Zur Deskription und Determination von Einstellungen zum...

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Fakultät für Soziologie Projekt „Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen und Einstellungen der Bürger“ (WME) Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung Arbeitspapier Nr. 2 Zur Deskription und Determination von Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat Theoretische Konzepte und empirische Ergebnisse Thorsten Heien Bielefeld Oktober 1998 Universität Bielefeld

Transcript of Zur Deskription und Determination von Einstellungen zum...

Fakultät für SoziologieProjekt „Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen

und Einstellungen der Bürger“ (WME)

Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung

Arbeitspapier Nr. 2

Zur Deskription und Determination vonEinstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

Theoretische Konzepte und empirische Ergebnisse

Thorsten Heien

Bielefeld

Oktober 1998

Universität Bielefeld

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 2

Inhalt

1. Einleitung und Fragestellung ................................................................. 3

2. Konzeptualisierung des Einstellungsobjektes Wohlfahrtsstaat ......... 5

2.1. Einstellungsobjekt Wohlfahrtsstaat .......................................................................... 5

2.2. Empirische Arbeiten zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat ...... 7

2.3. Internationale Arbeiten ............................................................................................. 14

2.4. Synthese des WME-Projektes ................................................................................. 19

3. Konzeptualisierung der Determinanten wohlfahrtsstaatlicherEinstellugen.............................................................................................. 20

3.1. Kulturtheoretischer Ansatz ....................................................................................... 21

3.1.1. Exkurs: Gerechtigkeitsvorstellungen ....................................................................... 22

3.1.2. Kulturelle Integration vs. Differentielle Sozialisation ............................................... 26

3.2. Strukturtheoretischer Ansatz .................................................................................... 30

3.3. Wahrnehmung und Bewertung faktischer sozialer Ungleichheit .............................. 32

3.4. Synthese des WME-Projektes ................................................................................. 34

4. Entwicklung der Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrts-staat in den 1990er Jahren ...................................................................... 36

4.1. Deskription wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen ....................................................... 36

4.1.1. Ziele des Wohlfahrtsstaates ................................................................................... 37

4.1.2. Mittel des Wohlfahrtsstaates ................................................................................... 39

4.1.3. Folgen des Wohlfahrtsstaates ................................................................................ 39

4.1.4. Finanzierung des Wohlfahrtsstaates ....................................................................... 40

4.2. Determination wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen ................................................... 40

4.2.1. GANGL: „Ansprüche an den Wohlfahrtsstaat in den alten und neuenBundesländern“ (1997) ........................................................................................... 42

4.2.2. ROLLER: „Sozialpolitische Orientierungen nach der deutschen Vereinigung“(1997)....................................................................................................................... 45

5. Schlußbetrachtung .................................................................................. 47

Literatur .................................................................................................... 49

Anhang ..................................................................................................... 55

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 3

1. Einleitung und Fragestellung

Der bundesdeutsche Wohlfahrtsstaat scheint

gegenwärtig in der Klemme zu stecken. Seine

offensichtlich immer zahlreicher werdenden

Kritiker verurteilen ihn als „Umverteilungs-

staat“ , „Versorgungsstaat“ , „kollektiven Gefäl-

ligkeitsstaat“ oder „Bürokratiestaat“ , um nur

einige der geläufigen Schlagworte zu nennen1,

und verbinden dies gemeinhin mit Forderungen

nach seinem Umbau oder, im Falle neoliberaler

Orthodoxie, sogar seinem radikalen Abbau (vgl.

ALBER 1989, BERTHOLD/SCHMID 1997,

NEUMANN/SCHAPER 1998). Wesentlich bemer-

kenswerter ist jedoch, daß selbst traditionelle

Verteidiger des Wohlfahrtsstaates angesichts

diverser objektiver Mißstände einen Reformbe-

darf im Sinne des Abbaus bürokratischer

Hemmnisse und des Aufspürens von Rationali-

sierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven aner-

kennen (BÄCKER 1995, 1997, LESSENICH 1996,

NEUMANN/SCHAPER 1998). Allerdings tun sie

dies nicht, ohne auf - von obigen Kritikern

größtenteils angezweifelte - positive Auswir-

kungen wohlfahrtsstaatlicher Arrangements

hinzuweisen: Gesellschaftliche Stabilität durch

Integration gegensätzlicher Interessen, Hu-

mankapitalbildung, Schaffung von gesamtwirt-

schaftlicher Nachfrage und Arbeitsplätzen.

Die aktuelle Diskussion ist keineswegs neu,

vielmehr ist die „Krise des Wohlfahrtsstaates“

spätestens seit Mitte der siebziger Jahre ein

1 Im öffentlichen wie politischen Sprachgebrauch besitztbereits der Begriff „Wohlfahrtsstaat“ eine negative Kon-notation im Sinne eines ausufernden Staatseingriffes, wo-hingegen der Begriff „Sozialstaat“ als Bezeichnung füreine maßvollere Variante staatlicher Intervention verwen-det wird (ALBER/SCHÖLKOPF 1995, KOCH 1995). Im Kon-text dieses Arbeitspapieres werden in Einklang mit dersozialwissenschaftlichen Forschung beide Begriffe syn-onym verwendet (vgl. ALBER 1989, ALBER/SCHÖLKOPF

1995, ROLLER 1992).

Dauerthema in Politik, Wissenschaft und Medi-

en (KLEIN/SCHILLING 1994, KRÜGER 1993,

NULLMEIER 1997).2 Dies gilt im übrigen nicht

nur für die Bundesrepublik Deutschland, da der

die Diskussion auslösende Faktor in den mei-

sten westlichen Industriegesellschaften zu beob-

achten war, nämlich die Abkehr von einem

langjährigen Wirtschaftswachstumspfad. Ange-

sichts der durch überproportional steigende

Sozialausgaben wachsenden Verschuldung der

öffentlichen Haushalte wurde die Aufrechter-

haltung des wohlfahrtsstaatlichen Status quo in

der Folgezeit zunehmend in Frage gestellt

(ALBER 1989, AUCLAIRE 1984, KAUFMANN

1997).3 Die konjunkturell bedingte negative

Entwicklung des bundesdeutschen Wohlfahrts-

staates in Gestalt steigender Kosten und sinken-

der Einnahmen wurde in den vergangenen Jah-

ren durch verschiedene exogene (Kosten der

Wiedervereinigung) und endogene Faktoren

(demographische Entwicklung, Zunahme der

Arbeitslosenzahlen, Frühverrentung, Kostenex-

plosion im Gesundheitswesen etc.) verschärft,

so daß die Sozialleistungsquote, also der Anteil

der gesamten Sozialausgaben am Bruttosozial-

produkt, Schätzungen zufolge 1997 einen

Höchststand von 34,4% erreichen konnte

(SOZIALPOLITISCHE UMSCHAU 157/1998; vgl.

Kaufmann 1997). Angesichts der skizzierten

2 ALBER weist darauf hin, daß der Wohlfahrtsstaat seitseiner Etablierung, die in Deutschland gemeinhin ver-knüpft wird mit der BISMARCKschen Sozialversicherungs-politik gegen Ende des vorherigen Jahrhunderts (1881:Ankündigung von Gesetzesvorlagen in „Kaiserlicher Bot-schaft“ ; 1883: gesetzliche Arbeiterkrankenversicherung;1884: Unfallversicherung; 1889: Alters- und Invalidenver-sicherung für Arbeiter), in der Diskussion steht (ALBER

1988: 181; vgl. ALBER 1989, BRAUN 1995, SCHÄFERS

1990).3 Der Druck auf die Konsolidierung der Staatsfinanzenwurde im übrigen in jüngster Vergangenheit durch dieKonvergenzkriterien des die für 1999 angestrebte Europäi-sche Währungsunion regelnden Maastricht-Vertragesverschärft (FORMA 1997, ROLLER 1996).

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

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Kostensteigerungen wird die Leistungsfähigkeit

des bundesdeutschen Wohlfahrtsstaates in Frage

gestellt.

Neben der Kosten- und Finanzierungsproble-

matik nehmen die dem Wohlfahrtsstaat zuge-

schriebenen negativen Nebenfolgen einen brei-

ten Raum in der gegenwärtigen Diskussion ein:

Zu hohe Lohnnebenkosten und ein innovations-

und effizienzfeindliches Regulierungssystem

belasten die Unternehmen mit der Konsequenz

eines sinkenden Wirtschaftswachstums und

erhöhter Arbeitslosigkeit (BERTHOLD/SCHMID

1997). Auf individueller Ebene wird eine allge-

meine Bürokratisierung und Verrechtlichung im

Sinne der HABERMASschen „Kolonialisierung

der Lebenswelt“ beklagt (FORMA 1997, GOUL

ANDERSEN 1992). Darüber hinaus sorge die

umfassende Absicherung der Lebensrisiken

dafür, daß für viele Gesellschaftsmitglieder kein

Anreiz mehr bestehe, Arbeitskraft anzubieten,

bzw. eigenverantwortliche Risikovorsorge zu

betreiben („moral hazard“ - und „Trittbrettfah-

rer“ -Verhalten“ ), wie angesichts der Effekte von

Einkommensumverteilung bzw. -nivellierung

die Motivation der „Leistungsträger“ der Ge-

sellschaft gelähmt werde (BACHER/STELZER-

ORTHOFER 1997, PRISCHING 1996). Der Wohl-

fahrtsstaat, so das Fazit der Kritik, schaffe sich

im Grunde genommen die Probleme, die er zu

lösen vorgebe, und zerstöre sich damit in letzter

Konsequenz selbst (BERTHOLD/SCHMID 1997,

RINGEN 1987).

In unmittelbarem Zusammenhang mit den be-

schriebenen Krisensymptomen steht die ebenso

häufig unterstellte Erosion der Akzeptanz des

Wohlfahrtsstaates in der Bevölkerung, die in der

politikwissenschaftlichen Forschung unter dem

Stichwort „Legitimationsverlust“ diskutiert wird

(COOK/BARRETT 1992, DÖRING 1995, FORMA

1997, GREIFFENHAGEN 1997, RINGEN 1987).4

Ein Akzeptanzrückgang wäre insofern von Be-

deutung, als er grundsätzlich den „sozialen

Frieden“ durch die Zunahme von Konflikten

zwischen gesellschaftlichen Gruppen gefährden

und volkswirtschaftlich gesehen über Aus-

weichreaktionen zu Effizienzverlusten führen

könnte (DEHLINGER/BRENNECKE 1992).

Der unterstellte Rückgang der Akzeptanz ist der

Anknüpfungspunkt des Projektes „Wohlfahrts-

staatliche Maßnahmen und Einstellungen der

Bürger“ (WME). Das WME-Projekt befaßt sich

auf der Grundlage von Sekundäranalysen reprä-

sentativer Befragungsdaten mit Einstellungen

zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat und de-

ren Entwicklung seit der Wiedervereinigung, für

die der Akzeptanzfrage gemeinhin ein zentraler

Stellenwert eingeräumt wird (vgl. z.B.

ROLLER/MATHES 1993). Das Interesse des

WME-Projektes gilt in diesem Kontext zum

einen der von der einschlägigen Forschung be-

reits ausgiebig thematisierten Beschreibung

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen, also der

Frage, welche Einstellungen überhaupt zu beob-

achten sind. Zum anderen gilt das Interesse den

bisher eher vernachlässigten Determinanten

dieser Einstellungen, also der Frage, weshalb

welche Einstellungen auftreten (vgl. ANDREß et

al. 1997).

4 Neben der allgegenwärtigen Krisendiskussion werdendiverse strukturelle Entwicklungen - Gruppenegoismen der„mittleren Masse“, die zur Ablehnung wohlfahrtsstaatlicherMaßnahmen für Unterpriviligierte führen (These des„welfare backlash“); ein seit den siebziger Jahren zu beob-achtender Wertewandel in westlichen Industriegesell-schaften; die Zerstörung kollektiver Identitäten im Zugezunehmender sozialer Differenzierung - als Determinanteneines Legitimationsverlustes diskutiert (KAASE et al. 1987,KRÜGER 1993, PIOCH/VOBRUBA 1995, ROLLER 1992,WILENSKY 1975).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 5

Die Analyse des Zusammenhangs zwischen

Einstellungen zum Wohlfahrtsstaates und ihren

möglichen Determinanten setzt einen theoreti-

schen Bezugsrahmen voraus, in dem beide

Aspekte eindeutig definiert und zueinander in

Beziehung gesetzt werden. Im Rahmen dieses

Arbeitspapiers werden deshalb anhand der Dis-

kussion einschlägiger empirischer Arbeiten

Konzeptualisierungsvorschläge für die abhängi-

gen (Kapitel 2) wie unabhängigen Variablen

(Kapitel 3) des WME-Projekts entwickelt, die

anschließend zu einem Kausalmodell zusam-

mengefügt werden. Aufgrund des hierzulande

nicht sehr reichhaltigen Angebots an Studien zu

Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat und deren

Determinanten5 wird in diesem Zusammenhang

auch auf Studien zurückgegriffen werden, die

sich nicht explizit auf den bundesdeutschen

Wohlfahrtsstaat beziehen, deren Konzeptualisie-

rungen aber auf diesen übertragbar sind. Ziel

des WME-Projektes ist ein umfassendes Kau-

salmodell, das sowohl möglichst viele Aspekte

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen als auch

möglichst viele Determinanten derselben be-

rücksichtigt. Über die Entwicklung eines Kau-

salmodells hinaus versucht das Arbeitspapier

einen Überblick über die Ergebnisse der bishe-

rigen empirischen Forschung zum Thema, wo-

bei die zuvor entwickelten Konzeptualisierun-

gen die interessierenden Aspekte dieser „Be-

standsaufnahme“ vorgeben (Kapitel 4). Abge-

schlossen wird das Arbeitspapier durch ein re-

sümierendes Fazit (Kapitel 5).

5 ROLLER führt die im Vergleich etwa zu den USA, Groß-britannien oder den skandinavischen Ländern äußerstgeringe Anzahl an Arbeiten im wesentlichen darauf zurück,daß „Forschungen zum Wohlfahrtsstaat auf der Einstel-lungsebene [in Deutschland, T.H.] wenig Tradition haben“(ROLLER 1992: 4).

2. Konzeptualisierung des Einstel-lungsobjektes Wohlfahrtsstaat

Die unterschiedlichen Aspekte der Diskussion

über die „Krise des Wohlfahrtsstaates“ lassen

vermuten, daß die im Rahmen des WME-

Projektes interessierenden wohlfahrtsstaatlichen

Einstellungen ein vielschichtiges und komplexes

Konstrukt sind. Im folgenden wird deshalb zu-

nächst eine grundsätzliche semantische Klärung

versucht, zumal weder der Einstellungs- noch

der Wohlfahrtsstaatsbegriff in der sozialwissen-

schaftlichen Forschung einheitlich definiert sind

(Kapitel 2.1). Anschließend werden konkrete

Konzeptualisierungen empirischer Arbeiten zu

Einstellungen gegenüber dem bundesdeutschen

Wohlfahrtsstaat (Kapitel 2.2) wie einiger inter-

nationaler Arbeiten (Kapitel 2.3) diskutiert. Als

Resultat der Diskussion dieser beiden Kapitel

folgt schließlich ein Konzeptualisierungsvor-

schlag des WME-Projektes (Kapitel 2.4).

2.1. Einstellungsobjekt Wohlfahrtsstaat

Einstellungen werden in der sozialwissen-

schaftlichen Forschung in der Regel als die be-

wertenden Vermittler zwischen Reizen, die be-

stimmte abstrakte oder konkrete Sachverhalte

bzw. (Einstellungs-)Objekte - z.B. den Wohl-

fahrtsstaat - betreffen, und Reaktionen auf diese

Reize aufgefaßt: „Attitude is a psychological

tendency that is expressed by evaluating a parti-

cular entity with some degree of favor or disfa-

vor“ (EAGLY/CHAIKEN 1993: 1). Die Einstel-

lungen selbst sind als ein latentes Konstrukt zu

verstehen, beobachtbar sind lediglich die ur-

sächlichen Reize und die positiven, neutralen

oder negativen Reaktionen. Letztere werden je

nach Autor unterschiedlich konzeptualisiert,

wobei die wesentliche Trennlinie zwischen dem

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 6

Drei-Komponenten-Ansatz und eindimensiona-

len, sich auf eine einzige Einstellungskompo-

nente beschränkende Konstrukte verläuft. Ver-

treter des ersten Ansatzes differenzieren zwi-

schen affektiven (gefühlsmäßige Haltung gegen-

über dem Einstellungsobjekt), kognitiven (Wis-

sens- und Informationsstand über das Einstel-

lungsobjekt) und konativen (durch das Einstel-

lungsobjekt ausgelöste Verhaltens- und Akti-

onsbereitschaft) Reaktionen (vgl. z.B.

EAGLY/CHAI-KEN 1993, ROSENBERG/HOVLAND

1960). Als problematisch werden gemeinhin die

implizierten hohen Anforderungen an die Ope-

rationalisierung des Ansatzes (HAUBL 1987)

sowie die widersprüchlichen, die Beziehungs-

struktur der drei Komponenten zum Teil stüt-

zenden, zum Teil verwerfenden empirischen

Ergebnisse beurteilt (EAGLY/CHAIKEN 1993,

STAHLBERG/FREY 1996). Befürworter des Ein-

komponentenmodells setzen unter Verweis auf

die übermäßige Bedeutung der affektiven Kom-

ponente für Bewertungen häufig Einstellungen

mit eben dieser Komponente gleich (vgl. z.B.

FISHBEIN/AJZEN 1975). Aber auch dieses Mo-

dell hat nur bedingt empirische Bestätigung

erfahren, so daß ein Urteil, welches der Modelle

die Realität besser abbildet, zumindest bis dato

nicht getroffen werden kann.6

Wenn der Wohlfahrtsstaat im Rahmen des

WME-Projektes als Einstellungsobjekt fungiert,

stellt sich zunächst die Frage nach dem grund-

sätzlichen semantischen Gehalt des Begriffes. In

der sozialwissenschaftlichen Forschung werden

diesbezüglich im wesentlichen zwei Arten von

Definitionen unterscheiden (ALBER 1989,

ROLLER 1992). Im ersten Fall wird der Wohl- 6 Es hat sich allerdings gezeigt, daß die Einstellungsdimen-sionalität in Abhängigkeit vom untersuchten Einstellungs-objekt variiert (STALLBERG/FREY 1996).

fahrtsstaat durch den Umfang und die Art der

Maßnahmen definiert, die der Staat zur Sicher-

stellung und Verteilung von wirtschaftlichen

Gütern und Ressourcen ergreift. Das prominen-

teste, auch in jüngeren deutschsprachigen Ver-

öffentlichungen aufgegriffene Beispiel hierfür

(vgl. z.B. BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997)

stammt von Harold WILENSKY, der die „Es-

senz“ des Wohlfahrtsstaates in „government-

protected minimum standards of income, nutri-

tion, health, housing and education, assured to

every citizen as a political right“ sieht

(WILENSKY 1975: 1).7 Der wesentliche Nachteil

einer derartigen Definition ist ihr sowohl zeit-

lich wie geographisch eingeschränkter Gel-

tungsbereich, da sie sich in beiderlei Hinsicht

konkret festlegt. So orientieren sich moderne

Wohlfahrtsstaaten nicht (mehr) primär an der

Sicherung des Existenzminimums, wie in der

Definition von WILENSKY unterstellt, sondern

vielmehr an der Sicherung des erreichten sozia-

len Status (ALBER 1989, FLORA et al. 1977,

ROLLER 1997). Die geographische Beschränkt-

heit macht beispielsweise CNAAN deutlich, der

vor dem Hintergrund des israelischen Wohl-

fahrtsstaates die Definition von WILENSKY um

den Aspekt der religiösen Dienste, wie die Ent-

lohnung religiöser Funktionsträger, den Bau von

Synagogen oder die Unterstützung diverser reli-

giöser Aktivitäten und Institutionen (CNAAN

1989: 299), erweitert wissen will. Schließlich

macht ROLLER darauf aufmerksam, daß im

Rahmen einer solchen Definition nur solche

staatliche Aktivitäten als wohlfahrtsstaatlich

identifiziert werden, die explizit im Mittelpunkt

des Wohlfahrtsstaates stehen, finanz- und wirt-

schaftspolitische Interventionen mit wohlfahrts- 7 Für weitere Beispiele für Definitionen dieses Typs vgl.z.B. ALBER (1989) und ROLLER (1992).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 7

staatlichen Konsequenzen jedoch von vornher-

ein ohne Beachtung bleiben (ROLLER 1992: 11).

Das Problem einer stark eingeengten Perspekti-

ve stellt sich nicht für die Definitionen des

zweiten, auf allgemeiner Ebene argumentieren-

den Typs. Ein hierzulande häufig aufgegriffenes

Beispiel (vgl. z.B. GANGL 1997, KLEEBAUR

1991, ROLLER 1992) stammt von Peter FLORA,

Jens ALBER und Jürgen KOHL (1977), die den

Wohlfahrtsstaat als den Teilbereich staatlicher

Aktivitäten definieren, der auf die Realisierung

der Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit und

sozio-ökonomischer Gleichheit der Gesell-

schaftsmitglieder auf der Grundlage von

Rechtsansprüchen abzielt (FLORA et al. 1977:

323). Neben der Anerkennung einer staatlichen

Verantwortung und der Zuschreibung von

Rechtsansprüchen auf wohlfahrtsstaatliche Lei-

stungen besteht die grundlegende Annahme

darin, daß „Gleichheit“ und „Sicherheit“ die

beiden zentralen Ziel- und Wertdimensionen des

Wohlfahrtsstaates darstellen. Die Dimension der

Sicherheit rekurriert in diesem Zusammenhang

auf die gesamte bzw. die durchschnittliche Grö-

ße der primär wirtschaftlichen Güter und Res-

sourcen, die auf die Gesellschaftsmitglieder

entfallen. Die Dimension der Gleichheit nimmt

demgegenüber Bezug auf die Verteilung dieser

Güter und Ressourcen unter den Angehörigen

einer Gesellschaft (FLORA et al. 1977: 322).

Eine wichtiger Aspekt der Definition von

FLORA et al. ist die Interpretation des Wohl-

fahrtsstaates im Rahmen einer Theorie der Mo-

dernisierung als Lösung oder zumindest Ant-

wort auf zwei grundlegende gesellschaftliche

Entwicklungsprozesse, nämlich den der Indu-

strialisierung und den der Demokratisierung,

und nicht als „das beliebige Resultat voluntari-

stischer politischer Entscheidungen“ (ALBER

1989: 30). Während die Industrialisierung über

Prozesse struktureller Differenzierung zur

Schwächung der Sicherungsfunktionen von

Haushalten, Verwandtschaftssystemen und an-

derer Gemeinschaften und infolgedessen zu

Forderungen nach sozio-ökonomischer Sicher-

heit geführt hat, sind die Forderungen nach so-

zio-ökonomischer Gleichheit Bedingung für die

Wahrnehmung der mit der Demokratisierung

einhergehenden politischen Beteiligungsrechte

(FLORA et al. 1977: 716 ff.; vgl. ALBER/SCHÖL-

KOPF 1995).8

Nach dieser ersten inhaltlichen Orientierung, die

sich zumindest für den Wohlfahrtsstaatsbegriff

auch auf funktionale Aspekte erstreckt hat, gilt

es im folgenden die konkreten Dimensionen

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen anhand der

Diskussion bereits vorliegender Vorschläge der

empirischen Forschung zu bestimmen. Ange-

strebt wird in diesem Zusammenhang nicht al-

lein eine Unterscheidung verschiedener Ein-

stellungsdimensionen, sondern auch eine Sy-

stematisierung dieser Dimensionen hinsichtlich

ihrer Beziehungen untereinander im Sinne eines

analytischen Einstellungskonzeptes.

2.2. Empirische Arbeiten zu Einstellun-gen zum bundesdeutschen Wohl-fahrtsstaat

Für einen ersten Überblick über empirische Un-

tersuchungen zu Einstellungen gegenüber dem

bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat erweisen sich

zwei Fragen als hilfreich (vgl. Schaubild 1):

8 FLORA et al. orientieren sich in diesem Punkt anMARSHALL (1964), demzufolge die Institutionalisierungvon Bürgerrechten in der Regel von bürgerlichen („civilrights“) über politische („political rights“) zu sozialenGrundrechten („social rights“) erfolgt (FLORA et al. 1977:715).

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 8

Zum einen die auf den Entstehungs- oder Dis-

kussionskontext abzielende Frage nach der Per-

spektive einer Studie, also ob sich das Interesse

auf den Wohlfahrtsstaat insgesamt oder nur auf

einen bestimmten Teilaspekt des Wohlfahrts-

staates, wie beispielsweise die soziale Sicherung

oder die Umverteilung von Gütern und Ressour-

cen richtet. Zum anderen die den ersten Aspekt

differenzierende Frage der konzeptuellen Vor-

gehensweise von Autoren, also ob einer Studie

überhaupt, wie zum Abschluß des vorangegan-

genen Kapitels angesprochen, ein analytisches

Einstellungskonzept zugrundeliegt, oder ob

- aus welchen Gründen (restriktive Datenlage,

spezifisches Forschungsinteresse etc.) auch

immer - lediglich aus den zur Verfügung ste-

henden Datensätzen diejenigen Items herausge-

griffen werden, für die sich ein inhaltlich sinn-

voller Bezug zum Wohlfahrtsstaat herstellen

läßt. Gemäß Schaubild 2 ist hierzulande eine

deutliche Dominanz weniger elaborierter

und/oder sich an Teilaspekten orientierender

Arbeiten zu konstatieren. Genauer gesagt finden

sich unter sämtlichen von uns recherchierten

Arbeiten nur zwei (ROLLER 1992, 1997), die mit

einem differenzierten analytischen Konzept

operieren. Hinzu kommt, daß es sich dabei um

ein und dasselbe Konzept handelt, da beide

Arbeiten von derselben Autorin stammen.9

Das angesprochene Konzept hat Edeltraut

ROLLER erstmals im Rahmen ihrer Studie „Ein-

stellungen der Bürger zum Wohlfahrtsstaat der

Bundesrepublik Deutschland“ (ROLLER 1992)

vorgelegt, in der sie sich neben theoretischen

und empirischen Aspekten der Akzeptanz des

Wohlfahrtsstaates der legitimatorischen Rele-

9 CNAAN (1989: 297), SIHVO/UUSITALO (1995: 216) undSVALLFORS (1991: 611) weisen allerdings einhellig daraufhin, daß der Mangel an systematischen Konzeptualisierun-gen ein grundsätzliches Problem in der sozialwissenschaft-lichen Forschung zu Einstellungen gegenüber dem Wohl-fahrtsstaat ist, also auch in Ländern mit einer diesbezüglichgrößeren Tradition als die Bundesrepublik Deutschland(vgl. Fußnote 5) zu beobachten ist.

Schaubild 1: Empirische Studien zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Wohlfahrtsstaatinsgesamt

Teilaspekte desWohlfahrtsstaates

1) Perspektive

UnsystematischeIndikatorensammlung

SystematischeKonzeptualisierung

2) Konzeptuelle Vorgehensweise

Beispiele: ROLLER (1992/1997) ALBER (1986)KAASE et al. (1987)KLEIN/SCHILLING (1994)KRÜGER (1993)MAU (1997)RINNE/WAGNER (1995)ZAPF (1986)

DEHLINGER/BRENNECKE (1992)GANGL (1995)HUSEBY (1995)KLEEBAUR (1991)KLUEGEL/MIYANO (1995)PETTERSON (1995)ROLLER (1995a,b)

Quelle: Eigene Darstellung

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 9

vanz letzterer für das politische System insge-

samt widmet. In Anlehnung an die Theorie des

politischen Systems von ALMOND und POWELL

und deren allgemeingültiger Klassifikation der

Elemente der Policy-Ebene10 (vgl. ALMOND/

POWELL 1978) weist sie darauf hin, daß es für

eine Analyse von Einstellungen zum Wohl-

fahrtsstaat zweckmäßig ist, zwischen den allge-

meinen Objektkategorien der Ziele, Mittel und

Folgen wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen zu

unterscheiden (vgl. Schaubild 2), da die Ein-

stellungen von Personen in Abhängigkeit davon

variieren können, welcher Aspekt wohlfahrts-

staatlicher Maßnahmen betrachtet wird

(ROLLER 1992: 41 f.).

Die Ziele („goals“ ) des Wohlfahrtsstaates sind

in diesem Zusammenhang zu verstehen als er-

strebenswerte Zustände, für deren Realisierung

der Staat eine Zuständigkeit übernimmt. Der

Aspekt der staatlichen Verantwortung ist hier

von besonderer Bedeutung, da Ziele, die ohne

Bezugnahme auf staatliches Handeln formuliert

werden, nicht Bestandteil der Definition

ROLLERs sind. Dies ist insofern bemerkenswert,

als in zahlreichen empirischen Arbeiten zur

Unterstützung des Wohlfahrtsstaates Items be-

rücksichtigt werden, denen eben dieser Bezug

auf staatliches Handeln fehlt (vgl. z.B.

COUGHLIN 1980). Eine inhaltliche Spezifikati-

on, um welche Ziele es sich handelt, unternimmt

ROLLER anhand des im vorangegangen Kapitel

diskutierten Wohlfahrtsstaatsbegriffes von

FLORA et al. (1977), d.h., sie sieht sozio-

ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomische

10 Die Policy-Ebene ist nach ALMOND/POWELL eine derdrei Funktionsebenen des politischen Systems (neben derSystem- und der Prozeß-Ebene) und bezieht sich auf dasVerhalten des politischen Systems gegenüber seiner Um-welt bzw. anderen Systemen (ALMOND/POWELL 1978: 12ff.; vgl. ROLLER 1992: 14 ff.).

Gleichheit als konkrete Ziele wohlfahrtsstaatli-

chen Handelns an.11 Die beiden Ziele können

sich nach ROLLER auf zwei unterschiedliche

Aspekte beziehen. Zum einen der Aspekt der

Extensität, also die Frage, ob der Staat über-

haupt eine Verantwortung bzw. Zuständigkeit

für die Realisierung sozio-ökonomischer Si-

cherheit und sozio-ökonomischer Gleichheit

besitzt. Zum anderen der Aspekt der Intensität,

also die Frage, in welchem Ausmaß die beiden

Ziele bei gegebener staatlicher Zuständigkeit

realisiert werden sollen. Die getroffene Unter-

scheidung ist analytisch wie praktisch wichtig.

Zum einen setzt die Frage der Intensität eine

Beantwortung der Frage der Extensität voraus,

insofern besitzt letzteres Einstellungsobjekt eine

größere Relevanz für das Funktionieren des

Wohlfahrtsstaates (ROLLER 1992: 42 ff.). Zum

anderen kann eine Beurteilung beider Fragen

durchaus unterschiedlich ausfallen.

Unter den Mitteln wohlfahrtsstaatlicher Maß-

nahmen sind die diversen „Outputs“ des Staates

zu verstehen, die zur Realisierung der skizzier-

ten Ziele eingesetzt werden. Grundsätzlich ist zu

unterscheiden zwischen auf Dauer angelegten

Institutionen, ROLLER verweist hier auf den von

Renten-, Unfall-, Kranken- und Arbeitslosen-

versicherung gebildeten „ institutionellen Kern

des Wohlfahrtsstaates“ (ROLLER 1992: 43), und

befristeten Programmen, wofür Arbeitsbeschaf-

fungsprogramme als Beispiel aufgeführt wer-

den. Institutionen wie Programme wiederum

sind jeweils Kombinationen von konkreten Out-

puts, die in einem inhaltlichen und organisatori-

11 Im Rahmen einer qualitativen Befragung von 231 Voll-zeit-Erwerbstätigen konnte ROLLER die Existenz einesderart konzeptualisierten Einstellungsobjektes nachweisen:73% der Befragten verstanden unter dem Wohlfahrtsstaats-begriff eine staatliche Intervention gemäß der Definitionvon FLORA et al. (ROLLER 1992: 58 ff.).

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 10

schen Zusammenhang stehen. ROLLER differen-

ziert diesbezüglich zwischen den für die Ziel-

verfolgung primär bedeutsamen distributiven

Outputs (z.B. Transferzahlungen, öffentliche

Güter und Dienstleistungen), extraktiven Out-

puts (z.B. Steuern, Beiträge), regulativen Out-

puts (z.B. Verhaltensregulierungen, Regulierun-

gen von Märkten) und symbolischen Outputs

(z.B. politische Reden) (ROLLER 1992: 18 f.;

vgl. ALMOND/POWELL 1978).12 Auch auf der

Mittelebene ist ROLLER zufolge von einer unter-

schiedlichen Relevanz der Einstellungsobjekte

für das Funktionieren des Wohlfahrtsstaates

12 So setzt sich beispielsweise die Institution Arbeitslosen-versicherung unter anderem aus den Transferzahlungen andie Arbeitslosen (distributiver Output) und den von Ar-beitnehmern und Arbeitgebern zu entrichtenden Beiträgen(extraktiver Output) zusammen (ROLLER 1992: 43).

auszugehen, wobei Institutionen wegen ihres

gegenüber Programmen höheren Maßes an Dau-

erhaftigkeit als bedeutsamer anzusehen sind.

Die Folgen („outcomes“) wohlfahrtsstaatlicher

Maßnahmen sind die Resultate der mit den spe-

zifischen Mitteln angestrebten Ziele, für die der

Staat zuständig ist. Zu unterscheiden ist zwi-

schen den intendierten Folgen, welche das

Ausmaß bezeichnen, in dem die beabsichtigten

Wirkungen der eingesetzten Mittel, also die

Realisierung sozio-ökonomischer Sicherheit und

sozio-ökonomischer Gleichheit, eingetreten

sind, und den nicht-intendierten Nebenfolgen,

die Folgen außerhalb des unmittelbar ange-

strebten Zielbereichs bezeichnen.13 Gerade die

13 Die nicht-intendierten Nebenfolgen werden von ROLLER

Schaubild 2: Konzeptionalisierung von Einstellungen zum Wohlfahrtsstaates durch ROLLER

Einstellungenzum

Wohlfahrtsstaat

Ziele(goals)

Mittel(outputs)

Folgen(outcomes)

Extensität(Umfang/Ausdehnung

staatlicher Zuständigkeit)

Intensität(Ausmaß staatlichen Handelnsbei gegebener Zuständigkeit)

Institutionen(auf Dauer angelegt, wie z.B.

die Rentenversicherung)

Programme(zeitlich befristet, wie z.B. dieGesundheits-/Rentenreform)

Intendierte Folgen(Realisierung von sozio-

ökonom. Sicherheit/Gleichheit)

Nicht-intendierteNebenfolgen

(Außerhalb liegende Folgenwie z.B. Mißbrauch)

Bezug

auf

global

spezifisch

global

global

spezifisch

spezifisch abnehmendeBedeutung des

Einstellungsobjektesfür die Funktions-

fähigkeit desWohlfahrtsstaates

spezifisch

spezifisch

global

global

spezifisch

global

Differenzierungder Objekte

Allgemeine Objektkategorien

Quelle: Eigene Darstellung nach ROLLER (1992: 41 ff.)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 11

letztgenannten Nebenfolgen spielen in der Dis-

kussion über die Krise des Wohlfahrtsstaates

ein herausragende Rolle (vgl. Kapitel 1), nichts-

destotrotz sind sie rein analytisch betrachtet von

nachrangiger Bedeutung, da ihre Existenz inten-

dierte Folgen voraussetzt.

Im Überblick über die diskutierten Elemente der

ROLLERschen Konzeptionalisierung in Schau-

bild 2 verdeutlicht der abwärtsgerichtete Pfeil

auf der rechten Seite, daß nicht nur für die spe-

zifischen Ausprägungen der allgemeinen Ob-

jektkategorien Ziele (Extensität/Intensität),

Mittel (Institutionen/Programme) und Folgen

(intendiert/nicht-intendiert) eine Relevanz-

Hierarchie hinsichtlich ihrer Bedeutung für das

Funktionieren des Wohlfahrtsstaates existiert.

Auch die Objektkategorien selbst lassen sich in

diesem Sinn ordnen, wobei Folgen die Anwen-

dung von Mitteln voraussetzen, deren Anwen-

dung wiederum nur bei der Existenz von Zielen

sinnvoll ist (ROLLER 1992: 46). Allerdings ist

zu berücksichtigen, daß die von ROLLER aufge-

stellte Relevanz-Hierarchie ein rein analytisches

Konzept ist und insofern lediglich Hypothesen-

charakter besitzt. Eine angesichts der Diskussi-

on über die „Krise des Wohlfahrtsstaates“ vor

allem im Hinblick auf die nicht-intendierten

Nebenfolgen interessante Überprüfung der

Hierarchiehypothese an der empirischen Wirk-

lichkeit unternimmt ROLLER nicht.

In Schaubild 2 ist eine weitere Differenzierung

der Objektkategorien zu erkennen, nämlich die

nochmals anhand der auf unterschiedlichen analytischenDimensionen angesiedelten Gegensatzpaare von antizipiert(z.B. Finanzierungsprobleme) und nicht-antizipiert (z.B.sinkendes Wirtschaftswachstum) sowie positiv (z.B. Stabi-lisierung der politischen Ordnung) und negativ (z.B. sin-kendes Wirtschaftswachstum) differenziert, die aber inihrem konzeptuellen Rahmen der Unterstützung desWohlfahrtsstaates (vgl. Schaubild 2) keine Berücksichti-gung finden (ROLLER 1992: 44).

auf FREE und CANTRIL (1967) zurückgehende

und in der sozialwissenschaftlichen Forschung

mittlerweile etablierte grundsätzliche Unter-

scheidung zwischen globalen und spezifischen

Einstellungen (vgl. z.B. COUGHLIN 1980,

SVALLFORS 1991), die von ROLLER im übrigen

als horizontale Dimension ihres Konzeptes, im

Gegensatz zur vertikalen Dimension der allge-

meinen Objektkategorien, bezeichnet wird

(ROLLER 1992: 55). Auf der Ebene der Zielex-

tensität beispielsweise beschreiben erstere Ein-

stellungen eine grundsätzliche bzw. bereichsun-

spezifische staatliche Zuständigkeit für die

Realisierung der Ziele sozio-ökonomischer Si-

cherheit und sozio-ökonomischer Gleichheit,

während letztere eine auf einzelne (Lebens-)

Bereiche beschränkte staatliche Zuständigkeit

für die Realisierung beider Ziele beschreiben.14

Die in zahlreichen Arbeiten berücksichtigte

weitere Differenzierung der spezifischen Ein-

stellungen in den Kern des Wohlfahrtsstaates im

Bereich der Einkommenssicherung und den

restlichen wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten

(vgl. z.B. COUGHLIN 1980) wird von ROLLER

zwar diskutiert, nicht jedoch systematisch in

ihren konzeptuellen Rahmen integriert.

Obwohl ROLLER nicht nur auf eigene, im Rah-

men des Teilprojektes A7 „Wohlfahrtsansprü-

che“ des Sonderforschungsbereiches 3 „Mikro-

analytische Grundlagen der Gesellschaftspoli-

tik“ erhobene Daten zurückgreift, sondern auch

mehr als ein Dutzend anderer Umfragen berück-

sichtigt, erweist sich die Operationalisierung der

zahlreichen Dimensionen ihres Konzeptes als

14 Eine Möglichkeit zur Bestimmung der in diesem Zu-sammenhang relevanten (Lebens-)Bereiche ist der Rück-griff auf konkrete Definitionen des Wohlfahrtsstaates, wiesie am Beispiel von WILENSKY in Kapitel 2.1 diskutiertworden sind.

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 12

nicht ganz unproblematisch. Zum einen ist bei

zahlreichen Indikatoren „ fremder“ Umfragen

keine eindeutige Zuordnung möglich, da sie „ in

der Regel nicht auf der Grundlage explizit un-

terschiedener theoretischer Dimensionen for-

muliert worden sind“ (ROLLER 1992: 46 f.).

Zum anderen mangelt es ihr für einzelne

Aspekte schlichtweg an Indikatoren, so daß

ROLLER sich bei der Datenanalyse auf die Di-

mensionen der Extensität, der Intensität und der

intendierten Folgen beschränken muß.15 Darüber

hinaus bleibt zumindest im Hinblick auf die

intendierten Folgen offen, wie ROLLER selbst

eingesteht (ROLLER 1992: 46), ob die letztend-

lich von ihr verwendeten Indikatoren tatsächlich

Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat messen, da

sie ohne expliziten Bezug auf staatliche Aktivi-

täten nach der Realisierung von sozio-

ökonomischer Sicherheit und sozio-

ökonomischer Gleichheit fragen.16

Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels ange-

sprochen, findet sich in der Literatur zu Ein-

stellungen gegenüber dem bundesdeutschen

Wohlfahrtsstaat kein einziges dem Vorschlag

von ROLLER vergleichbares analytisches Kon-

zept. Zum Teil erfolgt der Verzicht auf ein sol-

ches Konzept sogar bewußt, wie in der Arbeit

15 Die gleichen Probleme stellen sich ROLLER in ihrerzweiten Arbeit (ROLLER 1997), in der sie die vorgestellteKonzeptionalisierung erneut verwendet, ihr im Gegensatzzur Arbeit von 1992 allerdings – eine Folge der in derEinleitung skizzierten aktuellen Diskussion? – Indikatorenfür die nicht-intendierten Nebenfolgen zur Verfügungstehen.16 Dies wird am Beispiel einer von ROLLER verwendetetenALLBUS-Frage aus dem Jahr 1984 deutlich: „Wie ist esmit Ihrer persönlichen Alterssicherung oder Sicherung vorInvalidität und im Krankheitsfall? Fühlen Sie sich ausrei-chend oder nicht ausreichend gesichert?“ (ROLLER 1992:129). Eine Zustimmung zu dieser Frage kann sowohl eineZufriedenheit mit den Folgen des Wohlfahrtsstaates indi-zieren, aber auch Ausdruck einer grundsätzlichen, eventu-ell auch auf private Vorsorgeaktivitäten zurückgehendenmateriellen Absicherung sein.

von Thomas KLEIN und Johannes-Georg

SCHILLING „Die Akzeptanz des Wohlfahrts-

staates“ (KLEIN/SCHILLING 1994). Die Autoren

wollen im Rahmen ihrer Studie „die Akzeptanz

des Wohlfahrtsstaates an sich“ erforschen und

verzichten deshalb auf eine differenzierte Form

der Erhebung. Vor dem Hintergrund des Kon-

zepts von ROLLER erscheint der von den Auto-

ren untersuchte Aspekt allerdings lediglich als

ein kleines Detail, nämlich als das der globalen

Intensität, da KLEIN/SCHILLING sich auf „ein

globales Zuviel oder Zuwenig wohlfahrtsstaatli-

cher Leistungen“ beziehen (KLEIN/SCHILLING

1994: 612).17

Diese verengte Perspektive wird auch beim

Blick auf Tabelle 1 deutlich, die einen Über-

blick über uns bekannte empirische Arbeiten zu

Einstellungen gegenüber dem bundesdeutschen

Wohlfahrtsstaat der vergangenen 15 Jahre

- unsere Recherchen basierten auf den in diesem

Zusammenhang einschlägigen Methoden der

Informationsgewinnung (Datenbanken, Quer-

verweise etc.) - bietet. Gegliedert ist Tabelle 1

nach den in den jeweiligen Studien untersuchten

Aspekten der ROLLERschen Konzeptionalisie-

rung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen in ihrer

feinsten Differenzierung - neben der Unter-

scheidung von Extensität, Intensität, Institutio-

nen, Programmen, intendierten Folgen sowie

nicht-intendierten Folgen wird also auch die

Frage nach globalen oder spezifischen Aspekten

gestellt - und unter Berücksichtigung des Erhe-

17 Im konkreten Fall von KLEIN/SCHILLING kommt erschwe-rend hinzu, daß die Autoren zur Operationalisierung derglobalen Intensität auf einen nicht unproblematischenIndikator zurückgreifen. Es erscheint äußerst fragwürdig,ob mit der verwendeten Frage zur allgemeinen Staatsein-mischung trotz der durchgeführten Validitätsanalyse an-hand parteipolitischer Präferenzen der Befragten(KLEIN/SCHILLING 1994: 615 f.) überhaupt die Akzeptanzdes Wohlfahrtsstaates gemessen wird.

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 13

bungsdatums der den Studien zugrundeliegen-

den Daten.

Der Übersicht ist zu entnehmen, daß der Ver-

zicht auf ein systematisches analytisches Kon-

zept nicht unbedingt mit einem eingeschränkten

Indikatorenspektrum einhergehen muß. So fin-

den sich einige Arbeiten (z.B. ALBER 1986,

DEHLINGER/BRENNECKE 1992), die relativ viele

Aspekte des Konzeptes von ROLLER abdecken,

darunter sogar einige, für die ROLLER selbst

keine Indikatoren gefunden hat. Darüber hinaus

18 Die Arbeiten greifen auf mindestens eine Umfrage ab1990 zurück, darüber hinaus können aber auch ältere Datenberücksichtigt werden.

bietet Tabelle 1 einen Vorgriff auf das Kapitel

zu den konkreten Forschungsergebnissen zu

wohlfahrtsstaatlichen Einstellungen (Kapitel 4),

da sie einen Überblick über die Datenlage zur

Deskription wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen

gibt. Es zeigt sich, daß unabhängig von den

Unterscheidungen zwischen Extensität und In-

tensität sowie globalen und spezifischen Ein-

stellungen auf der Ebene der Ziele offensicht-

lich in großem Umfang Daten zur Verfügung

stehen. Während die Datenlage für die Ebene

der Folgen, vor allem was die nicht-intendierten

Nebenfolgen angeht, schon deutlich dürftiger

ist, steht es besonders schlecht um die Ebene

Tabelle 1: Berücksichtigte Einstellungsdimension in empirischen Studien zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

Autoren

Einstellungsdimensionen nachROLLER (1992): A

LB

ER

(198

6)

BU

HL

MA

NN

/MA

U (1

996)

DE

HL

ING

ER/B

RE

NN

EC

KE

(199

2)

GA

NG

L (1

997)

HU

SEB

Y (1

995)

KA

ASE

et a

l. (1

987)

KL

EE

BA

UR

(199

1)

KL

EIN

/SC

HIL

LIN

G (1

994)

KL

UE

GE

L/M

IYA

NO

(199

5)

KR

ÜG

ER

(199

3)

MA

U (1

997)

PET

TE

RSO

N (1

995)

RIN

NE/W

AG

NE

R (1

995

a,b)

RO

LL

ER

(199

2)

RO

LL

ER

(199

5a,b

)

RO

LL

ER

(199

6)

RO

LL

ER

(199

7)

RO

LL

ER/W

EST

LE

(198

7)

ZA

PF (1

988)

GlobalExtensität

Spezifisch

GlobalZie

le

IntensitätSpezifisch

GlobalInstitutionen

Spezifisch

GlobalMit

tel

ProgrammeSpezifisch

GlobalIntendierteFolgen Spezifisch

GlobalFol

gen

Nicht-inten-dierte Folgen Spezifisch

Quelle: Eigene Darstellung Legende: vor 1990 ab 199018

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 14

der Mittel, wo mit Ausnahme einer Arbeit

(ALBER 1986) überhaupt keine Daten vorlie-

gen.19

Nach Durchsicht der Forschung zum bundes-

deutschen Wohlfahrtsstaat bleibt letztendlich

offen, ob das Konzept von ROLLER trotz seiner

Differenziertheit relevante Einstellungsdimen-

sionen außer Acht läßt, oder ob es womöglich

die Bedeutung einzelner Dimensionen überbe-

wertet. Zur Beantwortung dieser Fragen werden

deshalb im folgenden einige Konzeptualisie-

rungsvorschläge aus der internationalen For-

schung diskutiert.

2.3. Internationale Konzeptualisierungs-vorschläge

Ein erster Vorschlag stammt von Johann

BACHER und Christine STELZER-ORTHOFER, die

in ihrem Aufsatz „Das Ende des wohlfahrts-

staatlichen Konsenses?“ (BACHER/STELZER-

ORTHOFER 1997) die Akzeptanz des österreichi-

schen Wohlfahrtsstaates in der Bevölkerung

untersuchen. Aus der Betrachtung diverser De-

finitionen des Wohlfahrtsstaates (u.a. von

WILENSKY) ziehen die Autoren den Schluß,

„daß die Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates als

komplexes Konstrukt der unterschiedlichsten

Handlungs- und Leistungsbereiche, dessen Fi-

nanzierung und auch Effizienz nicht durch ein

eindimensionales, sondern nur durch ein mehr-

dimensionales Einstellungskonstrukt zu beant-

worten ist“ (BACHER/STELZER-ORTHOFER

1997: 166). Infolgedessen unterscheiden BA-

CHER/STELZER-ORTHOFER, im übrigen ad-hoc,

also ohne Bezug auf eine bestimmte Theorie

19 Es darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht ver-nachlässigt werden, daß die vorliegenden Daten in ent-scheidendem Ausmaß abhängig sind von der Auswahl dersie publizierenden Autoren (vgl. Kapitel 4.1).

wie im Fall von ROLLER, zwischen vier Dimen-

sionen des „Wohlfahrtsbewußtseins“ bzw. des

„Wohlfahrtsstaates in den Köpfen“ (vgl. Schau-

bild 3). 20

Erstens die Leistungs- bzw. Umverteilungsdi-

mension, die den Wunsch nach einer staatlichen

Zuständigkeit für zentrale wohlfahrtsstaatliche

Leistungen betrifft. Zweitens die Vertrauensdi-

mension, der die Frage zugrundeliegt, ob die

staatlichen Akteure (Regierung, Behörden etc.)

das für die Bewältigung ihrer Aufgaben nötige

Vertrauen der Bevölkerung genießen. Drittens

die Erfolgsdimension, die den Umfang der Rea-

lisierung wohlfahrtsstaatlicher Aufgaben und

Leistungen mißt. Viertens schließlich die Fi-

nanzierungsdimension, die die Bereitschaft des

einzelnen zu Beitragszahlungen erfaßt. Die Fra-

ge nach der Hierarchie der vier Dimensionen

wird von den Autoren nur insofern thematisiert,

als die Leistungs- bzw. Umverteilungsdimensi-

on als zentraler Aspekt des Konzeptes bezeich-

net wird, eine Beurteilung der unterschiedlichen

Relevanz der restlichen drei Dimension für die

Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates findet nicht

statt (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 166).

Ein Vergleich der Dimensionen des Konzeptes

von BACHER/STELZER-ORTHOFER mit denen

des umfassenden Konzeptes von ROLLER zeigt

vielfältige Überschneidungen, wenn auch einige

Dimensionen vom jeweils anderen Konzept

nicht berücksichtigt werden. So entspricht die

Leistungs- bzw. Umverteilungsdimension in-

haltlich der Zieldimension, wobei sich die Indi-

katoren von BACHER/STELZER-ORTHOFER auf

20 Allerdings ist diese Auswahl auch durch datentechnischeRestriktionen begründet, da den Autoren für weitere inter-essierende Dimensionen keine geeigneten Indikatorenvorlagen (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 167).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 15

die bereichsspezifische Extensität und Intensität

beschränken.21

Für die Vertrauensdimension findet sich kein

direktes Pendant in ROLLERs Konzept, aller-

dings können Regierung und Behörden als Ak-

teure des Wohlfahrtsstaates in gewisser Weise

als eine „Personifizierung“ der Institutionen und

Programme, also der Mittel, interpretiert wer-

den. Wenn die Akteure auch in der Relevanz-

Hierarchie wegen des grundsätzlichen Charak-

ters der Mittel (als Kontext, in dem gehandelt

wird) unterhalb derselben einzuordnen sein

dürften, sind sie doch eine sinnvolle und schlüs- 21 Die Extensitäts-Indikatoren lauteten im einzelnen: „Esist die Aufgabe des Staates, die Einkommensunterschiedezwischen Leuten mit hohem und solchen mit niedrigemEinkommen zu verringern“ ; „Der Staat sollte für Kinderaus armen Familien die Möglichkeiten verbessern, eineUniversität zu besuchen“; „Der Staat sollte für jeden, derarbeiten will, eine Stelle bereitstellen“ ; „Der Staat sollte füreinen angemessenen Lebensstandard der Arbeitslosensorgen“; „Der Staat sollte ein garantiertes Basiseinkommenfür alle bereitstellen“ . Der Intensitäts-Indikator lautete:„Der Staat sollte weniger für die Unterstützung der Armenausgeben“ (BACHER/STELZER-ORTHOFER 1997: 168).

sige Erweiterung, da sie inhaltlich letztendlich

einen eigenständigen Aspekt darstellen. Aller-

dings erscheint die von BACHER/STELZER-

ORTHOFER zur Operationalisierung verwendete

Frage nach der Bewertung der Macht des Staa-

tes ein fragwürdiger, da den Sachverhalt eher

indirekt messender Indikator, der vielmehr auf

ein allgemeines Vertrauen in den Staat abzielt.

Die Erfolgsdimension entspricht der Dimension

der intendierten Folgen, wobei bemerkenswer-

terweise neben der Bewertung der Einkom-

mensunterschiede (Realisierung sozio-ökono-

mischer Gleichheit) auch die Schlichtung so-

zialer Konflikte im Sinne einer „Pazifizierungs-

funktion“ des Wohlfahrtsstaates als indirekter

Maßstab betrachtet wird (BACHER/STELZER-

ORTHOFER 1997: 167).

Problematisch gestaltet sich dagegen die Zuord-

nung der Finanzierungsdimension, die auf die

Kostenseite des Wohlfahrtsstaates bzw. den

Schaubild 3: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997)

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Leistungs - bzw. UmverteilungsdimensionWird eine staatliche Verantwortung fürzentrale soziale Leistungen gesehen?

VertrauensdimensionGenießen sozialstaatliche Akteure das

Vertrauen der Bevölkerung?

Erfolgsdimension

Wird das Handeln sozialstaatlicher Akteureals erfolgreich bezeichnet?

Finanzierungsdimension

Ist der einzelne bereit, Beitrags-zahlungen zu leisten?

Quelle: Eigene Darstellung nach BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997: 166 f.)

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 16

„ Input“ durch die Bürger Bezug nimmt, wäh-

rend sämtliche Dimensionen des ROLLERschen

Konzeptes, wie auch die restlichen Dimensio-

nen des Konzeptes von BACHER/STELZER-

ORTHOFER, den wohlfahrtsstaatlichen „Output“

thematisieren.22 Insofern stellt die Finanzie-

rungsdimension eine weitere sinnvolle Erweite-

rung dar, zumal sie bekanntlich ein zentrales

Thema der Diskussion über die „Krise des

Wohlfahrtsstaates“ ist (vgl. Kapitel 1). Auch

hier ist jedoch die Operationalisierung kritisch

zu betrachten, da die von BACHER/STELZER-

ORTHOFER ausgewählten Fragen zur Bewertung

aller Steuern und Abgaben erneut eine eher

22 Der hier verwendete Outputbegriff ist nicht zu verwech-seln mit dem von ROLLER (vgl. Kapitel 2.2), der sich be-kanntlich auf die Mittel-Ebene ihres Konzeptes beschränkt.

allgemeine, nicht auf den Wohlfahrtsstaat be-

schränkte Perspektive aufweisen.

Ram A. CNAANs auf Israel bezogene Studie

„Public opinion and the dimensions of the wel-

fare state“ offeriert einen weiteren Vorschlag

zur Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher

Einstellungen (vgl. Schaubild 4), bei dem mit

der präferierten Höhe wohlfahrtsstaatlicher

Ausgaben („government allocation“ ), den Ein-

stellungen gegenüber Nutznießern des Wohl-

fahrtsstaates („number of beneficiaries“ ) und

der Qualität der angebotenen Dienste („quality

of service“ ) ad-hoc drei hinsichtlich ihrer Rele-

vanz nicht weiter beurteilte Dimensionen unter-

schieden werden (CNAAN 1989: 300 ff.).

Schaubild 4: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch CNAAN (1989)

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Government allocationsSoll die Höhe wohlfahrts-

staatlicher Ausgabenverändert werden?

Number of benificiaries

Soll die Anzahl der Nutz-nießer des Wohlfahrts-

staates verändert werden?

Quality of serviceWie sind die wohlfahrts-staatlichen Leistungenqualitativ zu beurteilen?

Elemente desWohlfahrtsstaates

Education

Health

Housing

Employment

Incomemaintenance

Religion

Personal socialservices

Einstellungs-dimensionen

(ausschließlich in Israel)

Quelle: Eigene Darstellung nach CNAAN (1989: 298 ff.)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 17

Die drei Einstellungsdimensionen werden von

CNAAN immer bezüglich sieben konkreter Ele-

mente des Wohlfahrtsstaates untersucht, näm-

lich die in Anlehnung an die allgemeinen Defi-

nitionen von WILENSKY (1975) und BRIGGS

(1961) unterschiedenen Bereiche Bildung, Woh-

nen, Beschäftigung, Gesundheit, Einkommenssi-

cherung und persönliche soziale Dienste (vgl.

Kapitel 2.1) sowie die für den Anwendungsfall

Israel zu berücksichtigenden religiösen Dienste.

Insofern beschränken sich die Analysen

CNAANs zwar einerseits auf - im Sinne der von

ROLLER (1992) berücksichtigten Unterschei-

dung von FREE/CANTRIL (1967) - spezifische

Einstellungen, sie verdeutlichen durch ihr Kon-

zept aber andererseits das sich hinter der spezi-

fischen Unterstützung verbergende breite Spek-

trum wohlfahrtsstaatlicher Leistungen. Hin-

sichtlich der Vergleichbarkeit der Dimensionen

beider Konzepte ist zu konstatieren, daß die

Zuordnung der Dimension der Beurteilung der

Nutznießer des Wohlfahrtsstaates im Gegensatz

zu denen der Höhe der Ausgaben (Intensität)

und der Qualität der Dienste (intendierte Fol-

gen) schwer fällt. Zwar wird die „Nutznießer-

Dimension“ vom Autor im Sinne des Miß-

brauchs von Sozialleistungen (nicht-intendierte

Nebenfolgen) diskutiert23, die zu ihrer Operatio-

nalisierung verwendete Frage weist aber eher 23 Interessanterweise wird in diesem Zusammenhang nichtnur die in Deutschland zentrale Diskussion über die „so-ziale Hängematte“ angesprochen, sondern auch der Miß-brauch der Sozialleistungen durch die „Mittelklasse“ the-matisiert, die für ärmere Bevölkerungsgruppen gedachteLeistungen in den Bereichen Bildung, Wohnen, Gesund-heit oder Beschäftigung in Anspruch nimmt (CNAAN 1989:301 f.; vgl. GOODIN/LEGRAND 1987).

Schaubild 5: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch SIHVO/UUSITALO (1995a)

Einstellungenzum

Wohlfahrtsstaat

Responsibility for welfareGibt eine staatliche Verantwortung für die

Wohlfahrtsproduktion und -sicherung?

Financing of welfareSollen die (Steuer-)Ausgaben für wohlfahrts-

staatliche Bereiche verändert werden?

Use of the welfare state benefitsWerden wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen

über- und/oder unterbeansprucht?

Effects of the welfare stateAusmaß beabsichtigter und

unbeabsichtigter Folgen

Adequacy of benefits and servicesAngemessenheit von Leistungen

und Diensten

Einstellungsdimensionen

- Civic responsibility

- Private responsibility

- Public responsibility

- Public financing

- Underuse

- Overuse

faktorenanalytischeIndikatorenlösung

- Levelling effect

- Passivating effect

- Sufficiency of income security

- Sufficiency of services

- Quality of services

Quelle: Eigene Darstellung nach SIHVO/UUSITALO (1995a: 216)

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 18

auf den ROLLERschen Aspekt der Intensität

hin.24

Ein letzter hier zu diskutierender Konzeptuali-

sierungsvorschlag stammt aus einer der zahlrei-

chen skandinavischen Studien zu wohlfahrts-

staatlichen Einstellungen (vgl. z.B. ERVA-

STI/KANGAS 1995, GOUL ANDERSEN 1992,

KANGAS 1995, FORMA 1997, SVALLFORS 1991,

1995): Tuire SIHVO und Hannu UUSITALO un-

terscheiden in ihrer Arbeit „Attitudes towards

the welfare state have several dimensions“

(SIHVO/UUSITALO 1995a) mit der Wohlfahrts-

verantwortung, der Finanzierung des Wohl-

fahrtsstaates, der Nutzung des Wohlfahrtsstaa-

tes, der Angemessenheit wohlfahrtsstaatlicher

Leistungen und Dienste sowie den Effekten des

Wohlfahrtsstaates insgesamt fünf Einstellungs-

dimensionen, die wie im Fall des Vorschlages

von CNAAN nicht hinsichtlich ihrer Relevanz

beurteilt werden (vgl. Schaubild 5).

Die Frage der Autoren nach einer staatlichen

Verantwortung für die Produktion und Siche-

rung der Wohlfahrt der Bevölkerung (im Ge-

gensatz zu einer Verantwortung des Marktes,

der Familie oder anderer Institutionen der „Zi-

vilgesellschaft“ ) zielt analytisch auf den

ROLLERschen Aspekt der Extensität, unter den

letztendlich faktorenanalytisch zusammenge-

faßten Fragen finden sich allerdings auch Inten-

sitäts-Indikatoren.25 Die Dimension der Finan-

zierung des Wohlfahrtsstaates ist bereits in der

Arbeit von BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997)

24 Die Frage lautet konkret: „ In your opinion the number ofbeneficiaries from public [education, housing, employ-ment, health, income maintenance, personal social services,religion, T.H.] is too high – high – medium – low – toolow“ (CNAAN 1989: 305).25 Z.B.: „Private and commercial health and social servicesshould be increased and public services should be decrea-sed“ (SIHVO/UUSITALO 1995a: 216).

angesprochen worden, bemerkenswert bei

SIHVO/UUSITALO ist jedoch die Operationalisie-

rung durch eine Frage nach der Bereitschaft zur

Veränderung der Steuerausgaben für neun ver-

schiedene wohlfahrtsstaatliche Bereiche (u.a.

Arbeitslosenunterstützung, Gesundheitswesen),

die implizit auch die Intensität des Wohlfahrts-

staates anspricht. Die Nutzungsdimension meint

sowohl die vieldiskutierte Überbeanspruchung

(„overuse“) des Wohlfahrtsstaates im Sinne

eines Mißbrauchs von Sozialleistungen als auch

die aufgrund ihrer gravierenden sozialen Kon-

sequenzen von SIHVO/UUSITALO als größeres

Problem eingestufte Unterbeanspruchung („un-

deruse“) des Wohlfahrtsstaates (SIHVO/UUSI-

TALO 1995a: 217) und ist infolgedessen gleich-

zusetzen mit den nicht-intendierten Nebenfolgen

ROLLERs. Mit der Angemessenheit wohlfahrts-

staatlicher Leistungen und Dienste wird erneut

der Aspekt der Intensität des Wohlfahrtsstaates

angesprochen, zum einen im Hinblick auf die

Einkommenssicherheit („sufficiency of income

security“ ), zum anderen im Hinblick auf diverse

kommunale Sozial- und Gesundheitsdienste

(„sufficiency of services“ ). Darüber hinaus wird

jedoch mit der Qualität der angesprochenen

Dienste („quality of services“ ) auf intendierte

Folgen Bezug genommen. Die Effekte des

Wohlfahrtsstaates bezeichnen schließlich das

Ausmaß intendierter Folgen im Sinne einer

Realisierung der Angleichung von Einkommen

und Lebensbedingungen („ levelling effect“ ) wie

nicht-intendierter Nebenfolgen im Sinne der

Entstehung einer „Abhängigkeitskultur“ , die die

Gesellschaftsmitglieder zur Passivität veranlaßt

(„passivating effect“ ).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 19

2.4. Synthese des WME-Projektes

Die Diskussion einiger internationaler Vor-

schläge zur Konzeptualisierung von Einstellun-

gen zum Wohlfahrtsstaates im letzten Kapitel

hat einerseits gezeigt, daß das Konzept von

ROLLER (1992) einige relevante Dimensionen

unberücksichtigt läßt. Andererseits ist das Kon-

zept insofern „bestätigt“ worden, als in den

entsprechenden Arbeiten ein Großteil der von

ROLLER aufgeführten Dimensionen berücksich-

tigt wird. Um dem eigenen Anspruch einer

möglichst umfassenden Beschreibung wohl-

fahrtsstaatlicher Einstellungen nachkommen zu

können, soll im Rahmen des WME-Projektes

mit dem in Schaubild 6 wiedergegebenen Kon-

zept gearbeitet werden, daß den Vorschlag

ROLLERs entsprechend modifiziert.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden

Konzepten ist in der Einführung der mehrfach

hervorgehobenen (Bereitschaft zur) Finanzie-

rung des Wohlfahrtsstaates als „ Input“ -

Dimension zu sehen, während ROLLER, wie

bereits im Zuge der Diskussion des Vorschlages

von BACHER/STELZER-ORTHOFER (1997) erör-

tert, lediglich „Output“ -Dimensionen berück-

sichtigt. Darüber hinaus wird die von BA-

CHER/STELZER-ORTHOFER angeregte Dimensi-

on des Vertrauens in wohlfahrtsstaatliche Ak-

teure als ein weiteres Element der Mittel des

Wohlfahrtsstaates in das WME-Konzept inte-

griert. Unter rein pragmatischen Gesichtspunk-

ten läßt sich über den Wert der gesamten Mittel-

Ebene sicherlich streiten, denn die entsprechen-

den Aspekte spielen weder - mit Ausnahme der

Arbeit von BACHER/ STELZER-ORTHOFER - in

Schaubild 6: Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch das WME-Projekt

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Ziele Mittel Folgen

Extensität(global/spezifisch)

Intensität(global/spezifisch)

Institutionen(global/spezifisch)

Programme(global/spezifisch)

Intendierte Folgen(global/spezifisch)

Nicht-intendierteNebenfolgen

(global/spezifisch)

Akteure(global/spezifisch)

Finanzierung

Zahlungs-bereitschaft

(global/spezifisch)

"Output" desWohlfahrtsstaates

"Input" desWohlfahrtsstaates

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 20

der internationalen Literatur eine Rolle, noch ist

gemäß der in Kapitel 2.2 präsentierten Übersicht

über empirische Studien zur Unterstützung des

bundesdeutschen Wohlfahrtsstaates (vgl. Ta-

belle 1) die Datenlage für diese Aspekte als

befriedigend zu bezeichnen. Nichtsdestotrotz

werden die wohlfahrtsstaatlichen Mittel vom

WME-Projekt im Sinne eines vollständigen

analytischen Konzeptes berücksichtigt. Die

Feststellung einer diesbezüglich schlechten

Datenlage kann vielmehr als Anregung für zu-

künftige (Primär-)Forschung zur Unterstützung

des Wohlfahrtsstaates dienen.

Die von ROLLER in Anlehnung an FREE/

CANTRILL (1967) getroffene Unterscheidung

zwischen globalen und spezifischen Einstellun-

gen, die in den diskutierten internationalen Ar-

beiten bemerkenswerterweise explizit keine

Rolle gespielt hat, wird - wie Schaubild 6 zu

entnehmen ist - im Rahmen des WME-

Konzeptes aufgrund ihrer hohen inhaltlichen

Plausibilität aufrechterhalten. Das sich hinter

den spezifischen Einstellungen verbergende

breite Spektrum wohlfahrtsstaatlicher Einstel-

lungen wird in Schaubild 6 aus Platzgründen

nicht dargestellt, zu diesem Zweck sei noch

einmal auf die von CNAAN (1993) getroffene

Differenzierung verwiesen (vgl. Kapitel 2.3).

Nicht übernommen wird nach Schaubild 6 die

von ROLLER behauptete Relevanzhierarchie der

verschiedenen Dimensionen wohlfahrtsstaatli-

cher Einstellungen. Zum einen ist eine solche

Hierarchie gemäß der Diskussion in Kapitel 2.2

inhaltlich zu hinterfragen, zum anderen besteht

für das WME-Projekt wegen seiner sekundära-

nalytischen Ausrichtung keine Möglichkeit zur

Überprüfung dieser Hypothese.

Ein letzter Aspekt der Diskussion in Kapitel 2.3,

der zwar keinen Niederschlag in Schaubild 6

gefunden hat, aber trotzdem vom WME-Projekt

berücksichtigt werden soll, ist die von

SIHVO/UUSITALO (1995a) angesprochene Diffe-

renzierung nicht-intendierter Nebenfolgen des

Wohlfahrtsstaates in die Über- und Unterbean-

spruchung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen.

Inwieweit es sich hierbei nur um eine analyti-

sche Unterscheidung handelt, die mangels Indi-

katoren für den eher selten thematisierten

Aspekt der Unterbeanspruchung nicht auf die

Daten „übertragbar“ ist, bleibt abzuwarten.

3. Konzeptualisierung der Determi-nanten wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen

Die Forschungsliteratur zur Determination

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen wird im

wesentlichen von zwei Erklärungsansätzen do-

miniert, die es zunächst vorzustellen gilt. Einer-

seits die „kulturtheoretische“ Erklärung durch

im Rahmen der Sozialisation normativ vermit-

telte Einstellungen zu sozialer Gerechtigkeit

(Kapitel 3.1). Andererseits die „sozialstruktu-

relle“ Erklärung durch sozio-ökonomische Ei-

geninteressen („Self-interest“ -Ansatz26) im Sin-

ne einer Entscheidung von Personen vor dem

Hintergrund rationaler Kosten-Nutzen-Überle-

gungen, die auch die Gerechtigkeitsvorstellun-

gen beeinflußt (Kapitel 3.2). Eine dritte, weitaus

seltener thematisierte Erklärungsvariante nimmt

bezug auf die Wahrnehmung und Bewertung

faktischer sozialer Ungleichheit, die als ent- 26 Beim „Self-interest“ -Begriff handelt es sich um einezumindest im englischsprachigen Raum konsensuelleBezeichnung (vgl. z.B. COUGHLIN 1980, HASENFELD/RAFFERTY 1989, PAPADAKIS 1993), die sich allerdings imdeutschsprachigen Raum bisher nicht durchgesetzt hat. Zuden Bezeichnungen für die beiden kulturtheoretischenErklärungen vgl. HEIEN (1997: 45 ff.).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 21

scheidende Determinanten wohlfahrtsstaatlicher

Einstellungen betrachtet werden (Kapitel 3.3).

Im Anschluß an die Diskussion dieser drei Er-

klärungsmodelle wird das WME-Kausalmodell

erläutert, das eine Synthese der zuvor präsen-

tierten Determinanten versucht (Kapitel 3.4).

3.1. Kulturtheoretische Ansätze

Im Mittelpunkt kulturtheoretischer Ansätze

steht die Annahme, daß Personen im Rahmen

ihres Sozialisationsprozesses - vermittelt durch

die normative Kultur der Gesellschaft oder des

sozialen Milieus, in der oder dem sie leben und

aufwachsen - normative Grundüberzeugungen

ausbilden bzw. internalisieren, die ihre Haltung

zum Wohlfahrtsstaat und seinen Einrichtungen

prägen. Ein Ergebnis dieser normativen Prägung

sind z.B. die Vorstellungen einer sozial gerech-

ten Gesellschaftsordnung, die sich, so die An-

nahme, nicht umstandlos auf andere Determi-

nanten - etwa sozio-ökonomischen Interessen

oder die Wahrnehmung faktischer sozialer Un-

gleichheit - zurückführen lassen und dement-

sprechend einen eigenständigen Einfluß auf

wohlfahrtsstaatliche Einstellungen entfalten

(vgl. Schaubild 7). Grundsätzlich denkbar ist in

diesem Zusammenhang auch ein direkter, in

Schaubild 7 durch eine gestrichelte Linie darge-

stellter Sozialisationseffekt auf Einstellungen

zum Wohlfahrtsstaat, wie er im übrigen in zahl-

reichen Arbeiten der empirischen Forschung

untersucht wird (vgl. z.B. MAU 1997, ROLLER

1992). Vor dem Hintergrund von Ergebnissen

der Sozialisationsforschung, die von einem Er-

werb allgemeiner Überzeugungen - wie eben

Gerechtigkeitsvorstellungen - bereits in einem

sehr frühem Stadium des Sozialisationsprozes-

ses ausgehen (vgl. KLUEGEL/SMITH 1986), er-

scheint ein indirekter, über Gerechtigkeitsvor-

stellungen vermittelter Einfluß auf wohlfahrts-

staatliche Einstellungen allerdings plausibler.

Dementsprechend konzentriert sich die Argu-

mentation im Rahmen dieses Arbeitspapieres

auf letzteres Erklärungsmodell, wenn auch di-

rekte Sozialisationseffekte nicht grundsätzlich

ausgeschlossen werden.

Angesichts der Vielschichtigkeit und Komple-

xität des Gerechtigkeitsbegriffes, die in der so-

zialwissenschaftlichen Forschung seit jeher ein

Thema ist (vgl. z.B. SCHERER 1992, WEGENER

1995), erscheint eine etwas ausführlichere Be-

schäftigung mit dem Begriff im Rahmen dieses

Arbeitspapiers unerläßlich. Zu diesem Zweck

wird auf Arbeiten der Gerechtigkeitsforschung

Schaubild 7: Kulturtheoretische Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen

KulturEinstellungen

zumWohlfahrtsstaat

Gerechtigkeits-vorstellungen

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 22

zurückgegriffen, die sich mit der Problematik

wesentlich intensiver auseinandergesetzt hat als

die Wohlfahrtsstaatsforschung.

� � � � � ��� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � �

Gerechtigkeitsvorstellungen werden im Kontext

des WME-Projektes als Einstellungen zu distri-

butiver sozialer Gerechtigkeit verstanden und

beziehen sich entsprechend auf die institutiona-

lisierten Grundsätze zur Verteilung sozialer und

wirtschaftlicher Güter in einer Gesellschaft.27

Sie sind demnach immer bezogen auf die Frage

nach der Legitimität sozialer Ungleichheit bzw.

danach, unter welchen Umständen die Vertei-

lungsordnung in einer Gesellschaft als legitim

anzusehen ist und wann nicht.

Am bekanntesten von den zahlreichen in der

Literatur vorgeschlagenen Typologisierungsver-

suchen ist sicherlich die von DEUTSCH einge-

führte Unterscheidung von Gerechtigkeitsvor-

stellungen danach, auf welche sogenannten

„Prinzipien distributiver Gerechtigkeit“ sie Be-

zug nehmen (DEUTSCH 1975). Nach DEUTSCH

lassen sich auf formaler Ebene drei Prinzipien

distributiver Gerechtigkeit voneinander unter-

scheiden (vgl. Schaubild 8): das Gleichver-

teilungsprinzip (equality), das Leistungsprinzip

(equity) und das sogenannte Bedarfsprinzip

(need).

Das Gleichverteilungsprinzip fordert in diesem

Zusammenhang, daß allen Mitgliedern einer

Gesellschaft, ungeachtet ihrer Investitionen und

Beiträge zu einer Sache, gleich hohe Anspruchs-

rechte auf die Teilhabe an einem zu verteilenden 27 Für eine ausführliche Diskussion der semantischenStruktur des Gerechtigkeitsbegriffes, die unter anderem dieunterschiedlichen Anwendungsbereiche (distributiv, kom-mutativ, politisch oder korrektiv) und Handlungsebenen(subjektbezogen oder ordnungsbezogen) berücksichtigt,vgl. z.B. HEIEN (1997), KOLLER (1994, 1995).

Gut einzuräumen sind. Bei direkter Anwendung

dieses Prinzips auf die Beurteilung der Ver-

teilungsordnung in einer Gesellschaft sind so-

ziale Ungleichheiten jeder Form als sozial unge-

recht und illegitim zu verwerfen. Das Lei-

stungsprinzip - bekanntgeworden als das Ba-

sisprinzip der von ADAMS (1965) und HOMANS

(1974) begründeten sozialpsychologischen

Equity-Theorie - fordert demgegenüber, daß der

Anteil, den ein einzelner an einem zu verteilen-

den Gut beanspruchen kann, proportional sein

muß zu den Leistungen bzw. zu dem Beitrag,

den er, verglichen mit anderen, zu einer Sache

erbracht hat. Personen, die mehr zu einer Sache

beigetragen haben als andere, haben entspre-

chend höhere Anspruchsrechte auf die Teilhabe

an einem zu verteilenden Gut als Personen, de-

ren Beitrag hierzu geringer ausfällt. Korre-

spondieren Ungleichheiten in der Wohl-

standsverteilung einer Gesellschaft mit ent-

sprechenden Ungleichheiten in den Leistungs-

beiträgen seiner Mitglieder, so ist die gegebene

Verteilungsordnung als legitim und damit als

sozial gerecht anzuerkennen. Dem Bedarfsprin-

zip zufolge sind die Anspruchsrechte an einem

zu verteilenden Gut in Abhängigkeit davon zu

bemessen, welche spezifischen Bedarfe eine

Person in diesem Zusammenhang aufweist. Ar-

gumentationslogisch zielt es dabei auf eine

wohlfahrtsäquivalente Verteilung von Gütern,

bei der individuelle Bedarfsunterschiede zwi-

schen den Mitgliedern eines Gesellschaft - be-

dingt etwa durch Alter, Gesundheitszustand,

spezifische Lebensbedingungen etc. - mit be-

rücksichtigt werden. In empirischen For-

schungsarbeiten wie auch in der sozialpoliti-

schen Diskussion wird das Bedarfsprinzip in der

Regel gleichgesetzt mit der Forderung, jedem

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 23

Mitglied einer Gesellschaft ungeachtet seiner

sozialen Stellung Anspruchsrechte auf die Güter

zukommen zu lassen, die es minimal zur Teil-

nahme am gesellschaftlichen Leben braucht.

Die von DEUTSCH vorgeschlagene Typologie

von Prinzipien distributiver Gerechtigkeit findet

sich in leicht abgewandelter Form ebenfalls in

den Arbeiten anderer Autoren wieder. So unter-

scheiden FLORA, ALBER und KOHL (1977: 722

f.) vor dem Hintergrund eines über den Gleich-

heitsbegriff konzeptualisierten Gerechtigkeits-

verständnisses zwischen den Verteilungsprinzi-

pien der Ergebnisgleichheit, der Grundgleich-

heit und der Chancengleichheit (vgl. Schaubild

8). Ergebnis- und Grundgleichheit entsprechen

dabei den angeführten Regeln des Gleichheits-

und Bedarfsprinzips (letzteres verstanden im

Sinne einer Grundbedarfsdeckung). Das Prinzip

der Chancengleichheit stellt dagegen eine modi-

fizierte Form des von DEUTSCH herausgestellten

Leistungsprinzips dar. Das Augenmerk richtet

sich dabei auf die Ausgangsbedingungen, vor

deren Hintergrund unterschiedliche Leistungen

erbracht und infolgedessen sozial ungleiche

Status- und Einkommenspositionen erworben

werden. Das Prinzip der Chancengleichheit

fordert, nur diejenigen Formen der Ungleich-

verteilung als legitim anzusehen, die sich aus

individuellen Leistungsunterschieden bei glei-

chen Ausgangsbedingungen ergeben.

HOCHSCHILD (1981) unternimmt den Versuch,

das Spektrum der von DEUTSCH unterschiede-

nen Verteilungsgrundregeln um zwei Prinzipien

zu erweitern: das sogenannte Investitions- und

das Zuschreibungsprinzip (vgl. Schaubild 8).

Das Investitionsprinzip fordert, die An-

spruchsrechte des einzelnen an einem zu ver-

teilenden Gut proportional danach zu bemessen,

welche Investition resp. welches „Grundkapital“

dieser in die gesellschaftlichen Zusammenhänge

einbringt. Als verteilungsrelevant können dabei

einerseits Investitionsgrößen wie Zeit, Tugend-

haftigkeit und Engagement/Anstrengung, zum

anderen Kapitalgüter wie Allgemeinbildung,

berufliche Bildung oder Geld angesehen wer-

Schaubild 8: Alternative Konzeptualisierungen von Gerechtigkeitsvorstellungen bzw. Verteilungsprinzipien der sozialwis-senschaftlichen Gerechtigkeitsforschung

DEUTSCH(1975)

Ergebnis-gleichheit

Grund-gleichheit

Chancen-gleichheit

ZuschreibungGleichheit LeistungBedarfHOCHSCHILD

(1981)

FLORA/ALBER/KOHL

(1977)

(Modifizierung)

Investition

"Gleichheit" "Differenzierung"

Gleichheit(equality)

Bedarf(need)

Leistung(equity)

Kontinuum der Verteilungsprinzipien

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 24

den.28 Bei Anwendung des Zuschreibungssprin-

zips erfolgt die Verteilung von Gütern demge-

genüber in Abhängigkeit von askriptiven

Merkmalen wie etwa dem Alter, dem Ge-

schlecht oder der Hautfarbe einer Person. Mit

anderen Worten: Nicht Leistung oder Bedarf,

sondern die Zugehörigkeit zu einer Merkmals-

gruppe entscheidet darüber, welchen Anteil der

einzelne an dem zu verteilenden Gut beanspru-

chen kann. Die Zugehörigkeit zu einer Merk-

malsgruppe kann sich dabei - von Fall zu Fall

variierend - an verschiedenen Definitionsmerk-

malen festmachen, je nachdem, welche Merk-

male die Verteilungsinstanz als verteilungsrele-

vant erachtet.

HOCHSCHILD unterstellt in ihrer Arbeit (HOCH-

SCHILD 1981: 51), daß sich die bezeichneten

Distributionsprinzipien auf einem Kontinuum

anordnen lassen, als dessen Pole sie auf einer

übergeordneten Ebene ein stärker an dem Be-

griff der Gleichheit und ein stärker an dem Be-

griff der Differenzierung orientiertes Gerechtig-

keitsverständnis benennt (vgl. Schaubild 8). Das

gleichheitsorientierte Gerechtigkeitsverständnis

postuliert, daß die Mitglieder einer Gesellschaft

als gleichwertig aufzufassen sind und Unter-

schiede in der Behandlung einer besonderen

Rechtfertigung bedürfen. Das am Differenzie-

rungsprinzip orientierte Gerechtigkeitsverständ-

nis geht demgegenüber davon aus, daß die Mit-

glieder einer Gesellschaft als Individuen grund-

sätzlich verschieden und entsprechend alle For-

men der Gleichbehandlung, die der Individuali-

28 Im Unterschied dazu steht beim Leistungsprinzip dasProdukt der Investitionen im Sinne einer „objektiven Lei-stung“ im Mittelpunkt. Insofern kann im Hinblick auf dasInvestitionsprinzip von einer „subjektiven Leistung“ ge-sprochen werden (vgl. HEIEN 1997).

tät des einzelnen nicht Rechnung tragen, in be-

sonderer Weise zu legitimieren sind.

Analog zu HOCHSCHILD versuchen auch andere

Autoren, die Gerechtigkeitsvorstellungen von

Personen auf der Ebene übergeordneter Vertei-

lungsprinzipien zu beschreiben. Sie gehen da-

von aus, daß es in der normativen Kultur einer

Gesellschaft verschiedene Gerechtigkeitsideo-

logien29 gibt, auf die Personen in ihren Vorstel-

lungen Bezug nehmen und vor deren Hinter-

grund sie ihre je eigenen Vorstellungsbilder von

einer sozial gerechten Verteilungsordnung ent-

wickeln. Einige Autoren schlagen in ihren Ar-

beiten vor, Einstellungen zu sozialer Gerechtig-

keit danach zu unterscheiden, ob sie stärker auf

egalitäre oder aber auf antiegalitäre Gerechtig-

keitsideologien bezogen sind (SANDBERGER

1983, KLUEGEL/MATEJU 1995). Egalitäre Ge-

rechtigkeitsideologien stehen dabei für eine eher

kritisch-distanzierte, antiegalitäre Ideologien

dagegen für eine eher affirmativ-legitimierende

Haltung gegenüber bestehenden Ungleichheiten

in der Wohlstandsverteilung. Es ist wichtig zu

berücksichtigen, daß die von Individuen vertre-

tenen Vorstellungen einer sozial gerechten

Verteilungsordnung eine mehrdimensionale

Struktur aufweisen und entsprechend parallel

zueinander sowohl egalitäre als auch antiegali-

täre Aspekte beinhalten können (vgl. HALLER et

al. 1995: 225).30 Es wird so möglich, daß Perso-

nen in ihren Einstellungen für eine Verteilungs-

ordnung eintreten, die zwar soziale Un-

gleichheiten in einem gewissen Ausmaß zuläßt, 29 Der Begriff der Ideologie fungiert hier in Anlehnung andie Konzeptualisierung Karl MANNHEIMs (1929) rein de-skriptiv als allgemeine Bezeichnung für ein System norma-tiver Ideen, die die soziale Wahrnehmung und das sozialeHandeln von Individuen beeinflussen.30 Dieses Phänomen wird in der sozialwissenschaftlichenForschung gemeinhin mit dem „Split consciousness“-Begriff bezeichnet (KLUEGEL/MATEJU 1995: 210 f.)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 25

die dabei aber jedem Gesellschaftsmitglied An-

spruchsrechte auf eine Mindestversorgung ge-

währt und in diesem Sinne eine egalitäre Grund-

struktur aufweist.

Ein ähnlicher, allerdings stärker auf die Zu-

schreibung von Verteilungsverantwortlichkeiten

innerhalb eines politisch verfaßten Gemeinwe-

sens abstellender Konzeptualisierungsversuch

ist die von WEGENER (1992: 275) in Anlehnung

an LANE (1986) eingeführte Unterscheidung

zwischen funktionalistischen und etatistischen

Gerechtigkeitsideologien.31 Der Ausdruck

Funktionalismus steht dabei für die Befürwor-

tung einer marktgesteuerten Verteilung von

Gütern, bei der die Person, die viel leistet, auch

viel bekommt. Die Verteilungsverantwortung

liegt hier primär beim Individuum, dem dieses

Ergebnis kausal zugerechnet wird, weshalb die-

ser Einstellungstyp von WEGENER in späteren

Veröffentlichungen (vgl. WEGENER/LIEBIG

1995a, 1995b) auch als Individualismus be-

zeichnet wird. Der Gegenstandpunkt zum Funk-

tionalismus ist der Etatismus: Hier wird der

Staat für die Verteilungsergebnisse verantwort-

lich gemacht. Das Schwergewicht einer etatisti-

schen Gerechtigkeitsideologie liegt entspre-

chend auf der Forderung, daß der Staat über-

haupt als „Verteiler“ auftreten und Anspruchs-

rechte von Gesellschaftsmitgliedern auf Teilha-

be an gesellschaftlichen Gütern sichern soll.

Analog zu der Unterscheidung egalitärer und

antiegalitärer Ideologien ist auch hier zu be-

rücksichtigen, daß Funktionalismus und Etatis-

mus sich auf Einstellungsebene nicht gegensei-

31 LANE unterscheidet in seiner Arbeit zwischen den Prin-zipien der Marktgerechtigkeit und der Politikgerechtigkeit,wobei er allerdings im Unterschied zu WEGENER einestärker psychologisch orientierte Begründung seiner Prin-zipien vornimmt.

tig ausschließen, sondern nebeneinander zu

berücksichtigende Dimensionen von Einstellun-

gen zu sozialer Gerechtigkeit darstellen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß sich in der

hier keineswegs erschöpfend behandelten sozi-

alwissenschaftlichen Gerechtigkeitsforschung32

bis dato offensichtlich keine einheitliche Kon-

zeptualisierungsstrategie zur Analyse gerechtig-

keitsbezogener Einstellungen durchsetzen

konnte. Wesentliche Ursache dafür dürften al-

lerdings weniger die mangelnde Konsensfähig-

keit der Forschung, sondern vielmehr die diver-

gierenden Fragestellungen der verschiedenen

Autoren sein. Die Entscheidung des WME-

Projektes für einen konkreten Vorschlag wird

durch die Vielfalt der Forschung nicht unbe-

dingt erleichtert. Andererseits bestehen offen-

sichtlich deutliche Zusammenhänge zwischen

einzelnen Vorschlägen. So lassen sich die mei-

sten durch Differenzierung, Zusammenfassung

und/oder Modifizierung der hier als Ausgangs-

punkt der Diskussion gewählten Trias Gleich-

heit, Bedarf und Leistung rekonstruieren. Unter

Abwägung der für das WME-Projekt in dieser

Frage relevanten Kriterien einer differenzierten

Erfassung von Gerechtigkeitsvorstellungen auf

der einen Seite und der Operationalisierbarkeit

angesichts eingeschränkter Ansprüche an

Quantität und Qualität von Indikatoren im Rah-

men einer Sekundäranalyse auf der anderen

Seite, erscheint eine dichotome Lösung ange-

messen. In Analogie zu bereits existierenden

Vorschlägen soll eine egalitaristische, eher das

Gleichheits- und/oder das Bedarfsprinzip beto-

nende und soziale Ungleichheiten delegitimie-

rende Gerechtigkeitsvorstellung einer indivi- 32 Für weitere Konzeptualisierungsvorschläge vgl. z.B.HELLER 1987, RAWLS 1994, RESCHER 1966, SABBAGH et al.1994.

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 26

dualistischen, eher das Leistungs- und/oder das

Zuschreibungsprinzp betonenden und soziale

Ungleichheit legitimierenden Gerechtigkeitsvor-

stellung gegenübergestellt werden. Ausgeklam-

mert werden muß allerdings im Rahmen der

Konzeptualisierung der in einigen Vorschlägen

berücksichtigte Aspekt der staatlichen Vertei-

lungsverantwortung (z.B. CNAAN et al. 1993,

HASENFELD/RAFFERTY 1989, WEGENER 1992)

Letzterer überschneidet sich mit dem Extensi-

täts-Aspekt des WME-Konzeptes wohlfahrts-

staatlicher Einstellungen, der bekanntlich auf

die staatliche Zuständigkeit für die Realisierung

der Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit und

sozio-ökonomischer Gleichheit bezug nimmt

(vgl. Kapitel 2.4).33

Im Hinblick auf die Effekte von Egalitarismus

und Individualismus auf wohlfahrtsstaatliche

Einstellungen ist ein eindeutiges Muster zu er-

warten. Die Befürwortung der egalitaristischen

Gerechtigkeitsvorstellung dürfte mit einer

grundsätzlichen Befürwortung des Wohlfahrts-

staates im Sinne einer stärkeren Zustimmung zu

Extensität und Intensität, einer positiveren Hal-

tung gegenüber Institutionen, Programmen und

Akteuren, einer stärkeren Betonung intendierter

Folgen bei gleichzeitiger Geringschätzung

nicht-intendierter Nebenfolgen sowie einer

größeren Bereitschaft zur Finanzierung einher-

gehen (GANGL 1997, HASENFELD/RAFFERTY

1989). Die individualistische Gerechtigkeitsvor-

33 Die Tatsache, daß die Verteilungsverantwortung desStaates von einigen Autoren überhaupt als Aspekt einerGerechtigkeitsvorstellung betrachtet wird, liegt in derabweichenden Konzeptualisierung wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen begründet. So beschränken sich beispiels-weise viele Autoren bei der Analyse von Einstellungenzum Wohlfahrtsstaat auf die Frage nach einem (globalenoder spezifischen) „Mehr“ oder „Weniger“ des Wohlfahrts-staates, die der Intensitätsdimension der WME-Konzeptualisierung entspricht (vgl. z.B. CNAAN et al. 1993,HASENFELD/RAFFERTY 1989).

stellung dürfte dagegen eher zu einer Ablehnung

des Wohlfahrtsstaates führen, die sich in genau

entgegengesetzten Haltungen zu den einzelnen

Dimensionen wohlfahrtsstaatlicher Einstellun-

gen ausdrückt

3.1.2. Kulturelle Integration vs. DifferentielleSozialisation

Nach dem ausführlichen Exkurs zur Konzep-

tualisierung von Gerechtigkeitsvorstellungen

und den zu erwartenden Effekten letzterer auf

wohlfahrtsstaatliche Einstellungen geht es nun

um die nicht minder wichtige Frage der Opera-

tionalisierung kulturell-normativer Determi-

nanten, zumal diese innerhalb des kulturtheore-

tischen Ansatzes keineswegs einheitlich disku-

tiert wird. Ein Teil der Forschung geht in die-

sem Zusammenhang von der Annahme aus, daß

es in einer Gesellschaft vor allem kulturelle

Konstanten gibt, die im gesellschaftlichen Le-

ben zur Ausformung einer „dominanten“ (Ge-

rechtigkeits-) Ideologie führen. Im Rahmen des

WME-Projektes wird diese Variante als Modell

der „Kulturellen Integration“ bezeichnet (vgl.

HEIEN 1997). Als entscheidende kulturelle Kon-

stanten werden übereinstimmend der religiös-

konfes-sionelle und der politisch-

ideengeschicht-liche Hintergrund einer Gesell-

schaft betrachtet (HALLER et al. 1995, LIE-

BIG/WEGENER 1995). Katholizismus und Prote-

stantismus beinhalten unterschiedliche Men-

schen- und Gesellschaftsbilder, die sich in

grundverschiedenen Gerechtigkeitsvorstellun-

gen niederschlagen: Während der Katholizismus

in stärkerem Maße substantielle Gleichheitsvor-

stellungen propagiert und auch staatliche Inter-

ventionen nicht ablehnt, ist der Protestantismus

eher durch individualistische Gerechtigkeitsvor-

stellungen geprägt (HALLER 1989, HAUSER et

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 27

al. 1974).34 Im Hinblick auf den politisch-

ideengeschichtlichen Hintergrund wird in der

sozialwissenschaftlichen Forschung grundsätz-

lich unterschieden zwischen liberalen Traditio-

nen einerseits und sozialistischen und kommu-

nistischen Traditionen andererseits (HALLER et

al. 1995). Gemäß seiner Postulate der Selbstbe-

stimmungsfähigkeit der Individuen durch Ver-

nunft, der Individualfreiheit gegenüber dem

Staat und der Selbstregulierung der Ökonomie

durch Gesetzmäßigkeiten von Markt und Wett-

bewerb ist der Liberalismus verknüpft mit indi-

vidualistischen, antiegalitaristischen Gerechtig-

keitsvorstellungen. Dagegen läßt sich das im

sozialistischen und kommunistischen Gedan-

kengut enthaltene Ziel einer klassenlosen Ge-

sellschaft nur mit egalitaristischen und etatisti-

schen Gerechtigkeitsvorstellungen in Verbin-

dung bringen.35 Bezogen auf die Bundesrepublik

haben z.B. NOLL (1992, 1996) sowie WEGENER

und LIEBIG (1995a, 1995b) in ihren Untersu-

chungen gezeigt, daß ost- und westdeutsche

Bundesbürger sich zu Beginn der 90er Jahre in

ihren Gerechtigkeitsvorstellungen tendenziell

unterschieden haben. Eine Erklärung dafür ist

34 Allerdings ist im Falle des Protestantismus deutlichzwischen dem calvinistischen Puritanismus amerikanischerPrägung und dem in Deutschland vorzufindenen lutheri-schen Pietismus zu unterscheiden (vgl. WEGENER 1995b,WEGENER/LIEBIG 1995a). Während im Rahmen der purita-nischen Prädestinationslehre - als Ausdruck des göttlichenAuserwähltseins - ein Ideal der Ungleichheit verfochtenwird, findet sich im Luthertum ein Gleichheitsideal inForm der Ausrichtung individueller Leistung auf die all-gemeine Wohlfahrt.35 Neben kulturellen Konstanten werden bisweilen auchgesellschaftliche Strukturmerkmale wie das sozio-ökonomische Entwicklungsniveau, der Grad ethnisch-kultureller Homogenität sowie die Klassen- und Schicht-struktur einer Gesellschaft (vgl. COUGHLIN 1980, HALLER

1989, MAU 1997) und institutionelle Strukturen wie derGrad der Organisation der Arbeitnehmer, der Grad derZentralisierung von Verfassung und politischem Systemund das politische System selbst (vgl. HALLER et al. 1995,REUBAND 1995) als relevante Faktoren genannt. Für eineausführlichere Diskussion dieser Faktoren und ihres Ver-hältnisses untereinander vgl. HEIEN (1997).

entsprechend die normative Prägung der Men-

schen durch die unterschiedlichen politischen

Systeme und Wertvorstellungen in der ehemali-

gen BRD und der DDR. Dieser Typus von Er-

klärung unterstellt einheitliche Wertorientierun-

gen für alle Bürger eines Landes (bzw. eines

Landesteils), eben eine dominante Ideologie.

Andere kulturtheoretische Modelle unterstellen,

daß die Gesellschaftsmitglieder in unterschied-

lichen Generationen aufgewachsen sind bzw. in

unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus

sozialisiert wurden und auf diese Weise unter-

schiedliche Moral- und Wertvorstellungen inter-

nalisiert haben. Deshalb wird diese Variante im

Rahmen des WME-Projektes als Modell der

„Differentiellen Sozialisation“ bezeichnet (vgl.

HEIEN 1997). Während das Alter ein Indikator

generationsbedingt unterschiedlicher Sozialisa-

tionserfahrungen ist, werden das Geschlecht, die

schulische Bildung und der Beschäftigungssek-

tor als wesentliche Indikatoren milieubedingt

unterschiedlicher Sozialisationserfahrungen

betrachtet (ARZHEIMER/KLEIN 1997, HOEL/

KNUTSEN 1989, WEGENER/LIEBIG 1995b).

Für einen Einfluß des Alters müssen in diesem

Zusammenhang zwei Bedingungen erfüllt sein.

Zum einen müssen einmal erworbene Gerech-

tigkeitsvorstellungen eine gewisse Stabilität

besitzen, um über die gesamte Lebensdauer

hinweg wirksam sein zu können, was zumindest

in der neueren Sozialisationsforschung ange-

zweifelt wird (vgl. GEULEN 1991). Zum anderen

müssen zwei Personen, die unterschiedlichen

Altersgruppen angehören, im Rahmen ihrer

Sozialisation auch unterschiedlichen dominan-

ten Ideologien „ausgesetzt“ gewesen sein. Diese

Annahme eines Ideologiewandels erscheint

zwar angesichts der wechselhaften kulturellen,

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 28

strukturellen und institutionellen Kontexte der

deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts

durchaus plausibel, eine exakte Bestimmung der

jeweiligen dominanten Ideologien ist jedoch

wegen der zahlreichen zu berücksichtigenden

Faktoren, die sich darüber hinaus gegenseitig

beeinflussen, nicht unproblematisch (vgl. HEIEN

1997). WILENSKY (1975) betont in diesem Zu-

sammenhang den Gegensatz zwischen den stark

individualistisch-meritokratisch geprägten Wert-

vorstellungen der Jüngeren und den sehr stark

von den Idealen gemeinschaftlicher Solidarität

und kollektiver Verantwortung geprägten Mo-

ralvorstellungen der Älteren. INGLEHART (1977)

verweist demgegenüber auf den Gegensatz von

materialistischen und postmaterialistischen

Wertvorstellungen, die vor dem Hintergrund

unterschiedlicher sozio-ökonomischer Ent-

wicklungsniveaus einer Gesellschaft erworben

wurden und die mit (zentral)staatlichen Inter-

ventionen der Fürsorge und Unterstützung in

unterschiedlichem Ausmaß kompatibel sind.

Unterschiede in den Gerechtigkeitsvorstellun-

gen von Frauen und Männern können als Re-

sultat geschlechtsspezifischer Sozialisation ge-

deutet werden. Während die traditionelle weib-

liche Rolle die Sorge um das Wohlergehen an-

derer Menschen beinhaltet, ist die männliche

Rolle auf die Erwerbsarbeit gerichtet: „Wo-

men’s behaviors are maximally tailored to the

world of love, men’s to the world of work“

(KIDDER et al. 1981: 246; vgl. ARZHEI-

MER/KLEIN 1997, HOEL/KNUTSEN 1989, MAU

1997). Bei Unterstellung einer Ausdehnung des

Aspektes der Fürsorge und der Pflege auf ge-

sellschaftliche Belange im Zuge eines wachsen-

den politischen Bewußtseins von Frauen (vgl.

KLEEBAUR 1991) liegt die Vermutung nahe, daß

Frauen tendenziell etatistisch-egalitäre Gerech-

tigkeitsideologien stärker befürworten als Män-

ner, individualistische Gerechtigkeitsvorstellun-

gen, die in starkem Maße leistungsorientiert

sind, dagegen im Vergleich zu den Männern

eher ablehnen.36

Im Hinblick auf den Einfluß der Bildung sind

zwei Argumentationsmuster denkbar: Erstens

die Berücksichtigung der Dauer, die man der

dominanten Ideologie einer Gesellschaft im

Rahmen von Bildungsinstitutionen „ausgesetzt“

ist, wobei eine längere Ausbildungszeit mit

einer stärkeren Befürwortung der jeweiligen

dominanten Ideologie einhergehen müßte

(LEE/STOLTE 1994). Dies setzt allerdings eine

unverfälschte und kritiklose Vermittlung dieser

Ideologie durch die im Bildungswesen Beschäf-

tigten voraus, von der nicht unbedingt auszuge-

hen ist (ARZHEIMER/KLEIN 1997). Zweitens ein

genereller Aufklärungseffekt durch Bildung

(„enlightenment“ -Phänomen), der eine größere

Vertrautheit mit bestimmten zivilisatorischen

Werten, vor allem dem der Gleichheit, mit sich

bringt und sich in entsprechenden Gerechtig-

keitsvorstellungen manifestiert (HASENFELD/

RAFFERTY 1989, KLEEBAUR 1991).

Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, ins-

besondere die in den bereits angesprochenen

„Wohlfahrtsbürokratien“ , geht schließlich eben-

so mit einschlägigen Sozialisationserfahrungen

einher (HOEL/KNUTSEN 1989). Angesichts der

36 Ein Problem im Hinblick auf einen Vergleich zwischenalten und neuen Bundesländern ist in diesem Zusammen-hang die große Bedeutung der kontinuierlichen, außer-häuslichen Vollzeitbeschäftigung der Frauen in der DDR(GEIßLER 1992). Da die trotz staatlicher Entlastung resultie-rende Doppelbelastung durch Berufs- und Hausarbeit vonden Betroffenen offenbar als normal empfunden wurde, isteine Angleichung der Gerechtigkeitsvorstellungen derostdeutschen Frauen an die der Männer zu erwarten (vgl.WEGENER/LIEBIG 1995b).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 29

regelmäßigen Konfrontation mit sozialen Pro-

blemen ist eine Sensibilisierung der Beschäf-

tigten nicht unwahrscheinlich, so daß es durch-

aus zu „bonds of sympathy and solidarity bet-

ween public sector employees and their clients,

patients and other ‚welfare dependents‘ “

(SVALL-FORS 1995: 55) kommen kann, die mit

entsprechenden Gerechtigkeitsvorstellungen

einhergehen dürften.

Nach der Diskussion der Konzeptualisierungen

von Gerechtigkeitsvorschlägen, der Differenzie-

rung der kulturtheoretischen Erklärung in die

Varianten der Kulturellen Integration und der

Differentiellen Sozialisation sowie der Erörte-

rung der Operationalisierungsmöglichkeiten

lezterer bedarf das eingangs von Kapitel 3.1

präsentierte Kausalmodell für den kulturtheore-

tischen Erklärungsansatz (vgl. Schaubild 7)

einer entsprechenden Überarbeitung, was in

Schaubild 9 realisiert ist. Dargestellt sind so-

wohl die Operationalisierungsvorschläge des

WME-Projektes als auch die angenommenen

Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kon-

strukten. Im Hinblick auf letztere Zusammen-

hänge sind im übrigen auch weiterhin direkte,

nicht über Gerechtigkeitsvorstellungen vermit-

telte Effekte auf wohlfahrtsstaatliche Einstel-

lungen aufgeführt. Diese Effekte sind zwar be-

kanntlich weniger plausibel als die hier aus-

führlich diskutierten indirekten Effekte, weshalb

sie lediglich gestrichelt dargestellt sind, ihre

Berücksichtigung erscheint jedoch im Interesse

eines vollständigen Kausalmodells angemessen.

Gemäß den Ausführungen im Rahmen dieses

Kapitels findet für die Operationalisierung der

Variante der Kulturellen Integration die Regi-

onszugehörigkeit (Ost-West-Variable) Verwen-

dung, während für die Variante der Differenti-

ellen Sozialisation mit dem Alter, dem Ge-

schlecht, der Bildung sowie dem Beschäfti-

gungssektor insgesamt vier Variablen zum Tra-

gen kommen. Als Gerechtigkeitsvorstellungen

werden schließlich die Konstrukte Egalitarismus

und Individualismus berücksichtigt.

Die vom WME-Projekt praktizierte, in der sozi-

alwissenschaftlichen Forschung keineswegs

unübliche Verwendung der Regionszugehörig-

keit als Indikator für Effekte im Sinne des An-

Schaubild 9: Operationalisierung der kulturtheoretischen Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen im Rahmen desWME-Projektes

KulturelleIntegration

- Regionszugehörigkeit (West/Ost)

DifferentielleSozialisation

- Alter - Geschlecht - Bildung - Beschäftigungs- sektor

Einstellungenzum

Wohlfahrtsstaat

Gerechtigkeits-vorstellungen

- Egalitarismus - Individualismus

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 30

satzes der Kulturellen Integration (vgl. z.B.

WEGENER/LIEBIG 1995b) ist nicht unproblema-

tisch, da dieses Vorgehen äußerst vorausset-

zungsvoll ist. Die Ost-West-Variable fungiert

hierbei nämlich als Platzhalter für sämtliche

Einflußfaktoren, die im Rahmen des Untersu-

chungsmodells nicht spezifiziert worden sind

(vgl. ROLLER 1996b: 28). Der Gefahr, daß mit

der Ost-West-Variable zugleich Effekte unter-

schiedlicher sozialer und ökonomischer Le-

bensbedingungen gemessen werden, kann nur

durch die Berücksichtigung einer ausreichenden

Anzahl von Indikatoren eben dieser Lebensbe-

dingungen entgegengewirkt werden. Zur Be-

antwortung der Frage, ob dies im Rahmen des

WME-Projektes möglich ist, bleibt die endgülti-

ge Liste unabhängiger Variablen abzuwarten

(vgl. Kapitel 3.4).

3.2. Strukturtheoretische Ansätze

Sozialstrukturelle Erklärungen betrachten die

Unterstützung des Wohlfahrtsstaats aus einer

Rational-Choice-Perspektive und beziehen sich

damit primär auf das egoistische Selbstinteresse

des einzelnen, weshalb sie eben auch als „self-

interest“ -Ansatz bezeichnet werden. Sie gehen

davon aus, daß sich Personen vor dem Hinter-

grund rationaler Kosten-Nutzen-Überlegungen

zu einem gegebenen Zeitpunkt - sowohl mit

Blick auf ihre Haltung zum Wohlfahrtsstaat wie

auch hinsichtlich der Befürwortung bzw. Ab-

lehnung bestimmter Gerechtigkeitsvorstellun-

gen - genau die Einstellungen und Bewer-

tungsmuster zu eigen machen, die ihnen in ihrer

Lebenssituation die größten ökonomischen

Vorteile einbringen bzw. sichern, d.h., ihren

Nutzen maximieren. Wohlfahrtsstaatliche Ein-

stellungen werden dabei vor allem als Produkt

der sozio-ökonomischen Lage des einzelnen und

den mit dieser Lage gegebenen Interessen kon-

zeptualisiert. In der sozialwissenschaftlichen

Literatur werden in diesem Zusammenhang im

wesentlichen drei Gruppen von Personen mit

spezifischen Interessen gegenüber dem Wohl-

fahrtsstaat diskutiert.

Erstens, Bezieher oder „Konsumenten“ von

Dienstleistungen und Transfers, die in ihren

Einkommensbezügen in hohem Maße auf wohl-

fahrtsstaatliche Leistungen angewiesen sind,

werden letztere tendenziell eher unterstützen

und versuchen, ihre Haltung mit etatistischen,

die staatliche Verteilungsverantwortung akzen-

tuierenden Gerechtigkeitsideologien zu legiti-

mieren (CNAAN et al. 1993, PÖNTINEN/

UUSITALO 1988, SIHVO/UUSITALO 1995b). Zu

dieser unter den Bezeichnungen „Transferklas-

se“ (PAPADAKIS 1989), „Versorgungsklasse“

(LEPSIUS 1979) oder „underdogs“ (ROBIN-

SON/BELL 1978) diskutierten Gruppe dürften

vor allem Rentner und Pensionäre, Frauen37,

Arbeitslose, junge Familien mit Kindern, Bezie-

her niedriger Einkommen, Personen mit gerin-

ger Bildung und ethnische Minoritäten gehören

(FORMA 1997, HASENFELD/RAFFERTY 1989,

PAPADAKIS/BEAN 1993, SVALLFORS 1991).38

Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammen-

37 Zu unterscheiden sind hier Interessen, die sich aus derBefreiung von unterbewerteten informellen Pflegediensteninnerhalb der Familie, der zunehmenden Unabhängigkeitvon männlichen Versorgern sowie der Beschäftigung imwohlfahrtsstaatlichen Bereich ergeben (FORMA 1997,SVALLFORS 1991, 1995). Letzterem Aspekt ist im folgendenein eigener, allerdings nicht geschlechtsspezifischer Absatzgewidmet.38 Einige Autoren (vgl. z.B. GOUL ANDERSEN 1992) diffe-renzieren in diesem Zusammenhang noch einmal zwischenvom Wohlfahrtsstaat im engeren Sinn Abhängigen („statedependents“) und anderen Konsumenten wohlfahrtsstaatli-cher Leistungen („other consumers“), wobei sich allerdingsdie Frage nach der Unterscheidung zwischen den „anderenKonsumenten“ und Nicht-Konsumenten stellt.

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 31

hang die Heterogenität der Mitglieder der

Transferklasse, die trotz gemeinsamer Interes-

sen eine Formierung und Mobilisierung zur

Durchsetzung derselben verhindert (ALBER

1984).

Zweitens, Personen, die nur in geringem Maße

direkt von wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen

profitieren, gleichzeitig aber hohe Steuerabga-

ben und Sozialversicherungsbeiträge zu leisten

haben, werden dem Wohlfahrtsstaat eher kri-

tisch gegenüberstehen (PAPADAKIS/BEAN 1993,

SIHVO/UUSITALO 1995b). Zur Legitimation

dieser Haltung werden sie sich dabei wahr-

scheinlich auf eine funktionalistische, die Ei-

genverantwortung des Individuums betonende

Gerechtigkeitsideologie berufen. Probleme be-

reitet in diesem Zusammenhang die Relation

von Kosten und Nutzen der Financiers des

Wohlfahrtsstaates. Einige Autoren verweisen

auf den überproportionalen Nutzen der Mittel-

klasse als Konsumenten von Gesundheits- und

Bildungsleistungen des Wohlfahrtsstaates, der

sich durch ihre im Vergleich zu den eigentlichen

Adressaten dieser Leistungen höhere Bildung

und (finanzielle wie zeitliche) Flexibilität sowie

der daraus resultierenden größeren politischen

Konfliktfähigkeit erklären läßt (z.B. GOODIN/

LEGRAND 1987, PÖNTINEN/UUSITALO 1988).

Andere Autoren wiederum - darunter die Ver-

fechter der „welfare backlash“- (WILENSKY

1975) und der „working-class anger“ -Hypothese

(TAYLOR-GOOBY 1983) - gehen davon aus, daß

Angehörige der Mittel- wie der Arbeiterklasse

trotz ihres partiellen Profitierens dem Wohl-

fahrtsstaat aufgrund der von ihnen als zu hoch

empfundenen Steuerbelastung eher skeptisch

gegenüberstehen und diese Skepsis auf die ver-

meintlichen Profitierenden übertragen (CNAAN

et al. 1993, KLUEGEL/SMITH 1986).

Drittens, Personen, die im öffentlichen Sektor

beschäftigt sind, haben ein Interesse am Wohl-

fahrtsstaat als dessen „Produzenten“ . Besonders

die in den „Wohlfahrtsbürokratien“ des Ge-

sundheits- und Bildungswesens sowie der so-

zialen Dienste als Ärzte, Krankenschwestern,

Lehrer, Sozialarbeiter oder Verwalter Beschäf-

tigte werden den Wohlfahrtsstaat - im Gegen-

satz zu den „klassischen Bürokratien“ der Justiz,

der Finanzen oder der Verteidigung (HOFF

1985, PAPADAKIS 1993) - tendenziell befür-

worten. Nicht nur die Existenz des Arbeitsplat-

zes sondern auch Arbeitsbedingungen, Entloh-

nung und berufliche Perspektiven hängen für

diese Gruppe maßgeblich von der Prosperität

des Wohlfahrtsstaates ab (HOEL/KNUTSEN

1989, PÖNTINEN/UUSITALO 1988, SVALLFORS,

1995).

Aus der Diskussion der verschiedenen Interes-

sengruppen resultiert eine umfangreiche Liste

von Indikatoren der sozio-ökonomischen Lage,

die im Rahmen einer Überprüfung des Erklä-

rungspotentials des Self-interest-Ansatzes be-

rücksichtigt werden müssen: Alter, Geschlecht,

Bildung, (Haushalts-)Einkommen, Erwerbssta-

tus, Haushaltsstruktur und Beschäftigungssek-

tor.39 Neben der dadurch beschriebenen objekti-

ven sozio-ökonomischen Lage spielt allerdings

die subjektiv wahrgenommene sozio-ökonomi-

sche Lage eine nicht minder bedeutsame Rolle

für die Erklärung des Self-interest-Ansatzes, da

die von letzterem unterstellte rationale Kosten-

39 Der Verzicht auf die ebenfalls erörterte ethnische Zuge-hörigkeit erfolgte wegen der gängigen, z.B. im Rahmen desALLBUS praktizierten Praxis der Beschränkung bundes-deutscher Bevölkerungsumfragen auf deutschsprechendePersonen.

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 32

Nutzen-Abwägung in hohem Maße auf der Ein-

schätzung der aktuellen wie zukünftigen per-

sönlichen sozio-ökonomischen Lage basiert.40

Da diese Einschätzung sich allerdings nicht

immer mit der objektiven sozio-ökonomischen

Lage deckt, sind die entsprechenden Indikatoren

ebenfalls zu berücksichtigen (FORMA 1997,

WEGENER 1987).

Sämtliche hier diskutierten Indikatoren sind in

Schaubild 10 dargestellt, dem darüber hinaus

auch noch einmal die vom Self-interest-Ansatz

unterstellten kausalen Zusammenhänge zwi-

schen den einzelnen Konstrukten zu entnehmen

sind. Demnach beeinflußt die sozio-

ökonomische Interessenlage sowohl die wohl-

fahrtsstaatlichen Einstellungen als auch die

Gerechtigkeitsvorstellungen. Letztere besitzen,

zumindest der Argumenattion des Self-interest-

Ansatzes zufolge, keinen eigenständigen Ein-

fluß auf die wohlfahrtsstaatlichen Einstellungen,

was in Schaubild 10 durch eine gestrichelte

Line verdeutlicht ist.

40 Dies wird auch in dem aus den Rational-Choice-Theorien bekannten Begriff der „subjective expected utili-ty“ (SEU) zum Ausdruck gebracht (ESSER 1991).

3.3. Wahrnehmung und Bewertung fakti-scher sozialer Ungleichheit

Wesentlich seltener als die in den beiden letzten

Kapiteln beschriebenen Ansätze wird in der

Forschung zu wohlfahrtsstaatlichen Einstellun-

gen die Wahrnehmung und Bewertung fakti-

scher sozialer Ungleichheit41 als Erklärungs-

faktor thematisiert. Dabei steht diese Erklärung

in einem engen Zusammenhang mit den im

Rahmen des kulturtheoretischen Ansatz aus-

führlich diskutierten Gerechtigkeitsvorstellun-

gen: Während Gerechtigkeitsvorstellungen - im

Fall des WME-Projektes also die Konstrukte

Egalitarismus und Individualismus - ein Ver-

teilungsideal (das „Sollen“ ) repräsentieren,

nimmt die Wahrnehmung faktischer sozialer

Ungleichheit auf die Verteilungsrealität (das

„Sein“ ) bezug (vgl. HEIEN 1997, KLUE-

GEL/SMITH 1986). Aus dem subjektiven Ver-

gleich von wahrgenommener Realität und Ge-

rechtigkeitsvorstellungen resultiert schließlich

die Bewertung der faktischen sozialen Un-

41 KLEEBAUR spricht in diesem Zusammenhang auch vonder empirischen und der evaluativen Komponente sozialerUngleichheit (KLEEBAUR 1991: 55).

Schaubild 10: Operationalisierung der strukturtheoretischen Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen im Rahmendes WME-Projektes

Einstellungenzum

Wohlfahrtsstaat

Gerechtigkeits-vorstellungen

Sozio-ökonomischeInteressenlage

(objektiv:)

- Alter - Geschlecht - Bildung - (Haushalts-)Einkommen - Erwerbsstatus - Haushaltsstruktur - Beschäftigungssektor

(subjektiv:)

- Einschätzung der eige- nen sozio-ökonomischen Situation und Perspektive

Quelle: Eigene Darstellung

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 33

gleichheit (KLEEBAUR 1991), die insofern auch

als Wahrnehmung (der Realisierung) sozialer

Gerechtigkeit aufgefaßt werden kann (HEADEY

1991).

In welcher Beziehung stehen nun aber die sub-

jektiv wahrgenommene und bewertete Realität

(sozialer Ungleichheit) und Einstellungen zum

Wohlfahrtsstaat? Im Falle eines Abweichens

von den eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen

wird die wahrgenommene soziale Ungleichheit

als ungerecht beurteilt werden. Dies wird dann

je nach präferierten Gerechtigkeitsvorstellungen

entweder zu Forderungen nach einem (stärke-

ren) wohlfahrtsstaatlichen Eingreifen oder nach

einem Nichteingreifen oder Rückzug des Wohl-

fahrtsstaates führen. Ist die wahrgenommene

soziale Ungleichheit mit den eigenen Gerech-

tigkeitsvorstellungen vereinbar, wird sie ent-

sprechend als gerecht beurteilt werden und kei-

ne Forderungen hinsichtlich des Wohlfahrts-

staates mit sich bringen.

Im Rahmen dieses Erklärungsansatzes wird in

der Regel nicht nur das konkrete Ausmaß so-

zialer Ungleichheit als Objekt der Wahrneh-

mung diskutiert. Ebenso Berücksichtigung fin-

den in diesem Zusammenhang Statuszuwei-

sungsprozesse, was sich mit deren Rolle als

„Produzenten“ sozialer Ungleichheit begründen

läßt (vgl. z.B. KLEEBAUR 1991, KLUE-

GEL/SMITH 1986).42 Dementsprechend wurden

beide Aspekte in Schaubild 11 berücksichtigt,

das die beiden diskutierten Konstrukte und ihre

Beziehungen untereinander wie zu Gerechtig-

keitsvorstellungen und wohlfahrtsstaatlichen

Einstellungen zusammenfassend darstellt. Hin-

sichtlich der Beziehungsstruktur sind zwei An-

merkungen zu machen.

Die Bewertung faktischer sozialer Ungleichheit

wird hier bekanntlich als Resultat eines Verglei-

ches von wahrgenommener Realität und Ge-

rechtigkeitsvorstellungen aufgefaßt. Für das

abgebildete Kausalmodell bleibt die Frage nach

dem konkreten Zusammenhang zwischen den

42 Anders formuliert spiegelt das Ausmaß sozialerUngleichheit ein Verteilungsergebnis wieder, wäh-rend die Statuszuweisungen einen Verteilungsprozessrepräsentieren.

Schaubild 11: Operationalisierung der Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen durch die Wahrnehmung und Be-wertung faktischer sozialer Ungleichheit im Rahmen des WME-Projektes

Einstellungenzum

Wohlfahrtsstaat

Bewertungfaktischer sozialer

Ungleichheit

Wahrnehmungfaktischer sozialer

Ungleichheit

- Ausmaß sozialer Ungleichheit - Statuszuweisungs- prozesse

Gerechtigkeits-vorstellungen

- Egalitarismus - Individualismus

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 34

beiden letztgenannten Aspekten. Die sozialwis-

senschaftliche Forschung präsentiert sich in

diesem Punkt uneinig. Ein Teil geht davon aus,

daß Gerechtigkeitsvorstellungen die Wahrneh-

mung determinieren, da letztere durch persön-

lich vertretene normative Standards systema-

tisch verzerrt wird (KLUEGEL/SMITH 1986,

ZWICKY 1991). Der andere Teil der Forschung

behauptet in diesem Kontext einen umgekehrten

Wirkungszusammenhang: „What is determines

what ought to be“ (HEADEY 1991: 582). Hier

wird die wahrgenommene Realität wird im

Rahmen der sogenannten „Wahrnehmungshy-

pothese“ (ZWICKY 1991: 305) zum Ideal erklärt.

Aus der Uneinigkeit der Forschung in dieser

Frage und der Tatsache, daß beide Meinungen

eine gewisse Plausibilität beanspruchen können

wie auch empirisch untermauert wurden, haben

wir für das in Schaubild 11 wiedergegebene

WME-Kausalmodell die pragmatische Konse-

quenz eines Tests beider Annahmen gezogen,

wie er im Rahmen von Strukturgleichungsmo-

dellen möglich ist.

Eine zweite Anmerkung betrifft den in Schau-

bild 11 aufgenommenen direkten Effekt von der

Wahrnehmung sozialer Ungleichheit auf wohl-

fahrtsstaatliche Einstellungen, da bisher eine

Vermittlung des Einflusses der Wahrnehmung

über die Bewertung sozialer Ungleichheit be-

hauptet wurde. Obwohl letztgenannte Variante

vor dem Hintergrund der Argumentation dieses

Kapitels plausibler erscheint, kann ein direkter

Effekt, wie er im übrigen in einigen empirischen

Arbeiten unterstellt wird (vgl. z.B. GANGL

1997, ROLLER 1997), nicht ausgeschlossen wer-

den, wenn er auch bei Berücksichtigung eines

expliziten Bewertungsindikators minimal aus-

fallen dürfte.

3.4. Synthese des WME-Projektes

Gemäß dem Anspruch des WME-Projektes, eine

möglichst vollständige, sämtliche relevanten

Faktoren berücksichtigende Erklärung wohl-

fahrtsstaatlicher Einstellungen zu geben, sind

die in Kapitel 3 diskutierten Determinanten zu

einem Gesamtmodell zusammengefügt worden

(vgl. Schaubild 12). Aufgrund seiner offen-

sichtlichen Komplexität sowie bisher nicht the-

matisierter Aspekte und Probleme bedarf das

WME-Kausalmodell einer eingehenden Erläute-

rung.

Zunächst einmal birgt der vom WME-Projekt

angestrebte Vergleich des kulturtheoretischen

und des strukturtheoretischen Erklärungsansat-

zes gemäß Schaubild 12 ein methodisches Pro-

blem. Sämtliche hier angesprochenen Indikato-

ren differentieller Sozialisationsmuster - Alter,

Geschlecht, Bildung, Beschäftigungssektor -

sind zugleich Indikatoren unterschiedlicher so-

zio-ökonomischer Interessenlagen. So haben

ältere Personen nicht nur (generationsbedingt)

andere Wertvorstellungen als jüngere, sie profi-

tieren auch (lebenslaufbedingt) in unterschiedli-

chem Maße von Einrichtungen des Wohlfahrts-

staates. Für unser Kausalmodell haben wir mit

der Einführung eines soziodemographischen

Variablenblocks (vgl. Schaubild 12) daraus

zunächst die pragmatische Konsequenz gezo-

gen, daß Einflüsse im Sinne des Self-interest-

Ansatzes empirisch nicht von Einflüssen im

Sinne des kulturell-normativen Ansatzes zu

trennen sind. Dies gilt allerdings nur einge-

schränkt für die Sozialisations- und Interes-

seneffekte der Altersvariable, deren Trennung

für den Fall des Vorliegens von Paneldaten

durchaus möglich ist (KLEIN 1991).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 35

Mit der Verwendung der Regionszugehörigkeit

als Indikator für den Erklärungsansatz der Kul-

turellen Integration ist ein weiteres methodi-

sches Problem bereits in Kapitel 3.1 angespro-

chen worden. Angesichts der in Schaubild 12

wiedergegebenen umfangreichen Variablenliste

zu den sozialen und ökonomischen Lebensbe-

dingungen (abzulesen an den Variablenblöcken

„Soziodemographie“ und „Sozio-ökonomische

Interessenlage“) erscheint allerdings die Gefahr

minimiert, daß mit der Regionszugehörigkeit

andere Effekte als die im Rahmen der Erklärung

der Kulturellen Integration angenommenen

"mitgemessen" werden.

Neben den im Rahmen dieses Arbeitspapieres

thematisierten kausalen Zusammenhängen, die

durch durchgezogene Pfeile dargestellt werden,

finden in Schaubild 12 auch Zusammenhänge

zwischen den kultur- bzw. strukturtheoretischen

Variablen (bzw. den Variablenblöcken „Kultu-

relle Integration“ , „Soziodemographie“ und

„Sozio-ökonomische Interessenlage“) und der

Wahrnehmung und Bewertung faktischer so-

zialer Ungleichheit Berücksichtigung. Diese zur

Unterscheidung durch gestrichelte Pfeile darge-

stellten Zusammenhänge sind bisher nicht the-

matisiert worden, da sie kein konstitutives Ele-

ment der betrachteten Erklärungsansätze sind.

Bis zur ihrer endgültigen inhaltlichen Klärung,

die allerdings nicht im Rahmen dieses Ar-

beitspapieres erfolgen kann, sind diese Zusam-

menhänge mit Vorsicht zu betrachten.

Die in Kapitel 2 erarbeitete Differenzierung

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen nach Zielen,

Mitteln, Folgen und Finanzierung hat nach

Schaubild 12 auch Konsequenzen für das

WME-Kausalmodell. Angesichts der Tatsache,

daß für jede Einstellungsdimension ein eigenes

Modell zu berechnen ist, der analytischen Tren-

nung zum Trotz zwischen einigen Dimensionen

aber starke Beziehungen zu erwarten sind, er-

höht sich die Zahl der erklärenden Variablen

Schaubild 12: Kausalmodell des WME-Projektes

Gerechtigkeits-vorstellungen

- Egalitarismus - Individualismus

Kulturelle Integration

- Ländervariable (West/Ost)

Soziodemographie

- Alter - Geschlecht - Bildung - Beschäftigungs- sektor

Sozio-ökonomischeInteressenlage

- (Haushalts-) Einkommen - Erwerbsstatus - Haushaltsstruktur - Einschätzung der eigenen sozio-öko- nomischen Situation und Perspektive

"Struktur"

"Kultur"

ZieleExtensität/Intensität

MittelInstitutionen/

Programme/Akteure

Folgenintendiert/nicht-

intendiertFinanzierung

? ?

?

?

?

Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat

Bewertung sozialerUngleichheit

Wahrnehmungfaktischer sozialer

Ungleichheit

- Ausmaß - Statuszuweisungs- prozesse

Quelle: Eigene Darstellung

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 36

noch einmal. Inhaltlich läßt sich beispielsweise

argumentieren, daß die Wahrnehmung nicht-

intendierter Folgen des Wohlfahrtsstaates die

Zustimmung zu den Fragen der Extensität und

Intensität (negativ) beeinflussen dürfte. Darüber

hinaus sind selbstverständlich noch komplexere

Beziehungsstrukturen denkbar, innerhalb derer

mehrere Aspekte wohlfahrtsstaatlicher Einstel-

lungen miteinander verknüpft sind. Empirisch

bestätigt werden diese Annahmen durch die

Ergebnisse diverser internationaler Untersu-

chungen, die mit anderen Konzeptualisierungen

arbeiten und insofern Aspekte, die vom WME-

Projekt als (zu erklärende) Einstellungsdimen-

sionen klassifiziert wurden, als erklärende Va-

riablen verwenden können (vgl. z.B. CNAAN et

al. 1993, HASENFELD/RAFFERTY 1989). Für das

vorliegende Arbeitspapier haben wir uns auch in

diesem Punkt zu einer pragmatischen Lösung

entschieden und die Beziehungen zwischen den

einzelnen Dimensionen wohlfahrtsstaatlicher

Einstellungen zunächst offengelassen (vgl.

Schaubild 12).

4. Die Entwicklung wohlfahrtsstaat-licher Einstellungen und ihrer De-terminanten in den 1990er Jahren

Nach der Entwicklung eines umfassenden Mo-

dells zur Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Ein-

stellungen gilt das Interesse im folgenden den

empirischen Dimensionen der Thematik. Der

Überblick über die Entwicklung der Einstellun-

gen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat in

den 90er Jahren im Rahmen dieses Kapitels ist

gemäß der in der Einleitung skizzierten Frage-

stellung des WME-Projekts unterteilt in einen

rein deskriptiven Teil (Kapitel 4.1) und einen

Teil zu den Determinanten wohlfahrtsstaatlicher

Einstellungen (Kapitel 4.2).

4.1. Deskription wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen

Für die Deskription der Einstellungen zum bun-

desdeutschen Wohlfahrtsstaat empfiehlt sich

eine Orientierung an den konkreten Dimensio-

nen des in Kapitel 2 erarbeiteten WME-

Konzeptes, so daß die Oberkategorien Ziele,

Mittel, Folgen und Finanzierung die Gliede-

rungspunkte vorgeben. Auf die heterogene Da-

tenlage für die einzelnen Aspekte ist bereits in

Kapitel 2.2 (vgl. Tabelle 1) hingewiesen wor-

den. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen,

daß die Anzahl relevanter Daten wegen der

nicht seltenen Auswertung einer Umfrage durch

mehrere Autoren „schrumpft“ (Vgl. z.B. FUCHS

et al. 1997 und ROLLER 1996). Allerdings darf

in diesem Zusammenhang nicht außer Acht

gelassen werden, daß das vorliegende Ar-

beitspapier von der Indikatoren-Auswahl der

Autoren der betrachteten Studien abhängig ist.

Insofern ist im Falle eines Fehlens empirischer

Daten zu einem konkreten Aspekt nicht

zwangsläufig gesagt, daß keine Indikatoren vor-

liegen. Vielmehr ist es durchaus möglich, daß

bisweilen einfach deshalb keine (publizierten)

Daten vorliegen, weil sie für das Forschungsin-

teresse der jeweiligen Autoren irrelevant waren.

Ein grundsätzliches Problem ist allerdings der

Vergleich unterschiedlicher Datensätze, der,

von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch un-

terschiedliche Fragen bzw. Frageformulierungen

mit sich bringt. Eine systematische Analyse der

Unterstützungsbereitschaft und ihrer Entwick-

lung, etwa in Form einer in Tabellen oder Gra-

phiken aufbereiteten Zeitreihe, ist deshalb auf

der Grundlage dieser Quellen nicht möglich.

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 37

4.1.1. Ziele des Wohlfahrtsstaates

Was die globale Extensität betrifft, ermitteln

RINNE/WAGNER auf der Grundlage von SOEP-

Daten für 1992 eine relativ hohe Zustimmung

der Bundesbürger zur staatlichen Zuständigkeit

für die soziale Sicherung von 69%, während die

Alternative der Eigenvorsorge lediglich von

20% präferiert wird (RINNE/WAGNER 1995a:

292). Auf die Diskussion der Ergebnisse von

Roller (1997) wird an dieser Stelle verzichtet,

da sie die Extensität anhand von Indikatoren zu

Verteilungsprinzipien (Leistungs- vs. Bedarfs-

prinzip) mißt, die im Rahmen des WME-

Projektes bekanntlich für Gerechtigkeitsvor-

stellungen „ reserviert“ sind.

Zur spezifischen Extensität liegen gemäß Ta-

belle 1 (vgl. Kapitel 2.2) sehr viele Daten vor,

so daß im Rahmen dieses Überblicks eine Aus-

wahl getroffen werden muß. Die staatliche Ein-

kommenssicherung bei Krankheit, Not, Ar-

beitslosigkeit und Alter als Kern des Wohl-

fahrtsstaates - hier stellt sich allerdings die Fra-

ge, ob damit nicht eher die globale Extensität

erfaßt wird - erfährt bei den Bundesbürgern eine

durchgehend hohe Zustimmung, wenn auch

ROLLER anhand von ALLBUS-Daten in alten

wie neuen Bundesländern zwischen 1991 (West:

90%; Ost: 98%) und 1994 (West: 87%; Ost:

96%) diesbezüglich einen leichten Rückgang

ermittelt (ROLLER 1997: 128 f.). Bei der Kon-

trastierung von staatlicher mit individueller

Vorsorge fällt nach einer anderen Datenquelle

(„Aktuelle Fragen zur Innenpolitik“ ) die Präfe-

renz für eine staatliche Zuständigkeit, allerdings

beschränkt auf die Einkommenssicherung bei

Alter und Krankheit, deutlich geringer aus:

Während in den alten Bundesländern die Zahl

der Befürworter von vergleichsweise niedrigen

64% im Jahr 1990 auf 58% im Jahr 1995 sinkt,

steigt sie bemerkenswerterweise in den neuen

Bundesländern von 70% im Jahr 1990 auf im-

merhin 83% im Jahr 1995 (ROLLER 1997: 128

f.). Bei Differenzierung der bisher gemeinsam

abgefragten Bereiche zeigen sich deutliche Un-

terschiede in der Zustimmung, wenn auch im-

mer noch mindestens zwei Drittel der Westdeut-

schen und sogar neun von zehn Ostdeutschen

eine staatliche Zuständigkeit wünschen. Am

umstrittensten sind in den alten Bundesländern

die staatliche Garantie des Arbeitsplatzes und

die Einführung eines Basiseinkommens, für die

1992 „nur“ jeweils 66% der Bürger stimmten

(MAU 1997: 66). Deutlich populärer sind die

Sicherung eines angemessenen Lebensstandards

für Arbeitslose und die Bereitstellung von

Wohnungen für Finanzschwache, die von vier

Fünftel der Westdeutschen befürwortet werden

(ROLLER 1997: 130). Die gesundheitliche Ver-

sorgung Kranker und die Sicherung eines ange-

messenen Lebensstandards für Alte schließlich

erreichen selbst in den alten Bundesländern

Zustimmungsraten von 95% und mehr (ROLLER

1997: 130).43 Während die bisherigen Bereiche

des Wohlfahrtsstaates eher dem allgemeinen

Ziel sozio-ökonomischer Sicherheit zuzuordnen

sind, gibt es auch welche, die die Zustimmung

zu einer staatlichen Zuständigkeit für die Reali-

sierung sozio-ökonomischer Gleichheit messen.

Am weitesten verbreitet ist in diesem Zusam-

menhang die Frage nach dem Abbau von Ein-

kommensdifferenzen, für den in den neuen

Bundesländern deutlich mehr Bürger stimmen, 43 Interessanterweise läßt die Differenzierung nach derZustimmung („auf jeden Fall verantwortlich sein“ vs.„verantwortlich sein“) die Unterschiede zwischen Ost- undWestdeutschland noch größer werden, bei der höchstenForm der Zustimmung wächst die durchschnittliche Ost-West-Differenz von 13 auf 29 Prozentpunkte (ROLLER

1997: 131).

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 38

in den Jahren 1990 bis 1992 zwischen 84% und

90%, als in den alten Bundesländern, wo im

selben Zeitraum die Zustimmung zwischen 58%

und 68% schwankt (MAU 1997, ROLLER

1997).44

Auch in der Frage der globalen Intensität sind

innerdeutsche Unterschiede zu registrieren.

Während die Ostdeutschen ALLBUS-Daten von

1994 zufolge mehrheitlich (71%) für eine

grundsätzliche Ausweitung des Wohlfahrts-

staates plädieren (ROLLER 1996: 7), können sich

die Westdeutschen mit dem Status quo offen-

sichtlich eher anfreunden, wie gleich mehrere

Umfragen zeigen, wenn auch im Fall einer

ISSP-Umfrage von 1990 noch eine knappe

Mehrheit pro Ausweitung zu registrieren ist

(HUSEBY 1995, KLEIN/SCHILLING 1994,

ROLLER 1996). Dementsprechend fällt die Zu-

stimmung zu allgemeinen Kürzungen von Sozi-

alleistungen in den alten Bundesländern we-

sentlich höher aus als in den neuen Bundeslän-

dern, wenn auch in keiner der Umfragen der

entsprechende Anteil ein Fünftel übersteigt.

Die Differenzierung der Fragen nach einem

globalen Zuviel oder Zuwenig im Rahmen der

spezifischen Intensität offenbart deutliche Un-

terschiede zwischen den einzelnen Bereichen

des Wohlfahrtsstaates. Für Renten und Pensio-

nen sollte die Regierung nach Meinung der

Mehrheit aller Bundesbürger - Grundlage sind

gleich drei Umfragen zwischen 1990 und 1995 -

mehr Geld ausgeben, wobei die Zustimmung in

den neuen Bundesländern mit etwa zwei Drit-

teln wesentlich höher ausfällt als in den alten

Bundesländern, wo die Zustimmung zu einer

Ausgabenerhöhung nur knapp höher ausfällt als

44 Für weitere Daten vgl. KLUEGEL/MIYANO 1995 undROLLER 1995a.

die Zustimmung zur Beibehaltung des Status

quo (ROLLER 1996: 8 f.).45 Durchgehend gering

fällt entsprechend in West wie Ost die Zustim-

mung zu Ausgabenkürzungen im Bereich der

Renten und Pensionen aus: 1995 liegt der ent-

sprechende Anteil in Gesamtdeutschland bei

9%. Etwas heterogener gestaltet sich die Mei-

nung zur Arbeitslosenunterstützung: Hier ist

1995 eine deutliche Mehrheit der Ostdeutschen

für eine Ausgabenerhöhung, während die West-

deutschen 1990 wie 1995 mehrheitlich am Sta-

tus quo festhalten wollen. In den alten Bundes-

ländern stimmt 1995 auch immerhin ein Fünftel

der Bevölkerung für Ausgabenkürzungen in

diesem Bereich, während dieser Meinung in den

neuen Bundesländern zum gleichen Zeitpunkt

nicht mal jeder Zehnte zustimmt (ROLLER 1996:

8 f.). Die Unterschiede in der Beurteilung der

beiden Maßnahmenbereiche werden noch deut-

licher bei Betrachtung einer offenen Frage nach

den Sozialleistungen, bei denen am ehesten

Einsparungen vorgenommen werden können.

Bei einer insgesamt relativ starken Streuung der

Antworten erreicht die Kürzung von Arbeitslo-

sengeld und -hilfe 1993 mit 37% in West-

deutschland den höchsten Zustimmungswert,

während Einsparungen bei den Renten weit

hinter anderen Sozialleistungen (Leistungen für

Asylbewerber, Gesundheitswesen, Kindergeld,

Sozialhilfe, Wohngeld) einen der letzten Plätze

einnehmen (ROLLER 1996: 7 ff.). In Ost-

deutschland konzentrieren sich die Nennungen

mit den Leistungen für Asylbewerber (53%),

Feiertagen (28%) und der 35-Stunden-Woche

(27%) auf drei konkrete Bereiche, die Arbeits-

45 Noch höher fällt im übrigen in den alten Bundesländern1990 mit fast drei Vierteln (73%) die Zustimmung zurAusweitung der Ausgaben für das Gesundheitswesen aus(PETTERSEN 1995: 214). Leider liegen für diesen Bereichkeine weiteren Daten vor.

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 39

losenunterstützung (2%) und die Renten (1%)

werden dagegen für mehr oder wenig unantast-

bar erklärt.

4.1.2. Mittel des Wohlfahrtsstaates

Die schlechte Datenlage für die Mittel des

Wohlfahrtsstaates ist mehrfach erwähnt worden.

Gemäß Tabelle 1 (vgl. Kapitel 2.2) liegen für

die Institutionen - global wie spezifisch - keine

Daten vor, für globale und spezifische Pro-

gramme existiert gerade einmal eine relevante

Studie (ALBER 1986), deren aktuellste Daten

aus dem Jahr 1983 datieren und insofern für

unseren Überblick zur Unterstützung des bun-

desdeutschen Wohlfahrtsstaates in den 1990er

Jahren ohne Bedeutung sind. In Tabelle 1 nicht

erfaßt, da erst im Rahmen des Entwurfes eines

eigenen WME-Konzeptes in Kapitel 2.4 der

Mittel-Ebene zugeordnet, sind die Akteure des

Wohlfahrtsstaates. Unter den vom WME-

Projekt recherchierten Studien findet sich aller-

dings auch für diese Ebene keine, die entspre-

chende Daten verwendet. Insofern bleibt die

Sichtung der konkreten Datensätze abzuwarten,

ehe die Möglichkeit von Aussagen über Ein-

stellungen zu den Mitteln des Wohlfahrtsstaates

im Rahmen des WME-Projektes beurteilt wer-

den kann.

� � ��� ��� Folgen des Wohlfahrtsstaates

Im Vergleich zur Datenlage für die Dimension

der Mittel fällt das Angebot bei den Folgen

deutlich besser aus. Die globalen intendierten

Folgen werden in den alten und neuen Bundes-

ländern dabei durchaus unterschiedlich beur-

teilt. Für die Frage nach der grundsätzlichen

Zufriedenheit mit dem Netz der sozialen Siche-

rung geht auf einer von 0 („ganz und gar unzu-

frieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) rei-

chenden und in diversen Umfragen (u.a. Wohl-

fahrtssurvey, SOEP) erhobenen Zufrieden-

heitsskala der Wert der Westdeutschen von

relativ hohen 6,7 im Jahr 1992 auf 5,5 im Jahr

1995 zurück, während der ohnehin niedrigere

Wert für die Ostdeutschen zwischen 1990 und

1995 von 4,9 auf 4,5 sinkt (BUHLMANN/MAU

1996, RINNE/WAGNER 1995a, 1995b). Im Hin-

blick auf die neuen Bundesländer ist in diesem

Zusammenhang vor allem die Frage nach dem

Vergleich mit der Situation vor der Wiederver-

einigung interessant. Auf Politbarometer-Daten

basierende Ergebnisse von ROLLER offenbaren,

daß zwischen 1992 und 1994 durchgehend mehr

als drei Fünftel aller Ostdeutschen ihre soziale

Sicherheit schlechter als vor der Wiedervereini-

gung beurteilten (ROLLER 1997: 133).

Konkretisiert im Rahmen der Frage nach den

spezifischen intendierten Folgen zeigt sich er-

neut eine größere Zufriedenheit der Bevölke-

rung der alten Bundesländer: Zwei Drittel aller

Westdeutschen fühlen sich nach ALLBUS-

Daten von 1994 im Alter und vor Krankheit und

Invalidität ausreichend gesichert, während „nur“

ein Fünftel diesbezüglich Sorgen hegt. Unter

den Ostdeutschen halten sich dagegen der An-

teil der subjektiv Gesicherten (47%) und der

Anteil der subjektiv Ungesicherten (42%) nahe-

zu die Waage (ROLLER 1997: 133).

Für die Dimension der nicht-intendierten Ne-

benfolgen findet sich in der gesamten Literatur

der 90er Jahre leider nur eine einzige Frage.

Diese mit dem Ausmaß des Mißbrauches von

Sozialleistungen im Bereich des Arbeitslosen-

geldes und der Sozialhilfe einen spezifischen

Bezug aufweisende Frage stellt allerdings ein

zentrales Topoi der Diskussion über die Krise

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 40

des Wohlfahrtsstaates dar. Die Politbarometer-

Daten aus dem Jahr 1993 zeigen, daß 70% aller

Westdeutschen Sozialleistungen in großem oder

sogar sehr großem Umfang mißbraucht sehen,

während der entsprechende Anteil bei den Ost-

deutschen nur 45% beträgt (ROLLER 1997: 134).

4.1.4. Finanzierung des Wohlfahrtsstaates

Der Aspekt der Finanzierung des Wohlfahrts-

staates hat im Überblick über die empirischen

Forschung in Tabelle 1 keine Berücksichtigung

gefunden, da er wie die Akteure des Wohl-

fahrtsstaates nicht Bestandteil des Konzeptes

von ROLLER ist und erst durch die Betrachtung

internationaler Arbeiten in den Blickpunkt des

Interesses gerückt ist. Leider erweist sich die

Datenlage für diesen wichtigen Aspekt als sehr

dürftig, vergleichbar nur noch mit den Mitteln

des Wohlfahrtsstaates. Unter den vom WME-

Projekt recherchierten Arbeiten findet sich

überhaupt nur eine (DEHLINGER/BRENNECKE

1992), die entsprechende Indikatoren berück-

sichtigt. Mit der Einschätzung der Beitragsbela-

stung durch die Krankenversicherung und die

Alterssicherung handelt es sich genauer gesagt

um Indikatoren zur spezifischen Finanzierung.

Obwohl die von den Autoren verwendeten

(SOEP-)Daten bereits aus dem Jahr 1987 stam-

men und insofern für diesen Literaturüberblick

eigentlich irrelevant sind, sollen die Ergebnisse

angesichts der großen Bedeutung des Finanzie-

rungsaspektes für die aktuelle Krisendiskussion

kurz vorgestellt werden. DEHLIN-

GER/BRENNECKE ermitteln für beide Sozialver-

sicherungen eine Mehrheit der Westdeutschen,

die die Beiträge als angemessen einstuft, wobei

dieser Anteil für die Alterssicherung (61,4%)

etwas höher ausfällt als für die Krankenversi-

cherung (55,4%). Der Anteil derjenigen, die die

Beitragsbelastung als zu hoch beurteilen, fällt

für die Krankenversicherung mit exakt einem

Drittel der Befragten höher aus als für die Ren-

tenversicherung (24,2%), als zu niedrig werden

die Beiträge in beiden Fällen von weniger als

2% der Befragten eingestuft (DEHLIN-

GER/BRENNECKE 1992: 240).46

4.2. Determination wohlfahrtsstaatlicherEinstellungen

Das aus dem vorangegangenen Kapitel 4.1 be-

kannte Problem einer unzureichenden, dem

breiten Indikatoren-Spektrum des WME-

Projektes nicht gerecht werdenden Datenlage

trifft auf den hier angestrebten empirischen

Überblick zur Determination wohlfahrtsstaatli-

cher Einstellungen noch in stärkerem Maße zu,

da die entsprechenden Studien nun zusätzlich

auf Indikatoren für die interessierenden Erklä-

rungsansätze überprüft werden müssen. Bereits

die Beschränkung auf die Frage nach den von

der empirischen Forschung zu Einstellungen

zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat bisher

untersuchten Determinanten offenbart Proble-

me.

Aus Tabelle 2, die einen Überblick über in den

letzten 15 Jahren veröffentlichte Arbeiten gibt,

sind zunächst einmal die Arbeiten „auszusortie-

ren“ , die sich auf rein deskriptiver Ebene mit

dem Thema befassen, also überhaupt keine De-

terminanten der Unterstützungsbereitsschaft

berücksichtigen (z.B. BUHLMANN/MAU 1996,

KRÜGER 1993, ZAPF 1987).

46 Dieses angesichts der höheren Beitragssätze zur Renten-versicherung bemerkenswerte Ergebnis wird von den Auto-ren im übrigen mit dem Hinweis auf die empirisch bestä-tigte „unzureichende Kenntnis der Bürger über die tatsäch-lichen Beitragssätze“ erklärt (DEHLINGER/BRENNECKE

1992: 240).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 41

Nur wenig interessanter für unsere Zwecke sind

Arbeiten, die eine unbegründete Indikatoren-

auswahl treffen und insofern nur einen implizi-

ten Theorietest durchführen (z.B. ALBER 1986,

KAASE et al. 1987, RINNE/WAGNER 1995a,

1995b). Unter den Arbeiten, die einen expliziten

Theorietest durchführen, also einen Anspruch

auf die Vollständigkeit der Indikatoren erhe-

ben47, sind vor allem die Arbeiten für das WME-

Projekt interessant, die ein ähnlich breites 47 Die Unterscheidung zwischen einem expliziten undeinem impliziten Theorietest ist bisweilen problematisch,da der Anspruch auf eine vollständige Indikatorenliste vonden Autoren nicht immer in aller Deutlichkeit formuliertwird. Darüber hinaus werden in einigen Arbeiten, die einen(expliziten oder impliziten) Test des Self-interest-Ansatzesdurchführen (z.B. DEHLINGER/BRENNECKE 1992,RINNE/WAGNER 1995a, 1995b), Sozialisations-Indikatorenals Kontrollvariablen verwendet. Als Konsequenz ausdiesen beiden Problemen werden die („ fließenden“) Gren-zen zwischen den verschiedenen Vorgehensweisen inTabelle 2 durch unterschiedliche Schattierungen darge-stellt.

Spektrum von Determinanten wohlfahrtsstaatli-

cher Einstellungen abdecken. Allerdings zeigt

Tabelle 2, daß sich die Forschung hierzulande

bisher primär auf den Self-interest-Ansatz kon-

zentriert hat, während den anderen Determi-

nanten eher wenig Beachtung geschenkt wur-

de.48 Für die Zwecke dieses Arbeitspapieres

erscheinen deshalb nur wenige Arbeiten aus

Tabelle 2 geeignet. Zwei davon (GANGL 1997,

ROLLER 1997) werden im folgenden im Hin-

blick auf das ihnen zugrundeliegende Kausal-

modell sowie ihre Ergebnisse vorgestellt.49 In

die Entscheidung für diese beiden Arbeiten

flossen gemäß der eingangs dieses Kapitels 48 Die Konzentration auf den Self-interest-Ansatz istROLLER zufolge ein grundsätzliches Kennzeichen dernationalen wie internationalen Forschung zu wohlfahrts-staatlichen Einstellungen (ROLLER 1992: 48).49 Eine vollständige Übersicht über die Operationalisierun-gen GANGLs wie ROLLERs findet sich im Anhang.

Tabelle 2: Untersuchte Determinanten in empirischen Studien zu Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

Autoren

Untersuchte Determinanten: AL

BE

R (1

986)

BU

HL

MA

NN

/MA

U (1

996)

DE

HL

ING

ER/B

RE

NN

EC

KE

(199

2)

GA

NG

L (1

997)

HU

SEB

Y (1

995)

KA

ASE

et a

l. (1

987)

KL

EE

BA

UR

(199

1)

KL

EIN

/SC

HIL

LIN

G (1

994)

KL

UE

GE

L/M

IYA

NO

(199

5)

KR

ÜG

ER

(199

3)

MA

U (1

997)

PET

TE

RSO

N (1

995)

RIN

NE/W

AG

NE

R (1

995

a,b)

RO

LL

ER

(199

2)

RO

LL

ER

(199

5b)

RO

LL

ER

(199

6a)

RO

LL

ER

(199

7)

RO

LL

ER/W

EST

LE

(198

7)

ZA

PF (1

988)

KulturelleIntegrationKultur-

theoretischerAnsatz Differentielle

Sozialisation

Strukturtheore-tischer Ansatz

Self-interest

WahrnehmungSozialeUngleichheit

Bewertung

Quelle: Eigene Darstellung Legende: Impliziter Theorietest Expliziter Theorietest

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 42

geschilderten Problematik auch das Spektrum

der berücksichtigten Dimensionen wohlfahrts-

staatlicher Einstellungen und - angesichts der

Konzentration des WME-Projektes auf das wie-

dervereinigte Deutschland - der Erhebungszeit-

punkt der Daten (vgl. Tabelle 1) ein.50

4.2.1. GANGL: „ Ansprüche an den Wohl-fahrtsstaat in den alten und neuenBundesländern“ (1997)

An GANGLs Arbeit „Ansprüche an den Wohl-

fahrtsstaat in den alten und neuen Bundeslän-

dern“ (GANGL 1997) ist neben der Vielzahl

berücksichtigter Determinanten wohlfahrts-

staatlicher Einstellungen (vgl. Schaubild 13) vor

allem der Rückgriff auf explizite Indikatoren für

Gerechtigkeitsvorstellungen bemerkenswert.51

Der Autor betrachtet Gerechtigkeitsvorstellun-

gen als im Hinblick auf den Wohlfahrtsstaat

zentralen Aspekt allgemeiner Überzeugungen

und Werthaltungen, die er unter dem Oberbe-

griff der Wertorientierungen zusammenfaßt.

GANGL unterscheidet zwischen dem Lei-

stungsprinzip bzw. der Vorstellung des „econo-

mic individualism“ auf der einen Seite und

Gleichheits- und Bedarfsprinzip, von ihm auch

als Gedanke der „social equality“ bezeichnet,

auf der anderen Seite (GANGL 1997: 172).

Letztere räumen jedem Gesellschaftsmitglied

das Grundrecht eines akzeptablen, durch kol-

lektive Verantwortung und staatliches Handeln

zu sichernden Lebensstandards ein, während die

Leistungsgerechtigkeit allein die individuelle

Leistung jedes Einzelnen als ursächlich für per- 50 Vor allem letzterer Punkt sprach gegen die Diskusssionder hinsichtlich der berücksichtigten Determinanten gera-dezu vorbildlichen Arbeit von KLEEBAUR (1991), die aufISSP-Daten von 1987 basiert.51 Außer bei GANGL ist dies in der Forschung zu Einstel-lungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat unserenRecherchen zufolge nur noch bei KLEEBAUR (1991) undKLUEGEL/MIYANO (1995) der Fall.

sönliches Wohlergehen sehen möchte. Darüber

hinaus erwartet GANGL eine parteipolitische,

grundsätzlich nach linken und rechten Parteien

zu differenzierende Strukturierung der Unter-

stützung des Wohlfahrtsstaates.52

Als weiteren Einflußfaktor untersucht GANGL

Interessenorientierungen, die der hier als Self-

interest-Ansatz diskutierten Erklärung entspre-

chen, da sie den Gesellschaftsmitgliedern ein

materielles Eigeninteresse an wohlfahrtsstaatli-

chen Leistungen unterstellen (GANGL 1997:

171). Positiv hervorzuheben ist das breite Spek-

trum berücksichtigter Indikatoren, das sowohl

objektive Aspekte, wie den Erwerbsstatus, das

Haushaltseinkommen, die Klassenlage (nach

dem Klassenindex von GOLDTHORPE) und das

Humankapital (schulische und berufliche Bil-

dung), als auch subjektive Aspekte, wie die 52 Hierbei stellt sich selbstverständlich die Frage nach derEignung der Parteipräferenz als Indikator für Wertorientie-rungen, da gerade die beiden „Volksparteien“ CDU undSPD heterogene, sich zum Teil auch überschneidendeSpektren von Wertorientierungen repräsentieren.

Schaubild 13: Kausalmodell von GANGL (1997)

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Wert-orientierungen

Interessen-orientierungen

Perzeptionen,Wahrnehmungen,Einschätzungen

Soziodemographie

SozialeInstitutionen

Quelle: Eigene Darstellung nach GANGL (1997: 171 f.)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 43

Einschätzung der gegenwärtigen und zukünfti-

gen eigenen wirtschaftlichen Lage und die Be-

fürchtung eines Stellenverlustes, überzeugend

abdeckt. Zu kritisieren ist in diesem Zusammen-

hang allenfalls die ausschließliche Interpretation

der Bildungsvariable als Indikator für Interes-

seneffekte (vgl. Kapitel 2.2).

Sozialisationseffekte im Sinne der beiden vom

WME-Projekt diskutierten kulturtheoretischen

Ansätze werden von GANGL explizit wie impli-

zit getestet. Zum einen verweist er auf den an

der Regionszugehörigkeit abzulesenden Einfluß

sozialer Institutionen, wodurch der Ansatz der

Kulturellen Integration Berücksichtigung findet.

Lediglich implizit kommt zum anderen der An-

satz der Differentiellen Sozialisation zum Tra-

gen, nämlich durch die Verwendung des Alters

und des Geschlechts als soziodemographische

(Kontroll-)Variablen sowie der Bildung als

Interessenvariable.

Ein letzter von GANGL untersuchter Einfluß-

faktor sind „Perzeptionen, Wahrnehmungen und

Einschätzungen der Bürger zur sozialen Situati-

on innerhalb der Gesellschaft“ (GANGL 1997:

172), hinter denen sich zwei verschiedene Er-

klärungen verbergen. Zum einen die Wahrneh-

mung sozialer Ungleichheit, die der Autor an-

hand der Einschätzung gesellschaftlicher Sta-

tuszuweisungsprozesse untersucht. Die Wahr-

nehmung askriptiver, auf der sozialen Herkunft

oder der Klassenzugehörigkeit beruhender Zu-

weisungen („ascription“ ) führt GANGL zufolge

zu Forderungen nach einem (stärkeren) wohl-

fahrtsstaatlichen Eingreifen, während die Wahr-

nehmung leistungsorientierter, auf den Fähig-

keiten der betroffenen Gesellschaftsmitglieder

beruhender Zuweisungen („achievement“ ) eher

Forderungen nach einem Nichteingreifen oder

Rückzug des Wohlfahrtsstaates hervorruft

(GANGL 1997: 172 f.). Mit dieser Argumentati-

on unterstellt der Autor allerdings einen gesell-

schaftlichen Konsens im Sinne einer einmütigen

Befürwortung von Chancengleichheit und Lei-

stungsprinzip. Den Ausführungen in Kapitel 2

zu strukturellen und kulturellen Differenzierun-

gen von Gerechtigkeitsvorstellungen ist von

einem derartigen Konsens gerade nicht auszu-

gehen, weshalb der angenommene Zusammen-

hang zu hinterfragen ist.53 Zum anderen berück-

sichtigt GANGL die Wahrnehmung der gesamt-

wirtschaftlichen Lage als Determinante wohl-

fahrtsstaatlicher Einstellungen, wobei er zwei

gegensätzliche Mechanismen für denkbar hält.

Einerseits verbessert eine positive Wirtschafts-

lage aufgrund größerer finanzieller Ressourcen

des öffentlichen Sektors die „Realisierungsfä-

higkeit“ wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen, zum

anderen ist aus Sicht einer antizyklischen, key-

nesianisch orientierten Steuerung des Wirt-

schaftsgeschehens gerade in Rezessions- und

Depressionsphasen ein verstärktes wohlfahrts-

staatliches Engagement vonnöten (GANGL 1997:

173; vgl. SIHVO/UUSITALO 1995b). Dement-

sprechend kann die Wahrnehmung einer guten

(bzw. schlechten) gegenwärtigen wie zukünfti-

gen gesamtwirtschaftlichen Lage - beide Aspek-

te werden von Gangl berücksichtigt (vgl. An-

hang) - zu positiven oder negativen wohlfahrts-

staatlichen Einstellungen führen.

Kritisch anzumerken an dem Kausalmodell

GANGLs ist die Vernachlässigung der hier in

53 Beispielsweise würde die Wahrnehmung askriptiverStatuszuweisungsprozesse einen Befürworter eben solcher- auf welchen Merkmalen auch immer basierenden - Zu-schreibungen wohl kaum zu Forderungen nach einem(stärkeren) wohlfahrtsstaatlichen Engagement veranlassen,da in diesem Fall das „Sein“ und das „Sollen“ überein-stimmen.

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 44

Kapitel 3.4 thematisierten Interdependenzen

zwischen den verschiedenen Determinaten

wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen. Allerdings

steht der Autor mit diesem Manko keineswegs

alleine da, vielmehr existiert unseren Recher-

chen zufolge keine Arbeit zu Einstellungen zum

bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat, die ein den

Interdependenzen angemessenes Pfadmodell

verwendet. Positiv hervorzuheben ist, daß

GANGL zumindest auf dieses Problem aufmerk-

sam macht, indem er auf einschlägige interna-

tionale Arbeiten (z.B. HASENFELD/RAFFERTY

1989, KLUEGEL/SMITH 1986) verweist.

Aus Sicht der WME-Konzeptualisierung wohl-

fahrtsstaatlicher Einstellungen werden in der

Arbeit GANGLs mit der Extensität und der In-

tensität die beiden Subdimensionen der Ziele

des Wohlfahrtsstaates betrachtet. Als Extensi-

täts-Indikatoren verwendet der Autor - der sich

im übrigen explizit auf die in Kapitel 2.2 disku-

tierte Konzeptualisierung ROLLERs bezieht -

zwei Fragen nach der Zustimmung zu einer

staatlichen Sicherung des Existenzminimums

sowie einer staatlichen Verantwortung für Ar-

beitsplätze und Inflation. Als Intensitäts-

Indikator findet eine Frage nach der Präferenz

für eine Kürzung, Beibehaltung oder Auswei-

tung der gegenwärtigen Sozialleistungen Ver-

wendung (GANGL 1997: 203; vgl. Anhang).

Im Rahmen logistischer Regressionsanalysen

ermittelt GANGL für alle postulierten Determi-

nanten empirisch signifikante Einflüsse.54 Als

54 Die Anwendung des Verfahrens der logitischen Regres-sion dient der Konzentration auf die positiven und negati-ven Extreme wohlfahrtstaatlicher Einstellungen. GANGL

macht allerdings darauf aufmerksam, daß von ihm ebenfallsdurchgeführte, aber nicht dokumentierte OLS-Regressionsmodelle, die graduelle Einstellungsabstufungenberücksichtigen, zu inhaltlich entsprechenden Ergebnissengeführt haben (GANGL 1997: 184).

am bedeutsamsten für die Frage der Extensität,

also der Zuständigkeit des Staates für die Reali-

sierung sozio-ökonomischer Sicherheit und

sozio-ökonomischer Gleichheit als Ziele des

Wohlfahrtsstaates, erweisen sich nahezu

gleichauf Interessen- und Wertorientierungen,

denen mit deutlichem Abstand Wahrnehmungs-

und soziodemographische Variablen folgen.55

Anders die Ergebnisse zur Frage der Intensität,

also dem gewünschten Ausmaß der Realisierung

der genannten Ziele bei gegebener staatlicher

Zuständigkeit. Hier dominieren eindeutig die

soziodemographischen Variablen, gefolgt von

Wert- und Interessenorientierungen, während

die Wahrnehmungsvariablen noch einmal deut-

lich dahinterliegen (GANGL 1997: 186). Leider

umfaßt der Block der soziodemographischen

Variablen in GANGLs Analysen auch die Regi-

onszugehörigkeit, so daß der Einfluß einer do-

minanten Gerechtigkeitsideologie (Ansatz der

Kulturellen Integration) von Einflüssen diffe-

rentieller Sozialisationsmuster nicht auseinan-

derzuhalten ist. Allerdings weisen die geringen

Effekte der soziodemographischen Variablen in

nach Erhebungsgebieten getrennten Analysen,

die ebenfalls durchgeführt werden, auf eine

große Erklärungsleistung der Regionszugehö-

rigkeit und somit des Ansatzes der Kulturellen

Integration hin (GANGL 1997: 188).

Neben der Erklärungsleistung der verschiedenen

Variablenblöcke analysiert GANGL auch die

relative Bedeutung der konkreten Indikatoren.

Als besonders einflußreiche Variablen der In-

teressenorientierung erweisen sich - unabhängig

von der betrachteten Dimension wohlfahrts-

staatlicher Einstellungen - die Bildung, das 55 Quelle dieser Aussagen sind die Likelihood-Ratio-Testsund P2-Werte von Teilmodellen, die GANGL für jede Varia-blengruppe durchführt (GANGL 1997: 184 f.).

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 45

Haushaltseinkommen und die Klassenzugehö-

rigkeit: Ein hoher Ausbildungsstand, ein hohes

Einkommen und (berufliche) Selbständigkeit

führen zu einer generell geringeren Befürwor-

tung wohlfahrtsstaatlicher Ziele. Von geringerer

Bedeutung sind jeweils die Einschätzung der

gegenwärtigen und der zukünftigen persönli-

chen wirtschaftlichen Lage, während von der

Befürchtung des Stellen- oder Betriebsverlustes

überhaupt kein Effekt ausgeht. Bedarfs- und

Leistungsorientierung erweisen sich grundsätz-

lich als äußerst einflußreiche Variablen. Bei der

Parteipräferenz stellen sich CDU-, FDP- und

Republikaner-Anhänger als tendenzielle Gegner

des Wohlfahrtsstaates heraus. Von den Perzep-

tionsvariablen ist vor allem die subjektive Ein-

schätzung des sozialen Statuszuweisungsprozes-

ses von Bedeutung. Aus den etwas geringeren

Einflüssen der Einschätzung der gegenwärtigen

und zukünftigen wirtschaftlichen Lage der Bun-

desrepublik leitet GANGL eine antizyklische

Verbindung zwischen wohlfahrtsstaatlichem

Handeln und wirtschaftlicher Lage ab. Zwi-

schen West- und Ostdeutschen bestehen

schließlich deutliche Unterschiede in den Ein-

stellungen zum Wohlfahrtsstaat, die auch bei

Einbeziehung aller anderen erklärenden Varia-

blen nicht verschwinden. Darüber hinaus erwei-

sen sich Frauen und Jüngere als tendenzielle

Befürworter wohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen.

Die Ergebnisse GANGLs zeigen, daß zumindest

im Hinblick auf die Aspekte der Extensität und

der Intensität die vom WME-Projekt postulier-

ten Determinanten eigenständige Einflüsse auf

wohlfahrtsstaatliche Einstellungen besitzen. Es

bleibt jedoch die Frage nach den Konsequenzen

der vom WME-Projekt angestrebten Verwen-

dung eines Kausalmodells mit weiteren Deter-

minanten und alternativen Operationalisierun-

gen für die Stabilität dieser Effekte.

4.2.2. ROLLER: „ Sozialpolitische Orientie-rungen nach der deutschen Vereini-gung“ (1997)

Im Mittelpunkt von ROLLERs Arbeit „Sozialpo-

litische Orientierungen nach der deutschen Ver-

einigung“ (ROLLER 1997) stehen die Ansätze

der „Sozialisation durch system-interne Struktu-

ren“ und der „Situationsspezifischen Reaktion“

(vgl. Schaubild 14).

Das ROLLERsche Modell der system-internen

Sozialisation entspricht dem kulturtheoretischen

Ansatz der Kulturellen Integration, da es auf die

Auswirkungen der Sozialisation in unterschied-

lichen Gesellschaftssystemen verweist (ROLLER

1997: 136).56 Allerdings berücksichtigt ROLLER

darüber hinaus mit dem Alter, dem Geschlecht

und der Bildung auch Indikatoren für den kul-

turtheoretischen Ansatz der Differentiellen So-

zialisation, wenn sie auch die zu erwartenden

Effekte auf wohlfahrtsstaatliche Einstellungen

nicht expliziert. Da alle drei Indikatoren zu-

gleich für Effekte im Sinne des Modells der

situationsspezifischen Reaktion57, also für sozio-

ökonomische Interessen, stehen, werden sie von

ROLLER - analog zum Vorgehen des WME-

Projektes - einem Block soziodemographischer

Variablen zugeordnet. Als genuine Interessen-

56 In einer unveröffentlichten Vorabversion ihres 1997er-Aufsatzes definiert ROLLER das Modell wie folgt: „Das [...]Modell der Sozialisation durch system-interne Strukturengeht davon aus, daß die grundlegenden institutionellenArrangements, in denen Individuen aufwachsen, die indi-viduellen Orientierungen bestimmen. Je länger die Indivi-duen mit bestimmten institutionellen Arrangements kon-frontiert sind, desto effektiver ist die Sozialisation in diedazu kongruente Kultur“ (ROLLER 1996b: 10).57 „Das [...] Modell der situationsspezifischen Reaktionunterstellt, daß [wohlfahrtsstaatliche, T.H.] Orientierungeneine unmittelbare Reaktion auf bestimmte Situationendarstellen, zum Beispiel auf soziale und ökonomischeUnsicherheit“ (ROLLER 1996b: 10).

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 46

variablen, die nur Einflüsse im Sinne des Ansat-

zes der situationsspezifischen Reaktion messen,

betrachtet ROLLER die subjektiv wahrgenom-

mene gegenwärtige persönliche ökonomische

Lage, das Haushaltseinkommen sowie die Ab-

hängigkeit von Sozialleistungen. Letztere er-

mittelt sie über die Zugehörigkeit zur Gruppe

der Arbeitslosen, Kurzarbeiter und Rentner bzw.

Pensionäre. Als Indikator für den Ansatz der

Kulturellen Integration wird im Gegensatz zum

WME-Projekt nicht die Regionszugehörigkeit

(Ost-West-Variable) herangezogen, was auf

ROLLERs Stichprobenkonstruktion zurückzufüh-

ren ist. Aufgrund der im Rahmen dieses Ar-

beitspapieres bereits diskutierten Probleme bei

der Verwendung einer einzigen Stichprobe für

West- und Ostdeutsche und der Ermittlung von

Sozialisationseffekten anhand der Regionszuge-

hörigkeit (vgl. Kapitel 2.2), arbeitet ROLLER mit

zwei getrennten Stichproben (ROLLER 1996b:

28f.). Dadurch muß sie zwangsläufig eine alter-

native Spezifikation der Sozialisationsfaktoren

vornehmen. ROLLER löst dieses Problem, indem

sie mit den Sozialismus-Befürwortern und den

PDS-Anhängern zwei Gruppen identifiziert, für

die eine besonders erfolgreiche DDR-Sozia-

lisation unterstellt werden kann. Der entschei-

dende Nachteil der von ROLLER gewählten Vor-

gehensweise besteht darin, daß sie nur Unter-

schiede innerhalb der jeweiligen Stichprobe,

also innerhalb der West- oder der Ostdeutschen,

erklären kann, nicht jedoch Unterschiede zwi-

schen West- und Ostdeutschen (ROLLER 1996b:

28).

Ein grundsätzliches Manko der Arbeit ROLLERs

ist die knappe Indikatorenliste, die für die zu

testenden Erklärungsansätze vorgelegt wird.

Allerdings verweist die Autorin in diesem Zu-

sammenhang mehrmals auf die Restriktionen

des von ihr verwendeten Datensatzes, konkret

des ALLBUS 1994 (ROLLER 1997: 137 f.). Ein

zumindest aus Sicht des WME-Projektes weite-

res Manko, das sich jedoch durch ein abwei-

chendes Forschungsinteresse ROLLERs plausibel

erklären läßt und insofern nicht der Autorin

angelastet werden kann, ist der Verzicht auf

explizite Indikatoren für Gerechtigkeitsvorstel-

lungen im Rahmen des Kausalmodells ihrer

Arbeit.

Als zu erklärende Dimensionen wohlfahrts-

staatlicher Einstellungen werden von ROLLER

neben den Aspekten der Extensität und Intensi-

tät die intendierten Folgen, also das Ausmaß, in

dem die Ziele sozio-ökonomische Sicherheit

und sozio-ökonomische Gleichheit realisiert

worden sind, berücksichtigt. Da die ersten bei-

den Aspekte bereits in der Arbeit von GANGL

behandelt wurden und ROLLER diesbezüglich zu

weitestgehend vergleichbaren Ergebnissen ge-

langt58, beschränken sich die folgenden Ausfüh- 58 Als einzige Besonderheit der Ergebnisse ROLLERs ist zuerwähnen, daß die genuinen Interessenvariablen für dieStichprobe der Ostdeutschen keinerlei signifikante Effekteauf die Extensität des Wohlfahrtsstaates zeigen (ROLLER

1997: 139).

Schaubild 14: Kausalmodell von ROLLER (1997)

Einstellungen zumWohlfahrtsstaat

Sozialisation durchsystem-interne

Strukturen

Situations-spezifische

Reaktion

Soziodemographie

Quelle: Eigene Darstellung nach ROLLER (1997: 135 f.)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 47

rungen auf den letztgenannten Aspekt. Als Indi-

kator intendierter Folgen verwendet ROLLER

eine Frage nach der Zufriedenheit mit der per-

sönlichen Alterssicherung oder der Sicherung

vor Invalidität und im Krankheitsfall (ROLLER

1997: 133; vgl. Anhang).

Die von ROLLER durchgeführten Regressions-

analysen ergeben für sämtliche postulierte De-

terminanten signifikante Einflüsse auf die in-

tendierten Folgen des Wohlfahrtsstaates, aller-

dings beschränken sich diese teilweise auf die

West- oder Ost-Stichprobe, die ROLLER be-

kanntlich unterscheidet. In den neuen Bundes-

ländern erweist sich den Regressionskoeffizi-

enten zufolge das Modell der situationsspezifi-

schen Reaktion als am erklärungskräftigsten. Es

folgt mit deutlichem Abstand das Modell der

systeminternen Sozialisation, während von den

soziodemographischen Variablen überhaupt

keine Effekte ausgehen (ROLLER 1997: 139).

Bemerkenswerterweise sind für die signifikan-

ten Einflüsse jeweils einzelne Indikatoren ver-

antwortlich, zum einen die subjektiv wahrge-

nommene persönliche wirtschaftliche Lage und

zum anderen die PDS-Anhängerschaft. Ein ähn-

liches Phänomen ist in den alten Bundesländern

zu beobachten, wo allein von der (soziodemo-

graphischen) Altersvariable und, nur knapp

dahinter, der Interessenvariable der subjektiv

wahrgenommenen persönlichen wirtschaftlichen

Lage signifikante Effekte ausgehen. Sozialisati-

onsfaktoren erweisen sich dagegen hier als

gänzlich ohne Einfluß.

Die Ergebnisse ROLLERs zeigen auch für den

Aspekt der nicht-intendierten Folgen des Wohl-

fahrtsstaates die Relevanz der vom WME-

Projekt postulierten Determinanten. Allerdings

gilt wie im Falle der Arbeit GANGLs, daß der

Vergleichbarkeit des Kausalmodells mit dem

des WME-Projektes Grenzen gesetzt sind.

5. Schlußbetrachtung

Im Rahmen dieses Arbeitspapiers ist zum einen

ein umfassendes Modell zur Erklärung wohl-

fahrtsstaatlicher Einstellungen entwickelt wor-

den. Zum anderen wurde vor diesem Hinter-

grund der gegenwärtige Stand der Forschung

zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat beleuch-

tet, um einen ersten Eindruck von den empiri-

schen Dimensionen der Thematik zu bekom-

men.

Die im Anschluß an die Diskussion ausgewähl-

ter allgemeiner Definitionen des Wohlfahrts-

staates erfolgte Überprüfung von Konzeptuali-

sierungen wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen

durch die bisherige Forschung hat gezeigt, daß

hierzulande mit Ausnahme des Konzeptes von

ROLLER (1992, 1997) ein deutliches, angesichts

der großen allgemeinen Bedeutung der Thema-

tik aber umso überraschenderes Defizit an ana-

lytischen Konzepten existiert. Der hier entwik-

kelte Vorschlag greift das Konzept ROLLERs

auf, modifiziert es - als Resultat der Diskussion

verschiedener internationaler Arbeiten - aber

auch in einigen Punkten. Konkret werden vom

WME-Projekt mit den Zielen, den Mitteln, den

Folgen und der Finanzierung des Wohlfahrts-

staates vier Einstellungsdimensionen unter-

schieden, die wiederum in verschiedene Subdi-

mensionen zu unterteilen sind. Auf der Grund-

lage dieses Vorschlages scheint ein umfassende

Erhebung wohlfahrtsstaatlicher Einstelllungen

möglich.

Hinsichtlich der von der Forschung zu Einstel-

lungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 48

bisher getesteten Kausalmodelle haben sich

ebenfalls Probleme offenbart. So ist vor allem

eine Konzentration auf einige wenige Determi-

nanten wohlfahrtsstaatlicher Einstellungen zu

konstatieren, darüber hinaus fehlt eine Diskus-

sion der fraglos existierenden Interdependenzen

zwischen einzelnen Determinanten hierzulande

völlig. Auch in diesem Punkt kann der Vor-

schlag des WME-Projektes einen kostruktiven

Beitrag leisten, da er zum einen mit Interessen-,

Sozialisations-, Wahrnehmungs- und Bewer-

tungsvariablen ein breites Determinantenspek-

trum berücksichtigt und zum anderen im Rah-

men eines Pfadmodells mögliche Interdepen-

denzen zwischen einzelnen Determinanten the-

matisiert.

Vor dem Hintergrund der beschriebenen kon-

zeptuellen Weiterentwicklungen überrascht es

nicht, daß die Ergebnisse der bisherigen For-

schung aus Sicht des WME-Projektes in einigen

Punkten lückenhaft sind. Inwieweit es gelingen

wird, diese Lücken zu schließen, ist angesichts

der Abhängigkeit des WME-Projektes von be-

reits existierendem Datenmaterial allerdings

fraglich.

Auf rein deskriptiver Ebene zeigen die vorlie-

genden Daten für das wiedervereinigte

Deutschland eine durchgehend hohe Zustim-

mung zu einer staatlichen Verantwortung für die

Realisierung der Ziele sozio-ökonomische Si-

cherheit und sozi-ökonomische Gleichheit, die

in den neuen Bundesländern sogar noch etwas

höher ausfällt als in den alten Bundesländern.

Auch im Hinblick auf das gewünschte Ausmaß

der Realisierung der beiden Ziele sind deutliche

Unterschiede zu registrieren. Während die

Westdeutschen tendenziell mit dem status quo

zufrieden sind, plädieren die Ostdeutschen eher

für eine Ausweitung des Wohlfahrtsstaates.

Mögliche Ursachen dieser Differenzen sind auf

der Ebene der Folgen des Wohlfahrtsstaates zu

finden, für die ebenfalls in ausreichendem Um-

fang Daten vorliegen. In den alten Bundeslän-

dern fällt die Zufriedenheit mit den beabsich-

tigten Folgen des Wohlfahrtsstaates wesentlich

höher aus als in den neuen Bundesländern, wäh-

rend sich die Situation für die unbeabsichtigten

Folgen genau umgekehrt darstellt. Für die Di-

mensionen der Mittel und der Finanzierung des

Wohlfahrtsstaates liegen dagegen kaum veröf-

fentlichte Zahlen vor, so daß für Aussagen zu

diesen Aspekten die Datenrecherchen und -ana-

lysen des WME-Projektes abzuwarten bleiben.

In der Frage der Erklärung wohlfahrtsstaatlicher

Einstellungen haben sich schließlich die vom

WME-Projekt postulierten Determinanten inso-

fern bewährt, als sie in den hier diskutierten

Arbeiten statistische Signifikanz erlangt haben,

wenn auch bisweilen beschränkt auf einzelne

Indikatoren. Für weitergehende Aussagen sind

allerdings auch in diesem Punkt die eigenen

Analysen des WME-Projektes abzuwarten, da

die zum Teil erheblichen Unterschiede zwischen

den Kausalmodellen nur sehr begrenzte Schlüs-

se zulassen.

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

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WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 54

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Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

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Anhang

a) GANGL (1997)

Abhängige Variablen:

Extensität (global)Staatliche Sicherung des Existenzminimums„Der Staat muß dafür sorgen, daß man bei Krankheit,Not, Arbeitslosigkeit und im Alter ein gutes Aus-kommen hat“

Staatliche Verantwortung für Arbeitsplätze und In-flation„Der Staat muß dafür sorgen, daß jeder Arbeit hatund die Preise stabil bleiben, auch wenn die Freihei-ten der Unternehmer eingeschränkt werden müssen“

Intensität (global)Ausweitung/Abbau des bestehenden Sozialsystems„Sollten die Sozialleistungen in Zukunft ausgeweitetwerden oder sollte es so bleiben, wie es ist, odersollte man die Sozialleistungen kürzen“

Unabhängige Variablen:

Interessenor ientierungenErwerbsstatus

Bildungsjahre (Zahl der Schuljahre + Regeldauer derweiteren Berufsausbildung bzw. des Studiums)

Klassenzugehörigkeit (GOLDTHORPE-Klassenschema)

Netto-Haushaltseinkommen

Einschätzung der gegenwärtige persönlichen wirt-schaftliche Lage

Einschätzung der zukünftige persönlichen wirt-schaftlichen Lage

Befürchtung des Stellen- oder Betriebsverlustes

Wertor ientierungenBedarfs- vs. Leistungsorientierung„Das Einkommen sollte sich nicht allein nach derLeistung jedes einzelnen richten. Vielmehr solltejeder das haben, was er mit seiner Familie für einanständiges Leben braucht“„Nur wenn die Unterschiede im Einkommen und imsozialen Ansehen groß genug sind, gibt es auch einenAnreiz für persönliche Leistungen“„Die Rangunterschiede zwischen den Menschen sindgerecht, weil sie im wesentlichen ausdrücken, wasman aus den Chancen, die man hatte, gemacht hat“

Parteipräferenz

(Fortsetzung siehe folgende Seite)

WME-Arbeitspapier Nr. 2 Thorsten Heien

Seite 56

Perzeptionen/Restr iktionenSozial selektive Statuszuweisung„ In Deutschland bestehen noch die alten Gegensätzezwischen Besitzenden und Arbeitenden. Die persön-liche Stellung hängt davon ab, ob man zu der oberenoder unteren Klasse gehört“„ In Deutschland gibt es noch große Unterschiedezwischen den sozialen Schichten, und was man imLeben erreichen kann, hängt im wesentlichen davonab, aus welchem Elternhaus man kommt“„Deutschland ist eine offene Gesellschaft. Was manim Leben erreicht, hängt nicht mehr vom Elternhausab, aus dem man kommt, sondern von den Fähigkei-ten, die man hat, und der Bildung, die man erwirbt“

Einschätzung der gegenwärtigen wirtschaftlichenLage der Bundesrepublik

Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Lageder Bundesrepublik

DemographieGeschlecht

Alter

Staatsangehörigkeit

Erhebungsgebiet (Wets/Ost)

Datensatz:

ALLBUS 1994

b) ROLLER (1997)

Abhängige Variablen:

Extensität (global)Leistungs- vs. Bedürfnisprinzip a, b, c

„Das Einkommen sollte sich nicht allein nach derLeistung jedes einzelnen richten. Vielmehr solltejeder das haben, was er mit seiner Familie für einanständiges Leben braucht“

„Gesellschaft, in der man leben möchte ...“„Eine Gesellschaft, in der der Lebensstandard deseinzelnen in erster Linie von seiner Leistung ab-hängt“ vs. „Eine Gesellschaft, die dem einzelneneinen gewissen Lebensstandard sichert, auch wenn erweniger leistet“

Extensität (bereichsspezifisch)Einkommenssicherung a, b, c

„Gesellschaft, in der man leben möchte ...“„Eine Gesellschaft, in der der einzelne Bürger eherselbst für Alter und Krankheit vorsorgt“vs. „Eine Gesellschaft, in der der Staat die Vorsorgefür Alter und Krankheit des einzelnen übernimmt“

„Der Staat muß dafür sorgen, daß man auch beiKrankheit, Not, Arbeitslosigkeit und im Alter ein

gutes Auskommen hat“

Zuständigkeit für verschiedene Aufgabenbereiche d, e

(1-5: Ziele sozio-ökonomischer Sicherheit; 6-7: Zielesozio-ökonomischer Gleichheit)

„Der Staat sollte verantwortlich sein für ...

1) die gesundheitliche Versorgung für Kranke,2) einen angemessenen Lebensstandard für alte

Menschen,3) einen angemessenen Lebensstandard für Arbeits-

lose,4) eine angemessene Wohnung für diejenigen, die es

sich finanziell nicht leisten können5) eine Arbeitsplatzgarantie,6) die finanzielle Unterstützung für Studenten aus

einkommensschwachen Familien,7) den Abbau der Einkommensunterschiede“

Intensität (global)Ausweitung vs. Kürzung der Sozialleistungen b

„Die Sozialleistungen sollten ausgeweitet werden/sobleiben wie bisher/in Zukunft gekürzt werden“

Intendier te FolgenBeurteilung der intendierten Folgen des Sozialstaa-tes b, f

„Wie ist es mit Ihrer persönlichen Alterssicherungoder Sicherung vor Invalidität und im Krankheitsfall?Fühlen Sie sich ausreichend oder nicht ausreichendgesichert?“„Wenn Sie an die Zeit in der DDR vor der Wendedenken. Geht es Ihnen dann heute in bezug auf ihresoziale Sicherheit besser als damals/kein Unter-schied/schlechter als damals?“

Nicht-intendier te NebenfolgenWahrgenommener Umfang des Mißbrauchs vonSozialleistungen f

„Es gibt bei uns einen Mißbrauch von Sozialleistun-gen wie z.B. Arbeitslosengeld und Sozialhilfe in sehrgroßem Umfang/in großem Umfang/in nicht so gro-ßem Umfang/fast überhaupt nicht“

Unabhängige Variablen:

SozialisationSozialismus-Befürwortung

Parteianhängerschaft

Stuationsspezifische ReaktionPersönliche wirtschaftliche Lage

Abhängigkeit von Sozialleistungen

Haushaltseinkommen

(Fortsetzung siehe folgende Seite)

Einstellungen zum bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat WME-Arbeitspapier Nr. 2

Seite 57

DemographieGeschlecht

Alter

Bildung

Datensätze:a ALLBUS 1991; b ALLBUS 1994; c Aktuelle Fragenzur Innenpolitik (1990, 1991, 1992, 1993, 1995);d ISSP 1990; e KSPW 1995; f Politbarometer (1992,1993, 1994)