  das  „Gesetz  über  

die   Zusammenarbeit   des   Bundes   und   der   Länder   in   Angelegenheiten   des  

Verfassungsschutzes  und  über  das  Bundesamt  für  Verfassungsschutz“.  Auf  Landesebene  

gibt   es   natürlich   für   jedes   Bundesland   ein   eigenes   Gesetz,   das   die   Tätigkeit   der  

jeweiligen  Landesämter  für  Verfassungsschutz  legitimiert.  

 

Wir  lernen  bis  hierher  also:  Es  gibt  ein  Bundesamt  für  Verfassungsschutz  und  für  jedes  

Bundesland  ein  eigenes  Landesamt  für  Verfassungsschutz.    

 

Wenn   ich   im   Folgenden   also   über   „den“   Verfassungsschutz   schreibe,   dann   ist   damit  

immer  die  jeweilige  Landes-­‐  oder  die  Bundesbehörde  gemeint.  

 

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Zu  den  Aufgaben  des  Verfassungsschutzes  sei  §  3  BVerfSchG  zitiert,  dieser  lautet:  

 

  1)   Aufgabe   der  Verfassungsschutzbehörden   des  Bundes   und   der   Länder   ist  

  die     Sammlung   und   Auswertung   von   Informationen,   insbesondere   von  

  sach-­   und   personenbezogenen   Auskünften,   Nachrichten   und   Unterlagen,  

  über  

 

  1.   Bestrebungen,   die   gegen   die   freiheitliche   demokratische   Grundordnung,  

  den     Bestand  oder  die   Sicherheit   des  Bundes   oder   eines   Landes  gerichtet  

  sind  oder  eine     ungesetzliche   Beeinträchtigung   der   Amtsführung   der  

  Verfassungsorgane   des   Bundes   oder   eines   Landes   oder   ihrer   Mitglieder  

  zum  Ziele  haben,  

 

  2.   sicherheitsgefährdende   oder   geheimdienstliche   Tätigkeiten   im  

  Geltungsbereich  dieses  Gesetzes  für  eine  fremde  Macht,  

 

  3.   Bestrebungen   im  Geltungsbereich  dieses  Gesetzes,   die   durch  Anwendung  

  von     Gewalt  oder  darauf  gerichtete  Vorbereitungshandlungen  auswärtige  

  Belange  der     Bundesrepublik  Deutschland  gefährden,  

 

  4.  Bestrebungen  im  Geltungsbereich  dieses  Gesetzes,  die  gegen  den  Gedanken  

  der     Völkerverständigung   (Artikel   9   Abs.   2   des   Grundgesetzes),  

  insbesondere  gegen  das     friedliche   Zusammenleben   der   Völker   (Artikel  

  26  Abs.  1  des  Grundgesetzes)     gerichtet  sind.  

 

  (2)  Die  Verfassungsschutzbehörden  des  Bundes  und  der  Länder  wirken  mit  

 

  1.   bei   der   Sicherheitsüberprüfung   von   Personen,   denen   im   öffentlichen  

  Interesse     geheimhaltungsbedürftige   Tatsachen,   Gegenstände   oder  

  Erkenntnisse  anvertraut  werden,  die  Zugang  dazu  erhalten  sollen  oder    ihn  

  sich  verschaffen  können,  

 

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  2.  bei  der  Sicherheitsüberprüfung  von  Personen,  die  an     sicherheits–

  empfindlichen   Stellen   von   lebens-­   oder   verteidigungswichtigen  

  Einrichtungen  beschäftigt  sind  oder  werden  sollen,  

 

  3.   bei   technischen   Sicherheitsmaßnahmen   zum   Schutz   von   im   öffentlichen  

  Interesse   geheimhaltungsbedürftigen   Tatsachen,   Gegenständen   oder  

  Erkenntnissen  gegen  die  Kenntnisnahme  durch  Unbefugte,  

 

  4.   bei   der   Überprüfung   von   Personen   in   sonstigen   gesetzlich   bestimmten  

  Fällen.  

 

  Die  Befugnisse  des  Bundesamtes   für  Verfassungsschutz  bei  der  Mitwirkung  

  nach     Satz  1  Nr.  1,  2  und  4  sind  im  Sicherheitsüberprüfungsgesetz  vom  20.  

  April  1994  (BGBl.  I  S.  867)  geregelt.  

 

  (3)   Die   Verfassungsschutzbehörden   sind   an   die   allgemeinen  

  Rechtsvorschriften  gebunden  (Artikel  20  des  Grundgesetzes).  

 

Noch  einmal  zur  Verdeutlichung:  Es  ist  KEINE  Aufgabe  der  Verfassungsschutzbehörden,  

Strafverfolgung   zu   betreiben.   Noch   nicht   einmal   die   Gefahrenabwehr   ist   Aufgabe   der  

Verfassungsschutzbehörden.   Aufgabe   der   Verfassungsschutzbehörden   ist   die  

Sammlung  und  Auswertung  von   Informationen.   Etwas  untechnischer  als   im  Gesetz  

beschrieben  lässt  sich  die  Aufgabe  in  etwa  so  beschreiben:  Der  Verfassungsschutz  dient  

dazu,   die   Regierung   in   Kenntnis   aller   erforderlichen   Tatsachen   zu   setzen,   die   sie  

benötigt  um  die  Sicherheitslage  einzuschätzen.  Und  hier  liegt  auch  schon  die  Krux.  

 

Aufgaben  und  Struktur  der  Polizeien  

Anders  als  beim  Verfassungsschutz  ist  die  Aufgabe  der  Polizei  die  Gefahrenabwehr  und  

die  Strafverfolgung.  An  dieser  Stelle  wird  es  etwas  kompliziert  und   führt   in  die  Tiefen  

des   Grundgesetzes:   In   der   föderalen   Struktur   des   Grundgesetzes   liegt   die   originäre  

Zuständigkeit  zur  Gefahrenabwehr  bei  den  Ländern,  Art.  70  Abs.  1  GG.  Ebenso  liegt  die  

regelmäßige   Zuständigkeit   für   die   Strafverfolgung   bei   den   Länderpolizeien   mit   den  

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verschiedenen   Landeskriminalämter   (LKA)   einerseits   und   den   örtlichen  

Polizeibehörden   andererseits   bzw.   den   Staatsanwaltschaften   auf   Landesebene   als  

eigentliche   Ermittlungs-­‐   und   Anklagebehörde.   Nur   in   seltenen   Fällen   der  

grenzüberschreitenden   Kriminalität,   insbesondere   dem   weltweiten   organisierten  

Drogenhandel  und  dem  weltweiten  Terrorismus  liegt  die  Zuständigkeit  beim  Bund,  der  

seine  Aufgaben   im  Bereich  der  Strafverfolgung  durch  die  Bundesanwaltschaft  und  das  

Bundeskriminalamt   (BKA)   wahrnimmt,   in   Fällen   der   Breitenkriminalität   mit   der  

Bundespolizei,   dem   ehemaligen   Bundesgrenzschutz.   Für   die  Waren   Ein-­‐   und   Ausfuhr  

gibt   es   da   noch   den   Zoll   mit   dem   Zollkriminalamt   (ZKA),   für   den   Bereich   der  

militärischen   Sicherheit   den   Militärischen   Abschirmdienst   (MAD)   und   für   die  

Auslandsaufklärung  den  Bundesnachrichtendienst  (BND).    

 

17  Ämter   für  Verfassungsschutz,  1  Bundesanwaltschaft,  viele  Staatsanwaltschaften  auf  

Länderebene,   16   Landeskriminalämter,   1   Bundeskriminalamt,   1   Bundespolizei,   16  

Länderpolizeien  und  dazu  noch  der  BND,  Zoll  und  ZKA,  MAD...  

 

Ihnen   schwirrt   an   dieser   Stelle   der   Kopf?   Das   ist   nur   normal.   Selbst   Leute   vom   Fach  

haben   manchmal   große   Mühe   die   Zuständigkeit   der   Sicherheitsbehörden   richtig  

einzuordnen.   In   Grenzfällen   ist   das   manchmal   auch   ausgesprochen   schwierig.  

Erschwerend   kommt   hinzu,   dass   viele   dieser   Organisationen   auch   gemeinsame  

Arbeitsgruppen   bilden,   die   aus   gemischten   Teams   bestehen,  wie   zum  Beispiel   im   Fall  

des  „Gemeinsamen  Terrorismusabwehrzentrum“s  (GTAZ).  

 

Wir  wollen  an  dieser  Stelle  jedoch  mitnehmen,  dass  das  Grundgesetz  die  Zuständigkeit  

für   die   Strafverfolgung   und   die   Gefahrenabwehr   auf   die   Polizeibehörden   der   Länder  

gelegt  hat  und  nicht  auf  die  Geheimdienste  und  nicht  auf  den  Bund.  

Abgrenzung  in  Hinblick  auf  rechtsstaatliche  Grundsätze  

Jetzt   wo   feststeht,   dass   es   nicht   Aufgabe   des   Verfassungsschutzes   ist,   Strafverfolgung  

und  Gefahrenabwehr   zu   betreiben,  wollen  wir   auf   die  Gründe  dafür   eingehen,  warum  

die  Arbeit  der  Geheimdienste  und  der  Polizeibehörden  in  Rechtsstaaten  strikt  getrennt  

werden  (sollten).  

 

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Will  man  einem  Straftäter  eine  Straftat  nachweisen  und  ihn  durch  ein  Gericht  aburteilen  

lassen,  kann  man  das  nur,  wenn  man  sich  dabei  an  rechtsstaatliche  Grundsätze  hält:  Ein  

Gerichtsverfahren  ohne  die  Beachtung  der  Strafprozessordnung  ist  undenkbar.    

Das   Strafverfahren   ist   von   bestimmten   Prozessmaximen   geprägt.   So   müssen   alle  

wesentlichen   Ermittlungsmaßnahmen   Eingang   in   die   Prozessakte   finden.   Der  

Beschuldigte,  der  einer  Tat  wegen  angeklagt  wird,  muss  die  Chance  haben  alle  gegen  ihn  

gerichteten  Ermittlungsmaßnahmen  in  Zweifel  zu  ziehen  und  den  Wahrheitsgehalt  der  

konkreten  Anklage  durch  ein  Gericht  prüfen  zu  lassen.  Denn  –  dies  wird  den  einen  oder  

anderen   überraschen   –   es   ist   die   Aufgabe   des   Richters,   den   Angeklagten   insoweit   zu  

schützen,   als   er   ihn   nur   dann   verurteilen   darf,   wenn   die   Schuld   des   Angeklagten   in  

einem   ordentlichen   Gerichtsverfahren   bewiesen   wurde.   Nur   dann   darf   er   ihn  

verurteilen.   Auch   diese   Tatsache   wollen   wir   uns   in   Gedächtnis   legen   und   uns   zu  

gegebener  Zeit  daran  erinnern.  

Anders  als  viele  andere  Staaten  kennt  Deutschland  das  Instrument  der  „Geheimpolizei“  

nicht  (mehr).  Der  Grund  liegt  in  den  schlechten  Erfahrungen  von  1933  an,  denn  man  hat  

gemerkt,  dass  eine  Polizei,  die  mit  geheimdienstlichen  Mitteln  arbeitet  –  welche  das  sind  

wird  sogleich  erörtet  –  eine  große  Gefahr  für  den  Rechtsstaat  ist.  

Da   man   in   einem   Rechtsstaat   alle   Bürger   gleich   behandeln   soll,   gilt   für   die  

Strafverfolgungsbehörden   das   sogenannte   „Legalitätsprinzip“.   Dies   besagt,   dass   die  

Strafverfolgungsbehörden  bei   jeder  Kenntnis  einer  Straftat  Ermittlungen  aufzunehmen  

haben.  Ein  Ermessen  steht  ihnen  nicht  zu.  Es  soll  und  kann  also  regelmäßig  nicht  dazu  

kommen,   dass   die   Behörden   bei   Straftaten   einzelner   Günstlinge   wegsehen   und   bei  

Straftaten   ihnen   missliebiger   Personen   Ermittlungen   aufnehmen.   So   jedenfalls   in   der  

Theorie.  In  der  Praxis  sieht  das  zwar  regelmäßig  ganz  anders  aus,  aber  das  ist  eine  ganz  

andere  Frage.  

Anders  als  bei  den  Strafverfolgungsbehörden  verhält  es  sich  bei  den  Geheimdiensten.  Da  

ihre  Aufgabe  die  Informationsgewinnung  ist  und  die  Strafverfolgung  nicht  nur  nicht  ihre  

Aufgabe   ist,   sondern  von   ihnen  auch  nicht  wahrgenommen  werden  darf,   sind   sie  dem  

Legalitätsprinzip   natürlich   nicht   unterworfen.   Für   sie   gilt   das   sogenannte  

Opportunitätsprinzip.   Sie   können   Straftaten   anzeigen   und   damit   durch   die  

Ermittlungsbehörden   verfolgen   lassen,   aber   sie   müssen   es   nicht.  

Ermittlungsmaßnahmen   dürfen   sie   jedoch   nicht   ergreifen.   Auch   dies   wollen   wir   uns  

merken.  

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Arbeitsweisen   von   Geheimdiensten   und   der   Unterschied   zur  

Arbeitsweise  der  Polizeien  

Für  die  Strafverfolgungsbehörden  wurden  im  Laufe  der  Zeit  bestimmte  wiederkehrende  

Ermittlungsmaßnahmen  eingeführt,  mit  deren  Hilfe  diese  Straftaten  erforschen  können.  

Dem   Leser   sind   vermutlich   einige   dieser   Maßnahmen   aus   Krimis   wie   dem   „Tatort“  

zumindest   laienhaft   bekannt:   Die   Polizei   kann   (und   muss)   Vernehmungen     von  

Beschuldigten   und   Zeugen   durchführen,   Tatorte   untersuchen,   Durchsuchungen   von  

Wohnungen  und  Personen  vornehmen,  Gegenstände  beschlagnahmen  und  untersuchen  

lassen  und  Personen  observieren.  Sie  kann  auch  verdeckte  Ermittler  einsetzen,  Telefone  

abhören  und  sich  allerlei  behördlicher  Informationen  bedienen,  wie  sie  z.B.  Einsicht   in  

behördliche   Register   nehmen   kann.   Für   die   meisten   dieser   Maßnahmen   benötigt   die  

Polizei  vor  der  Maßnahme  die  Erlaubnis  eines  Gerichts   in  Form  eines  Beschlusses,  das  

bedeutet,   dass   grundsätzlich   ein   Richter   die   Maßnahme   auf   Sinnhaftigkeit   und  

dahingehend  prüfen  muss,   ob  die  Maßnahme  nicht   vielleicht   einen  unverhältnismäßig  

schweren  Eingriff  in  die  Grundrechte  des  Betroffenen  darstellt.    

Das  klingt  in  dieser  Form  erst  einmal  ganz  vernünftig,  allerdings  muss  man  wissen,  dass  

diese  Prüfungen  von  den  an  die  Richter  herangetragenen  Anträgen  auf  Zustimmung  zu  

den   Ermittlungsmaßnahmen,   regelmäßig   keine   Prüfung   durch   das   Gericht   nach   sich  

zieht,   sondern  eher  dazu   führt,  dass  der  Richter  den  Antrag  blanko  unterschreibt.  Das  

glauben  Sie  nicht?  Sie  halten  das  für  Phantasterei?  

Dann  zitiere  ich  einmal  die  Universität  Bielefeld:  

„Die  auf  Aktenanalysen  und  Interviews  beruhende  empirische  Studie  geht  der  Frage  

nach,   wie   der   gesetzlich   vorgeschriebene   Richtervorbehalt   die   der  

Telefonüberwachung  in  der  Praxis  gehandhabt  wird.  Sie  führt  zu  dem  Befund,    dass  

die   Richter   fast   immer   dem   Überwachungsantrag   stattgeben   und   der  

Richtervorbehalt   eher   selten   auf   einer,   wie   vom   Verfassungsgericht   gefordert,  

eigenständigen   Entscheidung   der   Richter   beruht.“   Quelle:   Universität   Bielefeld,  

http://www.jura.uni-­

bielefeld.de/lehrstuehle/barton/institute_und_projekte/rechtstatsachen/wer_kontr

olliert_die_telefonueberwachung  

Eine  Zusammenfassung  der  Arbeit  von  Otto  Backes/Christoph  Gusy  unter  Mitarbeit  

von  Meik  Begemann,  Siiri  Doka  und  Anja  Finke,  2003    

Peter  Lang  Verlag  Frankfurt  (Bielefelder  Rechtsstudien  Band  17)  

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Wie   Sie   sehen,   kann   der   Staat   also   schon   im   Rahmen   der   Strafverfolgung   im   Grunde  

machen  was  er  will.  Eine  Kontrolle  durch  den  Richter,  wie  sie  vom  Grundgesetz  verlangt  

wird,  findet  tatsächlich  nicht  statt.  

 

Die  Geheimdienste  haben  jedoch  noch  ganz  andere  Möglichkeiten  zu  arbeiten:  

Auch  sie  können  Telefone  abhören,  benötigen  dafür  aber  nicht  einen  ohnehin  leicht  zu  

bekommenen   Beschluss   eines   Gerichts.   Sie   holen   sich   ihre   Erlaubnis   über   das  

sogenannte  G-­‐10-­‐Gesetz  http://www.gesetze-­‐im-­‐internet.de/g10_2001/.    

 

Dies   besagt,   dass   die   Geheimdienste   Überwachungsmaßnahmen   auch   ohne  

Richtervorbehalt   durchführen  dürfen,   einen  Richter   also  nicht   zu   fragen  brauchen.  An  

Stelle  eines  Richters  fragt  man  einfach  einen  Beamten.  

Alle   sechs   Monate   hat   die   Behörde   laut   diesem   Gesetz   dem   Parlamentarischen  

Kontrollgremium   Bericht   über   die   durchgeführten   Überwachungsmaßnahmen   zu  

erstatten.   Ich   erspare   mir   unnötige   Einzelheiten,   ist   doch   dem   aufmerksamen   Leser  

nicht  entgangen,  dass  die  Kontrolle  selbst  durch  die  Richter  nicht  klappt.  Wie  Schutz  vor  

Missbrauch   bestehen   soll,   wenn   bezüglich   der   Überwachungsmaßnahmen   noch   nicht  

einmal  ein  Gericht  gefragt  werden  muss,  sondern  die  Beamten  gleich  selbst  entscheiden  

was   gemacht   wird,   bleibt   in   Frage   zu   stellen.   Man   darf   und   muss   also   nach   den  

bisherigen   Erkenntnissen   davon   ausgehen,   dass   das   Fernmeldegeheimnis   in  

Deutschland   mittlerweile   nicht   mehr   existiert   und   der   Staat   nach   Lust   und   Laune  

Telefone  mithört  und  das  Internet  überwacht,  ohne  dass  es   irgendeine  Kontrollinstanz  

gibt.  

Wir  halten  also  fest:  Die  Überwachung  des  Fernmeldeverkehrs  ist  den  Geheimdiensten  

schrankenlos  möglich.  

 

Doch  natürlich   bleibt   es   nicht   bei   bloßer  Überwachung  des   Fernmeldeverkehrs.   Sonst  

könnte   man   sich   das   Geld   für   die   Geheimdienste   sparen   und   mit   der   Überwachung  

Postbeamte   bzw.   –   nunmehr   heißen   sie   anders   –   Beamte   der   Regulierungsbehörde  

beauftragen.  

Die  Geheimdienste  haben  natürlich  noch  weitere  Möglichkeiten.  So  sprechen  sie  gezielt  

Personen   an,   die   für   sie   interessant   sind   und   bieten   ihnen   Geld,   um   über   sie   an  

Informationen   zu   kommen.   Das   Handlungsspektrum   ist   hier   groß.   Es   reicht   von  

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gelegentlichen  Ankäufen  bis   soweit,   einzelne  Personen  als   sogenannte   „V-­‐Person“  also  

„Vertrauensperson“   zu   führen.   Diese   sogenannten   V-­‐Leute   sind   Leute,   die   sich   in  

kriminellen   oder   extremistischen  Umfeld   bewegen   und   die  man   für   so   vertrauensvoll  

hält,   dass   man   ihren   Informationen   Glauben   schenkt.   Über   die   Glaubwürdigkeit   von  

Terroristen   und   Extremisten   –   gleich   welcher   Richtung   –  mag   sich   jeder   selbst   seine  

Gedanken   machen.   Es   ist   aber   schon   lange   bekannt,   dass   V-­‐Leute   oftmals   Märchen  

erzählen  und  Leute  zu  Unrecht  verdächtigen  bzw.   ihre  extremistische  Gesinnung  nicht  

ganz   ablegen   und   dann   –   nunmehr   als   bezahlte   V-­‐Person   staatlich   subventioniert   –  

ihrem   Hobby   mit   neuer   Energie   nachgehen.   Der   niedersächsische   Innenminister  

Schünemann,   der   in   seiner   Karriere   durch   die   Anordnung   einer   ganzen   Reihe   von  

unrechtmäßigen   polizeirechtlich   begründeten   Maßnahmen   auffiel,   hat   aktuell  

vorgeschlagen,   für   V-­‐Leute   eine   Art   „Qualitätsmanagement“   einzuführen.   Soll   heißen:  

Extremisten  und  Terroristen  sollen  auf   ihre   „Gütequalität“  hin  überwacht  werden  und  

bei  Zweifeln  aussortiert  werden.  

Wir  werden  auch  auf  dieses  Thema  noch  zu  sprechen  kommen.  

 

Man  muss  an  dieser  Stelle  allerdings  noch  wissen,  dass  die  Geheimdienste  es  natürlich  

nicht  bei  Geldzahlungen  lassen.  Ist  die  fragliche  Person  nicht  willig  für  den  Geheimdienst  

zu  arbeiten,  ist  auch  die  „Erpressung“  ein  übliches  Mittel.  Das  funktioniert  in  der  Regel  

so:  

Der   Geheimdienst,   der,   wie   wir   nunmehr   wissen,   über   praktisch   unbegrenzte  

Möglichkeiten   der   Überwachung   verfügt,   eine   Person   überwacht,   bekommt   natürlich  

schnell  mit,   ob,  wie   und  wann   diese   überwachte   Person   Straftaten   begeht   oder   nicht.  

Wir   haben   zuvor   ja   auch   gelernt,   dass   die   Geheimdienste   nicht   dem   Legalitätsprinzip  

unterfallen,   sie   also   nicht   gezwungen   sind   Straftaten   zu   verfolgen.   Das   bedeutet  

natürlich  nicht,  dass  es  ihnen  nicht  möglich  ist  Straftaten  verfolgen  zu  lassen.  

In   der   Praxis   sieht   das   so   aus,   dass  man  beispielsweise   einen  Brandstifter   dabei   filmt  

wie  er  ein  paar  Autos  in  Berlin  anzündet.  Diesen  Film  mit  dem  Beweismaterial  führt  man  

der  Person  vor  und  „bittet“  sie  nun,  doch  –  beispielsweise  –  ihre  Freunde  und  Bekannten  

aus  der   linksextremistischen  Szene  an  den   jeweiligen  Geheimdienst  zu  verraten.  Sollte  

die  Person  nicht  mitspielen  würde  die  entsprechende  Staatsanwaltschaft  Ermittlungen  

in   dieser   Angelegenheit   aufnehmen,   was   zu   einer   Freiheitsstrafe   von   nicht   unter   X  

Jahren  führen  würde...  

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Sie  können  sich  vorstellen,  dass  viele  Leute  derartige  Angebote  einfach  nicht  ablehnen  

können.   An   Stelle   des   Brandstifters   können   Sie   natürlich   auch   den   Mörder,  

Vergewaltiger,   Einbrecher,   Räuber,   Drogen-­‐   oder   Waffenhändler   setzen.   Wichtig   ist  

dabei  nur  zu  wissen,  dass  je  höher  die  zu  erwartende  Strafandrohung  ist,  desto  eher  die  

Bereitschaft  sein  wird  sich  zum  Spitzel  machen  zu  lassen.  

Ich   möchte   das   an   dieser   Stelle   nicht   unbedingt   kritisieren.   Derartige   Handlungen  

können  durchaus  vernünftig   sein.  Auch  auf  dieses  Thema  werde   ich  noch  zu  sprechen  

kommen,  wenn  etwas  mehr  Verständnis  für  den  Gesamtzusammenhang  vorhanden  ist.  

Nach  der  Lektüre  so  wenig  Textes  kann  man  das  allerdings  noch  nicht  erwarten.  Darum  

später   mehr.   Wir   halten   an   dieser   Stelle   jedoch   fest,   dass   es   Polizeien   grundsätzlich  

verboten   ist   Straftäter   laufen   zu   lassen,   während   Geheimdienste   dieses   Mittel  

regelmäßig  verwenden,  es  für  ihre  Arbeit  geradezu  essentiell  ist.  

 

Abgrenzung   in   Hinblick   auf   politische   und   staatsorganisatorische  

Zwänge  

Warum  ist  es  eigentlich  so,  dass  es  neben  der  Polizei  einen  Geheimdienst  (für  Inneres)  

gibt?    

Ich  habe   ja  schon  geschrieben,  dass  man  dem  Angeklagten  gewisse  Rechte  zugestehen  

muss,  zu  denen  in  einem  Rechtsstaat  auch  gehört,  sämtliche  Ermittlungsmaßnahmen  in  

Zweifel  ziehen  zu  können.  Nach  den  vorangegangen  Zeilen  dürfte  aber  jedem  Leser  klar  

sein,   dass  die   typische  V-­‐Person   sich   in   einer   ganz   anderen  Situation  befindet,   als  der  

glückliche   Angeklagte   eines   Strafverfahrens.   Moment   mal,   glücklich?   Wie   kann   man  

glücklich   sein,   wenn   man   sich   in   einem   Strafverfahren   befindet   und   womöglich   die  

nächsten   Jahre   im   Gefängnis   verbringen   muss,   weil   der   Richter   der   Anklagebehörde  

glaubt?    Ist  die  V-­‐Person,  die  vom  Geheimdienst  „erpresst“  wird  nicht  viel  besser  dran,  

schließlich  bleibt  sie  doch  auf  freiem  Fuß?    

Wer  so  denkt,  denkt  ausgesprochen  kurzsichtig.  Um  es  ganz  klar  zu  sagen:   Ich  möchte  

lieber  in  der  Haut  eines  Angeklagten  stecken  als  in  der  Haut  einer  derartigen  V-­‐Person.  

Denn   oftmals   rutschen   diese   V-­‐Personen   durch   die   geheimdienstliche   Erpressung  

immer   tiefer   in   den   Sumpf   aus   (legalisierter)   Erpressung   und   Straftaten,   die   sie   zu  

begehen  hat.  Denn  es  hört   regelmäßig   ja  nicht  mit   einer  klitzekleinen  Erpressung  auf,  

die  dann  bloß  zu  einem  einzigen  Verrat  führt.  Man  hat  natürlich  ein  Interesse  daran  die  

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V-­‐Person   fest   und   fester   an   sich   zu   binden.   Aus   diesem  Grund   ist  man  natürlich   auch  

geneigt  ihr  immer  weitere  Straftaten  nachweisen  zu  können.  

Ein   weiterer   Grund   für   das   Nebeneinander   von   Geheimdienst   und  

Polizei/Staatsanwaltschaft   liegt   darin,   dass   die   durch   das   Strafverfahren   gebundenen  

Strafvollzugsbehörden  nur  begrenzt  wertvoll  für  die  Politik  sind.  Jedes  Gericht  verbittet  

sich   Einmischungen   der   Politik,   aus   gutem   Grund.   Die   Politik   aber   will   zuverlässige  

Informationen   über   Bedrohungslagen   haben,   sie   will   ihre   Entscheidungen   an   diesen  

Bedrohungslagen   ausrichten   können.   Ein   klassisches   Feld   der   geheimdienstlichen  

Tätigkeit   ist   daher   der  Auslandsnachrichtendienst,   der   in  Deutschland   eben   vom  BND  

wahrgenommen   wird.   Es   leuchtet   jedem   ein,   dass   in   Fragen   der   Außenpolitik   die  

Informationsbeschaffung   von   überlebenswichtiger   Bedeutung   für   einen   Staat   ist.  

Schwieriger  wird  es  allerdings,  wenn  es  um  die  Informationsbeschaffung  im  Inland,  für  

inländische   politische   Zwecke,   geht.   Und   hier   sind   wir   beim   Problem   des  

Verfassungsschutzes.   Man   muss   sich   nämlich   einmal   fragen,   wozu   die  

Informationsbeschaffung   im   Inland  mit   geheimdienstlichen  Mitteln   eigentlich   gut   sein  

soll.   Welche   Gefahren   will   die   Politik   mit   Hilfe   des   Geheimdienstes   abwehren?   Dabei  

muss  natürlich  berücksichtigt  werden,  dass  es  gerade  keine  Aufgabe  der  Geheimdienste  

ist,  Straftaten  zu  verfolgen.  Denn  wir  haben  ja  schon  gelernt,  dass  das  nicht  geht,  weil  es  

dem  Angeklagten  so  nicht  möglich  wäre,  sämtliche  Beweise  in  Zweifel  zu  ziehen.  

Wenn  es  aber  nicht  um  die  Abwehr  von  Straftaten  geht,  was  bleibt  dann  eigentlich  noch  

über?   Der   Laie   –   und   zu   denen   zähle   ich   auch   viele   Juristen   –   ist   geneigt   hier  

schlagwortartig  das  Stichwort  „Prävention“  zu  bringen,  sich  auf  das  juristische  Feld  der  

„Gefahrenabwehr“   zu   begeben   und   zu   argumentieren,   dass   Terrorismusabwehr   auch  

Gefahrenabwehr   sei   und   dies   keine   Angelegenheit   sei,   bei   der   die   strafrechtlichen  

Privilegien  des  Angeklagten  Anwendung  finden  würden.  

Ich  halte  das  für  zu  kurz  gegriffen  und  will  im  Folgenden  erläutern  warum.  

 

Zunächst   einmal   muss   man   sich   doch   fragen,   ob   das   Gefahrenabwehrrecht,   wie   es  

derzeit  Anwendung   findet,  nicht   selbst  eine  Gefahr   für  den  Rechtsstaat  darstellt.  Denn  

durch   die   Ausuferung   des   Gefahrenabwehrrechts   werden   strafrechtliche   Privilegien  

langsam   aber   sicher   ausgehöhlt.   Dabei   ist   wichtig   zu   wissen,   dass   es   dafür,   ob   man  

gefahrenabwehrrechtlich   als   „Störer“   behandelt   wird,   nicht   auf   die   Schuld   oder  

Unschuld   eines   Betroffenen   ankommt.  Wer   aus   der   halbwegs   objektivierten   Sicht   der  

Behörde  eine  Gefahr  zumindest  mittelbar  verursacht,  ist  Störer.  Es  ändert  nichts  daran,  

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dass  der  Betroffene  vielleicht  keine  verbotene  Handlung,   also  eine  erlaubte  Handlung,  

begeht.   Auch   erlaubte   Handlungen   können   nach   gefahrenabwehrrechtlicher  

Betrachtung   (so  die   ganz  herrschende  Ansicht)   eine   Störung  darstellen  und   somit   zur  

polizeirechtlichen   Verantwortlichkeit   führen,   unjuristisch   formuliert:   Wenn   ich   etwas  

erlaubtes   tue,  das  aus  Sicht  der  Behörde  eine  Gefahr  darstellt,  dann  kann  die  Behörde  

bestimmte  Maßnahmen  gegen  mich  ergreifen.  

Mit   dieser   weiten   Betrachtung   des   Gefahrenbegriffs,   der   auch   erlaubte   Handlungen  

einschließt,   ist   der  Willkür   des   Staates   natürlich   Tür   und   Tor   geöffnet.   Es   sei   darauf  

hingewiesen,  dass  es  auch  hellsichtigere  Auffassungen  in  der  Juristerei  gibt,  die  nämlich  

erlaubte  Handlungen  aus  dem  Begriff  der  Gefahr  von  vornherein  ausschließen  wollen;  

nur  haben  sich  diese  Auffassungen  nie  durchsetzen  können.  

Ich   will   um   etwas   Druck   aus   der   Angelegenheit   zu   nehmen   hier   kein   Beispiel   im  

sogenannten   „Kampf   gegen   Rechts“   anführen,   sondern   Beispiele   aus   dem  Bereich   des  

Islamismus  bringen:  

Vor  einiger  Zeit  ordnete  der  Niedersächsische   Innenminister  Schünemann  an,  dass  die  

Besucher  von  bestimmten  Moscheen  generell  durch  die  Polizei  überprüft  wurden.  Jeder  

Besucher   einer   dieser   Moscheen   musste   sich   also   ausweisen   und   seine   Identität  

offenbaren,  bevor  er  in  die  Moschee  eintreten  konnte.  

Es   ist   jedem   klar   –   außer   dem   Innenminister   des   Landes   Niedersachsen   -­‐,   dass   der  

Besuch   einer   Moschee   unter   die   Religionsfreiheit   fällt   und   folglich   eine   erlaubte  

Handlung   ist.   Trotzdem   wurden   die   Freiheitsrechte   der   Moscheebesucher   durch   die  

Polizei  über  einen   längeren  Zeitraum  massiv  eingeschränkt  und  das  alles  nur,  weil  die  

Moscheebesucher   aus   Sicht   des   Politikers   Schünemann   eine   „Gefahr“   verursachten.  

Diese  Kontrollen  führten  in  der  Presse  bundesweit  zu  einer  Kontroverse.  Als  Beispiel  sei  

hier   der   Artikel   der   Hannoverschen   Allgemeinen   Zeitung   vom   02.12.2009   angeführt:  

http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Juristen-­‐halten-­‐

Moscheekontrollen-­‐fuer-­‐verfassungswidrig  

 

Im   internationalen   Bereich   sei   auf   das   Beispiel   der   Anwendung   von   Folter   zur  

Informationsgewinnung   durch   die   Amerikaner   hingewiesen:   Um   den   Angeklagten  

strafrechtliche  Privilegien  wie  das  Aussageverweigerungsrecht  zu  entziehen,  überstellte  

man   die   Gefangenen   nach   Guantanamo,   einem   US-­‐Militärstützpunkt   an   der   Südküste  

von   Kuba,   der   dort   exterritoriales   Gebiet   darstellt   und   nach   Ansicht   der  

Verantwortlichen   im   US-­‐Verteidigungsministerium   (aber   nicht   nach   Ansicht   der   US-­‐

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Bundesgerichte)   ein  Gebiet   ohne   zuständige  US-­‐Gerichtsbarkeit   darstellte.  Aus  diesem  

Grund   meinte   man   die   dort   Gefangenen   der   Folter   unterziehen   zu   können,   um   die  

Gefangenen   so   an   ihrem   Aussageverweigerungsrecht   zu   hindern   und   damit   an  

Informationen   gelangen   zu   können.   Damit   ging   man   rechtshistorisch     einen   Schritt  

zurück  ins  Mittelalter.  

 

Ein  weiteres  prominentes  Beispiel   ist  die  Androhung  von  Folter   im  Fall  Daschner  bzw.  

Gäfgen.  Der  Kindesentführer  Magnus  Gäfgen  hatte  den  Sohn  eines  reichen  Frankfurter  

Bankiers   entführt   und   sich   –   da   er   selbst   Jura   studiert   hatte   –   in   Kenntnis   seines  

Aussageverweigerungsrechts   auf   selbiges   zurückgezogen   und   sich   geweigert   den  

Aufenthaltsort   des   entführten   Kindes   preiszugeben.   Herr   Daschner,   ein   ranghoher  

Beamter,  drohte  dem  Entführer  die  Anwendung  von  Folter  an,  solle  er  nicht  sagen,  wo  

sich  das  Kind  befinde,  wobei   angemerkt  werden  muss,   dass  man   zu  diesem  Zeitpunkt  

davon   ausging,   dass   das   Kind   noch   lebt.   Obwohl   Herrn   Daschner   das  

Aussageverweigerungsrecht   durchaus   bewusst   war,   hielt   er   es   in   der   Sache   für   nicht  

einschlägig.   Denn   nach   einer   weiteren   Theorie   des   Gefahrenabwehrrechts   kann   nicht  

nur   erlaubtes   Handeln   eine   Gefahr   darstellen,   die   Polizei   kann   auch   noch   selbst  

entscheiden,  ob  sie  zu  Zwecken  der  Strafverfolgung  oder  zur  Gefahrenabwehr  tätig  wird.  

Da  Herr  Daschner  hier  der  Ansicht  war,   einzig  das  Leben  des  Kindes   retten  zu  wollen  

und  keinen  Wert  auf  die  strafrechtliche  Überführung  des  Täters  legte  (so  muss  man  es  

ihm   zu   seinen   Gunsten   zumindest   auslegen),   handelte   er   also   einzig   zur  

Gefahrenabwehr:  Er  selbst  legte  damit  fest,  wie  weit  die  Rechte  des  Betroffenen  gehen.  

Das   Urteil   des   Strafgerichts   lautete   später   zwar,   dass   die   Androhung   von   Folter  

unrechtmäßig   war,   dieses   Urteil   ist   jedoch   mit   großer   Vorsicht     zu   genießen.   Das  

Strafgericht  selbst  hat  sich  in  seinem  Urteil  an  den  Grenzen  seiner  Zuständigkeit  bewegt,  

denn   streng   genommen   ist   die   Überprüfung   der   Rechtmäßigkeit   polizeilicher  

Maßnahmen  Aufgaben  der  Verwaltungsgerichte  und  eben  nicht  der  Strafgerichte.  Folgt  

man  nämlich  der  ganz  herrschenden  Ansicht  in  der  Polizeirechtslehre,  dass  nämlich  der  

Beamte  entscheidet  ob  er  strafrechtlich  oder  gefahrenabwehrrechtlich  tätig  wird,  dann  

ist  ein  Urteil  eines  Strafgerichts  in  dieser  Angelegenheit  an  der  Grenze  dessen,  was  der  

Jurist  als  „ultra  vires“  bezeichnet,  ein  unrechtmäßiges  Urteil,  unrechtmäßig  deshalb,  weil  

das  Gericht  nicht  zuständig  war.  Ich  will  aber  nicht  weiter  auf  die  Details  eingehen.  Mir  

ist  etwas  ganz  anderes  wichtig:  

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Am  Fall  Daschner  sieht  man  sehr  schön,  dass  die  Ausuferung  des  Gefahrenabwehrrechts  

die  „Einschläge“  näher  an  den  Bürger  bringt.  Kann  man  sich  als  Durchschnittsdeutscher  

nach   dem   ein   oder   anderen   phantasievollen   Spielfilm   unter   Moscheekontrollen  

vielleicht   noch   potentiell   gefährliche   Terroristen   vorstellen   und   unter   „Guantanamo“  

vielleicht   noch   wirklich   auf   gefährliche   Terroristen   schließen,   so   kommen   doch  

spätestens   im   Fall   Daschner   Zweifel   auf,   ob   das   mit   der   Anwendbarkeit   von  

Gefahrenabwehrrecht  auch  bei  erlaubten  Handeln  und  nach  mehr  oder  weniger  freiem  

Ermessen  durch  die  Beamten  wirklich  so  seine  Richtigkeit  haben  kann.  

 

Damit  schließt  sich  der  Kreis  und  wir  sind  wieder  beim  Ausgangsproblem:  Es  geht  um  

die   Frage,   wofür   man   eigentlich   einen   Geheimdienst   braucht,   wenn   dessen   Aufgabe  

„nur“   die   Informationsgewinnung   ist   und   er   keinerlei   Strafverfolgungsaufgaben  

wahrnehmen  darf.  Die  Politik  ist  derzeit  bemüht  die  Aufgaben  der  Geheimdienste  immer  

weiter  auszudehnen,  die  Geheimdienste  sollen  im  Bereich  der  Gefahrenabwehr  wildern.  

Sie   sollen  also  Aufgaben  übernehmen,  die  ursprünglich  einmal  ordentlichen  Behörden  

übertragen   wurden.   Also   weitestgehend   transparenten   Staatsorganisationen,   deren  

Kontrolle  durch  die  Gerichte  in  den  meisten  Fällen  effektiv  war.  

Alles   dreht   sich   also   um   die   Frage,   wo   genau   die   Grenze   zwischen   erlaubten  

polizeilichem   Handeln   und   durch   die   Verfassung   verbotenen   geheimpolizeilichem  

Handeln   liegt,   das   den   Bürger   nicht   zum   Angeklagten,   sondern   zum   Spielzeug   des  

Geheimdienstes  macht.    

Und  hier  sind  wir  endlich  bei  der  Überschrift  des  Kapitels  angekommen:  

Was   für   Zwänge   in   Bezug   auf   die   Staatsorganisation   bestehen,   die   es   dem   Staat  

dermaßen   zwingend   erscheinen   lassen,   dass   er   seinen  Bürgern  nicht  mit   dem  Mitteln  

des  Strafverfahrens  gegenübertritt,  sondern  mit  geheimdienstlichen  Methoden?  

Dazu  will  ich  mich  mit  einer  Reihe  von  Argumenten  auseinandersetzen.  

 

1. Das  Argument  der  Terrorismusabwehr  

In   den   letzten   Tagen   ist   wegen   des   Phänomens   „Nationalsozialistischer   Untergrund  

(NSU)“   viel   Aufhebens   um   den   „braunen   Terrorismus“   bzw.   zur   „Braunen   Armee  

Fraktion“   gemacht  worden.   Schon  die  Bezeichnung   stellt   eine  Nähe   zur   „Roten  Armee  

Fraktion  (RAF)“  her.  Abgesehen  davon,  dass  alle  bislang  erlangten  Erkenntnisse  keinen  

Beleg   dafür   hergeben,   dass   diese   Gruppe   aus  mehr   als   3   Personen   zuzüglich  weniger  

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Unterstützer   bestand,   halte   ich   einen   Vergleich   mit   der   RAF   oder   anderer  

Terrororganisationen  aber  auch  in  „qualitativer“  Hinsicht  für  vollkommen  überzogen.  

a) Die   RAF   war   eine   Terrororganisation,   die   von   der   Bundesrepublik  

Deutschland   feindlich  gesinnten  Staaten  wie  der  DDR  massiv  unterstützt  

wurde.  Man  weiß  heute,  dass  die  RAF  bei  der  Staatssicherheit  ein  und  aus  

ging,   sie   geschult   wurde,   mit   Geld   versorgt   wurde   und   internationale  

Kontakte   zu   anderen   Terrororganisationen   erster   Güte   hatte.   Der   NSU  

hingegen  ist  –  soweit  es  bekannt  ist  –  eine  Gruppe  von  zwei  Männern  (die  

mittlerweile  tot  sind)  und  einer  Frau  gewesen,  die  keinerlei  Unterstützung  

durch   fremde  Mächte  hatte  und  die  praktisch  über  keinerlei  Verbindung  

nach  Außen  hatte.  Der  NSU  hatte  keine  falschen  Originalpässe,  wie  einige  

Terroristen   der   RAF,   er   hatte   bloß   einen   Handlanger,   der   seinen  

Führerschein   für   die   Anmietung   eines   Fahrzeuges   hergab,   jedenfalls  

soweit  man  aktuellen  Presseberichten  Glauben  schenken  mag.  Um  mit  der  

Literatur  zu  sprechen:  Bei  der  RAF  denkt  man  an  James  Bond.  Beim  NSU  

eher  an  die  Olson-­‐Bande  in  einer  psychisch  gestörten  Version.  

Weil   die   RAF   über   derart   weitreichende   Kontakte   und   Möglichkeiten  

verfügte,   war   die   Bekämpfung   der   RAF   mit   den   Mitteln   des  

Strafverfahrens  nur  sehr  eingeschränkt  möglich.  Denn  bitte  wie  soll  man  

Terroristen  bekämpfen,  die  selbst  über  beste  Kontakte  zum  Geheimdienst  

verfügen  und  von  einem  solchen  unterstützt  werden?  Die  RAF  konnte  man  

nur   bekämpfen,   indem   man   sich   selbst   geheimdienstlicher   Methoden  

bediente.    

Der   NSU   hingegen   ist   ein   klarer   Fall   für   die   Polizei.   Es   spricht   derzeit  

nichts   dafür,   dass   der   NSU   die   Unterstützung   eines   fremden  

Geheimdienstes   hatte.   Es   spricht   streng   genommen   noch   nicht   einmal  

etwas   dafür,   dass   ein   ominöser   Beamter   des   hessischen  

Verfassungsschutzes  dieser  Organisation  Hilfe  leistete.  Ich  gehe  später  im  

„Fall“   näher   darauf   ein.   An   dieser   Stelle   soll   nur   darauf   hingewiesen  

werden,  dass  es  grundsätzlich  erforderlich  sein  kann,  die  Arbeit   fremder  

Nachrichtendienste,  die  terroristische  Gruppen  unterstützen,  hier  mit  den  

Mitteln  der  eigenen  Geheimdienste  zu  bekämpfen.  Das  setzte  aber  voraus,  

dass   es   eine   Verstrickung   eines   solchen  Geheimdienstes   gibt.   Gibt   es   sie  

nicht,   besteht   dafür   kein   Anlass.   Mehr   noch:   Da   auch   hier   wieder   dem  

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Betroffenen   das   Abrutschen   in   die   sklavische   Abhängigkeit   als   V-­‐Person  

droht,   ist   der   Einsatz   von   Geheimdiensten   natürlich   immer   dann   zu  

unterlassen,   wenn   polizeiliche   Mittel   angesichts   des   Fehlens   fremder  

geheimdienstlicher  operativer  Tätigkeiten  vollkommen  ausreichend  sind.  

b) Abgesehen   von   der   Gefahr   der   Anwendung   rechtsstaatswidriger  

Methoden   bei   der   Terrorbekämpfung   stellt   sich   noch   ein   weiteres  

Problem:   Der   Einsatz   von   Geheimdiensten   zur   „Gefahrenabwehr“   im  

Bereich  des  Terrorismus   ist  nicht  erforderlich,  weil  es  beim  Terrorismus  

keinen   Bereich   gibt,   der   sich   in   einem   strafrechtslosen   Bereich   abspielt  

und  daher  mit  den  Mitteln  des  Gefahrenabwehrrechts  aufgeklärt  werden  

müsste.   Oftmals   argumentieren   Sicherheitspolitiker   nämlich   so,   dass   es  

„im  Vorfeld“  zur  „Prävention“  bereits  möglich  sein  müsste,  Maßnahmen  zu  

ergreifen.  Anders  ausgedrückt:  Im  Bereich  des  Terrorismus  will  man  auch  

schon  dann  handeln  können,  wenn  das  konkrete  Handeln  erlaubt   ist.  Sie  

erinnern  sich?  Ich  habe  das  Thema  oben  schon  einmal  angesprochen.  Der  

Staat  möchte  also  bereits  dann,  wenn  noch  keine  Straftat  vorliegt,  handeln  

können.   Das   Problem   im   Bereich   des   Terrorismus   ist   nur:   Es   gibt   hier  

nichts,  was  nicht  strafbar  wäre!  Oder  anders  ausgedrückt:  Versuchen  Sie  

doch   einmal   eine   Terrorgruppe   zu   gründen,   ohne   sich   dabei   strafbar   zu  

machen.   Ich   will   Ihnen   ein   paar   Beispiele   geben:   Die   Bildung   einer  

terroristischen  Vereinigung   ist   strafbar,   §  129a  StGB.  Wenn  Sie   sich  also  

mit  Ihren  Fußballfreunden  zusammenfinden  um  demnächst  Anschläge  zu  

begehen   und   das   Ganze   bei   einem   Bier   zu   besprechen,   dann   sind   Sie  

schneller  im  Gefängnis,  als  sie  denken.  Doch  nehmen  wir  einmal  an,  diese  

Zusammenkunft  würde   klappen,   Sie  würden  nicht   erwischt   und  würden  

nun   weitermachen   mit   ihrer   Planung.   Sie   planen   also   eine   Bombe   zu  

bauen   und   schon   wieder:   Die   Planung   ist   strafbar,   §   89a,   b   StGB.   Ich  

erspare   mir   hier   strafrechtliche   Einzelheiten   bei   der   Abgrenzung,  

insbesondere   zum   Waffengesetz.   Aber   auch   das   Verwenden   eines  

gefälschten  Führerscheins   ist   strafbar,   ebenso  der  unerlaubte  Besitz  von  

Waffen   und   Sprengstoff   und   wenn   Sie   „nur“   ein   Auto   stehlen,   um   zur  

Finanzierung  ihrer  Terrorgruppe  Banküberfälle  begehen  zu  können…  Sie  

machen   sich  mit   all   diesen   Vorbereitungshandlungen   strafbar.   Dabei   ist  

natürlich   wichtig   zu   wissen,   dass   in   den   allermeisten   Fällen   auch   der  

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Versuch   strafbar   ist,   es   also   nicht   zum   Erfolgseintritt   gekommen   sein  

muss.   Wenn   Sie   es   schaffen   eine   Terrorgruppe   zu   bilden,   ohne   sich  

strafbar  zu  machen,  dann  haben  sie  die  Quadratur  des  Kreises  geschafft.  

Bislang  ist  das  niemanden  gelungen.  

c) Schließlich   ist  anzumerken,  dass  es  sich  auch  überhaupt  nicht  erschließt  

inwieweit   die   Politik   eigentlich   „Terrorismusabwehr“   mit   den   Mitteln  

reiner   Informationssammlung   erreichen   können   soll.   Es   gibt   zwar  

Konstellationen,   in   denen   das   möglich   ist,   dies   sind   jedoch   alles  

Konstellationen,  in  denen  Einfluß  auf  fremde  Staaten  bzw.  auf  Territorien  

genommen   werden   soll,   deren   Kontrolle   zumindest   teilweise   nicht  

besteht.   Innerhalb   eines   Staatsgebietes   genießen   die   Bürger   des   Staates  

aber   umfassende   Bürgerrechte,   die   die   Regierung   binden   und   operative  

Tätigkeiten  gegen  einzelne  Personen  daher  gar  nicht  möglich  sind.  

d) Das   Einzige  was   als   Tätigkeit   für   den   Verfassungsschutz   im  Bereich   der  

Terrorismusabwehr   Sinn   ergibt,   ist   die   von   den  

Verfassungsschutzbehörden   bereits   jetzt   durchgeführte  

Informationssammlung   zur   Bewertung   des   Extremismus   zwecks  

politischer  Bildung  und  Aufklärung.   So   können   in  den   Schulen  Dank  der  

Verfassungsschutzbehörden   Aufklärungsprogramme   durchgeführt  

werden.  Nur   stehen  derartige  Aktivitäten   in   keinem  Zusammenhang  mit  

dem  Problem  der  Gruppe  „Nationalsozialistischer  Untergrund  (NSU)“.  

Ungefährer   chronologischer   Ablauf   und   Erklärungen   für   die   behördlichen  

Reaktionen  

Ich  werde  an  dieser  Stelle  nicht  alle  Details  wiederholen,  die  jeder  bei  der  Wikipedia  in  

den  Artikeln  „Nationalsozialistischer  Untergrund“  http://de.wikipedia.org/  

wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund   und   „Mordserie   Bosporus“  

http://de.wikipedia.org/wiki/Mordserie_Bosporusnachlesen  kann.    

Wichtig  ist  hier  nur  zu  wissen,  dass  die  Mordserie  2000  begann  und  sich  dann  bis  in  den  

April   2006   hinzog.   Die   Opfer   waren   über   ganz   Deutschland   verteilt.   Es   waren   alles  

Kleingewerbetreibende,  eines  der  Opfer  war  griechischer  Abstammung,  der  Rest  Türken  

bzw.  türkischer  Abstammung.  Die  Polizei  ging  die  ganze  Zeit  davon  aus,  dass  es  sich  um  

Auftragsmorde   im   Milieu   handelte,   denn   der   Täter   hatte   keine   Hemmungen   am  

helllichten  Tag  vorzugehen.  Das  lässt  darauf  schließen,  dass  der  Täter  das  Opfer  und  den  

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Tatort   vor   der   Tat   ausgekundschaftet   haben  musste,   seine   Tat   also   sorgfältig   geplant  

und  vorbereitet  hatte.  Soweit  bekannt  war,  fehlte  kein  Geld.  Ein  Raub  schied  damit  aus.  

Bekannte  oder  vermutete  Maßnahmen  der  Polizeibehörden  

Es   ist   bekannt,   dass   sämtliche   Tatorte   untersucht   wurden.   Ob   und   welche   Spuren  

gefunden  wurden,  ist  der  Öffentlichkeit  nicht  bekannt.  Die  ballistische  Untersuchung  der  

Tatwaffe  ergab  jedoch,  dass  die  Opfer  mit  einer  schallgedämpften  Waffe  getötet  wurden.  

Die  vermuteten  Maßnahmen  ergeben  sich  aus  den  Tatabläufen:  

Zunächst   einmal   ist   wichtig,   dass   es   nie   zu   einem   Bekennerschreiben   kam.   Damit  

deutete   nichts   auf   eine   terroristische   Tat   hin.   Im   Gegenteil:   Da   die   Opfer   mit   einer  

schallgedämpften   Waffe   am   helllichten   Tag   förmlich   hingerichtet   wurden,   lag   der  

Verdacht  nahe,  dass  es  sich  um  Auftragsmorde  handelte.  Schon  nach  der  ersten  Tat  wird  

die  Polizei  das  gesamte  Privatleben  des  Opfers  durchforstet  haben.  Dabei  wird  man  sich  

wegen  des  Tatablaufes  auch  sehr  genau  mit  der  finanziellen  Situation  der  Opfer  befasst  

haben.  Es   ist   anzunehmen,  dass  die   finanzielle   Situation  –  wie  bei  der  überwiegenden  

Zahl  der  Kleingewerbetreibenden  –  angespannt  war.  

Man   hatte   also   einen   Kleingewerbetreibenden   ausländischer   Herkunft   in   finanziell  

schwieriger   Situation,   der   am   helllichten   Tag   von   einem   Profikiller   mit   einer  

schallgedämpften  Waffe  hingerichtet  wurde,  den  das  Geld  der  Opfer  nicht  interessierte.  

Dies  erlaubt  keinen  anderen  Schluss,  als  dass  es  sich  um  eine  Tat  im  Zusammenhang  mit  

organisierter   Kriminalität   oder   Spionage   handeln   musste.   Für   Terrorismus   sprach   in  

diesem   Zusammenhang   nichts.   Für   rechtsextremistischen   Terrorismus   sprach   noch  

weniger.   In   der   Folge   kam   es   bis   zum   Jahr   2006   zu  weiteren   Taten.   Eine   Verbindung  

zwischen   den   Opfern   bestand   nicht,   wenn   man   mal   von   der   Verwendung   derselben  

Waffe  absieht.  

Bekannte  oder  vermutete  Maßnahmen  der  Verfassungsschutzbehörden  

Nun  da  die  polizeiliche  Lage  einigermaßen  klar   ist,   ist  auch  klar,  von  welcher  Lage  die  

Verfassungsschutzbehörden  ausgegangen  sein  müssen:  

Ein   oder   mehrere   Profikiller   zogen   durch   Deutschland   und   töteten   eine   Reihe   von  

Kleingewerbetreibenden,   die   (vermutlich)   allesamt   in   angespannten   finanziellen  

Verhältnissen  lebten.  Die  Tatorte  lagen  über  ganz  Deutschland  verteilt.  

Jeder   der   sich  mit   geheimdienstlichen   Strukturen   schon   einmal   befasst   hat,   wird   nun  

von  folgenden  Gedanken  übermannt:  

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1. Die  über  ganz  Deutschland  –  von  Rostock  bis  München,  vom  Ruhrgebiet  bis  in  die  

Neue  Bundesländer  –  verteilten  Tatorte   ließen  darauf  schließen,  dass  die  Opfer  

einem   Netzwerk   angehörten,   dass   die   Opfer   vermutlich   Filialen   irgendeiner  

Organisation  betrieben.  

2. Die  schwierige  finanzielle  Situation  lies  entweder  auf  Tarnung  oder  gescheiterte  

Geldwäsche  schließen.  Oder  beides.  Denn  ein  Raubmord  schied   ja  –  wie  bereits  

dargestellt  –  aus.  War  also  vielleicht  gescheiterte  Geldwäsche  ein  Grund   für  die  

Taten?  Sollten  Mitwisser  verschwinden?  

3. Die  ausländische  Herkunft  der  Opfer  ließ  auf  die  Beteiligung  einer  ausländischen  

Organisation  schließen.  

4. Die  Tatsache,  dass  auch  ein  Grieche  unter  den  Opfern  war   lenkte  den  Verdacht  

von  Rechtsterroristen  –  für  deren  Beteiligung  wirklich  nichts  sprach  -­‐,  endgültig  

ab.   Vielmehr   lag   der   Verdacht   vor,   dass   es   sich   um   irgendetwas   im   Bereich  

Türkei/Griechenland   handeln   musste.   Damit   waren   Menschenschmuggel,  

Drogen-­‐   und   Waffenhandel   und   Spionage   die   heißesten   Tipps   in   dieser  

Angelegenheit.  

Da   die   Verfassungsschutzbehörden   aber   keinerlei   Erkenntnisse   über   ein   Spionage  

oder  OK-­‐Netz   in  Deutschland  hatten,  wurden   sie   an  dieser   Stelle  natürlich  doppelt  

sensibel.   Noch   einmal:   Die   Tatausführung   ließ   nicht   darauf   schließen,   dass   es   sich  

um  Rechtsterrorismus  handelte.  Alles  sprach  für  hochprofessionelle  Täter,  die  ganz  

gezielt  vermutlich  gegen  ein  Netzwerk  vorgingen.    

Aus  dieser  Situation  ergibt  sich,  dass  man  beim  Verfassungsschutz  alles  unternahm,  

um  die  Hintergründe  dieser  Organisation   zu  durchleuchten,   ja   zumindest  mal   eine  

Ahnung   davon   zu   haben,   wer   überhaupt   dahinter   steckt.   Es   ist   also   anzunehmen,  

dass   bei   den   Verfassungsschutzbehörden   alle   Referate   alle   Daten   danach  

durchstöberten,   ob   irgendeines   dieser   Opfer   schon   einmal   Kontakt   zu   irgendeiner  

politisch   extremen   Organisation   hatte.   Oder   ein   Familienangehöriger   oder   ein  

(vormals)  regelmäßiger  Kunde  dieser  Kleingewerbetreibenden.  Und  da  statistisch  zu  

vermuten  ist,  dass  es  bei  zumindest  einem  dieser  Opfer  oder  eines  Verwandten  oder  

eines  Kunden  schon  einmal  Kontakte  zu  einer  politisch  extremen  Organisation  gab,  

werden   in   dieser   Richtung   sämtliche   Drähte   heiß   gelaufen   sein.   Denn   nichts  

beunruhigt  einen  Geheimdienst  mehr,  als  nicht  zu  wissen  was  sich  auf  dem  eigenen  

Staatsgebiet   abspielt.   Zumal   man   wissen   muss,   dass   die   Dienste   eigentlich   immer  

eine   ungefähre   Ahnung   davon   haben,   wer   gerade   wo   oder   zumindest   mit   wem  

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operativ   tätig   ist.  Dass  ein  Dienst  gar  keine  Ahnung  davon  hat,  wie  es  hier  der  Fall  

war,  kommt  äußerst  selten  vor  und  lässt  die  Panik  nur  noch  weiter  steigen.  

 

„Skandalträchtigkeit“  unter  Berücksichtigung  der  Aufgaben  der  Behörden  

Im   Moment   konzentriert   sich   die   Skandalisierung   der   Vorgänge   auf   die  

Verfassungsschutzbehörden.   Alleine   das   beweist   schon,   wie   wenig   Ahnung   von   der  

Materie   in   der   deutschen   Presselandschaft   vorhanden   ist.   Ich   wiederhole   mich   zwar  

ungerne,  komme  aber  nicht  umhin  auf  das  vorgenannte  zu  verweisen:  

Die   Strafverfolgung   ist   keine   Aufgabe   der   Verfassungsschutzbehörden,   sie   ist   Aufgabe  

der  Polizei  und  der  Staatsanwaltschaft.    Nach  den  bisherigen  Ausführungen  ist  klar,  dass  

weder   die   Polizei   noch   die   Verfassungsschutzbehörden   auch   nur   den   geringsten  

Verdacht  in  Bezug  auf  Rechtsterrorismus  haben  konnten.  Ich  behaupte  sogar,  wenn  sie  

bei   dieser   Sachlage   von   Rechtsterrorismus   ausgegangen   wären,   hätte   ich   an   der  

Professioonalität  der  Dienste  gezweifelt.  Jeden  Beamten,  der  mich  als  Vorgesetzten  mit  

dem   Verdacht   auf   Rechtsterrorismus   belästigt   hätte,   hätte   ich   strafversetzt.   Denn   es  

sprach  nichts  für  Rechtsterrorismus.  Gar  nichts.  Aber  sehr  viel  sprach  für  einen  anderen  

Hintergrund.  

Heute,   am  21.11.2011,   lese   ich   auf   Spiegel  Online   einen   reißerischen  Bericht  mit   dem  

Titel   „Die   Schuld   der   Behörden“.   Darin   wird   auf   die   Tatsache   eingegangen,   dass   die  

erschossene   Beamtin   Kiesewetter   höchstwahrscheinlich   in   persönlicher   Beziehung   zu  

einem  der  Täter  stand.    

Es  mag  erstaunen,  aber  das  ist  für  die  Bewertung  der  Vorgänge  vollkommen  belanglos.  

Als   die   Beamtin   erschossen   wurde,   gab   es   nämlich   keinen   Hinweis   auf   eine  

rechtsterroristische   Tat.   Und   es   gab   auch   keinen   Hinweis   auf   die   Verstrickung   des  

vermeintlichen  Trios   in  diese  Tat.  Bekannt  war  ein  Polizistenmord,  mehr  nicht.  Ob  die  

Beamtin   in   irgendeiner   Weise   mit   einem   der   Täter   (entfernt)   bekannt   war,   konnte  

damals   nicht   ermittelt  werden.    Man   verzeihe  mir  meine   Polemik   aber:  Wie   soll  man  

auch   darauf   kommen,   dass   irgendwer   aus   der   Familie   des   Opfers   einen   Gasthof  

anmieten   wollte,   auf   dem   der   Schäferhund   des   Großcousin   3.   Grades   des   Täters   3  

Wochen  im  Jahr  angeleint  herumlag?  Selbst  wenn  man  das  wüsste,  wie  soll  man  daraus  

Rückschlüsse   auf   den   konkreten   Tathergang   ziehen?  Wie   soll   man   aus   der   Tatsache,  

dass  irgendwer  mit  irgendwem  entfernt  bekannt  ist,  auf  ein  Mordmotiv  kommen?  Noch  

absurder  wird  die  Sache,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  an  diesem  Tag  nicht  nur  auf  die  

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Beamtin  Kiesewetter   geschossen  wurde,   sondern   auch   auf   ihren  Kollegen.  Wenn  man  

schon  in  Betracht  zieht,  dass  ein  persönliches  Motiv  eine  Rolle  spielte,  dann  müsste  ein  

solches   für   beide   Beamten   in   Erwägung   gezogen   werden.   Man   hätte   also   auch   den  

persönlichen   Hintergrund   des   Kollegen   bis   zum   Schäferhund   des   3.   Großcousins  

durchforsten  müssen.  Ich  hoffe  klargemacht  zu  haben,  worauf  ich  hinaus  will:  Hinterher  

ist  man  immer  schlauer.  Aber  zu  erwarten,  dass  ein  Beamter  zum  Tatzeitpunkt  mit  den  

wenigen  verfügbaren  Fakten  auf   so  eine  Verbindung  kommt,   ist   schon  gewagt.  Als   ich  

das   letzte  Mal  Einblick   in  die  Dienstausrüstung  der  Polizei   hatte,   gehörten  Glaskugeln  

jedenfalls   noch   nicht   dazu.   Hellseherische   Fähigkeiten   wird   man   also   nicht   erwarten  

dürfen.  

Reformüberlegungen  

Angedacht  ist:  

-­‐ Verfassungsschutzämter  zusammenzulegen  

-­‐  

 

 

Kritik  an  den  Reformüberlegungen  in  Hinblick  auf  die  Verfassungsmäßigkeit  

Verbot  der  Vermischung    

Bisherige  Aufweichungen  des  Verbotes  

Gefahren  

Fazit