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06.07.2004 Familienpolitik in Belgien 1

Familienpolitik in Belgien


BelgienGröße: 30.528 qkmHauptstadt: BrüsselBevölkerung: ca. 10 Mio. Einwohner (337 Einwohner pro qkm)Landessprachen: niederländisch, französisch, deutschStaats-/Regierungsform: bundesstaatlichorganisierte parlamentarische Monarchie. Religion: überwiegend katholisch


Soziokultureller Hintergrund- Belgien-

• Alte geographische Linie trennt Belgien in zwei unterschiedliche Sprachräume: germanischer im Nordenwesten (Flandern - Niederländisch), romanischer im Südosten (Wallonien - Französisch)

• Ein Einheitsstaat wurde erst 1830 gebildet mit der offiziellen Landessprache Französisch aus der sprachlichen wurde eine soziale Trennungslinie: Herrschaftselite war insgesamt frankophon.


Wirtschaftlicher Hintergrund- Belgien-

• Zunächst profitierte Wallonien, das durch Bergbau und Eisengewinnung reich war, mehr durch die Industrialisierung als Flandern, das zwar früher wohlhabend, aber ländlich geblieben war.

• Flandern, demographisch zahlreicher, industrialisierte sich seinerseits in der ersten Hälfte des 20. Jh., so dass es schließlich reicher wurde als Wallonien, dessen Reichtümer aus Bergbau und Eisengewinnung sich langsam erschöpften.

• Konflikt spitzte sich jedoch vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders ab den 60er Jahren zu, nämlich durch die Entstehung der rivalisierenden föderalistischen Parteien (christlich-sozial, liberal und sozialistisch), die sich ihrerseits aufgrund ihrer sprachlichen Zugehörigkeit spalteten.


Belgien – ein föderaler Staat


Belgien – ein föderaler StaatFöderalstaat

Außenpolitik, zum Teil Innenpolitik, Verteidigung, Justiz, Finanzen, Gesundheitssystem, Sozialsystem

3 Gemeinschaften: flämische, französische, deutsche (primär sprachgebundene Kultureinheiten)

Kultur- und Sprachpolitik, Medien, Bildungswesen

3 Regionen: Wallonien, Flandern, Brüssel-Stadt (primär wirtschaftliche Einheiten)

territorial gebundene Angelegenheiten wie z.B. Raumordnung, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik


Soziodemographie

Familiäre Voraussetzungen für familienpolitische Maßnahmen


Scheidungsquote (pro 1.000 Einwohner)

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

1980 1985 1990 1995 2000

Pro

zent

BelgiumGermanyItalySwedenUK

Quelle: UN (1990-2002), Stat.BA (2001, 2002)


Anteil familienpolitischer Leistungen am BSP, 2001

0

1

2

3

4

5

6

1980 1985 1990 1995

Proz

ent

Belgium

Germany

Italy

Sweden

UK

Quelle:

OECD (2001)


0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

1980 1985 1990 1995 2000

Pro

zent

Belgium

Germany

Sweden

UK

Anteil Kindergeld am Monatseinkommen

Quelle: ILO, MZES, Nat.Stat.Onl. (versch. Jahre)


Familienpolitische Leistungen


Mutterschaftsurlaub und Mutterschaftsgeld

Gesetzlich garantierter Mutterschaftsurlaub von insgesamt 15 Wochen, davon obligatorisch mindestens 1 Woche vor der Entbindung und 8 Wochen nach der Entbindung (Deutschland 14 Wochen 6 vorher 8 nachher)

Während in Deutschland ein Mutterschaftsgeld in Höhe des vollen Arbeitsentgeltes gewährt wird, wird in Belgien für Angestellte in den ersten 4 vier Wochen 79,5%, in der 5.-14. Woche 75% und in der 15. Woche 60% des Arbeitsentgelts gezahlt; für Beamtinnen 100% des Arbeitslohnes und für Selbständige eine Einmalzahlung von 943 €

Den Müttern steht eine Arbeitsplatzgarantie und 1 Monat über dieDauer des Mutterschaftsurlaubs hinausgehender Kündigungsschutz zu (in Deutschland 4 Monate).


Entbindungsgeld und Adoptionsprämie

Entbindungsgeld für das 1. Kind: 964 €, für weitere Kinder 726 € (Stand 2001)

Adoptionsprämie: 964 €


Es gibt in Belgien keinen spezifischen Elternurlaub, aber eine sogenannteLaufbahnunterbrechung, d.h. eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für ArbeitnehmerInnen. ArbeitnehmerInnen können in Belgien erst seit dem Jahre 1985 in Absprache mit ihrem Arbeitgeber eine Laufbahnunterbrechung von längstens einem Jahr bis zu fünf Mal während ihres Erwerbslebens in Anspruch nehmen.

Der Anspruch auf Laufbahnunterbrechung besteht seit dem Jahre 1991 auch für den Vater, wenn die Mutter im Krankenhaus liegt bzw. verstorben ist.

Die Tatsache, dass die Laufbahnunterbrechung nicht an Geburt und Erziehung des Neugeborenen gekoppelt ist, stellt die Vergleichbarkeit mit der Elterzeit-Regelung in Deutschland in Frage.

Im öffentlichen Sektor wird unabhängig vom Einkommen des Beschäftigten während der Laufbahnunterbrechung eine Entlohnung von 260€ bei einem, 310€ bei zwei und 359€ bei drei Kindern als Fixbetrag gewährt. Bezahlt wird dieser Betrag aus der Arbeitslosenversicherung, jedoch mit der Auflage, die freigewordene Stelle von einem Arbeitslosen zu besetzen.

Laufbahnunterbrechung


KinderbetreuungLange Tradition der institutionellen Kinderbetreuung für Klein- und Schulkinder in Belgien verbunden mit einer hohen sozialen Akzeptanz.

Gut ausgebaute Infrastruktur zur Kinderbetreuung mit kontrollierter Qualität(Verband „Kind & Gezin“)

Betreuung für Babys und Kleinkinder in familialer Atmosphäre oder im Gruppenverband: selbständige Tagesmütter, Krippen, Kindertagesstätten (Preis: je nach Einkommen, jedoch maximal 11,20 € pro Tag)

Vorschule und außerschulische Betreuung

Betreuung von kranken Kindern

Entstandene Kosten für Kinderbetreuung können steuerlich abgesetzt werden (11,20 € pro Tag pro Kind). Falls (fast) keine Kinderbetreuungskosten anfallen, wird ein Kinderfreibetrag gewährt.

Während in einigen europäischen Ländern Kinderbetreuung als Privatsache angesehen wird, gilt sie in Belgien als eine öffentliche Angelegenheit und damit als wichtiger Teil der Familienpolitik (u.a. auch um sprachliche, kulturelle und religiöse Identität der jeweiligen Gemeinschaft an die Kinder weiterzugeben).


Anteil der Kinder, der eine Betreuungseinrichtung besucht (2000), in Prozent


KindergeldzahlungenDifferenziertes Kindergeldsystem

mit Geburtsrang steigend:

1. Kind 71 €, 2. Kind 132 €, 3. Kind und folgende 197 €

mit Alter steigend (3 Alterskategorien)

6-12 Jährige 25€, 12-18 Jährige 39€, ab 18 Jahre 49 €

Kindergeld für Waisen: 279 €

Soziale Zulagen für Kinder von Arbeitslosen (ab dem 7. Monat) und von Rentnern:

1. Kind 37 €, 2. Kind 23 €, 3. Kind und folgende 4 €

Weitere ergänzende Zulagen, z.B. für behinderte Kinder

regelmäßige Anpassung an Preisentwicklung


Familienbezogene Steuervergünstigungen, 2000


Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung von Familien

Kindbezogene steuerliche Entlastungen wiederum nach Geburtsrang gestaffelt (1. Kind 967€, 2. Kind 1487€, 3. Kind 3074€, 4. Kind und folgende 3421€).

Eltern mit Kinder bis 3 Jahren können zusätzlich den effektiv für die Kinderbetreuung gezahlten Betrag (Obergrenzen 11,20 € pro Tag) von ihrem versteuerbaren Einkommen absetzen, alternativ wird ihnen ein Pauschalbetrag von 273 € gewährt.

Kinder mit einer Behinderung von mind. 66% werden doppelt gerechnet.

Im Falle der Versorgung unterhaltsberechtigter Personen: Freibetrag 967€

Für Verheiratete: Für Ehegatten mit zwei Einkommen ist getrennte Veranlagung möglich, so dass jeder der beiden Partner die Steuerfreibeträge ausnutzen kann. Für Familien mit einem Verdiener, d.h. der Ehepartner erwirtschaftet weniger als 30% des Familieneinkommens, ist eine gemeinsame Veranlagung vorgesehen.


Erwerbsmuster von Paarhaushalten mit Kindern unter 6 Jahren, 1999

Quelle: OECD Employment Outlook 2001


Das implizite Konzept der Familienpolitik in Belgien beruht auf der Idee der Familie als „soziale Gruppe“. Merkmale der Familienkonstellation sind von entscheidender Bedeutung für die Bemessung von Leistungen.

Familienmodalisation ist ein typisches Kennzeichen des belgischen Sozialversicherungssystems, das ein sehr effektives Instrument für die Bereitstellung von Einkommenssicherheit für wehrlose Gruppen zu sein scheint; auf der anderen Seite stellen sie aber kaum emanzipatorische Maßnahmen (aufgrund der negativen Anreize für Frauen, in den Arbeitsmarkt einzutreten).

Belgien setzt auf ein Konzept, das auf ein zeitliches Nebeneinander von Familie und Beruf, vor allem in Vollzeitform, ausgerichtet ist. Deutschland ist demgegenüber Vertreter eines Nacheinander von Beruf und Familie.

Belgien fördert zwar die Berufstätigkeit von Müttern, was aber nicht der Chancengleichheit dient, sondern der Stärkung des familiären Systems und auch demografischen Interessen.

Fazit

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