Acht-Sitz_Basiswissen - 1
Programm heute
•Klausur-Rückgabe ab 11.30h; Hinweise zu TN
•Überblick über Programm 2005
•Linguistische Analyse literarischer Texte:
Fortsetzung
•Sprachwissenschaftliche Probleme, Theorien und
Positionen
Acht-Sitz_Basiswissen - 2
•Überblick über Programm 2005
•Linguistische Analyse literarischer Texte: Fortsetzung
•Sprachwissenschaftliche Probleme, Theorien und
Positionen
•Normprobleme am Beispiel Rechtschreibung
•Sprachwandel am Beispiel Jugendsprache
Acht-Sitz_Basiswissen - 3
Kurz-Wiederholung Sprachwissenschaft
Hierarchie-Ebenen Sprachanalyse:
1. Phonetik - Phonologie (Lautlehre-
Lautbedeutungslehre)
2. Morphologie (Wortbildungslehre ( - Lexematik)
(Lehre von den Wörtern als Elementen des Lexikons)
3. Syntax (untersucht die kombinatorischen
Möglichkeiten des Zeichens)
Acht-Sitz_Basiswissen - 4
Kurz-Wiederholung Sprachwissenschaft
Hierarchie-Ebenen Sprachanalyse:
4. Semantik (Bedeutung des Zeichens und sein
Realitätsbezug)
(5. Textlinguistik)
6. Pragmatik (untersucht Verhältnis des Zeichens
zu seinem Benützer)
Acht-Sitz_Basiswissen - 5
Wortarten-Analyse
10 Wortarten, ‚wichtigste‘ Wortarten für Analysen:
•Verb (Valenzgrammatik)
•Pronomen (Textphorik)
•Konjunktion (Syntagmatik)
Acht-Sitz_Basiswissen - 6
Syntagmatische Analyse:
•Subjekt - Prädikat - Objekt - Adverbiale - Prädikativ(e)
•Para-, Hypotaxe
•Satzgliedstellungen (abweichende
Satzgliedstellungen; Inversionen etc.)
Acht-Sitz_Basiswissen - 7
Ergänzung wichtiger grammatischer Begriffe
•Verbformen: Numerus, Tempus, Genus und Modus
•Wichtigste Bedeutungsgruppen unterordnender
Konjunktionen:
temporal - kausal - final - konditional - konzessiv -
modal
Acht-Sitz_Basiswissen - 8
Hinweis auf rhetorische Figuren
•Allegorie
•Alliteration
•Anakoluth
•Anapher
•Assonanz
•Asyndeton.....
Eduard Mörike: Auf eine Lampe
Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du,
An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier,
Die Decke des nun fast vergeßnen Lustgemachs.
Auf deiner weißen Marmorschale, deren Rand
Der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht,
Schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreihn.
Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist
Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form –
Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein?
Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 10
Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du,
An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier,
Die Decke des nun fast vergeßnen Lustgemachs.
•Satzbau: Hervorhebung “noch unverrückt”
•Interjektion Personifizierung (o schöne Lampe)
•Adj.-Attr. “leicht” und “zierlich” Dämpfung des Subst.
Ketten
Linguistische Analyse literarischer Texte - 11
Auf deiner weißen Marmorschale, deren Rand
Der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht,
Schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreihn.
•Beschreibung der Lampe: Stimmungsbeschreibung:
“fröhlich”
•Kontrast von weißem Marmor und “goldgrünem Erz”
Linguistische Analyse literarischer Texte - 12
Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist
Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form –
Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein?
•“alles”: Folgendes bezieht sich auf die ganze Lampe
(vgl. ganze Form)
•“reizend”, “lachend” vs. “Ernst” (abgemildert durch
“sanfter Geist”)
•Gegensatz wird deutlich durch Konj. “doch”
Linguistische Analyse literarischer Texte - 13
Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst.
•Adj. “schön” Rückbezug auf den Anfang
•Doppelwertigkeit von “scheinen” als Voll- und
Modalverb: lucet, videtur
Linguistische Analyse literarischer Texte - 14
Zusammenfassung:
•Lampe wird als schönes, zierlich leicht aufgehängtes
Kunstwerk beschrieben
•Gegensatz zwischen der fröhlichen Kinderschar und
dem „sanften Geist des Ernstes“ macht Lampe zum
„Kunstgebild der echten Art“
•abschließende Aussage: „Das Schöne bleibt sich selbst
selig“
•Gedicht geht von Beschreibung der Lampe über zu
Aussage über die Kunst
Bertolt Brecht: Wir sind sie
Wer aber ist die Partei?Sitzt sie in einem Haus mit Telefonen?Sind ihre Gedanken geheim, ihre Entschlüsse unbekannt?Wer ist sie?
Wir sind sie.Du und ich und ihr – wir alle.In deinem Anzug steckt sie, Genosse, und denkt in deinem Kopf.Wo ich wohne, ist ihr Haus, und wo du angegriffen wirst, da kämpft sie.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 15
Zeige uns den Weg, den wir gehen sollen und wirWerden ihn gehen wie du, aberGehe nicht ohne uns den richtigen WegOhne uns ist er
Der falschesteTrenne dich nicht von uns!Wir können irren, und du kannst recht haben, alsoTrenne dich nicht von uns.
Dass der kurze Weg besser ist als der lange, das leugnet keinerAber wenn ihn einer weissUnd vermag ihn uns nicht zu zeigen, was nützt uns seine Weisheit?Sei bei uns weise!Trenne dich nicht von uns!
Linguistische Analyse literarischer Texte - 16
Analyse laut: Roman Jakobson: "Der grammatische Bau des Gedichts von B. Brecht ›Wir sind sie‹", In: R.J.: Selected writings.Bd. III, S. 660-676.
•Gedicht stammt aus der „Maßnahme“ (1926):
Gestaltung des Gegensatzes Individuum - Kollektiv,
‚Vermittlung‘ des Führungsanspruches der Partei
•Dieser Führungsanspruch wird von Brecht dialektisch-
doppeldeutig gestaltet über die Form
Linguistische Analyse literarischer Texte - 17
•Form heißt in diesem Fall Grammatik
•Grammatisch organisiertes und grammatisch
analysierbares Gedicht
•Organisation über die Verwendung grammatischer
Kategorien, also insbes. Pronomina (61 von 124
Wörtern)
•Funktionswörter (27) (insges. 71 %); dazu die meisten
Nomina unbelebt.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 18
Weiterhin auffällig Verteilung grammatischer und
syntaktischer Strukturen über die fünf Gedichtstrophen:
Generelle Tendenz: Zunahme von Merkmalhaftigkeit:
also von
•Modi, Kasus, Numerus und Negation.
•D.h. das Gedicht vom Einfachen zum Komplexen, von
der einfachen Fragestellung zur Komplizierung.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 19
•Gliederung des Gedichts in zwei Strophenblöcke I/II
und III/V
•Mittelzeile: 11: „Gehe nicht ohne uns den richtigen
Weg!“
•Beispiel für die Zunahme von Merkmalhaftigkeit:
•Zunahme von Kasus: Vorherrschen von Nominativen in
I und II, von obliquen Kasus ab III.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 20
Grammatisch-syntaktische Strukturmerkmale:
1. Vorherrschen Pronomen „sie“ in I und II,
Überwechseln zum „Wir“ in III, schließlich „Du“
und ‚einer‘
2. Fragesätze in I, (Frage in V rhet. Frage!)
Aussagesätze (Indikativ) in II,
Aussagesätze und Imperativsätze in III-V.
3. Parallelismen, Wiederholungen (bis zu
Assonanzen) im ersten Strophenblock,
dynamische Rhythmen und Enjambements im
zweiten Strophenblock.
Linguistische Analyse literarischer Texte - 21
Deutung der grammatisch-syntaktische
Strukturmerkmale:
•Wahrheitsanspruch der Partei beschränkt sich auf
formale Strukturen („Trenne dich nicht von uns“) und ist
nicht inhaltlich und damit nicht essentiell abgesichert
• = implizite, nicht ausgesprochene Kritik am
Führungsanspruch der Partei
Linguistische Analyse literarischer Texte - 22
Teilkapitel
Sprachwissenschaftliche
Probleme, Theorien und
Positionen
Sprachwissenschaftliche Positionen - 23
•Sprachwissenschaft (SW) eher erklärende als
verstehende Disziplin
•SW untersucht den Aufbau und die Funktionsweise von
Sprache: die Verbindung von Lauten und Bedeutungen
•SW untersucht Baulemente der Sprache:
phonologische Merkmale (Repertoire) und syntaktische
Kategorien (Anordnungsprinzipien)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 24
„ [...] die erstaunliche Erfindung, aus fünfundzwanzig
oder dreißig Lauten eine unendliche Vielfalt von
Wörtern zu bilden.“ (Grammatik von Port-Royal
1660)
•SW kann sich auf einzelne Sprachen
(Nationalsprachen) oder allgemein auf die Sprache
beziehen
•SW untersucht das Kommunikationssystem der
Gesellschaft
Sprachwissenschaftliche Positionen - 25
•SW in den 70er Jahren („linguistic turn“)
Leitwissenschaft der Geisteswissenschaften:
Leitpositionen Soziolinguistik (Bernstein) und
Sprechakttheorie (Searle und Austin)
•Leitpositionen heute Computerlinguistik und
Neurolinguistik
•ansonsten Ablösung des „linguistic turn“ durch
„pictorial turn“ (Leitwissenschaft Medienwissenschaften)
Sprachwissenschaftliche Positionen - 26
Sprachwissenschaftliche Positionen
1. Traditionelle Grammatik-Auffassung, Historisch-
vergleichende Sprachwissenschaft
2. Strukturalismus
3. Generative Transformationsgrammatik von N.
Chomsky
4. Sprachanalytische Philosophie - Pragmatik -
Sprechakttheorie
5. Psycholinguistik
Sprachwissenschaftliche Positionen - 27
Vorläufer des Strukturalismus
Zeichenmodell von F. de Saussure („Grundfragen der
allgemeinen Sprachwissenschaft“, Erstdruck 1917) als
Begründung moderner Linguistik
Sprachwissenschaftliche Positionen - 28
Zeichenmodell von F. de SaussureZeichen ist die Einheit von Lautgestalt und Begriff,/baum:/ und „Baum“, signifiant und signifiéZeichen ist eine psychische Gegebenheit.Die Verbindung von Lautgestalt und Begriff ist arbiträr.
Sprachwissenschaftliche Positionen - 29
/baum:/
„Baum“
Signifikant
Signifikat
bedeu-tet
Organonmodell von K. Bühler als Wegbereiter der
Pragmatik
•Zeichen im kommunikativen Kontext
•Zeichen dreigliedrig
Sprachwissenschaftliche Positionen - 30
Zeichen
Gegenstände und Sachverhalte:Darstellung
Ausdruck:Sender
Appell: Empfänger
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