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download Metalog zur Familienpolitik - oliverkoenig- · PDF fileFamiliendynamik 32, 2007, 131–152 Oliver König und Tomke König, Köln Metalog zur Familienpolitik Schlüsselwörter: Familienpolitik

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  • Familiendynamik 32, 2007, 131152

    Oliver Knig und Tomke Knig, Kln

    Metalog zur Familienpolitik

    Schlsselwrter: Familienpolitik, Familiensoziologie, Geschlechterver-hltnisse, Generationenvertrag, Work-Life-Balance, soziale Ungleichheit

    Vorbemerkung

    Die Form des folgenden Textes als Metalog geht auf einen Vorschlagdes Herausgebers zurck. Der Text entstand auf der Grundlage vonzwei Gesprchen, die wir aufgenommen haben. Das Material wurdetranskribiert, gekrzt und sprachlich berarbeitet. Da wir den politi-schen Texten, die es zu kommentieren galt, in der vorliegenden Reihen-folge nachgehen, widmen wir dem ersten Beitrag, dem der CDU, um-fangreichere Aufmerksamkeit, um dann in den folgenden Beitrgenvorrangig Ergnzungen und Kontraste herauszuarbeiten. Die Kom-mentare fallen daher etwas krzer aus. Dieses Vorgehen ist nicht aufpolitische Ausgewogenheit ausgerichtet, sondern folgt der Praxis vonTextinterpretationen in den qualitativen Verfahren der Sozialwissen-schaften.

    Prolog

    OK1

    1 OK krzt im Folgenden Oliver Knig ab, TK steht fr Tomke Knig.

    : Zitat Bateson: Definition: Ein Metalog ist ein Gesprch ber einproblematisches Thema. In diesem Gesprch sollten die Teilnehmernicht nur das Problem diskutieren, sondern die Struktur des Gesprchsals Ganzes sollte auch fr eben dieses Thema relevant sein. Nur einigeder hier vorgelegten Gesprche gengen diesem doppelten An-spruch.2

    2 Bateson 1981, S. 31.

    TK: Dann versuchen wir das mal.OK: Ist ja beruhigend, dass Bateson hier seinen eigenen Anspruchgleich selber unterluft.TK: Dann drfen wir das auch.OK: Genau.

  • ber die Texte

    TK: Ich mchte einen Vorschlag machen, wie wir es angehen. Zu Beginnwre interessant zu klren, was uns eigentlich an diesen Texten interes-siert, die auf den ersten Blick nicht besonders spannend sind. Aus mei-ner Perspektive bieten sich drei Ebenen an. Als erstes knnten wir an-schauen, was von den Parteien als problematische Situation betrachtetwird und welche Probleme ihre Politik jeweils lsen soll. Fr die zweiteEbene schlage ich vor, dass wir als Soziologin bzw. Soziologe vor demHintergrund unseres Wissens ber Familie berlegen, was soziale Ak-teure, die in familialen Konstellationen leben, wollen und brauchen, undob das vielleicht etwas anderes ist als das, was die Politiker fokussieren.Und weil wir ja in diesem Monat selbst ein Kind kriegen, knnen wirdann auf einer dritten Ebene schauen, wie unsere eigenen Ansprche anund Vorstellungen von Familienpolitik aussehen. Dabei sollten wir be-rcksichtigen, dass wir aus ganz bestimmten sozialen Positionen reden.Wir sind beide Akademiker, wir kriegen sehr spt ein Kind und warenlange vorher beide erwerbsttig, sind deshalb konomisch unabhngigvoneinander und haben beide Interesse an unseren Erwerbsttigkeiten.Und wir haben beide Lust, Zeit mit dem Kind zu verbringen.OK: Die Texte sind nicht besonders interessant, weil das alles Beschw-rungen darber sind, was gemacht werden sollte, was die Probleme sei-en, und das Ganze in einem programmatisch politischen Vokabular. Esgibt in den Texten notgedrungen eine berbewertung von Politik.Die reden so, als ob sie tatschlich das, worber sie reden, gestaltenknnten. Das mssen sie auch, denn darum gehts in solchen Texten: sei-ne eigene Wichtigkeit bei der Lsung des Problems in den Vordergrundzu stellen.TK: Auf den ersten Blick ist es ein bisschen so, als wrden sie alle dasGleiche fordern, aber wenn man guckt, welche Probleme sie jeweils l-sen wollen, dann zeigen sich Differenzen.OK: Lass uns erst ber das reden, was einen als Gemeinsames anspringt,bevor wir auf die Unterschiede kommen. Also, alle reden davon, es habesich so viel verndert.TK: Aber was sich genau verndert hat, sagen sie nicht. Nur die FDPweist auf vernderte Familienkonstellationen hin. Bei den anderen wirdeher vage auf die vernderten Lebensbedingungen hingewiesen. Gleichim ersten Satz bei der CDU heit es: Die gesellschaftlichen Lebens-wirklichkeiten in Deutschland haben sich in den letzten Jahrzehntentiefgreifend verndert (Falk).

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  • OK: Dennoch bleibt die Familie unverzichtbar und ist weiterhin dieattraktivste Lebensform (Falk). Das charakterisiert dann auch diesenText, dass nmlich die CDU noch am deutlichsten auf traditionellenEckpfeilern von Familie besteht: Die Ehe ist demnach die besteGrundlage dafr, dass Mnner und Frauen partnerschaftlich freinan-der und als Vter und Mtter fr ihre Kinder Verantwortung berneh-men (Falk). Und dann wird vom besonderen Schutz der Ehe geredet,das ist das klassische Repertoire konservativer Familienpolitik seitJahrzehnten.TK: Und sie gehen davon aus, dass Familie eine dauerhafte Lebensformist. Da sie immer von jungen Frauen und Mnnern reden, scheinen sieauch davon auszugehen, dass Familien in jungen Jahren gegrndet wer-den. Das heit, sie sagen zwar am Anfang, es hat sich viel verndert,aber ihr Bild von Familie entspricht der traditionellen brgerlichenVorstellung von Familie: nmlich ein Mann und eine Frau, die in jun-gen Jahren heiraten und ein Kind kriegen.OK: Oder wir haben ein Missverstndnis ber uns, nmlich wir sinddoch ein junges Paar [beide lachen]. Wobei hier gleich fr mich die Fra-ge auftaucht, ob konservative Politik oder die Politik der CDU tat-schlich in dieser Form das tut, was sie hier verkndet, oder ob sienicht sogar eventuell weiter sind, als sie hier verknden.TK: Das finde ich jetzt erst mal egal, weil wir uns ja mit den Texten undnicht mit der konkreten Familienpolitik beschftigen. Im ersten Absatzwird gleich dieser kausale Zusammenhang aufgemacht: Wenn die Rah-menbedingungen der Situation von Familien besser wren oder sich auf-grund von bestimmen familienpolitischen Manahmen verndern, dannwrden sich mehr junge Paare dazu entscheiden, Kinder zu kriegen. Dasist die Annahme, die hier unterstellt wird. Also ist es ihr Ziel, junge Paa-re dazu zu motivieren, Kinder zu kriegen. Und sie nennen drei Dinge,die man hierfr brauchen wrde: Betreuungsangebote, familienbewussteArbeitswelt was immer das sein mag und finanzielle Frderung.OK: Diese drei Faktoren tauchen in allen Texten auch auf, gemischtmit anderen. Und das wird aufbereitet fr die politische Rhetorik.TK: Mir fllt daran auf, dass sie alle neben die finanzielle Frderungbzw. den Geldtransfer, der die Familienpolitik in Deutschland langeZeit ausgezeichnet hat, zwei Themen stellen: die Arbeitswelt und dieBetreuungsangebote, als wre das ein Standard, den man heutzutagenennen muss.OK: Deswegen wei man bei den Papers insgesamt nicht, ob hier ber-haupt ber irgendetwas gestritten wird.

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  • TK: Unterschiede kommen ber das zu lsende Problem zum Vor-schein. Und dies ist: Junge Paare kriegen zu wenig Kinder. Das Prob-lem mit der niedrigen Fertilittsrate liegt aus ihrer Sicht im Generatio-nenvertrag, der als Grundlage des sozialen Sicherungssystems nichtmehr einzuhalten sei. Sie stellen also nicht das soziale Sicherungssys-tem in Frage und sagen, aufgrund der vernderten gesellschaftlichenWirklichkeiten msste man das soziale Sicherungssystem umbauen,sondern heben auf den Generationenvertrag ab. Man knnte das Prob-lem aber auch anders herum aufzumen und sagen, das soziale Siche-rungssystem funktioniert so nicht mehr, weil der Arbeitsmarkt sichverndert hat und weil es fr viele Menschen schwierig oder unmglichgeworden ist, ihre Rentenansprche zu erwerben und abzusichern.Deswegen finde ich den Einstieg dieses Textes, die gesellschaftlichenLebenswirklichkeiten in Deutschland haben sich in den letzten Jahr-zehnten tiefgreifend verndert (Falk, CDU), eine bloe Floskel. Wennsie den Satz ernst nehmen wrden, dann wrden sie nicht nur auf denRckgang der Geburtenraten abzielen, sondern mssten auch zeigen,dass selbst wenn wir in Deutschland gengend Nachwuchs htten, im-mer noch nicht die Bedingungen gegeben wren, dass die Renten gesi-chert sind. Da gibt es einen moralischen Appell dahinter: Eine Gesell-schaft, in der immer weniger Kinder geboren werden, setzt ihre Zu-kunft aufs Spiel.OK: Es gibt noch einen spezifischeren moralischen Appell, nmlich:Eine Gesellschaft, in der immer weniger Kinder der Mittel- und Ober-schicht geboren werden, setzt ihre Zukunft aufs Spiel. Denn die ganzenFamilienmanahmen, die konkret genannt werden Familienbildung,frhe Frderung, Erziehungsbegleitung, Bildungsgutscheine zielenalle auf sozial Benachteiligte. Es entsteht ein Szenario, dass diese sozialBenachteiligten nach wie vor viele Kinder bekommen, die relativschlecht ausgebildet und sozial schlecht integriert sind, whrend dieBildungsschichten Leute wie wir keine Kinder mehr bekommen.Daher sollte man den benachteiligten Schichten Erziehungshilfen frdie Kinder zukommen lassen. Diese Hilfe wahrzunehmen soll so nor-mal sein wie der Bezug von Kindergeld (Falk). Und gleichzeitig wirdbetont, dass die Erziehung von Kindern weiterhin vorrangig in derVerantwortung der Eltern bleiben solle auer, wenn sie sozial dazunicht in der Lage sind. Dann wird der Staat gefordert, um hier so etwaswie eine kollektive ffentliche Erziehung einzurichten.TK: Das finde ich einen spannenden Punkt, weil an dieser Stelle Fragender Sozialstruktur berhrt werden. Denn wenn es um finanzielle Fa-

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  • milienfrderung geht und diese als gerechter Ausgleich fr die enor-men Leistungen an Zeit, persnlichem Einsatz und finanziellen Res-sourcen (Falk) angesehen wird, dann vergleichen sie eher kinderlosePaare mit Paaren, die Kinder haben.OK: Und nicht Paare aus niedrigen Schichten mit geringerem Einkom-men mit Paaren, die gut verdienen.TK: Bei der CDU ist mir noch etwas aufgefallen das bei den anderenspter auch wieder auftaucht: Die Familien sollen selbst bestimmen kn-nen, wie sie ihr Leben mit den Kindern gestalten, und mglichst vieleWahlfreiheiten kriegen, welche Betreuung sie fr ihre Kinder wollen.OK: Gleichzeitig fragt die Politik, ob die Eltern diese Sachen auch imSinne der Ki