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Page 1: 124/0 Älier · 124/0 AZ 8021 Zürich Der Zürcher Zeitung 208. Jahrgang Montag, 1. Juni 1987 5lfttf Älier3fittttttt Briefadresse von Redaktion. Verlag und Druckerei: Postfach, CH-8021

124/0AZ 8021 Zürich Der Zürcher Zeitung 208. Jahrgang Montag,

1. Juni 1987

5lfttf Älier3fitttttttBriefadresse von Redaktion. Verlag und Druckerei:Postfach, CH-8021 Zürich, Telefon (01) 258 II II, Telex 817099Auslandvertrieb: Postfach 660, CH-8021 Zürich, Telex 816 570Annoncenabteilung: Postfach 215, CH-8021 Zürich, Telex 817 053Inlandabonnemente: Tel. (01) 258 15 30Abonnementspreise auf Seite

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Konsequenzen aus dem Debakel der sowjetischen Luftabwehr

Entlassung Verteidigungsminister SokolowsErnennung General Jasows zum Nachfolger

Die Sowjetführung hat mit der «Pensionierung» von Verteidigungsminister Sokolowund der Entlassung des Oberkommandierenden der Luftabwehrtruppen, Koldunow,rasch und entschieden auf das Versagen der sowjetischen Abwehr reagiert, welche denGrenzüberflug und die Landung einer Cessna auf dem Roten Platz in Moskau nicht ver-hindert hatte. Die Ernennung des relativ unbekannten Armeegenerals Jasow zum neuenVerteidigungsminister bedeutet eine Desavouierung der höchsten Armeeführung.

Mr. Moskau, 31. Mai

Der formell vom Präsidium des Obersten So-wjets beschlossene Wechsel an der Spitze desVerteidigungsministeriums ist am Samstag

abend von Tass ohne Hinweis auf die Flugzeug-affäre bekanntgegeben worden. Die «Prawda»wiederholte am Sonntag auf der zweiten Seite insechs Zeilen, dass Marschall S o k o l ow «im Zu-sammenhang mit seiner Pensionierung von sei-nen Pflichten als Verteidigungsminister der So-wjetunion entbunden» worden sei, ohne einWort des Dankes oder der Würdigung seinerVerdienste anzufügen. Die Ernennung seinesNachfolgers, des 64jährigen Armeegenerals Di-mitri Jasow, wurde dagegen auf der ersten Zei-tungsseite publiziert. Der 75jährige Sokolow,der soeben noch mit Generalsekretär Gorba-tschew am Warschaupakt-Gipfel in Ostberlinteilgenommen hatte - was nicht auf einen be-vorstehenden Zwangsrücktritt schliessen liess -,ist somit in altem Kreml-Stil brüsk und ohneEhren abgesetzt worden.

Sondersitzung des Politbüros

Das Politbüro ist am Samstag abend nachder Rückkehr der Kreml-Führer aus Ostberlinzu einer Sondersitzung zusammengetreten, umsich den Bericht des Verteidigungsministeriumsüber die Luftraumverletzung vom Donnerstaganzuhören. Dabei wurde die Entlassung des63jährigen Chefs der Luftabwehrtruppen, Alex-ander Koldunow, beschlossen, um, wie es imCommunique hiess, «die Führung des Verteidi-gungsministeriums der UdSSR zu stärken». DasCommunique hielt fest, dass das vom deutschenBürger Mathias Rust gesteuerte Flugzeug beimAnflug der sowjetischen Grenze durch Radarge-

räte der Luftabwehr entdeckt worden sei unddass sowjetische Kampfflugzeuge die westdeut-sche Maschine zweimal umkreist hätten. Das Po-

TagesinformationKöpferollen im Kreml

Als Folge der Landung eines deutschen Privatflugzeuges aufdem Roten Platz sind in Moskau Verteidigungsminister Soko-low und der Chef der Luftabwehrtruppen, Marschall Koldu-now, entlassen worden. Neuer Verteidigungsminister ist Ge-neral Jasow. Seiten I und

Waldbrände in der Inneren Mongolei

Die Waldbrände in China nehmen noch kein Ende: Nun sindauch in der Inneren Mongolei schwere Verwüstungen zu ver-zeichnen, und nach wie vor droht die Gefahr eines Übergrei-fens der sibirischen Brandherde. Seite

Sondersteuern in Frankreich

Mit zeitlich begrenzten Sondersteuern und Beitragserhöhun-gen will die französische Regierung das sich abzeichnendeDefizit in der Sozialversicherung ausgleichen. Seite

Lebendige Gemeinden der «Minderheit Kirche»

Die Schweizerische Evangelische Synode hat in Genf OberMöglichkeiten beraten, von der Pfarrer- zur Gemeindekirchezu gelangen, sowie die «missionarische Situation» in der heu-tigen Gesellschaft analysiert. Seite 17

US-Reiter am Luzerner CSIO überlegen

Den Grossen Preis der Schweiz am Luzerner CSIO hat dieAmerikanerin Katherine Burdsall vor ihrem LandsmannLouis Jacobs gewonnen. Seite 47

Senna Erster des Formel-1-GP in Monte Carlo

Mit klarem Vorsprung vor Nelson Piquet (2.) und MicheleAlboreto (3.) hat Ayrton Senna das Formel- 1 -Rennen im Für-stentum Monaco für sich entschieden. Seite 49

inhaltsübersicht Umfang 60 Seiten

Ausland 1-4 Roman 24Vermischtes 5 Radio und TV 29/30Wirtschaft 7, 9/10 Stadt undInland 17-19 Kanton Zürich 31-35Feuilleton 21, 23 Sport 47-52

Anzeigen-ÜberblickSeite

litbüro spricht von einer «unannehmbaren Un-bekümmertheit und Unentschlossenheit» desKommandos der Luftabwehr, das es unterlassenhabe, den Flug der Cessna - ohne Anwendungvon Kampfmitteln - zu unterbrechen. Mankann in der Tat nur rätseln, warum ein Eingrei-fen an der Grenze und beim langen Anflug vonMoskau unterblieb: Ob wegen der «Harmlosig-keit» einer Cessna, aus Angst vor einem ähnli-

Der neue sowjetische Verteidigungsminister, GeneralDimitri Jasow. (Bild key)

chen Debakel wie 1983 beim Abschuss einer ko-reanischen Passagiermaschine oder wegen tech-nischen oder menschlichen Versagens.

Das Politbüro spricht weiter von einer «ern-sten Unzulänglichkeit in der Organisation derAlarmbereitschaft bei der Überwachung des so-wjetischen Luftraums, einem Mangel an ange-messener Wachsamkeit und Disziplin sowie ei-ner groben Pflichtverletzung in der Führung derStreitkräfte durch das sowjetische Verteidi-gungsministerium». Damit ist die ganze Armee-spitze involviert, was erklären mag, dass keinerder drei Ersten Stellvertretenden Verteidigungs-

minister - Generalstabschef Sergei Achromejew,

der Oberkommandierende des Warschaupakts,Kulikow, oder Armeegeneral Pjotr Luschew- alsNachfolger Sokolows gewählt wurde, sondernein Armeegeneral auf der Stufe der stellvertre-tenden Minister. Jasow ist erst vor kurzem aufdiesen Posten berufen worden, er war für diePersonalabteilung zuständig. Vorher war erKommandant des zentralasiatischen und an-schliessend des fernöstlichen Militärdistrikts ge-

wesen. Er ist Kandidat des ZK und Mitglied desObersten Sowjets.

Vor weiteren Strafmassnahmen?

Das Politbüro unterstrich weiter die «funda-mentale Bedeutung der Aufgabe, die Kampfbe-

reitschaft und Disziplin der Streitkräfte resolutauszuweiten, den Befehl über die Truppen effi-zient zu machen und ihre ständige Fähigkeit zugarantieren, jeden Übergriff auf die Souveräni-tät des Sowjetstaates zu unterbrechen». Diesschliesst an eine bisher schon mehrmals öffent-lich geäusserte Kritik über mangelnde Ausbil-dung und Disziplin in der sowjetischen Armeean.

Die (zivile) Staatsanwaltschaft ist beauftragtworden, die Umstände der Luftraumverletzung

vom Donnerstag und die Verantwortung der«offiziellen Personen» sowie des deutschen Pi-loten zu untersuchen. Das bedeutet, dass nachden politischen Sanktionen höhere und niedri-gere Militärchargen auch noch gerichtlich abge-

urteilt werden dürften, wobei angesichts derheftigen Reaktion des Politbüros und der spür-baren Erschütterung des militärischen Selbstge-

fühls der Sowjetunion wohl eher drakonische

Strafen für die sowjetischen Verantwortlichenzu erwarten sind. Die deutsche Botschaft inMoskau ist am Samstag vom sowjetischen Aus-senministerium über die Verhaftung und Befra-gung des 19jährigen Hamburger Piloten, der mitseinem Coup eine aussergewöhnliche Irritationder Sowjetmacht ausgelöst hat, unterrichtetworden. Ein Sprecher der Botschaft erklärte,man hoffe, in dieser Woche mit Mathias RustKontakt aufnehmen zu können.

Das Ende einer Interimslösung?

Eine normale, das heisst ehrenvolle Ablö-sung des 75jährigen Marschalls Sergei Sokolowzu einem anderen Zeitpunkt wäre wohl kaumeine Überraschung gewesen. Er hatte die Alters-grenze überschritten und konnte seine öffentli-chen Funktionen wegen Krankheit - vermutlicheines Herzinfarkts - 1986 zeitweilig nicht mehrwahrnehmen. An der Revolutionsparade imvergangenen November hatte ihn General Lu-schew vertreten, der deshalb als möglicherNachfolger galt. Sokolow war, noch unterTschernenko, im Dezember 1984 zum Nachfol-ger des verstorbenen Marschalls Dimitri Usti-now ernannt worden, galt aber im Gegensatz zuUstinow als wenig einflussreicher und eher un-politischer Berufsmilitär, der nach seiner Mili-tärkarriere 14 Jahre lang Erster Stellvertreten-der Verteidigungsminister gewesen war, bis eran die Spitze nachrückte. Anders als Ustinowwurde er auch nie Vollmitglied im Politbüro,sondern blieb seit dem April 1985 immer nurKandidat.

Seine Ernennung war als «Interimslösung»

betrachtet worden. Politische Rollen spielten

eher Achromejew in der Unterstützung undMitformulierung von Gorbatschews Abrü-stungsvorschlägen und Kulikow mit seinemVersuch, direkte Verhandlungen zwischen derNato und dem Warschaupakt anzubahnen unddie «friedliche Doktrin» des östlichen Bündnis-ses zu propagieren. Allgemein glaubte man,dass Gorbatschew den Einfluss der Armee zu-rückzubinden wünschte und möglicherweise

wieder an einen Zivilisten an der Spitze des Ver-teidigungsministeriums dachte. Dazu hat dieZeit nun allerdings nicht gereicht. Es ist aberbereits vermutet worden, dass Jasow durchausein Kandidat Gorbatschews sein könnte. Fürdie hartnäckigen Spekulationen über ein gestör-

tes Verhältnis zwischen dem Abrüstungspoliti-ker Gorbatschew und den Militärs gab es niekonkrete Beweise. Der Wortlaut des Politbüro-Communiqucs gibt jetzt jedenfalls deutlich ge-nug zu erkennen, wer bei wem in der Schuldsteht. Siehe Artikel auf Seite

Blutige Kämpfein Südlibanon

Angriff des «Islamischen Widerstandes»auf israelische Stellungen

Sidon, 31. Mai. (afp/Reuter) Freischärler dervorwiegend schiitischen Organisation Islami-scher Widerstand haben sich am Sonntag blu-tige Kämpfe mit israelischen Truppen und derMiliz Südlibanesische Armee (SLA) geliefert.Die siebenstündigen Gefechte hätten vor Mor-gengrauen mit dem bisher grössten Angriff aufisraelische Stellungen in Südlibanon begonnen,hiess es in einer in Sidon verbreiteten Erklärungder Organisation. Über die Zahl der Toten undVerletzten lagen unterschiedliche Angaben vor.Nach Darstellung der Organisation überfielendie Guerilleros drei gemeinsam von Israeli undder proisraelischen SLA gehaltene Stellungen

bei dem Bergrücken Jebel Saß innerhalb dervon Israel festgelegten südlibanesischen Sicher-heitszone. Die Verteidiger hätten «schwere Ver-luste» erlitten, ein SLA-Milizionär sei gefangen-genommen worden. Die eigenen Verluste wur-den mit zwei Toten und einem Verletzten ange-geben.

Nach israelischen Militärangaben kamen beiden Gefechten acht muslimische Guerillerosund fünf christliche SLA-Milizionäre ums Le-ben. 26 Kämpfer, darunter 6 israelische Solda-ten, seien verwundet worden, sagte ein Armee-sprecher in Tel Aviv. Die SLA sprach von achttoten Milizionären und elf Verletzten.

Ein Polizeisprecher in Sidon sagte, dieIsraeli hätten im Laufe der Kämpfe mehrereDörfer von Helikoptern aus angegriffen. Dabeiseien zehn Menschen verletzt worden. AndereQuellen sprachen von einem Toten und neunVerletzten.

Israelische Razziain einem Palästinenserlager

Tel Aviv, 31. Mai. (Reuter) Israelische Solda-ten haben am frühen Sonntagmorgen eine um-fangreiche Operation im westjordanischen Palä-stinenserlager Balata bei Nablus begonnen. AusSicherheitskreisen in Tel Aviv verlautete, dieSoldaten durchsuchten das Lager nach verdäch-tigen Jugendlichen, die sich als Steinewerfer ge-gen israelische Militärfahrzeuge betätigt hätten.Anwohner berichteten, die Soldaten durch-kämmten systematisch Haus für Haus. Allemännlichen Personen über 13 Jahren müsstensich in einer Schule zum Appell sammeln. Überdas von 14 000 Menschen bewohnte Lager seieine Ausgangssperre verhängt worden.

Unveränderte INF-Position WashingtonsAblehnung eines Vorstosses von Weinberger durch Reagan

Im Rahmen der Vorbereitungen in Washington für ein Abkommen mit der Sowjet-union über die nuklearen Mittelstreckenwaffen hat Präsident Reagan einen von Verteidi-gungsminister Weinberger präsentierten Vorschlag abgelehnt, die Formel von Reykjaviküber Bord zu werfen und die vollständige Beseitigung der LRINF-Gefechtsköpfe zu ver-langen. Diese Meldung ist in einem kurzen Interview des Stabschefs des Weissen Hauses,Howard Baker, mit der «Washington Post» enthalten.

H. K. Washington. 31. MaiReagans Beschluss ist genaugenommen die

Ablehnung von Weinbergers Vorstoss, zum jet-zigen Zeitpunkt eine entsprechende Änderungam Vertragsentwurf vorzunehmen, wie er aafdem Genfer Verhandlungstisch liegt. Die Hal-tung der Administration zielt demnach weiter-hin darauf hin, dass man eine Elimination derin Asien und den USA aufzustellenden restli-chen hundert Sprengköpfe im Prinzip vorziehenwürde, in den Verhandlungen aber gegenwärtigdiese Forderung nicht als Bedingung stellt.

Kein Interessean einer Verzögerung des Dialogs

Baker erklärte gegenüber der «Post», es wärenach seiner Auffassung ein Fehler gewesen, denvorliegenden Vertragsentwurf vom Tisch zunehmen, weil diese Handlung eine bedeutsameVerschiebung in der amerikanischen Verhand-lungsposition signalisiert hätte. Dies hätte lautBaker nicht nur den INF-Dialog, sondern auchdie übrigen Verhandlungen mit Moskau beein-trächtigt. Baker fügte hinzu, StaatssekretärShultz, der im April in Moskau die amerikani-sche Position bestätigt hatte, habe sich gegenjede Korrektur an der Vertragsskizze ausgespro-chen und Reagan in dieser Richtung beraten.Für Reagans Beschluss bestimmend war lautBaker die Meinung, dass ein neuer Stellungsbe-zug den Gang der Verhandlungen verlangsamthätte. Nicht erst mit diesem Hinweis ist klar

geworden, dass der Zeitdruck auf amerikani-scher Seite bereits seine Wirkung ausübt. Inner-halb der Administration überwiegt immer nochdie Auffassung, dass Reagan und Gorbatschewim Herbst in Washington ein INF-Abkommenunterzeichnen könnten. Allem Anschein nachspielt diese Erwartung bei den politischen Ent-scheidungen eine spürbare Rolle.

Administration und Kongress haben gegen-wärtig ziemlich grosse Mühe, den Eindruck zuvermeiden, als sei es vor allem die amerikani-sche Seite, die auf ein Abkommen drängt. DasInteresse des Weissen Hauses und des Staatsde-partements, noch in der verbleibenden AmtszeitReagans zum Handschlag mit Moskau zu kom-

Oppositionsführerin Singapur verhaftet

Singapur, 30. Mai. (dpa) Der Generalsekretärder oppositionellen Arbeiterpartei Singapurs,Joshua Jeyaretnam, und zwei andere Parteimit-glieder sind am Samstag bei einer Demonstra-tion vor dem Präsidentenpalast der Inselrepu-blik von der Polizei festgenommen worden. Diedrei hatten gegen die Verhaftung von 16 Perso-nen protestiert, die nach Darstellung des Innen-ministeriums angeblich in eine kommunistischeVerschwörung zum Sturz der Regierung vonPremierminister Lee Kuan Yew verwickelt wa-ren.

Neue Zürcher Zeitung vom 01.06.1987