Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel

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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit Heidelberg). Zur Chemie und Pharmakologie vergorener 5Tahrungsmitte]. I. Von Werner Keil und Hans Kritter. (Eingegangen am 28. V. 1934.) ~ber Sauerkrautsaft. Neuerdings wird in Amerika der als Volksabfiihrmittel auch in Deutsch- land bekannte Sauerkrautsaft medizinisch verwendet. Da fiber ihn nur wenig Untersuchungen 1 vorliegen, haben wir ihn auf seinen Gehalt an biogenen Aminen untersucht. Hierin hatte erst vor kurzem Gehlen 2 auf Grund pharmakologischer Untersuchungen am Meerschweinchendarm, sowie am Froschherzen das Vorkommen eines Cholinesters (Acetylcholin bzw. Lactylcholin) sehr wahrscheinlich gemacht, so dal~ uns die chemische Untersuchung des Sauerkrautsaftes recht aussichtsreich erschien. Gehlen sehreibt diesem Cholinester die abftihrende Wirkung des Sauerkrautsaftes zu. Wir haben uns zuerst davon tiberzeugt, dal~ tats~chlich Sauerkrautsaft eine stark erregende Wirkung auf den isolierten Meerschweinchendarm austibt. Allerdings fiel uns dabei auf, dal~ diese Erregung durch Atropin nut ganz unbedeutend beeinflul~t wurde. Um so mehr waren wir iiberrascht, als wir die Basenfraktion, mit Phosphorwolframsi~ure dargestellt, am Darm untersuchten und keine Hemmung dutch Atropin feststellten. Diese Wirkung war nut zu erkls dureh Vorhandensein von Histamin oder einer histamin~hnlich wirkenden Substanz. Tats~chlich zeigte die Basen- fraktion eine starke Diazoreaktion, sowie die Zimmermannsche Histamin- reaktion 3. Wir konnten dann nach dem schon yon Ackermann 4 geiibten Verfahren groi~e Mengen yon Histamin aus dem Sauerkrautsaft isolieren. Aul]er Histamin fanden wir noch Putrescin und Cholin. Da bei diesem Verfahren mit starkem Alkali bei der Zersetzung der Basenphosphor- wolframate gearbeitet wurde, war es nicht mSglich, zu entscheiden, oh das Cholin als solches vorgebildet war, oder ob es aus Acetylcho]in durch Verseifung entstanden war. Wir haben daraufhin noch nach der Kapfhammerschen Methode 5 mit Reinecke-Salz die Cholinfraktion 1 Von den meisten vergorenen Nahrungsmitteln, wie saure Gurken, Sauermilch, Kefir, Wein, Apfelwein usw. ist die Chemie und Pharmakologie so gut wie un- bekannt. Wir haben uns deshalb die Aufgabe gestellt, diese Lticke auszuftillen. -- 2 Gehlen, W.: Arch. f. exper. Path. 166, 703 (1933). -- 3 Zimmermann, W.: Z. f. physiol. Chem. 186, 260 (1929}. -- 4 Ackermann, P.: Ebenda 65, 504 (1910). -- 5 Kapfhammer, J. u. C. Bischoff: Ebenda 191, 179 (1930).

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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit Heidelberg).

Zur Chemie und Pharmakologie vergorener 5Tahrungsmitte]. I.

Von

Werner Keil und Hans Kritter. (Eingegangen am 28. V. 1934.)

~ber Sauerkrautsaft.

Neuerdings wird in Amerika der als Volksabfiihrmittel auch in Deutsch- land bekannte Sauerkrautsaft medizinisch verwendet. Da fiber ihn nur wenig Untersuchungen 1 vorliegen, haben wir ihn auf seinen Gehalt an biogenen Aminen untersucht. Hierin hatte erst vor kurzem Geh len 2 auf Grund pharmakologischer Untersuchungen am Meerschweinchendarm, sowie am Froschherzen das Vorkommen eines Cholinesters (Acetylcholin bzw. Lactylcholin) sehr wahrscheinlich gemacht, so dal~ uns die chemische Untersuchung des Sauerkrautsaftes recht aussichtsreich erschien. Geh len sehreibt diesem Cholinester die abftihrende Wirkung des Sauerkrautsaftes zu. Wir haben uns zuerst davon tiberzeugt, dal~ tats~chlich Sauerkrautsaft eine stark erregende Wirkung auf den isolierten Meerschweinchendarm austibt.

Allerdings fiel uns dabei auf, dal~ diese Erregung durch Atropin nut ganz unbedeutend beeinflul~t wurde. Um so mehr waren wir iiberrascht, als wir die Basenfraktion, mit Phosphorwolframsi~ure dargestellt, am Darm untersuchten und keine Hemmung dutch Atropin feststellten. Diese Wirkung war nut zu erkls dureh Vorhandensein von Histamin oder einer histamin~hnlich wirkenden Substanz. Tats~chlich zeigte die Basen- fraktion eine starke Diazoreaktion, sowie die Z i m m e r m a n n s c h e Histamin- reaktion 3. Wir konnten dann nach dem schon yon A c k e r m a n n 4 geiibten Verfahren groi~e Mengen yon Histamin aus dem Sauerkrautsaft isolieren. Aul]er Histamin fanden wir noch Putrescin und Cholin. Da bei diesem Verfahren mit starkem Alkali bei der Zersetzung der Basenphosphor- wolframate gearbeitet wurde, war es nicht mSglich, zu entscheiden, oh das Cholin als solches vorgebildet war, oder ob es aus Acetylcho]in durch Verseifung entstanden war. Wir haben daraufhin noch nach der K a p f h a m m e r s c h e n Methode 5 mit Reinecke-Salz die Cholinfraktion

1 Von den meisten vergorenen Nahrungsmitteln, wie saure Gurken, Sauermilch, Kefir, Wein, Apfelwein usw. ist die Chemie und Pharmakologie so gut wie un- bekannt. Wir haben uns deshalb die Aufgabe gestellt, diese Lticke auszuftillen. -- 2 Gehlen, W.: Arch. f. exper. Path. 166, 703 (1933). -- 3 Zimmermann, W.: Z. f. physiol. Chem. 186, 260 (1929}. -- 4 Ackermann, P.: Ebenda 65, 504 (1910). -- 5 Kapfhammer , J. u. C. Bischoff: Ebenda 191, 179 (1930).

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dargestellt. Diese zeigte naeh der Zersetzung am Darm wiederum nur Histaminwirkung, d .h . die Darmerregung wurde durch Atropin nieht beeinfluBt. Wir iiberzeugten uns nun, dab auch Histamin mit Reineeke- S~ure eine sehwer 15sliehe Verbindung (Fp. 150--53 ~ gibt. Daraufhin haben wir die aus dem Reineckat dargestellte BasenlSsung mit Pikrins~ure vom Histamin befreit. Die erhaltene LSsung zeigte nun am Darm eine Erregung, die durch Atropin zum Tell aufgehoben werden konnte. Tat: s/~ehlich konnten wir jetzt aueh Aeetylcholin chemisch naehweisen.

Beschreibung der Versuche.

I s o l i e r u n g von H i s t a m i n . 5 Liter Sauerkrautsaf~ (Odenw~ilder Sauerkraut) werden mit Phosphorwolframs~ure ausgefgllt. Die F~llung wird in iiblicher Weise mit Baryt und Kohlens~ure in eine BasenlSsung verwandelt. Diese wird im Vakuum auf etwa 50 cem eingedampft. Man versetzt mit einer LSsung yon Silbernitrat (20%) solange noch etwas f~llt. Man fiigt nun noch einen kleinen Ubersehu{] von Silbernitrat hinzu, den Rest des Histamins fSllt man mit Barytl6sung, solange die F~llung noch rein well3 ist. Die FSllung wird abgesaugt. Man wSscht griindlich mit Wasser. Das Histaminsilber wird mit etw~ 10 ~ SMzs~ure zersetzt. Das Filtrat yon Chlorsilber wird eingedampft. Es hinterl~13t leieht braun gefi~rbtes Histaminchlorhydrat. Zur Reinigung wird in wenig Wasser gelSst, mit Tierkohle cntfSrbt. Diese LSsung gibt die Diazoreaktion und die Z i m m e r m a n n s c h e Histaminreaktion 3. Man fgllt nun das Histamin mit Natriumpikrat als Pikrat aus. Dies wird zur Analyse aus Wasser umkristallisiert und bei 100 ~ fin Vakuum getrocknet (Ausbeute etwa 300 rag, in einem anderen Fall sogar ],0 g).

4,687 mg Substanz gaben 6,10 mg CO 2 und 1,235 mg H20. 1,826 mg Substanz gaben 0,359 ecru N (744 mm 20~

CsHsN 3. 2CGHaOvN3. Ber.: C 35,8, H 2,7, N 22,2. (569,2) Gef.: C 35,5, H 3,02, N 22,42.

Das Pikrat war in kaltem Wasser sehwer 15slich, in heiBem leieht 15slich. Es schmilzt - - wie verlangt - - bei 239--41 ~ Das Chloroaurat wird aus dem Pikrat in fiblieher Weise dargestellt. Zur Analyse wird es bei 100 ~ im Vakuum getroeknet.

11,32 mg Substanz gaben 1,4~75mg H20 und 3,270mg CO 2. 10,27 mg Substanz gaben 5,] 1 mg Au.

CsHsNa.2HAuC14. Ber.: C 7,6%, H 1,4%, Au 49,90. (791,2) Gef.: C 7,88%, H 1,46%, Au 49,76% .

Das Chloroaurat ist ziemlich leieht 15slieh in kaltem Wasser, sehr leicht 15slieh in heiBem. Es sehnfilzt bei 210--16 o unter Zersetzung.

I s o l i e r u n g von P u t r e s c i n . Das Filtrat der Histaminsilberf~llung wird mit Salzs~ure veto Silber, mit SehwefelsSure veto Baryt befreit. Man fSllt erneut mit Phosphorwolframs~ure. Die aus der F~llung gewonnene

Archly f. exper iment . P~th. u. Pharm~kol . Bd. 175. 47

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BasenlSsung roch intensiv nach Putrescin. Sie wird im Vakuum auf 5 ccm eingedampft. Nun versetzt man mit 5 ccm 30 %iger l~!atronlauge. Man schiittelt dreimal mit Chloroform aus. Die ChloroformlSsung wird durch ein trockenes Filter gegeben. Auf Zusatz von alkoholischer Pikrins~ure zur ChloroformlSsung fiillt reines Putrescinpikrat aus. Es wird zur Analyse aus Wasser umkristallisiert und bei 100 ~ im Vakuum getrocknet (etwa 300 mg).

4,286mg Substanz gaben 1,23 mg H20 und 0,57 mg CO 2.

CaH121~2.2C6HaO~N~. Ber.: C 35,1~o, It 3,3~o. (546,2) Gel.: C 35,4 ~o, t t 3,2 %.

Das Putrescinpikrat war im kalten Wasser schwer 15slich. Es sehmilzt bei 252--580 unter Zersetzung. Der Mischschmelzpunkt mit synthetisehem Putreseinpikrat liegt auch bei 252--58 ~

Aus dem Pikrat wird in iiblicher Weise mit Chloroform und Salzs~iure das Chlorhydrat bereitet. Dieses gab mit Goldchloridehlorwasserstoff- si~ure das Chloroaurat. Es wurde im Luftstrom bei gewShnlicher Tem- peratur getrocknet.

8,22 mg Substanz gaben 4,02 mg Au:

CaH12N22HAuC14 -~-2H20. Ber.: Au 49,05%. (802,2) Gel.: 48,91%.

Das charakteristische Putrescinchloroaurat zeigte den richtigen Schmelz- und Mischschmelzpunkt von 235---400 unter Zersetzung.

I so l i e rung von Cho]in. Die alkalisehe BasenlSsung, der mit Chloro- form das Putrescin entzogen ist, wird mit Salzs/iure neutralisiert. Man f~illt die Basen mit Phosphorwolframs/iure aus. Aus der Fiillung wird eine LSsung der Basenchloride bereitet. Diese gibt mit Goldehlorid und Queck- silberchlorid F~llungen, nicht mit Pikrins~ure. Durch F/~llung mit Gold- chlorid wird das Chloroaurat dargestellt. Es wird zur Analyse aus ver- diinnter Salzs~ure umkristallisiert und bei 100 ~ im Vakuum getrocknet.

8,87 mg Substanz gaben 3,93 mg Au.

CsH14NOAuC14. Ber.: Au 44,50 %. (443,1) Gel.: Au 44,31%.

Das Cholinchloroaurat ist in kaltem Wasser schwer 15slieh, in heiBem leicht lSslieh. Es bildet beim Abktihlen seiner heiBen L5sung eine feste Kristallhaut auf der Obedl~che. Beim Liegen f~rbt es sich in charak- teristischer Weise oberfl~ch]ieh leicht olivgriin. Es schmilzt - - wie ver- langt - - bei 2670 unter Zersetzung.

Das Filtrat des Cholinchloroaurats enthielt keine fal]bare Base mehr. Wir haben noch versucht, mit ~,-Naphthylisocyanat co-Aminosi~uren zu bekommen, doch waren diese selbst in Spuren nicht nachweisbar. Beim Abbau des Arginins durch die Sauerkrautg/irung entsteht offenbar keine (~-Aminovalerians/iure.

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I s o l i e r u n g y o n A e e t y l c h o l i n . Nachdem wir uns durch Vorproben an eingedampftem Sauerkrautsaft fiberzeugt hatten, dal~ mit Reineeke- Salz eine reichliche F~llung entsteht, aus der nach Zersetzung mit ~qui- valenten Mengen Silbersulfa~ und Bariumchlorid und Ausf~illen des mit- gefiillten ttistamins und Putrescins mit Pikrins~ure, ein Reineekat isoliert werden kann, das bei 170--73 o unter Zersetzung schmilzt, wurde schlieglich folgende bequeme Isolierung gefunden:

3 Liter Sauerkrautbrfihe werden im Vakuum auf 120 ecru eingedampf~. Die LSsung wird mit 80 ccm gesattigter alkoholischer Pikrins~ure versetzt.. Das ausgefallene Pikrat* wird abfiltriert. Man versetzt mit einer L5sung yon 6 g Reinecke-Salz. Das nach etwa 11/sstiindigem Stehen gebildete Reineckat (2,0 g) wird abfiltriert: Man w~scht mit Wasser, dann mit Alkohol und reinem Ather. Das Reineckat wird getrocknet. Es wird in warmem Aceton (etwa 20--30 cem) gelSst. Von etwas unl5sliehem gallerti- gem Reineckat wird abfiltriert. Zur Zersetzung des Reineekats empfiehlt sich Silberacetat. Dieses wird aus SilbernitratlSsung mit Natriumacetat gef~llt und mit Wasser nitratfrei gewaschen. Das frisch gef~llte Aeetat aus etwa 5 g Silbernitrat wird dann in Wasser suspendiert. Nun verreibt man mit der AcetonlSsung ties Reineckat, s. In wenigen Minuten ist das gesam~e Reineek~t zersetzt. Nan filtrier~ von Silberreineekat ab und wgscht mit Wasser nach. Das Filt, rat ist vSllig farblos. SoIlte es Heine Mengen yon Silbersalzen enthalten , so fSllt man diese mit etwas KochsalzlSsung. Meist war es nieht nStig. Nun dampft man im Vakuum auf ein kleines Volumen ein. Man f/illt erneut mit alkoholiseher PikrinsSure. Das Pikrat (Zersetzung fiber 250 ~ besteht zum grSgten Tell aus Putrescin und etwas Histamin. Das Filtrat wird mit einigen Tropfen Essigsiiure versetzt. Dann sehiittelt man mehrma]s mit Chloroform - - zur Entfemung eines grol3en Teiles der iibersehfissigen Pikrins~ture - - aus. Den Rest der Pikrin- s~iure entfernt man mit Wolle (5 g)6. Naeh 2 Stunden ist das Filtrag bereits vSllig farblos. Es wird im Vakuum auf etwa 10 eem eingedampft. Man versetzt nun mit einer LSsung yon reiner Goldehloridehlorwasserstoff- sgure. Aeetyleholin fSlIt a Is hellgelber, sehr voluminSser Niedersehlag (Ausbeute 0,2 g). Zur weiteren Reinigung wird das Goldsalz in Wasser suspendiert. Man verriihrt mit gefiilltem Silber, bis die LSsung vSllig farblos ist. Nun fiillt man das Filtrat erneut mit Goldehloridchlorwasser- stoffsiiure. Das Aeetyleholinehloroaurat fiillt Ms hellgelbes sehr volumin6ses Pulver, da$ auf dem Filter zu einer verfilzten Kristallhaut zusammenfgllg (Ausbeute etwa 140 rag).

8,515 mg Substanz gaben 5,350 mg CO 2 @ 2,345 mg H 2 0 -~- 3,455 mg Au.

10,48 mg Substanz gaben 4,23 mg Au.

* Es enth51~ aul3er Kalium viel His~arnin und Putresein. 6 Miiller, H.: Z. f. physiol. Chem. 299, 207 (1933).

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740 W. KEIL und H. KRIT'r~:

8,790 mg Substanz gaben 0,218 ccm N (19 ~ 760 mm). CTHleO2NAuC14 (485,1).

Ber.: C 17,31%, H 3,32 %, N 2,89 %, Au 40,65 %. Gel.: C 17,13 %, H 3,08%, Iq 2,90%, Au 40,58% und 40,37 %.

Das Acetylcholinchloroaurat bildet hellgelbe Kristallblattchen. Es schmilzt bei 168-69 ~ Ein Mischschmelzpunkt mit reinem Acetyl- cholinchloroaurat zeigte denselben Schmelzpunkt.

Zur weiteren Identifizierung wurde noch das Chloroplatinat bereitet. Zu dem Zweck wurde ein Tell des Goldsalzes mit wenig Alkohol auf: gesehwemmt. Man verreibt mit gef/~lltem Silber. Das Goldsalz ist so in ganz kurzer Zeit zersetzt. Man f~llt dann das Filtrat mit alkoholischer PlatincMoridlSsung. Das erhaltene Chloroplatinat wird aus verdiinntem Alkohol umkristallisiert. Es schmilzt bei 265--660 (unkorrigiert) unter Zersetzung. Ein Mischschmelzpunkt mit synthetischem Chloroplatinat zeigte keine Depression.

4,365 mg Substanz gaben 0,165 ccm ~ (]9 ~ 765 ram).

C14H8204N2PtC] 6. Ber.: N 4,0%. (701,2) Gef.: N 4,39 %.

Aus einem weiteren Teil wird in iiblicher Weise das Reineckat bereitet. Dieses ist zum Unterschied von Cholinreineekat spielend in Aceton 15slich. Es schmilzt bei 170--730 (unkorrigiert). Ein Mischschmelzpunkt mit synthctischem Pr~parat zeigt keine Erniedrigung.

2,846 mg Substanz brauchten nach K j e l d a h l 4,33 ccm n/100 HC].

C11H2202N7S4Cr. Ber. : 21,11%. N. (464,5) Gel.: 21,30 % N.

Pharmakologische Untersuchung des Sauerkrautsaftes und der einzelnen Fraktionen.

Der Sauerkrautsaft wird durch KieseIgur filtriert. Die so erhaltene klare Fliissigkeit wirkt noch in einer Verdfinnung 1:20000 erregend auf den Meerschweinchendarm. Die Erregung wird durch Atropin 1 : 5000000 wenig beeinflul~t. In Parallelversuchen wurde gezeigL dal] eine Erregung dutch Acetylcholia* - - bei ungef/~hr gleicher KontraktionshShe wie die durch Sauerkrautsaft erzielte - - dutch obige Atropinverdiinnung voll- kommen aufgehoben werden konnte. Eine andere Vergleichskurve mit Histamin (Hof fmann- la Roche)* zeigt, dab bier wie beim Sauerkraut- saft Atropin keinen Einflul] auf die Darmerregung hat. Um die Resultate dieser Versuche zu festigen, gingen wit dann noch so vor, dab wit zuerst den Darm atropinisierten (Atropin 1 : 5 000 000). Danach wurde Sauerkraut-

* Das benStigte Histamin und Acetylcholin wurde uns in liebensw(irdiger Weise yon der Firma Hoffmann-La Roche u. Co. zur Verfiigung gestellt. Wir mTchten nicht vers/iumen, hierfiir unseren besten Dank auszusprechen.

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saft 1 : 1000 zugegeben. Der Darm zeigte hierbei, sowie bei Histamingabe eine starke Erregung, w/ihrend Aeetyleholin den atropinisierten Darm nieht erregte.

Dieselben Versuehe maehten wit nun mit der BasenlSsung des Sauer- krautsaftes, die mit Hilfe yon Phosphorwolframsiiure und Bariumhydroxyd dargestellt wurde. Es stellte sieh hierbei heraus, dal~ die Basenl6sung in entspreehender Yerdtinnung ebenfalls den Darm stark erregte und selbst dutch hohe Dosen yon Atropin konnte die Erregung nicht beeinfluBt werden. Die Reineckatbasen verhalten sich genau so. Entfernt man da- gegen mit Pikrinsiiure das Histamin, so wird die Darmerregung dutch Atropin aufgehoben, wenn auch bei hSherer Konzentration nicht v o l t st/indig, da ein kleiner Teil yon Histamin der Pikratfiillung entgeht.

An diese Versuche schlossen wir nun die pharmakologische Unter- suchung des Acetylcholingoldsalzes an. Zu diesem Zweck wurden zuniichst 10rag desselben nach D u d l e y 7 zerlegt. Die gewonnene Acetylcholin- chloridl6sung wurde so verdtinnt, daI] sie einer L6sung 1 : 12,5 ~{i/1. ent- sprach. Diese zeigte am Meerschweinchendarm einc starke Erregung, die durch Atropin aufgehoben wird. Sic erwics sich als g/cic]~ stark einer LSsung yon synth. Acetyleholin 1:12,5Mi11. Wurde die LSsung mit einigen Tropfen n/10 N a O I t aufgckocht~, so zeigte sic nach dcm NeutrMi- sieren keine Darmerregung mehr.

Besprechung der Ergebnisse.

Das Auftreten von Histamin bei der SauerkrautgSrung nimmt nicht wci~cr wunder, wenn man bedenkt, dal~ naeh den Untersuchungen yon K o e s s l e r und t I a n k e s die bakterielle Dccarboxylation des Histidins im saurc~t Medium besonders leieht vor sich geht. Da!3 allerdings aueh bei alkalischer Reaktion Histidin lcicht zu Histamin faulen kann, zeigen die Versuehc yon A e k e r m a n n "q, dem Entdecker des Histamins, der be- sonders bei alkalischer Reaktion mit einer Mischkultur yon F~ulnis- crregern Histamin in grol3er Ausbeute gewann.

Das Vorkommen yon Putrescin als F/iulnisprodukt des Arginins 9 ist wohl leieht zu erkl/~ren dutch die sehSnen Untersuchungen von S e h u l z e ~~ dem Entdecker des Arginins, wonach besonders in etiolierten Pflanzen viel Arginin vorkommt. Aeetylcholin wurde aus Pflanzen bzw. pflanzliehem Material erst einma], nSmlich aus Mut terkom yon D a l e 11 und E v i n s 12 isoliert. Sein Vorl<ommen im Sauerkrautsaft ist iiber- rasehend 13. Wir sind zur Zeit damit besehgftigt, zu entscheiden, ob es im Kohl vorgebildet ist, oder ob es dureh den GSrungsprozel3 erst entsteht.

Dudley, }I. W.: Bioehem. J. 23, 1071 (1929). -- s Koessler , K. u. M. Ha.nke: J. of biol. chem. 59, 803 (1924). -- ~ Aeke rmann , D.: Z. f. phys. Chem. 56, 805 (1908); 69, 273 (1910). -- lO Sehulze, 1~.: Ebenda 22, 455 (1896). -- it Dale, t{.H.: J. of Physiol. 48, I I I (1914). -- 12 Evins : Bioehem. J. 8, 44. -- la Wit konnten inzwischen fests~ellen, dab aueh der Salt von sauren Gurken Acetyleholin enth/ilt.

742 W. I{EIL und H. KI~I~T~,R:

Legt man die Zahlen der gefundenen Mengen von Histaminpikrat bzw. Acetyleholinehloroaurat zugrunde, so erreehnet sigh ein Gehalt an freiem Histamin von etwa 1 : 25000 und ein AcetylcholinchloridgehMt von etwa ] :50000. Da nun bei der Isolierung und Reindarstellung der Substanzen grS/3ere Verluste nicht zu vermeiden sind, diirfte der wirkliehe Gehalt noeh hSher sein. Beim Acetylcho]in haben wit uns dutch Zusatz desselben zum Sauerkrautsaft davon tiberzeugt, da$ wir mehr als 50 % bei der Verarbeitung wiederfinden. Unter Beriicksiehtigung dieses methodi- sehen Fehlers bekommt man dann einen Acetylcholingeha.lt von etwa ] : 25000, eine Konzentration, die gut mit dem yon G e h l e n ermittelten Wert iibereinstimmt. Es entstand nun noch die Frage, ob diese biogenen Amine fiir die abftihrende Wirkung des Sauerkrautsaftes verantwortlich zu maehen sind. Wit mSehten diese Frage verneinen. Selbst Histamin- mengen yon 200rag wirken beim Menschen per os nieht abfiihrend 14. Aueh Acetyleholin wirkt in Dosen yon 200 mg per os genommen (Eigen- versuehe) nicht abfiihrend. Wit nehmen deshalb an, dal~ die abftihrende Wirkung des Sauerkrautsaftes wohl eher einer Darmreizung zuzu- sehreiben ist.

t)ber Weinessig. Naeh den Untersuehungen von M i y a j i 1~ kommt in bestimmten

japanisehen Reisessigsorten Tyramin vor. Nachdem wit nun im Sauer- krautsaft auf groBe Mengen biogener Amine gestol]en waren, schien es hSehst wahrseheinlich, dad auch unser deutscher Weinessig solche Sub- sta.nzen enthielte. Leider zeigte die Aufarbeitung selbst vieler Liter, dab der Gehalt an organischen Basen nur sehr gering ist. Wir konnten lediglieh Histamin dutch pharmakol0gische Untersuchung' sowie durch Farben- reaktion wahrscheinlieh machen, doeh gelang seine Isolierung nicht. Hin- gegen konnte Betain in chemisch reinem Zustand nachgewiesen werden. Das Vorkommen yon Beta,in im Weinessig ist nicht verwunderlich. Betain ist in Pflanzen in hohem Malte verbreitet, ja es kommt sogar irn Erdboden vorl% Auch da[~ es yon Mikroorganismen wenig angegriffen wird, ist bekannt iv.

Experimenteller Teil. 5 Liter Weinessig is werden im Vakuum zum Syrup eingedampft.

Man versetzt mit Alkohol. Nur der alkoholische Extrakt enthi~lt wesent- liehe Mengen Stiekstoff (1,33 mg%). Man dampft die alkoholische LSsung zur Troekne. Nun 16st man in Wasser und fiillt nach dem Ansiiuern mit Sehwefelsiiure mit Phosphorwolframsiiure die Basen aus. Die FMlung

14 Joy, A. C.; G. B. Ilv~in u. A. J. J~vois : Science (N. Y.) 58, 286 (1923). -- 15 Miy~ji, K.: Z. f. phys. Chem. 184, 157 (1929). -- 16 Linneweh, W.: Z. Biol. 86, 345 (1927). -- ~7 Ackermann, D.: Ebenda 65, 44 (1914). -- 18 Den Weinessig verdanken wir der l~irm~ Reisig, Heidelberg.

Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel. I. 743

wird wie tiblich zersetzt. Die Basenlbsung gab mit ammoniakaliseher Silberl5sung eine Triibung. Sie zeigte eine starke Diazoreaktion, aber schwache Zimmermannsehe Histaminreaktion. Der isolierte Meer- sehweinchendarm wird erregt, die Erregung wird durch Atropin nicht beeinflu6t. Genau so verhMt sich verdfinnter neutralisierter Weinessig. Die Basenl5sung wird auf ein kleines Volumen eingedampft. Man f~llt dann mit Ooldchloridchlorwasserstoffsgure. Das ausgefallene Goldsalz wird aus verdfinnter Salzs~ure umkristallisiert und bei 100 ~ im Vakuum getrocknet.

5,013 mg Substanz gaben 3,38 mg COs, 1,17 mg HsO und 2,193 mg Au.

CaHI~NO2AuC14. Bet.: C 13,13~o, H 2,71%, Au 43,14%. (457,15) Gel.: C 13,25 ~ , H 2,61%, Au 42,8 %.

Das Betainchloroaurat bildet hellgelbe Bl~ttchen. Es sehmilzt bei 268 ~ Ausbeute etwa 200 mg Chloroaurat.

Uber Sauermileh.

(Unter Mitarbeit voi) E r n s t Kunz.)

Um die Frage zu entscheiden, ob bei der Sauermilchgbrung in 5.hnlieher Weise wie beim Sauerl;raut Histamin und Aeetyleholit ~, gefunden warden k6nnen, haben wir 10 Liter saute Milch naeh dem beim Sauerkraut ge- schilderten Verfahren aufgearbeitet. Gefunden wurde nur Cholin. Aeetyl- eholin und Histamin konnte nieht naehgewiesen werdei~. Das Vorkommen yon Cholin in Milch war schon yon Mfil!er I9 besehrieben. Unser Versueh zeigt also, data bei der Bildung der Sauermilch Aeetyleholin a us Cholin nicht gebildet wird.

Versochsteil.

10 Liter Magermilch wurden in einigen groilen T6pfen sich selbst tiberlassen. Naeh etwa 8 Tagen ist die Milch in eine dieke Masse saurer Reaktion verwandelt. Diese wird aufgekoeht und dureh Filtrieren vom koagulierten Eiwei6 getrennt. Zur Reinigung wird mit wenig Bleisubaeetat gefgllt. Der l~bersehuft an Blei wird dutch Natriumsulfat entfernt. Nun wird weitgehend im Vakuum eingeengt. Zur Entfernung yon viel anorgani- sehen Salzen wird die Lbsung 5fters mit dem gleieben Volumen Alkohol versetzt und filtriert. Das Filtrat wird dann auf ein Volumen yon etwa 200 ecru gebraeht. Man fiillt mit einer L6sung von 6 g Reineeke-Salz. Das hellrosa gefiirbte Reineekat. wird mit Wasser, Alkohol und 3~ther gewasehen. Sein Sehmelzpunkt liegt fiber 250 ~ Es ist ziemlieh schwer 15slieh in Aeeton. Dutch wiederholtes Ausziehen mit warmem Aeeton wird sehlieNieh, das ganze Reineekat in L6sung gebraeht. Die Aeeton- 15sung wird mit Silberaeetat zersetzt. Naeh dem Einengen wird mit

19 Miiller, H.: Z. Biol. 82, 573 (1925).

744 W. KEIZ und H. KRITTER.

Goldchloridchlorwasserstoffs~ure Cholin als Chloroaurat gefiillt. Dieses wird aus verdtinnter Salzs~ure umkristallisiert (Ausbeute etwa 200 rag). Zur Analyse wird im ]~Iochvakuum getrocknet.

13,39 mg gaben 5,94 mg Au.

CSttl4NOAuC14. Ber.: Au 44,50o/0. (443,1) Gef.: Au 44,36%.

Das CholincMoroaurat bildet in kaltem Wasser sehwer 15sliche Kristalle vom Fp. 265 ~ Beim Liegen an der Luft f~rbt es sich ober- fl/ichlich leieht olivgrtin.

Zusammenfas sung .

l. Sauerkrautsaft fibt auf den isolierten Meerschweinchendarm eine starke Erregung aus.

2. Die Darmerregung wird durch Atropin nut teilweise aufgehoben. 3. Als darmerregende Substanz werden Histamin und Acetylcholin

in chemisch reinem Zustand isoliert. 4. Au]er den darmwirksamen Substanzen wurde noch Putrescin

rein isoliert. 5. Auch Histamin und Putrescin geben schwer 15sliche Reineckate.

Sie sind, wie Aeetylcholin, in Aceton leicht 15slich. 6. Eine bequeme Zersetzungsmethode ftir Reineckate mit Silber-

acetat wird beschrieben. 7. Die abfiihrende Wirkung des Sauerkrautsaftes ist nicht durch

seinen Gehalt an Histamin und Acetylcholin bedingt. 8. Der Gehalt an Histamin und Acetylcholin wurde im Sauerkrautsaft

zu etwa ] : 25 000 ermittelt. 9. Im Weinessig wurde das Vorkommen yon Histamin durch Farben-

und F~llungsreaktionen, sowie durch pharmakologische Priifung wahr- scheinlieh gemacht. Es konnte hingegen nur Betain in chemisch reinem Zustand isoliert werden.

10. Aus Sauermilch konnte mit dem Reineckatverfahren nur Cholin gewonnen werden. Cholin wird also wghrend des Sauerwerdens der Milch nicht in einen stSrker wirksamen Ester verwandelt. Histamin wurde nieht gefunden.