Zur Feinstruktur und Histochemie des Kiemendarmes und der „Leber“ von Branchiostoma lanceolatum...

15
Z. Zellforseh. 102, 432--446 (1969) Zur Feinstruktur und Histochemie des Kiemendarmes und der ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum (Pallas)* ULRICH WELSCH Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. W. Bargmann) VOLKER STORCH ** Zoologisches Institut der Universit~it Kiel (Direktor: Prof. Dr. R. Schuster) Eingegangen am 19. September 1969 Fine Structure and Histochemistry o/ the Pharynx and the Hepatic Caecum o/ Branchiostoma lanceolatum (Pallas) Summary. Cytochemical and ultrastructural studies have been carried out on the hepatic caecum, hyperpharyngeal groove and endostyle of Branchiostoma lanceolatum. The follo- wing enzymes have been demonstrated: acid and alkaline phosphatase, ATP-ase, aminopepti- dase, ~-naphthyl-acetate- and indoxyl-acetate esterase, glucosaminidase, arylsulphatase, NADH-and NADPH-diaphorase. The hyperphai~yngeal groove proved to be particularly rich in enzymes. The epithelial cells of the hepatic caecum possess at their bases numerous lipid droplets and in the supranuclear cytoplasm granules which presumably contain digestive enzymes. The epithelium of the hyperpharyngeal groove is characterized by large basal vacuoles and apical secretion granules. The electron microscope confirms the existence of several cell zones in the endostyle. The cells of the esterase rich zones 2 and 4/5 possess a well developed system of granulated E.R. as well as globular inclusions which presumably represent mucus droplets. In zone 4 in addition a great number of lipid inclusions and specific electron dense secretion granules occur. In the acid phosphatasc rich zones 1, 3 and 6 the cilia-bearing cells are arranged in typical columns. Key- Word8:Branchiostoma-- Hyperpharyngeal groove -- Pharynx - Endostyle-- Hepatic caecum. Zusammen/a~sung. Leberblindsack, Epibranchialrinne und Endostyl yon Branchiostoma lanceotatum wurden enzymhistochemisch und elektronenmikroskopisch untersucht. Folgende Fermente wurden nachgewiesen: alkalische und saure Phosphatase, ATP-ase, Aminopeptidase, ~-Naphthyl-acetat- und Indoxyl-acetat-Esterasc, Glucosaminidase, Arylsulfatase, NADH- und NADPH-Diaphorase. Die Epibranchialrinne erwies sich als besonders enzymreich. Die Epithelzellen des ,,Leber"-Blindsackes besitzen basal zahlreiche Fetteinschliisse und oberhalb des Kerns groBe Granula, die vermutlich Verdauungsenzyme enthalten. Das Epithel der Epibranchialrinne enth~lt z.T. basal sehr groBe Vakuolen sowie apikale Sekretions- granula. Im Endostyl lassen sich verschiedene Zonen nachweisen. In den esterasereichen Zonen 2 und 4/5 finden sich Hinweise auf Proteinsynthese (granul/ires E.R. und Sekretionsgranula, bei denen es sich zum Teil um Schleimballen handelt). Zone 4 ist weiterhin besonders durch ihren Gehalt an Lipideinschliissen gekennzeichnet. In den an saurer Phosphatase reichen Zonen ], 3 und 6 sind die zilientragenden Zellen in charakteristischen S/iulen angeordnet. * Die Untersuchung wurde mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemein- schaft durchgeffihrt. ** Herrn Professor Bargmann danke ich fiir die t~berlassung eines Arbeitsplatzes im Anatomischen Institut Kiel.

Transcript of Zur Feinstruktur und Histochemie des Kiemendarmes und der „Leber“ von Branchiostoma lanceolatum...

Z. Zellforseh. 102, 432--446 (1969)

Zur Feinstruktur und Histochemie des Kiemendarmes und der ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum (Pallas)*

ULRICH WELSCH

Anatomisches Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. W. Bargmann)

VOLKER STORCH **

Zoologisches Institut der Universit~it Kiel (Direktor: Prof. Dr. R. Schuster)

Eingegangen am 19. September 1969

Fine Structure and Histochemistry o/ the Pharynx and the Hepatic Caecum o/ Branchiostoma lanceolatum (Pallas)

Summary. Cytochemical and ultrastructural studies have been carried out on the hepatic caecum, hyperpharyngeal groove and endostyle of Branchiostoma lanceolatum. The follo- wing enzymes have been demonstrated: acid and alkaline phosphatase, ATP-ase, aminopepti- dase, ~-naphthyl-acetate- and indoxyl-acetate esterase, glucosaminidase, arylsulphatase, NADH-and NADPH-diaphorase. The hyperphai~yngeal groove proved to be particularly rich in enzymes.

The epithelial cells of the hepatic caecum possess at their bases numerous lipid droplets and in the supranuclear cytoplasm granules which presumably contain digestive enzymes.

The epithelium of the hyperpharyngeal groove is characterized by large basal vacuoles and apical secretion granules.

The electron microscope confirms the existence of several cell zones in the endostyle. The cells of the esterase rich zones 2 and 4/5 possess a well developed system of granulated E.R. as well as globular inclusions which presumably represent mucus droplets. In zone 4 in addition a great number of lipid inclusions and specific electron dense secretion granules occur. In the acid phosphatasc rich zones 1, 3 and 6 the cilia-bearing cells are arranged in typical columns.

Key- Word8: Branchiostoma-- Hyperpharyngeal groove - - Pharynx - Endos ty le- - Hepatic caecum.

Zusammen/a~sung. Leberblindsack, Epibranchialrinne und Endostyl yon Branchiostoma lanceotatum wurden enzymhistochemisch und elektronenmikroskopisch untersucht. Folgende Fermente wurden nachgewiesen: alkalische und saure Phosphatase, ATP-ase, Aminopeptidase, ~-Naphthyl-acetat- und Indoxyl-acetat-Esterasc, Glucosaminidase, Arylsulfatase, NADH- und NADPH-Diaphorase. Die Epibranchialrinne erwies sich als besonders enzymreich.

Die Epithelzellen des ,,Leber"-Blindsackes besitzen basal zahlreiche Fetteinschliisse und oberhalb des Kerns groBe Granula, die vermutlich Verdauungsenzyme enthalten. Das Epithel der Epibranchialrinne enth~lt z.T. basal sehr groBe Vakuolen sowie apikale Sekretions- granula.

Im Endostyl lassen sich verschiedene Zonen nachweisen. In den esterasereichen Zonen 2 und 4/5 finden sich Hinweise auf Proteinsynthese (granul/ires E.R. und Sekretionsgranula, bei denen es sich zum Teil um Schleimballen handelt). Zone 4 ist weiterhin besonders durch ihren Gehalt an Lipideinschliissen gekennzeichnet. In den an saurer Phosphatase reichen Zonen ], 3 und 6 sind die zilientragenden Zellen in charakteristischen S/iulen angeordnet.

* Die Untersuchung wurde mit Unterstiitzung durch die Deutsche Forschungsgemein- schaft durchgeffihrt.

** Herrn Professor Bargmann danke ich fiir die t~berlassung eines Arbeitsplatzes im Anatomischen Institut Kiel.

Kiemendarm und ,,Leber" von Branchiostoma lanceolatum 433

Einleitung

I m vorderen Bereich des Darmkanals yon Branchiostoma lanceolatum treten zwei Gewebekomplexe auf, die mit Organen der Wirbeltiere homologisiert werden und daher besonderes Interesse beanspruchen:

1. Das Endostyl (Hypobranchialrinne) entspricht der Schilddrfise der Verte- braten. Seine Umwandlung zur Thyreoidea ist bei Agnathen naehgewiesen worden.

2. Der rechts vom nutritorischen Darm entspringende und in den Peribranchial- raum ragende Darmblindsack wird als Vorl~.ufer der Vertebraten-Leber angesehen.

Beide Strukturen sind nicht scharf als eigene Organe vom fibrigen Darm abgetrennt und zeigen noch beim adulten Lanzettfischchen so deutlich ihre Herkunft aus dem Darmepithel, dab ihre gemeinsame Behandlung gerechtfertigt erscheint.

Lichtmikroskopische Untersuchungen haben ergeben, dal~ das Endostyl den Kiemendarm ventral begrenzt. Sein hochprismatisches Epithel ist dutch eine besondere Anordnung der Kerne gekennzeichnet. Neben Zonen mit basalen Kernen liegen andere, in denen die Kerne in dichten Si~ulen in der ganzen HShe des Epithels anzutreffen sind (Krause, 1921). Die Funktion des Endostyls besteht vornehmlich in der Sekretion vom Schleimsubstanzen (Olsson, 1963).

Der Leberschlauch wird yon einem hochprismatischen Epithel mit ca. 100 langen Zellen ausgekleidet, deren zahlreiche Granula bisweilen den Kern an GrSBe iibertreffen. Das freie Zellende ist mit einer Geil~el besetzt. Der Amphioxus- ,,Leber" wird ausschlie[~lich die Abgabe yon Enzymen zugeordnet.

In der vorliegenden Arbeit sollen die hchtmikroskopischen Befunde zuniichst dutch die elektronenmikroskopische Beobachtungen erweitert werden. Ferner er- schien ein Vergleich des Amphioxus-Endostyls mit dem Endostyl der Neunaugen- larven, das in neuerer Zeit elektronenmikroskopisch untersucht wurde (Egeberg, 1965; Fuji ta u. Honma, 1968) und dem Schilddrfisenfollikelepithel der Vertebraten (Wissig, 1960; Herman, 1960) besonders interessant; denn abgesehen vom Jod- bindungsvermSgen sind weitere spezifisehe physiologische Gemeinsamkeiten der genannten Organe nicht sicher nachgewiesen. Olsson (1963) hat zuletzt darauf aufmerksam gemacht, dab eine ganze l~eihe von marinen Organismen Jod zu binden vermSgen.

AuBer der elektronenmikroskopischen Analyse wurde ein lichtmikroskopi- scher Nachweis reprKsentativer Enzyme versucht, weft yon der Siiugetierschild- drfise ein sehr reicher Gehalt lysosomaler, ribosomaler und an Mitochondrien gebundener Fermente bekannt ist.

Die Epibranchialrinne wurde in der vorliegenden Arbeit mitberficksichtigt, well sic funktionell mit dem Endostyl verbunden ist und besonders enzymreich ist. Krause (1921) beschreibt in ihrem Epithel besondere Zellen, deren basaler Anteil von groBen Vakuolen eingenommen wird. Die Epibranchialrinne dient dem Transport von Nahrungspart~ikeln.

Material und Methoden 1. Enzymhistochemie

4--5 cm lange Branchiostoma lanceolatum aus der deutschen Bucht wurden 12 Std in kaltem neutralem Formalin fixiert und anschlieBend fiir 24 Std in eine Gummi arabicum- Saccharose-L5sung iiberfiihrt. Folgende Enzymnachweise wurden an Gefrierschnitten durch Kiemendarm und Leber ausgeffihrt:

434 U. Welsch und V. Storch:

Saure Phosphatase (Barka und Anderson, 1962), alkalische Phosphatase (Burstone, 1958), ATP-ase (Wachstein, Meisel und Niedzwiedz, 1960), Leucin-Amino-Peptidase (Burstone und Folk, 1956), ~-Naphthyl-acetat-Esterase (Barka und Anderson, 1963), Indoxyl-acetat- Esterase (Holt, 1958), Glukosaminidase (Pugh und Walker, 1958), Aryl-Sulfatase (Gold- fischer, 1965).

NADH- und NADPH-Diaphorase wurden an unfixierten Kryostatschnitten mit TNBT nachgewiesen (Pearse, 1960); Kernf/irbung mit Methylgrfin oder Kernechtrot.

2. Elektronenmilcroskopie Lebende Lanzettfischchen wurden in 1--2 mm dicke Scheiben zersehnitten und fiir

2 Std in 3,5 %igem phosphatgepuffertem Glutaraldehyd (pH 7,4) fixiert. Nach mehrmaligem Auswaschen in kaltem Puffer wurde das Gewebe 2 Std in 4%igem Osmiumtetroxid nach- fixiert und nach Dehydrierung mit Athanol in Araldit eingebettet. Elektronenmikroskop: Zeiss EM 9 A.

Befunde

1. Histochemie A lkalische Phosphatase ( Inkubationszeit 40 rain)

Leberzellen: M~l]ig starke Reaktion in schmalen basalen und apikalen Streifen. Epibranchialrinne : Krhftige Reaktion im apikalen Zytoplasma, basal schwach positive Zone (Abb. 1 a). Endostyl: Schwache basale und apikale Reaktion, besonders lateral.

Saute Phosphatase (Inkubationszeit 30 rain) Leberzellen : M/il~ig starke Reaktion in sehmaler basaler und breiterer apikaler Zone, auBerdem in granulis Form in einem Streifen oberhalb des Kerns (Abb. 1 b) Epibranchialrinne: Sehr kr/~ftige Reaktion im gesamten Zytoplasma, in den Vakuolenzetlen nur apikal. Endostyl: Sehr krMtige Reaktion in den lateralen Zonen; kr/Vtige Reaktion in Zone l, sonst schw/icher und oberhalb des Kerns (Abb. 1 c).

Aminopeptidase (Inkubationszeit 20 rain) Leberzellen: Kr/iftige Reaktion v.a. in breiter apikaler Zone. Epibranchialrinne: Sehr kr/~ftige Reaktion im gesamten Zytoplasma. Endostyl: Schwache apikal lokalisierte Reaktion in den Zonen 4, 5 u. 6 (n. Barrington (1958) u. Olsson, 1963).

~-Naphthyl-acetat-Esterase (Inkubationszeit 10 min) Leberzellen: Sehr kr/~ftige Reaktion im gesamten Zytoplasma. Epibranchialrinne : Sehr kr/iftige Reaktion im gesamten Zytoplasma (Abb. 2 a). Endostyl: Zonen 1, 3 u. 6 schwach, Zone 4 mit kr/iftiger granul/~rer Reaktion, Zone 2 mit kr/iftiger zytoplasmatischer Reaktion (Abb. 2a).

A T P-ase (Inkubationszeit 5 rain) Leberzellen: Kr/iftige Reaktion im Bereich der Zellbasis und einer breiten apikalen Zone. Epibranchialrinne : Kr/~ftige Reaktion im basalen und apikalen Zytoplasma. Endostyl: M/~13ig starke Reaktion basal und apikal, im lateralen Tefl (Zone 6) st/irker als in der Mitte.

Kiemendarm und ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum 435

Abb. 1. a Alkalische Phosphatase in der Epibranchialrinne. Vergr. 165 • b - - c Saure Phospha- tase; b in der ,,Leber", c im Endostyl, beachte die starke Aktivi t~t in Zone 1-~6.

Vergr. 280 •

436 U. Welsch und V. Storch:

Abb. 2. a Naphthyl-acetat-Esterase in Epibranchialrinne (Ep) und Endostyl (End), beachte die starke Aktivitit in Zone 2-L4 (Pfeile), Vergr. 120• b Indoxyl-acetat-Esterase in

,,Leber" (L) und Epibranchialrinne (Ep). Vergr. 100 •

Glukosaminidase (Inkubationszeit 40 min ) Dieses Enzym entspricht in seiner Verteilung der sauren Phosphatase.

A ryl-Sul/atase Entspricht bei etwas schw~cherer Aktivitiit ebenfalls der sauren Phosphatase (Inkubationszeit 25 min).

Indoxyl-acetat-Esterase ( Inkubationszeit 30 min ) Leberzellen: Kri f t ige Reaktion (Abb. 2b). Epibranchialrinne : Krif ige Reaktion (Abb. 2 b). Endostyl: Sehr schwach in den Zonen l, 3 u. 6; Zone 4 mit m~i]ig starker granuliirer Reaktion; Zone 2 mit mi~13ig starker zytoplasmatischer, supra- nuk]e~rer Reaktion.

NADH-Diaphorase (Inkubationszeit 25 min) Leberzellen: Kr~ftige Raktion im gesamten Zytoplasma, besonders stark in einem Streifen unterhalb der Zelloberfl~tche. Epibranchialrinne : Kr~ftige Reaktion im gesamten Zytoplasma. Endostyl: Etwas schwichere Akt iv i t i t als in der Epibranchialrinne; keine deutlichen Unterschiede in den einzelnen Zonen.

K i e m e n d a r m u n d , ,Leber" y o n Branchiostoma lanceolatum 437

Abb. 3 a - - c . , ,Lebe r ' ep i t he l . a Zellapices m i t Zilien u n d Mikrovilli . L L u m e n des Bl indsacks . b Zellbasis m i t c h r o m a t i n a r m e n K e r n e n u n d Fet te inschl i i ssen . c Ve rmut l i ch e n z y m h a l t i g e

Granu la . Vergr. a u n d b 4500 • c 15000 •

29a Z. Zellforsch., Bd. 102

438 U. Welsch und V. Storch:

Abb. 4. Vakuolenhaltige Zellen in der Epibranchialrinne. Vergr. 3600 •

N A D P H- Dia phorasen ( I nlcubationszeit 25 min ) Ahnliche Reaktionen wie NADH-Diaphorase, schw~ichere Reaktionsintensit~t.

jedoch insgesamt deutlich

2. Elektronenmilcroskopie

,,Leber". Das hochprismatische Epithel des weitlumigen ,,Lcber."-Blindsackes bcsteht aus gleichfSrmig gebauten Zellen, die einer kr~ftigen Basalmembran auf- liegen. Die das untere Viertel der Zellen einnehmenden l~nglichen Kerne sind auffallend chromatinarm und besitzen einen gro~cn Nukleolus. Der basale Zell- abschnitt unterhalb der Kerne ist durch dicht beieinanderliegende elcktronen- dichte IApideinschlfisse gekennzeichnet (Abb. 3b). Einc recht brcite Zone ober- halb dcr Kerne ist vor allem durch sehr grol~e membranumhfillte Granula charak- terisiert, deren feingranul~rer Inhalt oft unregelm~Big angeordnet ist (Abb. 3c). Daneben kommen typische Lysosomen und zahlreiche klcinere Granula mit optisch lectern oder dichtem Inhalt vor. Die Zone unterhalb der Zelloberfl~che weist besonders viele Mitochondrien vom crista-tubul~ren Typ auf. Die Apices der Zellen tragen jeweils ein Zilium mit krhftigem Basalkorn und langen Wurzeln sowic einzclne relativ dicke Mikrovilli (Abb. 3a). Der oberste Zellabschnitt ist

Kiemendarm und ,,I,eber" yon Branchiostoma lanceolatum 439

Abb. 5. Zellapex einer vakuolenhaltigen Zelle aus der Epibranchialrinne. Beachte die Granula mit feink6rnigem Inhalt. Vergr. 15000 •

h~ufig organellfrei und wSlbt sich ins Lumen vor. I m gesamten Zytoplasma treten viele Schlituche oder leicht aufgeschwollene Zisternen ribosomenbesetzten E. ]~.s auf. Die fibrigen Zellorganellen, z.B. Mikrotubuli, treten dagegen mengen- m~l~ig zurfick.

Epibranchialrinne. Das hochprismatische Epithel der Epibranchialrinne ent- h~lt zwei Zelltypen. Sehr schmale Zellen mit langovalem, heterochromatinrei- chem Kern, die apikal ein Zilium und einige Mikrovilli tragen und im iibrigen keine besonderen Zytoplasma-Differenzierungen aufweisen. Der zweite, meist median gelegene Zelltyp ist durch eine sehr gro•e intrazelluli~re Vakuole gekenn- zeichnet, die h/~ufig die basalen zwei Drittel der Zelle ausffillt (Abb. 4). Sie ist yon einer Membran umhfillt und enth~lt oft einen flockigen Niederschlag. In der N~he des distalen Kerns liegen Zisternen des ribosomenbesetzten endoplasmati- schen Retikulums und ein gut entwickelter Golgi-Apparat, der von kleineren he]len B1/~schen sowie von grS•eren dichteren Granula umgeben ist, die gelegentlich direkt unter der villusbesetzten Oberfli~che konzentriert auftreten (Abb. 5). Auch diese Zellen besitzen eine Zilie mit einer kr/iftigen Wurzel.

Endostyl. Wie im lichtmikroskopischen Bild lassen sich auch mit dem Elek- tronenmikroskop im Endostyl Bereiche mit unterschiedlich gebauten Zellen nach- weisen. Die Klassifizierung nach Barrington (1958) und 01sson (1963) wird im folgenden iibernommen.

29b Z. Zel[forsch., Bd. 102

440 U. Welsch und V. Storch:

Abb. 6. Endostyl. Zellapices aus Zone 1. Beachte die enge Beziehung zwischen Zilienwurzel und Mitochondrien. Vergr. 15000x

Die bikonkave zentrale Zells/~ule besteht aus 4 - -5 iibereinanderliegedenn Reihen yon langen spindelfSrmigen Zellen mit ehromatinreiehen Kernen. Ihr Zytoplasma enth/~lt u.a. Faserbfindel, Mikrotubuli, viel Glykogen sowie im apikalen Bereieh pro Zelle eine Zilie mit Basalkorn und Wurzeln, denen regel- m~l~ig lange Mitoehondrien dieht anliegen. Die Cristae dieser Mitoehondrien finden sieh fast aussehlieglich auf der Seite der Zilienwurzel (Abb. 6). Apikal enthalten die Zellen der Zone 1 weiterhin zahlreiche optiseh ,,leere" Vesikel und grSl~ere Granula mit feinkSrnigem Inhalt. An die Zone 1 sehlieSen sich beidseitig je 1--2 auffallend diehte und granulareiche zilienlose Zellen an, die der Zone I b nach Olsson (1963) entsprechen. Die Granula sind relativ groG, wenig elektro- nendicht und /~hneln Schleimballen. In der sich ohne deutliehe Abgrenzung an- schliel~enden Zone 2 liegen die sehr ehromatinarmen Kerne aussehlieBlich basal (Abb. 7); das Zytoplasma ist dureh ausgedehnte E.R.-Zisternen, zahlreiehe Vesikel und untersehiedlich dichte grSBere Granula gekennzeichnet, die denen des Absehnitts I b gleichen. Apikal kommen vereinzelt Zilien vor.

Zone 3 entspricht in ihrem Aufbau Zone 1.

Kiemendarm und ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum 441

Abb. 7. Endostyt. Zellbasen yon Zone 1 (1) und 2 (2). Beachte das granul/~re E.R. (*) und die schleimhaltigen Einschliisse (Pfeile) in Zone 2. Vergr. 3600 •

In der breiten Zone 4 liegen die Kerne wiederum basal, ihr Chromatingehalt ist schwach. Die Zellen dieses Streifens scheinen l)icht alle vertikal auf der Basalmembran zu stehen, sondern im medianen Tell einen z.T. gewundenen Ver- lauf zu nehmen, denn hier treten apikal oft quergetroffene Zellanschnitte auf. In der proximalen H/ilfte der Zellen sind regelm/~Big sehr groBe dunkle Lipid- einschlfisse anzutreffen (Abb. 8), deren H/iufigkeit yon median nach lateral ab- nimmt. Oberhalb des Kerns ist das Zytoplasma mit membranumhiillten, kleinen homogen-elektronendichten Sekretionsgranula angeffillt, die bis unmittelbar unter das apikale villus- und zilientragende Plasmalemm verbreitet sind (Abb. 9). Am Rand und der Basis dieser Zellen linden sich langgestreckte granul~re E.R.- Zisternen, im gesamten Zytoplasma sind Glykogenpartikel sehr h/~ufig. AuBerdem kommen in dieser Zone Zellen vor, die grSBere locker strukturierte Granula enthalten, welche vermutlich wie in Zone 2 Schleimballen darstellen.

442 U. Welsch und V. Storch:

Abb. 8. Endostyl. Fetteinschlfisse in Zone 4. BM Basalmembran. Vergr. 4000 •

Zone 5 ist elektronenmikroskopsieh nicht klar abgrenzbar, jedoch ist h/~ufig eine auffallende Konzentration der kleinen, dichten Sekretionsgranula im oberen lateralen Anteil der Zone 4 zu beobachten (Abb. 10). Diese Stelle entspricht m6glicherweise der Zone 5 der Lichtmikroskopie.

In der abschliei~enden Zone 6 enthalten die mit Zilien und langen Mikrovilli versehenen Zellen sehr langgestreckte chromatinreiche Kerne, die bis dicht unter die Epitheloberfl/~che reichen. Ihr Zytoplasma enth~lt Glykogen, Faserbiindel, Lysosomen, und vor ahem apikal glattwandige Vesikel. Diese Zellen /~hneln in ihrer Feinstruktur denen von Zone 1 und 3.

Diskussion

Die drei untersuchten Differenzierungen des Mitteldarmes erwiesen sich als besonders enzymreich, was im Einklang mit ihrer vielfach vermuteten Funktion steht. Wie anderes proteinsynthetisierendes Drfisengewebe ist das ,,Leber"epithel dutch seinen Reichtum an Ribosomen und im gesamte Zytoplasma verteilter unspezifischer Esterasen gekennzeichnet. Ffir eine besondere Stoffwechselaktivit~t im Bereich ihres apikalen Plasmalemms spricht die oberflgchliche Lokalisation von Aminopeptidase, alkatischer Phosphatase und ATP-ase, deren Intensit~ten jedoch

Kiemendarm und ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum 443

Abb. 9. Endostyl. Sekretionsgranula in Epithelzellen von Zone 4. Beachte das reich ent- wickelte granul~ire endoplasmatische Retikulum (*). F Fetteinschliisse. Vergr. 6000 •

schw~cher als im resorbierenden Darmep i the l ausfallen. Das spezifische P r o d u k t der sehr hohen , ,Leber"-Zel len sind vermut l ich grol~e membranumhf i l l t e Ein- schlfisse mi t fe ingranul i i rem Inha l t , die den Zymogengranu la in den H a u p t -

444 U. Welsch und V. Storch:

Abb. 10. Endostyl. Lateraler Abschnitt von Zone 4 (4) mit zahlreichen apikalen Sekretions- granula, der vermutlich der Zone 5 entspricht. 6 Zone 6. Vergr. 6000 •

zellen der Magenschleimhaut der SKugetiere ~hneln. Wie im Magen ist ihr zum Teil schlechter Erhaltungszustand wahrscheinhch auf den pH der Fixierungsflfissigkeit zurfickzuffihren (Helander, 1962). Der Reichtum an basal gelegenen Fetteinschlfis- sen ist ein Hinweis ffir eine zus~tzliche Speicherfunktion des Blindsackes. Fein- strukturelle Hinweise ffir eine resorbierende Ti~tigkeit finden sich nicht, auch ergeben sich keine l~bereinstimmungen mit typischen Leberzellen der Verte- braten, sondern eher mit den Acinus-Zellen des exokrinen Pankreas.

Die Epibranchialrinne weist eine besonders starke Enzymaktivi t~t auf, die im Falle der hydrolytischen Enzyme und der ATP-ase in den vakuolenhaltigen Zellen jedoch geringer ist als in den schmalen, nichtvakuolisierten, lange Zilien tragenden Zellen. Das Sekretionsprodukt der Epibranchialrinne, die sich direkt in den Mitteldarm fortsetzt, sind membranumhfillte Schleimballen, die unter dem apikalen Plasmalemm des medianen Epithels konzentriert auftreten. Die Funktion der gro~en basalen Vakuolen bleibt unbekannt.

Unsere enzymhistochemischen und feinstrukturellen Beobaehtungen am Endo- styl lassen sieh gut mit den Untersuehungen Olssons (1963) fiber die Zusammen- setzung der Sekretionsprodukte des Amphioxus-Endostyls vergleichen. Olsson

Kiemendarm und ,,Leber" yon Branchiostoma lanceolatum 445

fand in den Zonen 1 b. 2, 4 und 5 Hinweise ffir Proteinsynthese und das Vor- kommen von Muzinen. Dem entsprechen die beobachtete Esterase-Aktivit/it in diesen Zonen, das reichlich vorhandene ribosomenbesetzte E.R. und Granula, die in den Zonen l b, 2 und 4 zum Teil Sehleimballen /thneln, w/~hrend die kleineren, sehr dichten Sekretionsgranula in Zone 4 eher den Granula endo- kriner Zellen anderer Tierformen gleichen, aber aueh den diehten apikalen Granula der dorsalen Zone 1 im Ammocoetes-Endostyl (Fujita und Honma, 1968). Der elektronenmikroskopische Nachweis von Glykogen in den Zonen 1, 3 und 6 best/itigt die Befunde Olssons und steht wahrscheinlich ebenso wie die ATP- ase-Aktivit/~t in Zusammenhang mit der Aktivit/~t der langen Zilien der oberen Zellen dieser Zonen. Der Gehalt an Sekretionsgranula in Zone 4 weist darauf hin, dab das Endostyl nicht nur die Funktion hat, Schleime zu bilden und zu transportieren, sondern dab es in bestimmten Abschnitten spezifisehe Sekretions- produkte bildet.

Die Zone 5, die bei Branchiostoma im wesentlichen dem ,,iodination centre" (Barrington, 1958) entspricht, 1/~Bt sich elektronenmikroskopisch nicht klar yon Zone 4 abgrenzen. Ein Vergleieh dieser Region mit dem Jodbindungszentrum yon Ammocoetes-Larven (Fujita und Honma, 1968) zeigt Ahnhehkeiten hinsiehtlieh der Epitheloberfl/iche mit Zilien und Mikrovilli und Anordnung der E.R.-Zi- sternen. Deutliche Untersehiede bestehen jedoch in bezug auf die granul/iren Einschlfisse und die Lipidtropfen, denn obwohl Fujita und Honma (1968) bei Lampetra japonica liehtmikroskopisch ,,gelbe" Granula bescbreiben, die Lipid- einschlfisse darstellen k6nnten, lassen sich diese elektronenmikroskopiseh beim Neunauge nicht nachweisen. Auch bei Lampetra planeri (Egeberg, 1965) /ihneln die Granula dieser Zone nicht den gleichm/iBig groBen, homogenen Granula von Branchiostoma. Ebenf~lls ergeben sich keine feineren morphologischen ~hnhch- keiten mit den groBen Granula des Schilddrfisenepithels der Vertebraten (Herman, 1960; Wissig, 1960). Solange aber keine vergleichenden bioehemisehen Unter- suchungen fiber den Inhalt dieser Granula vorliegen, m6chten wir die M6glieh- keit, dab auch bei Branchiostoma in dieser Zone eine thyroxin/ihnliche Substanz gebildet wird, nicht ausschheBen. Die enzymhistochemischen Befunde weisen auf weitgehende l~bereinstimmungen zwischen Schilddrfise und Endostyl. Hierher ge- h6ren besonders der gemeinsame hohe Gehalt an unspezifischen Esterasen, NADH-Diaphorase und den lysosomalen Enzymen.

Literatur

Barka, T., Anderson, P. J. : Histochemical methods for acid phosphatase using hexazonium pararosanilin as coupler. J. Histochem. Cytochem. 10, 741--753 (1962).

- - - - Histochemistry. Theory, practice, and bibliography, 1 st ed. New York: Harper and Row 1963.

Barrington, E. J.W.: The localization of organically bound iodine in the endostyle of Amphioxus. J. mar. biol. Ass. U. K. 87, 117--129 (1958).

Burstone, M. S. : Histochemical comparison of naphthol-AS-phosphates for the demonstration of phosphatases. J. nat. Cancer Inst. 20, 601408 (1958).

- - Folk, J. E. : Histochemical demonstration of aminopeptidase. J. Histochem. Cytochem. 4, 217--226 (1956).

Egeberg, J.: Iodine-concentrating cells in the endostyle of Ammocoetes. Z. Zellforsch. 68, 102--115 (1965).

446 U. Welsch et al. : Kiemendarm und ,,Leber" von Branchiostoma lanceolatum

Fujita, H., Honma, Y. : Some observations on the fine structure of the endostyle of larval lampreys, Ammocoetes of Lampetra japonica. Gen. comp. Endocr. 11, 111--131 (1968).

Goldfischer, S.: The cytochemical demonstration of lysosomal aryl sulfatase activity by light and electron microscopy. J. Histochem. Cytochem. 18, 520--522 (1965).

Helander, H. F. : Ultrastructure of fundus glands in the mouse gastric mucosa. J. Ultrastruct. Res., Suppl. 4, 1--123 (1962).

Herman, L. : An electron microscopic study of the Salamander thyroid during hormonal stimulation. J. biophys, biochem. Cytol. 7, 143--149 (1960).

Holt, S. J. : Indigogenic staining methods for esterases. In: General cytoehemical methods, vol. 1, p. 375--398. New York: Acad. Press 1958.

Krause, R.: Mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere in Einzeldarstellungen, Bd. 3 u. 4. Berlin: W. de Gruyter & Co. 1923.

Olsson, R.: Endostyles and endostylar secretions: A comparative histochemical study. Acta zool. 44, 299--328 (1963).

Pearse, A. G. P. : Histochemistry. Theoretical and applied, 2 nd ed. London : J. & A. Churchill Ltd. 1960.

Pugh, D., Walker, P. G.: Histochemical localisation of fl-glucuronidase and N-acetyl-fl- glucosaminidase. J. Histochem. Cytochem. 9, 105--106 (1958).

Schneider, K. C.: Histologisches Praktikum der Tiere fiir Studenten und Forscher. Jena: Fischer 1908.

Wachstein, M., Meisel, E., Niedzwiedz, A.: Histochemical demonstration of mitochondrial adenosine triphosphatase with the lead-adenosine triphosphate technique. J. Histochem. Cytochem. 8, 387--388 (1960).

Wissig, S. L.: The anatomy of secretion in the follicular cells of the thyroid gland. I. The fine structure of the gland in the normal rat. J. biophys, biochem. Cytol. 7, 4 1 9 ~ 3 2 (1960).

Dr. Volker Storch Zoologisches Insti tut der Universit~it 2300 Kiel, Hegcwisehstr. 3

Dr. Ulrich Welsch Anatomisches Insti tut der Universit/it 2300 Kiel, Olshausenstr. 40--60