Zur Aussteifung von Biegeträgern durch Drehbettung und Schubsteifigkeit

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427 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 77 (2008), Heft 6 Ein genauerer aber auch aufwendigerer Nachweis des Biege- drillknickens darf unterbleiben, wenn Werte für Mindeststeifig- keiten erfüllt sind. Bekannt sind Angaben für die erforderliche Drehbettung c ϑ in den aktuellen Regelwerken DIN 18800-2 und DIN EN 1993-1-1. Hier werden die in DIN EN 1993-1-1, Tab. BB-1 angegebenen Werte, die aus DIN 18800-2 Tab. 6 stammen, auf der Grundlage der unterschiedlichen Biegedrillknickkurven in beiden Regelwerken neu bestimmt und für mehr Lastfälle ange- geben. Bezüglich der insbesondere bei Trapezprofilen ebenfalls vorhandenen Schubsteifigkeit S sind in den Regelwerken und der Literatur unterschiedliche Angaben vorhanden. Zur Angabe einer Mindest-Schubsteifigkeit S min , die einen genaueren Bie- gedrillknicknachweis erübrigt, werden hier zusätzliche Untersu- chungen vorgelegt, die die Verwendbarkeit von S min einschrän- ken. Es zeigt sich, dass der in der Literatur angegebene Wert S nach Gl. (5a) nur in einem begrenzten Anwendungsbereich zu- verlässig ist. Beams in bending restraint by rotational spring stiffness and shear stiffness of adjacent members. An exact but more exten- sive design check for lateral torsional buckling can be avoided if values for minimum restraints are fulfilled. Well known are values for minimum torsional restraints in the actual codes DIN 18800-2 and DIN EN 1993-1-1. The values of DIN EN 1993-1-1 table BB-1 are originally given in DIN 18800-2 table 6 based on the lateral torsional buckling curve of DIN 18800-2. They are newly calcu- lated on the basis of the curves given in DIN EN 1993-1-1 chapte 6.3.2.3 and more load cases are taken into account. Diffe- rent details are given in codes and literature concerning lateral restraints given by trapezoidally sheeting. Additional investiga- tions are carried out with regard to the minimum shear stiffness (lateral restraint) S min which limit the applicability of values S corresponding to eq. (5a) which is recommended in literature. 1 Einleitung Bei biegebeanspruchten Trägern besteht die Gefahr, dass sie sich unter kritischen Lasten auch seitlich verschieben und sich verdrehen – es tritt dann der Stabilitätsfall des Biegedrillknickens auf, s. Bild 1. Zusätzlich kann man die Fälle unterscheiden, bei denen einmal die seitliche Verschiebung v und die Verdrehung ϑ sich unabhängig voneinander einstellen können (Bild 1a) oder zum ande- ren die seitliche Verschiebung v an einer Stelle des Trä- gers vollständig verhindert ist, das sogenannte Biegedrill- knicken mit gebundener Drehachse (Bild 1b). Wenn Sta- bilitätsversagen auftritt, dann ist damit verbunden, dass unter Belastung die plastische Tragfähigkeit nicht er- reicht wird, was aus Wirtschaftlichkeitsgründen mög- lichst vermieden werden sollte. Um zu einer wirklichkeitsnahen Abschätzung der Tragfähigkeit zu kommen, sind die stabilitätsgefährdeten Träger nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist das Zu- sammenwirken mit angrenzenden Bauteilen zu berück- sichtigen. Dies ist rechnerisch durch den Ansatz von Drehfedern c ϑ oder/und den Ansatz der Schubsteifigkeit S id bzw. einer Wegfeder c y möglich, s. Bild 2. Die Berück- sichtigung der Wirkung angrenzender Bauteile ist beson- ders im Stahlhochbau und hier besonders im Hallenbau üblich, wo als angrenzende Bauteile stets Decken oder die Dachhaut vorhanden sind. Daher wird seit längerer Zeit die stabilisierende Wirkung der Dachhaut, insbesondere von Trapezprofilen, bei der Ermittlung der Tragfähigkeit berücksichtigt. Zur Aussteifung von Biegeträgern durch Drehbettung und Schubsteifigkeit Joachim Lindner Fachthemen DOI: 10.1002/stab.200810056 Bild 1. Prinzipdarstellung des Biegedrillknickens mit Bela- stung, a) Verformungen bei freier Drehachse, b) Verformun- gen bei gebundener Drehachse Fig. 1. Representation of lateral torsional buckling, a) defor- mation in case of free axis of rotation, b) deformation in case of fix axis of rotation Bild 2. Beispiele für die Stabilisierung durch angrenzende Bauteile Fig. 2. Examples for the stabilizing effect of adjacent members

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427© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 77 (2008), Heft 6

Ein genauerer aber auch aufwendigerer Nachweis des Biege-drillknickens darf unterbleiben, wenn Werte für Mindeststeifig-keiten erfüllt sind. Bekannt sind Angaben für die erforderlicheDrehbettung cϑ in den aktuellen Regelwerken DIN 18800-2 undDIN EN 1993-1-1. Hier werden die in DIN EN 1993-1-1, Tab. BB-1angegebenen Werte, die aus DIN 18800-2 Tab. 6 stammen, aufder Grundlage der unterschiedlichen Biegedrillknickkurven inbeiden Regelwerken neu bestimmt und für mehr Lastfälle ange-geben. Bezüglich der insbesondere bei Trapezprofilen ebenfallsvorhandenen Schubsteifigkeit S sind in den Regelwerken undder Literatur unterschiedliche Angaben vorhanden. Zur Angabeeiner Mindest-Schubsteifigkeit Smin, die einen genaueren Bie-gedrillknicknachweis erübrigt, werden hier zusätzliche Untersu-chungen vorgelegt, die die Verwendbarkeit von Smin einschrän-ken. Es zeigt sich, dass der in der Literatur angegebene Wert Snach Gl. (5a) nur in einem begrenzten Anwendungsbereich zu-verlässig ist.

Beams in bending restraint by rotational spring stiffness andshear stiffness of adjacent members. An exact but more exten-sive design check for lateral torsional buckling can be avoided ifvalues for minimum restraints are fulfilled. Well known are valuesfor minimum torsional restraints in the actual codes DIN 18800-2and DIN EN 1993-1-1. The values of DIN EN 1993-1-1 table BB-1are originally given in DIN 18800-2 table 6 based on the lateraltorsional buckling curve of DIN 18800-2. They are newly calcu-lated on the basis of the curves given in DIN EN 1993-1-1chapte 6.3.2.3 and more load cases are taken into account. Diffe-rent details are given in codes and literature concerning lateralrestraints given by trapezoidally sheeting. Additional investiga-tions are carried out with regard to the minimum shear stiffness(lateral restraint) Smin which limit the applicability of values Scorresponding to eq. (5a) which is recommended in literature.

1 Einleitung

Bei biegebeanspruchten Trägern besteht die Gefahr, dasssie sich unter kritischen Lasten auch seitlich verschiebenund sich verdrehen – es tritt dann der Stabilitätsfall desBiegedrillknickens auf, s. Bild 1. Zusätzlich kann mandie Fälle unterscheiden, bei denen einmal die seitlicheVerschiebung v und die Verdrehung ϑ sich unabhängigvoneinander einstellen können (Bild 1a) oder zum ande-ren die seitliche Verschiebung v an einer Stelle des Trä-gers vollständig verhindert ist, das sogenannte Biegedrill-knicken mit gebundener Drehachse (Bild 1b). Wenn Sta-

bilitätsversagen auftritt, dann ist damit verbunden, dassunter Belastung die plastische Tragfähigkeit nicht er-reicht wird, was aus Wirtschaftlichkeitsgründen mög-lichst vermieden werden sollte.

Um zu einer wirklichkeitsnahen Abschätzung derTragfähigkeit zu kommen, sind die stabilitätsgefährdetenTräger nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist das Zu-sammenwirken mit angrenzenden Bauteilen zu berück-sichtigen. Dies ist rechnerisch durch den Ansatz vonDrehfedern cϑ oder/und den Ansatz der SchubsteifigkeitSid bzw. einer Wegfeder cy möglich, s. Bild 2. Die Berück-sichtigung der Wirkung angrenzender Bauteile ist beson-ders im Stahlhochbau und hier besonders im Hallenbauüblich, wo als angrenzende Bauteile stets Decken oder dieDachhaut vorhanden sind. Daher wird seit längerer Zeitdie stabilisierende Wirkung der Dachhaut, insbesonderevon Trapezprofilen, bei der Ermittlung der Tragfähigkeitberücksichtigt.

Zur Aussteifung von Biegeträgern durch Drehbettung und Schubsteifigkeit

Joachim Lindner

Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.200810056

Bild 1. Prinzipdarstellung des Biegedrillknickens mit Bela-stung, a) Verformungen bei freier Drehachse, b) Verformun-gen bei gebundener DrehachseFig. 1. Representation of lateral torsional buckling, a) defor-mation in case of free axis of rotation, b) deformation incase of fix axis of rotation

Bild 2. Beispiele für die Stabilisierung durch angrenzendeBauteileFig. 2. Examples for the stabilizing effect of adjacent members

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Dies hat auch Eingang in die nationalen und interna-tionalen Normen gefunden [1], [2],[3]. Ausgereift sind dieAngaben zur Berücksichtigung der Drehbettung cϑ, diewesentlich auf jahrelange umfangreiche Untersuchungenam Fachgebiet Stahlbau der TU Berlin zurückgehen [4],[5], [6]. Hier kann zunächst durch Bedingung (1) in Ver-bindung mit Bed. (2) und Gl. (3) nachgewiesen werden,dass die erforderliche Mindeststeifigkeit vorhanden ist, sodass ein weiterer Nachweis entfallen darf.

(1)

(2)

(3)

mit cϑM [kNm/m] theoretische Drehbettung aus der Biege-

steifigkeit des abstützenden BauteilscϑA [kNm/m] Drehbettung aus der Verformung des An-

schlussecϑP [kNm/m] Drehbettung aus der Profilverformung.

Angaben zum Beiwert kϑ für freie und gebundene Dreh-achse auf der Grundlage der in DIN 18800-2 angegebenenBiegedrillknickkurve sind z. B. in [1] und [3] vorhanden.Dabei sind die Angaben in [3] gegenüber [1] durch dieBerücksichtigung größerer Auflasten auf der Grundlagevon [6] ergänzt. Weitere Angaben für Sandwichelementesind inzwischen von Dürr, Podleschny, Saal nach [7] ver-fügbar.

Wenn dieser Nachweis nicht gelingt, dann kann derWert vorh cϑ bei der Ermittlung des idealen Biegedrill-knickmomentes MKi berücksichtigt werden, am einfach-sten durch Einführung einer ideellen St. Venantschen Tor-sionssteifigkeit IT

* nach Gl. (4) anstelle von IT.

(4)

Die Berücksichtigung vorh cϑ durch Gl. (4) ist bei kleinenWerten von vorh cϑ,wie sie durch Trapezprofile gegeben sind,ausreichend, ansonsten ist ggf. eine Korrektur notwendig [8].

Schwieriger liegen die Verhältnisse, wenn eine Schub-steifigkeit S = Sid vorhanden ist. Es gibt Untersuchungenaus Karlsruhe, insbesondere von Heil, dass das Tragmo-ment Mpl von biegebeanspruchten Trägern als erreicht an-gesehen werden kann, wenn die Schubsteifigkeit S = Sudie Bedingung (5a) erfüllt [9], [10].

(5a)

erf SM

h

EIL

ch

pl y

z

= −

− − + +⎡

⎢⎢⎢

⎥⎥⎥

1018

4 31 1 1 1 862

2

2

,

, ,

,

I I vorh c L

GT T* = + ϑ π

2

2

vorh c

c c cM A P

ϑ

ϑ ϑ ϑ

=+ +

11 1 1

erf c k

M

E Ipl y

zϑ ϑ≥ ,

2

erf cvorh c

ϑ

ϑ≤ 1

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Stahlbau 77 (2008), Heft 6

c–2 = π2mit c2 nach Gl. (6) entsprechend DIN 18800-2,

umgeschrieben

(6)

Vereinfachend wird daraus

(5b)

mith Profilhöhe eines I-Profils.

Die Norm geht einen anderen Weg. Hier wird diejenigeSchubsteifigkeit gesucht, die das ideale Biegedrillknickmo-ment MKi auf 95 % desjenigen Wertes anhebt, der zum Er-reichen einer gebundenen Drehachse nach Bild 1b führt.Unabhängig vom vorliegenden Lastfall wird dies nähe-rungsweise als erreicht angesehen, wenn Bed. (7) erfüllt ist.

(7)

Wenn die Werte von (5) oder (7) nicht erreicht werden,dann darf die vorhandene Schubsteifigkeit auch bei derErmittlung des idealen Biegedrillknickmomentes MKIberücksichtigt werden. Allerdings liegen hierfür nur Nähe-rungslösungen nach [9] (Gl. (8a)) und [11] (Gl. (8b)) vor.

(8a)

(8b)

wobei nach DIN 18800-2 Gl. (9) gilt

(9)

mitζ Beiwert zur Erfassung der Form des Biegemomentenver-laufs, z. B. nach DIN 18800-2 oder [16] – für Gleichlast1,12, für Einzellast 1,35 – in DIN EN 1993-1-1 ist dieserWert C1 genannt.

Wegen der jeweils verwendeten jeweils einwelligen An-sätze für die Verformungen ϑ und v sind die Gl. (8a) oder(8b) jedoch insbesondere bei größeren Zahlenwerten fürdie Schubsteifigkeit mit größeren Fehlern behaftet. Für einBeispiel sind die Lösungen aus einer genauen Rechnungnach [12] derjenigen nach Gl. (8a) und (8b) gegenüber-gestellt, s. Bild 3. Hierbei gilt α = MKi,genau/MKi,Gl(8a) bzw.MKi,genau/MKi,Gl(8b). Wie zu ersehen ist, weicht je nachLänge und Größe der Schubsteifigkeit S das Ergebnis

M

EIL

c z zKiz

p p1

2

22 20 25 0 5= + +( )ζ

π, ,

M M S h

M M S h

Ki y Ki

Ki y Ki

,

,

,

,

= + ⋅ ⋅

= + ⋅ ⋅

1

1

0 614

0 5

S EI

LGI EI

Lh

hkNw t z≥ + +

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟ [ ]π π2

2

2

22

20 25 70,

SM

hkNu

pl y≥ [ ]10 2, ,

cI L I

Iw T

z

220 039

=+ ⋅,

erf SM

h

EIL

h h c

pl y

z

= −

− − + +⎡

⎣⎢⎢

⎦⎥⎥

1018

1 0724 16

11472

2

22

,

, ,

,

π

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Stahlbau 77 (2008), Heft 6

stark vom erwünschten Werte α = 1,0 ab. Man ist daheri. d. R. gezwungen, den vorhandenen Wert von S = Sid ineinem EDV-Programm zur Berechnung von MKi einzuset-zen, z. B. [12].

2 Erforderliche Drehbettungen cϑϑ2.1 Frühere Untersuchungen

Viele Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage,welche Drehbettung cϑ vorhanden sein muss, um aufeinen genaueren Biegedrillknicknachweis verzichten zudürfen, wobei stets davon ausgegangen wird, dass einefreie Drehachse nach Bild 1a vorhanden ist.

Alle Arbeiten bis 1980, und auch noch die DASt(Traglast)-Richtlinie 008 [14] gehen dabei von der An-nahme aus, dass die Wirkung der Imperfektionen bei derErmittlung der Drehbettung vernachlässigt werden darf.Es wurde so vorgegangen, dass die Traglast als erreichtangesehen wurde, wenn die nach der Elastizitätstheorieunter Berücksichtigung von berechneter idealer Verzwei-gungslast qKi den Wert qT nach dem Traglastverfahren (fürdas Innenfeld eines Durchlaufträgers z. B. qT = 16 Mpl/L2)erreichte. Die Berechtigung für diese Vorgehensweise hatman darin gesehen, dass bei vielen durchgeführtenGroßversuchen sich ausreichende Tragsicherheit ein-stellte, also kein Biegedrillknicken („Kippen“) auftrat.Dies war aber darauf zurückzuführen, dass in den Groß-versuchen stets neben der Drehbettung auch noch eineSchubsteifigkeit S wirksam war, die jedoch nicht separatgemessen werden konnte und somit zahlenmäßig nichtquantifizierbar war. Zusätzlich ist erklärend darauf hinzu-weisen, dass um 1970 der Kenntnisstand auf dem Gebietdes Biegedrillknickens im plastischen Bereich sehr viel ge-ringer war als jetzt.

Um die großen Auswirkungen der Vernachlässigungder Imperfektionen deutlich zu machen: Für den Fall inZeile 1 von Tabelle 1 bzw. Zeile 4 von Tabelle 2 ergab sichnach [14] ein Zahlenwert von kϑ = 0,9 statt 3,5 nach [1],[2] bzw. 4,2 nach Tabelle 2 für KSL b.

Bild 3. Verhältnis der Ergebnisse für MKi von genauerenRechnungen nach [12] mit den Näherungen nach den Gln. (8a) bzw. (8b).Fig. 3. Relation between the results of precise calculationsdue to [12] and the approximations of eqs. (8a) and (8b)

DrehachseZeile Momentenverlauf frei gebunden

1 4,0 0

2 3,5 0,12

3 3,5 0,23

4 2,8 0

5 1,6 1,0

Tabelle 1. Beiwerte kϑ nach DIN 18800-2, Tabelle 6 [1] undDIN EN 1993-1-1, Tabelle BB.1 [2]Table 1. Coefficients kϑ based on DIN 18800-2, table 6 [1]and DIN EN 1993-1-1, table BB.1 [2]

2.2 Angaben in den bestehenden Regelwerken

Umfangreiche Untersuchungen wurden in [4] vorgestellt,deren Ergebnisse dann in die Deutsche StabilitätsnormDIN 18800-2 [1] übernommen wurden. Es wurde darinzwischen den Fällen der freien und gebundenen Dreh-achse nach Bild 1 unterschieden.

Grundlage ist die in DIN 18800-2 gewählte Traglast-kurve für das Biegedrillknicken nach Gl. (10).

(10)

mit

(10a)

undn Trägerbeiwert nach [1], bei Walzprofilen für Momenteaus Querlasten z. B. n = 2,5, für geschweißte Profile ent-sprechend n = 2,0. Falls das Verhältnis der Randmomenteψ ≥ 0,75 vorhanden ist, sind diese Werte jeweils mit 0,8 zumultiplizieren.Der Hauptanwendungsbereich für das Verfahren derMindeststeifigkeit betrifft Pfetten, beansprucht durchGleichstreckenlasten. Dafür gilt nach DIN 18800-2 einTrägerbeiwert n = 2,5, worauf die Werte in Tabelle 6 derDIN 18800-2 fußen, die hier noch einmal in Tabelle 1angegeben sind.

Das in Gl. (10a) eingehende ideale Biegedrillknickmo-ment MKi ist u. a. von den Steifigkeitswerten des betrachte-ten Profils EIz, EIw, GIT, der Drehbettung cϑ, der Höhe desLastangriffpunktes über dem Schubmittelpunkt und derStützweite L abhängig. Wenn man voraussetzt, dass auchbei Vorhandensein von cϑ eine einwellige Sinuslinie die Ver-formung korrekt beschreibt (was nur so lange gilt, wie cϑrelativ klein ist) und vereinfachend L = ∞ setzt, dann verein-facht sich derAusdruck für MKi zu

MKi = ζ2 EIz cϑ (11)

λM

pl y

Ki

M

M= ,

κλ

M

Mn

n

=+

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟

1

12

1/

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Bei der Ermittlung der Mindeststeifigkeit wurde seit län-gerem, auch im Rahmen des Normungsverfahrens zuDIN 18800-2, davon ausgegangen, dass diese als erreichtangesehen werden kann, wenn das Tragmoment unterBeachtung der Drehbettung 95 % des Biegemomentes imvollplastischen Zustand erreicht. Für eine weitere rech-nerische Anhebung wäre eine unverhältnismäßig hoheweitere Vergrößerung der Drehbettung erforderlich, wasunter Berücksichtigung unserer üblichen baupraktischenUngenauigkeiten vernachlässigt werden kann.

Aus Gl. (10) ergibt sich zu κM = 0,95 ein Wert von λ–

M = 0,672, daraus

1/(λ–

M)4 = 1/0,6724 = 4,90 (12)

und damit

erf cϑ = (Mpl2/EIz)/(4,90/ζ2) (13)

oder allgemein

erf cϑ = (Mpl2/EIz) kϑ (14)

mit

kϑ = (4,90/ζ2) ≈ (5,0/ζ2) (15)

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J. Lindner · Zur Aussteifung von Biegeträgern durch Drehbettung und Schubsteifigkeit

Stahlbau 77 (2008), Heft 6

woraus sich für Gleichstreckenlast mit ζ = 1,12 ein Wertvon 5,00/1,122 = 3,99 ≈ 4,0 ergibt, der in Tabelle 1 inZeile 1 eingetragen ist.

Die Werte aus DIN 18800-2 wurden in DIN EN1993-1-1 übernommen, obwohl dort die Traglastkurven fürdas Biegedrillknicken anders formuliert sind. Dagegenbestehen solange keine großen Bedenken, wie es sich umdie Stabilisierung von Durchlaufträger-Pfetten aus Walz-profilen handelt, für die nach der Klassifikation vonDIN EN 1993-1-1, Tabelle 6.5, die Biegedrillknicklinie „b“nach Gl. (6.57) maßgebend ist. Für eine genauere Unter-scheidung ist es jedoch wünschenswert, die Mindeststei-figkeiten von Tabelle BB.1 aus DIN EN 1993-1-1 neu zuermitteln. Dies erfolgt hier im Abschnitt 2.3.

Bereits in [4] wurde vermerkt, dass größere Zahlen-werte als nach Tabelle 1 zu nehmen sind, falls die Vor-aussetzung von n = 2,5 nicht erfüllt ist. Auf die Auf-nahme des Lastfalles „konstantes Moment“ wurde inDIN 18800-2 bewusst verzichtet, da dieser bei Pfettennicht vorkommt.

2.3 Verbesserung der Tabelle BB.1 in DIN EN 1993-1-1

Diese Verbesserung beruht auf der Formulierung für dieBiegedrillknickkurven nach DIN EN 1993-1-1, Gl. (6.57)(hier Gl. (16)) und (6.58) (hier Gl. (18)) sowie den in der

Z Momentenverlauf C1 freie Drehachse C1 gebundene Drehachse

kc b c d kc b c d

11,0

0,524 0,489 0,4591,25

1,0 0,890,636 0,570 0,512

21,120,94

0,584 0,532 0,486 – 0 0 0

31,207 5,7260,91

0,615 0,555 0,5010,418

1,005 0,929 0,820

41,242

0,629 0,565 0,5085,59

1,002 0,925 0,8160,897 0,424

51,35

0,667 0,594 0,528 – 0 0 00,86

61,502

0,711 0,631 0,5534,814

0,816 0,4560,984 0,906 0,795

71,716

0,762 0,675 0,5852,624

0,763 0,6170,882 0,793 0,682

81,776

0,774 0,686 0,5932,266

0,75 0,6640,846 0,756 0,650

92,118

0,828 0,738 0,6342,652

0,884 0,795 0,684ψ ≤ −0.3

0,687 0,614

10wie in Z. 9, aber 1,385

0,669 0,596 0,5291,714

ψ = +0.5 0,858 0,7640,761 0,674 0,584

Tabelle 2. Werte grenz λ–LTTable 2. Values lim λ–LT

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Stahlbau 77 (2008), Heft 6

Anmerkung zu 6.3.2.3 angegebenen Modifizierungsfaktor f(hier Gl. (19)).

(16)

mit

(17)

und

(18)

mit

(19)

In der Dissertation von Kaim in Graz [17] wurde zunächstanhand von FEM-Traglastrechnungen nachgewiesen, dass

f kc LT= − −( ) − −( )⎡⎣⎢

⎤⎦⎥

≤1 0 5 1 1 2 0 8 12

, ,λ

χ χ

LTLT

f,mod = ≤ 1

χ χλ

LT LT

LT

≤ ≤1 12

,

χφ φ λ

λLT

LT LT LT

LTfür=+ − ⋅

>1

0 750 4

22

,,

die den Zahlenwerten von Tab. 1 zugrunde liegende Vor-aussetzung, dass ausreichende Tragsicherheit beim Errei-chen von 0,95 Mpl vorhanden ist, vertretbar ist. Weiterhinwurden in [17] Grenzwerte für die erforderliche Drehbet-tung errechnet, wobei vorausgesetzt wurde – es ist ein Walzprofil IPE 500 vorhanden– die Verbesserung des Abminderungsfaktors von χLT zuχLT,mod mit Hilfe des Beiwertes f nach Gl. (18) ist aus Ver-einfachungsgründen nicht berücksichtigt, d. h., die in [17]angegebenen Werte gelten nur für den Lastfall M = kon-stant und liegen damit für andere Lastfalle auf der siche-ren Seite.Zusätzlich hat Kaim durch einige Rechnungen gezeigt,dass die Traglastkurven für das Biegedrillknicken von Bie-geträgern günstiger sind, wenn eine Drehbettung cϑ vor-handen ist, als wenn dies nicht der Fall ist. Leider ist diesnicht so umfangreich belegt, dass es systematisch genutztwerden kann.

Hier werden nun systematische Auswertungen vorge-nommen, die für die Ermittlung der Mindeststeifigkeit diein Abschn. 2.2 dargelegten Grundlagen benutzen.– Es werden die Biegedrillknickkurven nach DIN EN1993-1-1 verwendet, s. hier Gln. (16) bis (19)– Alle Berechnungen zur Ermittlung von Biegedrillknick-momenten MKi = Mcr nach der Elastizitätstheorie werden

Z Momentenverlauf freie Drehachse gebundene Drehachse

b c d b c d

1 13,2 17,5 22,6 3,9 6,0 9,3

2 6,8 10,0 14,2 0 0 0

3 4,8 7,3 10,9 0,030 0,041 0,067

4 4,2 6,4 9,7 0,032 0,044 0,072

5 2,8 4,4 7,1 0 0 0

6 1,7 2,8 4,8 0,046 0,064 0,11

7 1,0 1,6 2,9 0,24 0,37 0,67

8 0,89 1,4 2,6 0,38 0,60 1,1

9 0,47 0,75 1,4 0,23 0,36 0,65ψ ≤ −0.3

10wie in Z. 9, aber

2,6 4,1 6,7 1,0 1,6 2,9ψ = +0.5

Tabelle 3. Werte kϑ für verschiedene Momentenverläufe in Abhängigkeit der Biegedrillknickkurven b,c und d und der Art der DrehachseTable 3. Coefficients kϑ for different moment distributions depending on the lateral torsional bucklingcurves b, c, d and the type of axis of rotation

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mit einem Profil IPE 300 mit L = 8,04 m und Lasthebelarmzp = 0 durchgeführt, daraus ergibt sich insbesondere derMomentenbeiwert C1 (dies entspricht ζ nach DIN 18800-2).– Die Korrekturbeiwerte kc für den Verlauf der Biegemo-mente, die für einige Lastfälle in DIN 18800-2 Tab. 8 bzw.DIN EN 1993-1-1 Tabelle 6.6 angegeben sind, werdennicht verwendet, sondern aus C1 neu ermittelt:

(20)

– Aus der jeweils maßgebenden Biegedrillknickkurve b, coder d und dem Wert χLT,mod ergibt sich der Wert λ–LT unddamit analog zu Gl. (15) der Wert kϑ.

Die für die verschiedenen Belastungsfälle berechne-ten Werte für C1, kc, und grenz λ–LT sind in Tabelle 2 angege-ben. Daraus werden die Werte kϑ ermittelt, die aus Ta-belle 3 zu ersehen sind. In den Zeilen 3, 4, 6, 7 der Tab. 3

k Cc = ( )1 1/

ist vorausgesetzt, dass Feldmoment und Stützenmomentjeweils gleich groß sind. Ist dies nicht der Fall, ergebensich andere Werte, die auch stärker von den Werten derTab. 3 abweichen können. In den Bildern 4 und 5 sind dieErgebnisse für kϑ bei variablem Verhältnis ψ = Ms/Mf ein-getragen. Es fällt auf, dass sich kϑ sehr stark ändert, fallsψ < -1,0 ist, offensichtlich hat dann die Größe des negati-ven Stützenmomentes einen sehr großen Einfluss.

Die Zahlenwerte für die Momentenverläufe der Zei-len 2, 3, 4, 5 und 8 von Tabelle 3, die denjenigen der Zei-len 1 bis 5 in Tabelle 1 entsprechen, sind in den Entwurfdes Nationalen Anhangs NA zu DIN EN 1993-1-1 [18]übernommen worden.

3 Erforderliche Schubsteifigkeit3.1 Überprüfung der vorhandenen Lösungen

Es ist bekannt, dass sich die Ergebnisse nach (5b) und (6)wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen natürlichunterscheiden, die Unterschiede sind besonders ausge-prägt in Fällen von Biegemomenten ohne Vorzeichen-wechsel, wie z. B. Einfeldträger unter Gleichlast oder Ein-zellast.

Die im Abschn. 1.2 angegebene Bedingung (5b) istfür den Lastfall Gleichstreckenlast am Einfeldträger ab-geleitet worden. Unter Ansatz einer einwelligen Sinus-welle für die Verformungen ϑ und v wird die am Obergurtwirk-same Schubsteifigkeit S so bestimmt, dass der bezo-gene Schlankheitsgrad λ–M für das Biegedrillknicken nachGl. (8) gerade den Wert λ–M = 0,40 erreicht. Dazu ist anzu-merken:– Der Faktor 10,2 in Gl. (5b) ergibt sich aus dem Ansatzeiner einwelligen Sinus-Verformung,– In [9] ist auch eine vereinfachte Ableitung zum Einflussder Schubsteifigkeit gezeigt, die zu einem Faktor 12,5 inGl. (5b) und damit zu Gl. (5c) führen würde,

(5c)

mit

MKi, y = MKi nach Gl. (9).

– Für beide Fälle der Gln. (5a) und (5c) gilt, dass die ab-geleiteten Gleichungen für den Einfluss von S auf MKi fürgrößere Schubseifigkeiten S auf der unsicheren Seite lie-gen, s. Bild 3,– Besonders wichtig ist, dass Gl. (5a) bzw. Gl. (5b) un-berücksichtigt lassen, dass es Fälle geben kann, bei denenauch durch sehr große Werte von S eine hinreichende Sta-bilisierung gar nicht möglich ist. Das ist dann der Fall,wenn auch bei Vorhandensein einer gebundenen Dreh-achse (dies entspricht einem sehr großen Wert von S) im-mer noch Biegedrillknicken möglich ist. Dies ist häufigdann der Fall, wenn negative Eckmomente auftreten, diezu Druck im nichtgehaltenen Untergurt führen.– Damit ist klar, dass die Bedingungen (5a) und (5b) imwesentlichen bei Momentenverläufen ohne Vorzeichen-wechsel brauchbar sind.

erf SM

hMpl y

Ki y= ⋅ −12 5, ,,

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Stahlbau 77 (2008), Heft 6

Bild 4. Beiwerte kϑ für den Lastfall Einzellast in Feldmittebei gleichzeitig vorhandenem StützenmomentFig. 4. Values kϑ for point load in midspan and supportmoments

Bild 5. Beiwert kϑ für den Lastfall Gleichlast bei gleichzei-tig wirkendem StützenmomentFig. 5. Values kϑ for distributed load and support moments

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Stahlbau 77 (2008), Heft 6

Es wird nun untersucht, welche Schubsteifigkeiten S [kN]unter Berücksichtigung der Eigensteifigkeiten der Trägerund der aktuellen Längen nach genauerer Rechnungbenötigt werden. Dies erfolgt so, dass iterativ mit demEDV-Programm KIBAL [12] diejenigen idealen Biege-drillknickmomente MKi berechnet werden, die nach DIN18800-2 zu einem bezogenen Schlankheitsgrad λ–M = 0,4führen, mit λ–M nach Gl. (10a). Dazu werden beispielhaftzwei Träger IPE 200 und IPE 300 untersucht. Die Ergeb-nisse für das Profil IPE 200 sind aus Bild 6, diejenigen fürIPE 300 im Bild 7 zu sehen.

Aus Bild 6 ist zu ersehen, dass beim Lastfall „Einzel-last“ bei kleinen χ-Werten Werte (L > 3,10 m) Werte S > Suerforderlich, beim Lastfall „Eckmoment mit Gleich-

streckenlast“ ist das in einem weiten Bereich (L > 1,55 m)der Fall. Für den Lastfall Gleichstreckenlast mit beidseiti-gem Eckmoment“ kann gar keine vollständige Stabilisie-rung durch S mehr erreicht werden, daher sind dieseWerte hier nicht dargestellt.

Bild 7 zeigt entsprechende Ergebnisse für das ProfilIPE 300. Beim Lastfall „Gleichstreckenlast“ deckt Su denBereich bis L ≤ 5,70 m ab. Schon beim Lastfall „Einzellast“werden aber bei kleineren χ-Werten (L > 4,0 m) WerteS > Su erforderlich, beim Lastfall „Eckmoment mit Gleich-streckenlast“ ist das im gesamten Untersuchungsbereich derFall. Für den Lastfall „Gleichstreckenlast mit beidseitigemEckmoment“ kann gar keine vollständige Stabilisierungdurch S mehr erreicht werden, daher hier nicht dargestellt.

Bild 6. Auswertungen zur erforderlichen Schubsteifigkeit S,die einen detaillierten Biegedrillknicknachweis nachDIN 18800-2 erübrigt, IPE 200Fig. 6. Evaluations concerning required shear stiffness Swhich makes a detailed design check based on DIN 18800-2unnecessary, IPE 200

Bild 7. Auswertungen zur erforderlichen Schubsteifigkeit S,die einen detaillierten Biegedrillknicknachweis nach DIN18800-2 erübrigt, IPE 300Fig. 7. Evaluations concerning required shear stiffness Swhich makes a detailed design check bases on DIN 18800-2unnecessary, IPE 300

Bild 8. Auswertungen zur erforderlichen Schubsteifigkeit S,die einen detaillierten Biegedrillknicknachweis nachDIN EN 1993-1-1 erübrigt, IPE 200Fig. 8. Evaluations concerning required shear stiffness Swhich makes a detailed design check based onDIN EN 1993-1-1 unnecessary, IPE 200

Bild 9. Auswertungen zur erforderlichen Schubsteifigkeit S,die einen detaillierten Biegedrillknicknachweis nachDIN EN 1993-1-1 erübrigt, IPE 270oFig. 9. Evaluations concerning required shear stiffness Swhich makes a detailed design check based onDIN EN 1993-1-1 unnecessary, IPE 270o

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Für Fall des Dreifeldträgers konstanter Stützweite unterGleichstreckenlast ergibt sich

(22)

wobei das Endfeld mit jeweils einem Fließgelenk im Feldund über der ersten Innenstütze maßgebend ist.

In DIN EN 1993-1-1, Abschn. 6.3.4, ist ein sog. „allge-meines Verfahren für Knick- und Biegedrillknicknach-weise“ angegeben, wobei der Nachweis nach Gl. (23) ge-führt wird.

(23)

(24)

Hierbei ist χop derAbminderungsfaktor nach DIN EN 1993-1-1, Abschn. 6.3.4 für den bezogenen Schlankheitsgrad λ–op,der hier λ–LT entspricht, und αult,k ist der kleinste Vergröße-rungsfaktor nach Theorie II. Ordnung für die Belastung inder Tragwerksebene bis zum Erreichen der Tragfähigkeit.Damit ähnelt Gl. (24) also Gl. (21), allerdings mit dem Un-terschied, dass in αult,k nicht die Traglast des statisch unbe-stimmten Systems, sondern nur die des statisch bestimmtenSystems eingeht. Damit ergibt sich ein Wert von qpl(b) analogGl. (22), allerdings mit dem Faktor 10,0 statt 11,66.

Im vorliegenden Fall entspricht das „allgemeine Ver-fahren“ dem Nachweis nach dem üblichen Verfahren derDIN EN 1993-1-1, Abschn. 6.3.2.3, bis zur Bestimmung desbezogenen Schlankheitsgrades λ–op (= λ–LT). Der Abminde-rungsfaktor χLT,mod ergibt sich dann nach Gl. (18),wobei fürden Dreifeldträger kc = 0,7625 berechnet wird.

Die Ergebnisse sind in Tab. 4 angegeben. Dabei sinddie Ergebnisse für das „allgemeinen Verfahren“ von DINEN 1993-1-1, Abschn. 6.3.4, nicht gesondert aufgeführt, daderWert qpl(b) identisch ist und da gilt: – Falls derAbminderungsfaktor χop nach DIN EN 1993-1-1,6.3.2.2 ermittelt wird, ergeben sich geringere Werte qgr alsnach 6.3.2.3,

λ

ααop

ult k

cr op= ,

,

χ αγ

op ult k

M

, ,1

1 0≥

q

M

Lplpl= 11 662

,

Bei einer Untersuchung nach DIN EN 1993-1-1, Ab-schnitt 6.3.2.3, [2] ist die Biegedrillnickkurve „b“ bei ver-änderlichem Moment günstiger als nach DIN 18800-2[1]. Dabei wird entsprechend Abschn. 2.3 die Biegedrill-knickkurve ja je nach Lastfall über den Beiwert „f“ von χnach Gl. (16) zu χLT,mod nach Gl. (18) modifiziert. Daherunterscheiden sich die Details etwas von den Ergebnis-sen der Bilder 6 und 7, die prinzipiellen Aussagen blei-ben aber erhalten.

Beispielhaft ist dies in den Bildern 8 und 9 gezeigt.Für IPE 200 in Bild 8 zeigt sich, dass für die Lastfällemit einseitigem oder beidseitigem Eckmoment für bau-praktisch interessante Längen keine ausreichende Stabi-lisierung erreicht werden kann. In Bild 9 sind Ergebnissefür das Profil IPE 270o angegeben, dass nach DIN EN-1993-1-1 der ungünstigeren Biegedrillknickkurve „c“ zu-zuordnen ist. Auch hier ist für baupraktisch interessanteLängen keine Stabilisierung erreichbar, wobei das Ergeb-nis stark von der Größe des negativen Eckmomentes ab-hängt.

3.1.2 Traglasten

Heil hat in [7] auch Traglasten für Dreifeldträger unterGleichstreckenlast mit S nach Gl. (5a) mitgeteilt, derenErgebnisse als Bestätigung angesehen wurden, dass dievorgeschlagene Näherungsgleichung (5a) in weiten Berei-chen zu sicheren Ergebnissen führt und ansonsten mitHilfe einer kleinen zusätzlich vorhandenen Drehbettungvollständige Stabilisierung erreicht werden kann. Bei derErmittlung der Traglasten wird allerdings von den Vorga-ben der DIN 18800-2 abgewichen, indem der bezogeneSchlankheitsgrad nicht über Gl. (10a), sondern überGl. (21) ermittelt wird.

(21)

mit

qpl Traglast nach Theorie I. Ordnung für das statisch un-bestimmte System

qKi zugehörig zu MKi unter Berücksichtigung von S

λMpl

Ki

q

q=

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Profil Länge S qKiHeil [7] DIN EN 1993-1-1, 6.3.2.3

IPE L [m] [kN] [kN/m] qpl qu qu/qpl qpl(b) λ–LT χLT,mod qgr qgr/qpl(b)[kN/m] [kN/m] [kN/m] [kN/m]

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

300 6,0 7237 85,40 73,27 73,20 0,999 62,83 0,8577 0,8896 55,89 0,890

8,0 7352 35,69 41,21 34,05 0,826 35,34 0,9951 0,7893 27,89 0,789

10,0 7416 18,70 26,38 18,33 0,695 22,62 1,0998 0,7076 16,01 0,708

12,0 7458 11,25 18,32 11,21 0,612 15,71 1,1817 0,6461 10,15 0,646

14,0 7487 7,408 13,46 7,342 0,546 11,54 1,2481 0,5951 6,868 0,595

16,0 7509 5,204 10,30 5,188 0,504 8,836 1,3030 0,5545 4,900 0,555

Tabelle 4 Vergleich von Grenzlasten für Dreifeldträger konstanter Stützweite unter Gleichstreckenlast, stabilisiert durch Snach Gl. (5a), qu nach Heil [9] und qgr nach DIN EN 1993-1-1, 6.3.2.3 [2]Table 4. Comparison of ultimate loads for three span beams with distributed load, stabilized by S according to eq. (5a), quaccording Heil [9] and qgr according DIN EN 1993-1-1, 6.3.2.3 [2]

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– Falls der Abminderungsfaktor χop nach 6.3.2.3 ermitteltwird, ergeben sich identische Ergebnisse qgr wie nach 6.3.2.3. Aus Tab. 4 ist zu ersehen: – Die Schubsteifigkeit S nach (Gl. (5a)) hat bei diesemDreifeldträger unter Gleichstreckenlast einen stark stabili-sierenden Effekt. Dieses Ergebnis sollte aber nicht ver-allgemeinert werden. Dieser stabilisierende Effekt derSchubsteifigkeit S dürfte sich bei diesem Beispiel deshalbso stark auswirken, weil sich bei diesem statischen Systemfür den Fall der gebundenen Drehachse fast identische Er-gebnisse für das ideale Biegedrillknickmoment MKi erge-ben wie für das System mit S. Damit ist aber auch gleich-zeitig gezeigt, dass bei gebundener Drehachse und durch-schlagendem veränderlichem Momentenverlauf durchausdas Biegedrillknicken maßgebend und damit zu unter-suchen ist, da in weiten Bereichen die volle Tragfähigkeit(qpl bzw qpl(b)) nicht erreicht wird. – Das übliche Verfahren nach Abschn. 6.3.2.3 vonDIN EN 1993-1-1 weist bei der Grenzlast insbesondere imBereich geringerer Stützweiten noch Reserven gegenüberder rechnerischen Traglast qu des statisch unbestimmtenSystems auf, da die bei diesem Beispiel vom System hervorhandene elastische Einspannung der Randfelder in dasMittelfeld nicht ausgenutzt wird – Im Bereich größerer Stützweiten bzw. größerer bezo-gener Schlankheitsgrade (etwa ab λ–LT = 0,9 bis 1,0) er-reicht die Traglast qu nicht den Referenzwert qpl. Diesbedeutet, dass in diesen Fällen mit der Schubsteifigkeit Snach Gl. (5a) keine vollständige Stabilisierung des Sys-tems erreicht werden kann!

4 Schlussbemerkung

Der vorliegende Aufsatz stellt eine ergänzte Fassung desBeitrages [19] aus der Kindmann-Festschrift dar. Nebender Ermittlung von Mindeststeifigkeiten erf cϑ in Form desBeiwertes kϑ nach DIN EN 1993-1-1, Anhang B, werdenUntersuchungen zur erforderlichen Schubsteifigkeit S vor-gelegt. Diese zeigen, dass die in der Literatur [9] und [10]empfohlenen Werte nach Gl. (5a) oder (5b) im Wesentli-chen nur in den Fällen, in denen die Biegedruckseitedurch S ausgesteift ist und im Verlauf der Momente keinVorzeichenwechsel auftritt, zu befriedigenden Ergebnis-sen führen.

Literatur

[1] DIN 18800-2: Stahlbauten, Stabilitätsfälle, Knicken vonStäben und Stabwerken (11.1990).

[2] DIN EN 1993-1-1: Eurocode 3: Bemessung und Konstruk-tion von Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsre-geln und Regeln für den Hochbau (05.2005).

[3] DIN EN 1993-1-3: Eurocode 3: Bemessung und Konstruk-tion von Stahlbauten – Teil 1-3: Allgemeine Regeln – Ergän-

zende Regelungen für kaltgeformte dünnwandige Bauteileund Bleche (Fassung 02.2007).

[4] Lindner, J.: Stabilisierung von Biegeträgern durch Drehbet-tung – eine Klarstellung. Stahlbau 56 (1987), S. 365–373.

[5] Lindner, J., Groeschel, F.: Drehbettungswerte für die Profil-blechbefestigung mit Setzbolzen bei unterschiedlich großenAuflasten. Stahlbau 65 (1996), S. 218–224.

[6] Lindner, J.: Restraint of beams by trapezoidally sheetingusing different types of connection. In: Stability and Ductilityof Steel Structures, pp. 27-36, London: Elsevier Publ., 1998.

[7] Dürr, M., Podleschny, Fr., Saal, H.: Untersuchungen zurDrehbettung von biegedrillknickgefährdeten Trägern durchSandwichelemente. Stahlbau 76 (2007), S. 401–407.

[8] Lindner, J., Heyde, S.: Schlanke Stabtragwerke. In: Stahl-bau-Kalender 2004, S. 373–448, Berlin: Verlag Ernst & Sohn,2004.

[9] Heil, W.: Stabilisierung von biegedrillknickgefährdetenTrägern durch Trapezblechscheiben. Stahlbau 63 (1994),S. 169–178.

[10] Sauer, R., Wagner, W.: Experimentelle und numerischeUntersuchungen zur aussteifenden Wirkung von Trapezblech-scheiben. Stahlbau 64 (1995), S. 289–294.

[11] Lindner, J., Stickel, I.: Zur Stabilisierung von I-Trägerndurch Gitterroste. Stahlbau 54 (1985), S. 369–374.

[12] Bamm, D., Lindner, J.: KIBAL – EDV-Programm zur Be-rechnung der idealen Biegedrillknicklasten von beliebig gela-gerten geraden Stabsystemen – Fassung Lindner KIBL2F. TUBerlin 2004, Berlin.

[13] Lindner, J., Seidel, F.: Stabilisierung von Biegeträgerndurch Trapezprofile ohne Schubfeldausbildung. Schriften-reihe 25. Steinfurter Stahlbauseminar, Rheine, 2006.

[14] DASt-Richtlinie 008: Richtlinien zur Anwendung desTraglastverfahrens im Stahlbau. Köln 1973.

[15] Boissonnade, N., Greiner, R., Jaspart, J. P., Lindner, J.: Ru-les for member stability in EN 1993-1-1, background docu-mentation and design guidelines. Brüssel: ECCS/EKS publ.No. 119, 2006.

[16] Roik, K., Carl, J., Lindner, J.: Biegetorsionsprobleme gera-der dünnwandiger Stäbe. Berlin: Ernst & Sohn, 1972.

[17] Kaim, P.: Spatial buckling behaviour of steel members un-der bending and compression. Diss. TU Graz, 2004.

[18] DIN EN 1993-1-1/NA: Nationaler Anhang – Nationalfestgelegte Parameter – Eurocode 3: Bemessung und Kon-struktion von Stahlbauten – Teil 1-1/NA: Allgemeine Bemes-sungsregeln und Regeln für den Hochbau (04.2007).

[19] Lindner, J.: Zur Frage der Mindeststeifigkeiten angrenzen-der Bauteile beim Biegedrillknicken von Biegeträgern. In:Festschrift Rolf Kindmann, S. 127–145, Aachen: Shaker-Ver-lag, 2007.

Autor dieses Beitrages:Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Joachim LindnerFurtwänglerstraße 20 B, 14193 Berlin