Download - AUERN ADVENT Unbeschwert ist anders · 2019. 10. 21. · Mistelholz wurde Baldur ge-tötet. Friggas Tränen ver-wandelten sich in weisse Beeren an den Mistelzwei-gen. Als es ihr gelang,

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Page 1: AUERN ADVENT Unbeschwert ist anders · 2019. 10. 21. · Mistelholz wurde Baldur ge-tötet. Friggas Tränen ver-wandelten sich in weisse Beeren an den Mistelzwei-gen. Als es ihr gelang,

14. DEZEMBER 2012 BAUERNZEITUNG 21

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Misteln hängen zwi-schen Himmel undErde hoch oben in

den Wipfeln der Bäume. Dieweissen Beeren der Mistelreifen nur im Dezember, al-so gerade rechtzeitig für ver-schiedene Weihnachtsbräu-che.

Küssen unter dem Mistelzweig

Am bekanntesten ist derKuss unter dem Mistelzweig.Steht eine Frau zur Weih-nachtszeit unter dem ge-schmückten Zweig, kann siees nicht ablehnen, geküsstzu werden. In England wur-den die Misteln im 18. Jahr-hundert mit dem Gewehrvon den Bäumen geschos-sen und «Kusskugeln» ge-nannt. Ein Kuss konnte ei-ne Romanze, aber auch ei-ne Freundschaft bedeuten.Küsst man sich in Kanadaunter dem Mistelzweig, wirddies als Heiratsversprechenund Prophezeiung für einlanges Leben genommen.

Um böse Geister oderBlitzschlag abzuwenden,hängt man die Mistel überder Haustür oder im Stallauf. Bei uns wächst die Mis-tel häufig auf Weisstannenund Laubbäumen. Verbrei-tet wird sie durch Vögel. Soverdankt die Misteldrosselihren Namen der Vorliebefür die klebrigen Beeren.

Zaubertrank nach demDezembervollmond

Der goldene Zweig derDruiden ist ein Mistelzweig– für sie gehörte die Mistel zuden heiligsten Pflanzen. Sieernteten die Misteln für ihreZaubertränke nach dem De-zembervollmond mit einergoldenen Sichel. Eine nordi-sche Sage erzählt, dass derFeuergott Loki den Sohn derLiebesgöttin Frigga umbrin-gen wollte. Um Baldur zuschützen, nahm Frigga allenTieren und Pflanzen das Ver-sprechen ab, ihm nichts an-zutun. Sie vergass jedoch die

Mistel in den Baumkronen.Mit einer Pfeilspitze ausMistelholz wurde Baldur ge-tötet. Friggas Tränen ver-wandelten sich in weisseBeeren an den Mistelzwei-gen. Als es ihr gelang, ihrenSohn zurück ins Leben zuholen, versprach Frigga, je-den zu küssen, der unter ei-nem Mistelzweig steht.

Gemäss einer anderen Le-gende bestand das Kreuzvon Jesus Christus aus Mis-telholz. Der Mistelbaum warderart entsetzt, dass er nichtmehr als Baum wachsenwollte und fortan als Schma-rotzerpflanze auf anderenBäumen lebte. Dafür wurdeer ein Glücksbringer.

Der Mistel wird auch eineheilende Wirkung nachge-sagt. Mistelpräparate wer-den bei Krebserkrankungeneingesetzt. Brigitte Meier

Misteln

ADVENT

BAUERNZEITUNG: Sie schrei-ben in Ihrer Bachelor-Arbeit«Bauernfamilien unter Druck»,dass nicht das Ausmass an Stresszu Überlastung führt, sondernder Umgang mit Stress. Was be-deutet das für den Landwirt/dieBäuerin unter Druck?SONJA IMOBERDORF: JederMensch nimmt Stress anderswahr. Und jeder Mensch reagiertauch anders auf Belastungen.Grundsätzlich kann aber gesagtwerden: Je mehr Strategien demLandwirt oder der Bäuerin zurVerfügung stehen, um hochbe-lastende Situationen zu meis-tern, desto kleiner ist die Gefahr,dass es zu einer Überlastungkommt.

Ob und wie gut eine belastendeSituation bewältigt werdenkann, ist von den individuellenFähigkeiten abhängig. Was sinddas für Fähigkeiten?IMOBERDORF: Schlicht gesagtist es die Art und Weise, wie einProblem alleine gelöst wird. Siewird unter anderem bestimmtdurch Persönlichkeitseigen-schaften wie der Fähigkeit, sichin die Situation des Gegenüberszu versetzen, um Hilfe bitten zukönnen oder konfliktträchtigeThemen anzusprechen. DieseFähigkeiten sind in unbelastetenZeiten oftmals vorhanden. So-bald sich die Belastungen aberhäufen, drohen sie zusammen-zubrechen. So kann es beispiels-weise vorkommen, dass einBauer sich gut in die Situationeines Berufskollegen in Schwie-rigkeiten hineinversetzen undihm sogar Hinweise für mögliche

Lösungen des Problems gebenkann. Zu Hause reagiert derselbeBauer aber dann gereizt undfeindselig, wenn seine Frau ihnauf Beziehungsprobleme an-spricht. Er kann kein Verständnisfür ihr Verhalten aufbringen. DerGrund dafür liegt vielleicht garnicht in der Beziehung, sondernganz woanders: Probleme mitder Eutergesundheit seinerKühe, Schmerzen im Rücken,Sorgen wegen einer anstehen-den Investition usw.

Wie können diese individuellenFähigkeiten gestärkt werden?IMOBERDORF: Als Erstes ist essicher hilfreich zu wissen und zuverstehen, wie sich das Verhal-ten, das psychische und körper-liche Befinden eines Menschenändern kann, wenn er unterStress steht. In der Tierhaltungist es selbstverständlich, dassStress eine negative Wirkung auf die Leistungen und das Ver-halten der Nutztiere hat. Ge-nauso kann schlecht oder nichtbewältigter Stress die familiärenBeziehungen belasten. In derlandwirtschaftlichen Aus- undWeiterbildung werden vermehrtThemen aufgegriffen, die direktmit der Stressbewältigung zu tun haben, wie etwa Kommuni-kation oder Zeitmanagement. Esgilt, solche Angebote zu nutzen.

Ob und wie in der Familie mit-einander gesprochen wird, istganz entscheidend, auch inBezug auf Stressbewältigung.Sie haben festgestellt, dass dieKommunikation in bäuerlichenFamilien anfälliger ist als in

Familien ohne Unternehmen.Woran liegt das? IMOBERDORF: In Bauernfami-lien sind das Familienleben, dieberufliche Tätigkeit und Eigen-tumsfragen eng gekoppelt. DieFamilienmitglieder mehrererGenerationen haben in den Systemen «Familie» und «Be-trieb» verschiedene Rollen undBeziehungen. Dies führt zu

unterschiedlichen Verhaltens-und Kommunikationsregeln, dienicht immer zusammenpassen.

Nehmen wir das Beispiel ei-nes jungen Landwirts, der denBetrieb von den Eltern über-nommen und diese nun bei sichangestellt hat. Als Betriebsleiterist er der Chef der Eltern, in der Familie bleibt er aber derSohn. Das ist eine Konstellation,in der Verhaltensunsicherhei -ten vorprogrammiert sind. Dazukommt, dass die Familienmit-glieder in hohem Masse vonei-nander abhängig sind. Das Ver-halten und die Kommunikationrichten sich in erster Linie nachder Existenz des Betriebs. Damitsich ein allfälliger Streit nichtnachteilig auf den Betrieb aus-

wirkt, wird dem «Familienfrie-den» zuliebe oft geschwiegen.

Das Miteinanderreden ist alsoin Bauernfamilien konfliktanfäl-liger als in anderen Familien, esentstehen leichter Missver-ständnisse. Um dies zu vermei-den, wird vieles gar nicht erstausgesprochen. Da man abernicht nicht kommunizierenkann, wirken auch Gesten undBlicke auf das Gegenüber.

Ist die Bäuerin oder der Land-wirt anhaltend unter Stress,wirkt sich das auf die Paarbe-ziehung und die ganze Familienegativ aus. Wie kann der nichtbelastete Partner die Stressbe-wältigung unterstützen?IMOBERDORF: Indem er sich fürden Stress des Gegenübers inte-ressiert, fragt, was sich ereignethat, zuhört und Hand bietet zurgemeinsamen Bewältigung derBelastungen.

Zum Thema Stress gibt es zahl-reiche Ratgeber. Was könnendiese leisten?IMOBERDORF: Grundsätzlichfinde ich es gut, wenn man sichmit dem Thema Stress auseinan-dersetzt. Je besser sich die Tippsund Strategien solcher Ratgeberim Alltag umsetzen lassen, destoeher können sie positive Verän-derungen anstossen. Es muss al-lerdings beachtet werden, dassdie Änderung eines ungünstigenVerhaltensmusters, das sich überJahre eingeschlichen hat, Zeitbraucht. Neue Fähigkeiten imUmgang mit Stress oder der Artund Weise, wie man miteinanderredet, müssen wie beim Sport

trainiert werden, damit sie imAlltag mit Erfolg eingesetzt wer-den können. Da kann der Beizugeines (professionellen) Trainersoder das Mitmachen in einerTrainingsgruppe sinnvoll sein.Ideal wäre eine Erfahrungs-gruppe, die sich über einen be-grenzten Zeitraum trifft und pro-fessionell angeleitet gemeinsamLösungen erarbeitet zu zwi-schenmenschlichen Problemen,die meist in Zusammenhang mitStress entstehen.

Was hilft noch, beziehungsweisewas hilft eher als ein Ratgeber?IMOBERDORF: Die Gewissheit,dass man sich für persönlicheoder soziale Probleme nichtschämen muss und dass es beiderartigen Schwierigkeiten keineSchande, sondern eine Stärke ist,professionelle Hilfe in Anspruchzu nehmen. Ein Anruf beim Sor-gentelefon ist beispielsweiseimmer möglich. Und der alteSpruch «geteiltes Leid ist halbesLeid» kann auch umformuliertwerden in: «Geteilter Stress isthalber Stress». Das heisst, manmuss den Menschen in seinemUmfeld mitteilen, was einen be-schäftigt. Man darf nicht davonausgehen, dass sie von alleinemerken, was los ist oder was vonihnen erwartet wird.

Interview Esther Zimmermann

Sonja Imoberdorf (31) hat an der BernerFachhochschule Agronomie (Zollikofen)und nach einigen Jahren beruflicher Tätigkeit Soziale Arbeit (Bern) studiert.Sie hat für ihre Bachelor-Arbeit «Bauern-familien unter Druck» eine Auszeichnungerhalten.

«Nicht bewältigter Stress kann die familiären Beziehungen belasten»

Sonja Imoberdorf

NACH

GEFR

AGT

BERN ! Stress ist ein an und fürsich neutraler Ausdruck, derheute vorwiegend negativ be-setzt ist. Von Stress wird gespro-chen, wenn ein Ungleichgewichtbesteht zwischen den innerenund äusseren Anforderungen aneine Person und ihren Möglich-keiten, darauf zu reagieren. Die-ses Ungleichgewicht muss ob-jektiv gar nicht bestehen, es wirdsubjektiv aber so erlebt.

Hält das Ungleichgewicht zulange an und fehlen Entspan-nungs- sowie Entlastungspha-sen, kann Stress schädlich undkrankmachend wirken. Ab wel-chem Zeitpunkt Stress untragbarwird, ist bei jeder Person anders,da abhängig von der individuel-len Lerngeschichte, der geneti-schen und biologischen Ausstat-tung sowie anderen Persönlich-keitsmerkmalen.

Die häufigste Art von Stresssind alltägliche Widrigkeiten wiedas Zuspätkommen zu einemTermin oder die Unzuverlässig-keit einer anderen Person. Diemeisten Menschen können auchmit einer Anhäufung von sol-chen Widrigkeiten noch gut um-gehen. Problematisch wird esmeist dann, wenn gleichzeitignoch kritische Lebensereignissewie beispielsweise die Hofüber-gabe oder Entwicklungsaufga-ben wie Elternschaft oder Pen-sionierung zu bewältigen sind.

Wer unter Stress steht, ist an-gespannt, nervös oder auchüberempfindlich und reagiertgereizter und aggressiver als in unbeschwerten Situationen.Hält der Stress über längere Zeitan, kann das zu Erschöpfungführen. Es können sich psycho-somatische Störungen wie auch

körperliche Beschwerden entwi-ckeln, und es kann zu ernsthaf-ten Konflikten in der Partner-schaft und der Familie kommen.

Geht es um die Bewältigungvon Stress, stehen Bauernfami -lien durch die Verknüpfung vonFamilie, Betrieb und Eigentum

im Vergleich zu anderen Fami -lien vor besonderen Heraus -forderungen. Sonja Imoberdorf hat sich in ihrer Bachelorarbeit

«Bauernfamilien unter Druck»damit auseinandergesetzt. (Sie-he Interview unten.)

Esther Zimmermann

Unbeschwert ist andersDruck / Kleine Widrigkeiten können stressig sein, eine Häufung von belastenden Situationen kann krank machen.

Wer unter Stress steht, ist angespannt oder auch überempfindlich und reagiert gereizter als in sorglosen Momenten. (Bild Keystone)