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Chemie – Grundwissen der 10. Jahrgangsstufe
Im Folgenden ist das Grundwissen des Chemie-Unterrichts am Melanchthon-
Gymnasium (humanistisches Gymnasium) zusammengestellt. Es baut nahtlos auf
dem Wissen der 9. Jahrgangsstufe auf.
Es ist in Anlehnung an das verwendete Schulbuch Galvani SII aus dem bsv-Verlag
entstanden.
1 Molekülstruktur und Stoffeigenschaften
1.1 Das Orbital
Das Atomorbital ist der Aufenthaltsraum, in dem sich ein Elektron mit größter
Wahrscheinlichkeit aufhält. Die räumliche Form eines Atomorbitals hängt von seiner
Energiestufe ab.
Das Molekülorbital entsteht durch die Überlappung zweier Atomorbitale, die je nur
einfach besetzt waren (d.h. je nur ein Elektron enthielten). Molekülorbitale entstehen
also bei der Ausbildung einer Elektronenpaarbindung und enthalten das bindende
Elektronenpaar.
1.2 Der räumliche Bau von Molekülen
1.2.1 Die unterschiedlichen Darstellungsweisen für Moleküle
Die Summenformel gibt die exakte atomare Zusammensetzung
eines Moleküls wieder.
In der Organischen Chemie wird zur genaueren Klassifizierung die
Konstitutionsformel gebraucht: sie gibt die Verknüpfung der
Atome wieder, so dass bereits funktionelle Gruppen (siehe Pkt. 4.3)
erkannt werden können.
Mit der Strukturformel = Valenzstrichformel wird die tatsächliche
Verknüpfung der Atome und die Verteilung von bindenden und
nichtbindenden Elektronen beschrieben. Die Regeln zum Erstellen
von Strukturformeln sind dem Grundwissenskatalog der
9. Jahrgangsstufe zu entnehmen.
Die Halbstrukturformel ist in der organischen Chemie als
übersichtliche Schreibweise von Bedeutung: es wird die
Verknüpfung von Atomgruppen geschrieben.
Die Stereoformel (= Keilstrichschreibweise) ist die räumliche
Darstellung der Molekülgeometrie auf der Papierebene, d.h. es ist
eine Strukturformel, die die Bindungswinkel berücksichtigt.
Die Skelettformel dient in der organischen Chemie als
Schnellschreibweise für sehr große Moleküle; das
Kohlenstoffgerüst wird nur durch Striche symbolisiert, wobei
Kohlenstoff- und Wasserstoffatome weggelassen werden. Nur
gebundene Fremdatome (O, N, P, S, F, Cl, Br, I) werden
geschrieben.
Formel aus Galvani SII, S. 27
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1.2.2 Der räumliche Bau von Molekülen und das
Elektronenpaarabstoßungsmodell = EPA-Modell
(engl: VSEPR-Modell: Valence Shell Electron Pair Repulsion)
Das EPA-Modell macht folgende Aussagen, die bei der Ermittlung des räumlichen
Baus eines Moleküls beachtet werden müssen:
- Elektronenpaare (bindende und nichtbindende) sind gleichartig negativ
geladen und stoßen sich gegenseitig ab.
- Die Elektronenpaare ordnen sich im Molekül so an, dass sie den
größtmöglichen Abstand haben (und damit die geringste Abstoßung).
- Mehrfachbindungen werden wie Einfachbindungen behandelt.
- Nichtbindende Elektronenpaare beanspruchen mehr Raum, da sie nur von
einem Atomkern angezogen werden.
Die Zahl der Liganden (L) und die Zahl der nichtbindenden Elektronenpaare (NEP)
des Zentralatoms (Atom mit größter Wertigkeit) bestimmen den räumlichen Bau.
Zahl der Elektronenpaare Räumliche Anordnung Beispiele
2 L oder auch
1 L + 1 NEP
Lineare Anordnung
Bindungswinkel: 180°
3 L Trigonal planare
Anordnung:
Bindungswinkel: 120°
4 L Tetraedrische Anordnung
Bindungswinkel:
z. B. 109,5° für Methan
3 L+
1 NEP
Pyramidale Anordnung
Bindungswinkel:
z. B. 107,3° für Ammoniak
2 L +
2 NEP
Gewinkelte Anordnung
Bindungswinkel:
z. B. 104,5° für Wasser
XeF2,
HCl
BCl3,
BH3
CH4
NH3
H2O
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1.3 Die polare Atombindung
Die Elektronegativität EN ist ein Maß für die Kraft, mit der ein Atom die bindenden
Elektronen im Molekül an sich ziehen kann. Sie wird ohne Einheit angegeben.
Die EN ist umso größer, je kleiner das Atom und je größer die Kernladung ist.
Die EN ist umso kleiner, je größer das Atom und je geringer die Kernladung ist.
Im PSE: EN zunehmend innerhalb einer Periode von links nach rechts
EN abnehmende innerhalb einer Gruppe von oben nach unten.
Eine polare Atombindung liegt vor, wenn zwei Atome mit unterschiedlicher
Elektronegativität aneinander gebunden sind, so dass die Elektronendichte des
bindenden Elektronenpaares zum elektronegativeren Atom hin verschoben ist.
Dadurch entstehen: - eine positive Teilladung am weniger elektronegativen Atom
- eine negative Teilladung am elektronegativeren Atom
Auswirkungen:
- Das Molekül ist unpolar, wenn die Schwerpunkte der positiven und negativen
Teilladungen in einem Punkt zusammenfallen.
- Das Molekül ist ein Dipol, wenn die Schwerpunkte der positiven und negativen
Teilladungen an verschiedenen Punkten im Molekül liegen.
Eine Heterolyse ist die Trennung einer polaren Atombindung, so dass das
elektronegativere Atom beide Bindungselektronen erhält; es entstehen Ionen.
Eine Homolyse ist die Trennung einer unpolaren Atombindung, so dass jedes Atom
ein Elektron der Atombindung erhält; es entstehen Radikale.
Ein Radikal ist ein Teilchen mit einem ungepaarten Elektron; diese Teilchen sind
äußerst reaktiv.
1.4 Zwischenmolekulare Kräfte und Stoffeigenschaften
Van der Waals-Kräfte
Schwache Wechselwirkungen zwischen spontanen und induzierten Dipolen bei
unpolaren Molekülen. Sie sind umso stärker, je
- größer die Molekülmasse,
- größer die Moleküloberfläche (langgestreckte Moleküle) ist.
Dipol-Dipol-Wechselwirkungen
Wechselwirkungen zwischen permanenten Dipolen polarer Moleküle.
Wasserstoffbrückenbindungen
Starke Anziehungskräfte zwischen dem positiv polarisierten Wasserstoffatom an
einem Sauerstoff-, Fluor- oder Stickstoffatom des einen Dipol-Moleküls und einem
freien Elektronenpaar eines anderen Moleküls.
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Die Art der zwischenmolekularen Kräfte bestimmt die physikalischen Eigenschaften
eines molekularen Stoffes mit:
- je stärker die zwischenmolekularen Kräfte, desto höher liegen die Siede- und
Schmelzpunkte;
- Molekulare Stoffe sind nur in „verwandten“ Stoffen löslich, also in solchen
Lösungsmitteln, in denen die gleichen zwischenmolekularen Kräfte wirksam sind.
à Similia similibus solvuntur = Ähnliches löst sich in Ähnlichem.
1.5 Eigenschaften und Bedeutung des Wassers
Im Wasser sind die starken Wasserstoffbrücken-Bindungen wirksam;
- Wasser siedet als sehr kleines Molekül erst bei 100 °C
- Wasser besitzt Oberflächenspannung
- Wasser besitzt eine Dichteanomalie: es hat bei 4 °C die größte Dichte.
Diese Eigenschaften des Wassers machen ein Leben auf der Erde in den bekannten
Formen überhaupt erst möglich!
Wasser als Dipolmolekül löst Salze unter Bildung von hydratisierten Ionen:
Jedes Ion besitzt in wässriger Lösung eine sog. Hydrathülle, d.h. es ist von den
ausgerichteten Dipolmolekülen des Wassers umgeben und somit abgeschirmt von
den Anziehungskräften der entgegengesetzt geladenen Ionen.
2. Protonenübergänge: Säure – Base - Reaktionen
2.1 Indikatoren
Farbstoffe, die in sauren, alkalischen und neutralen Lösungen unterschiedliche
Farben besitzen.
Eigenschaft der
Lösung
Indikator
sauer neutral alkalisch
Bromthymolblau gelb grün blau
Phenolphthalein farblos farblos rot
Lackmus rot lila blau
Universalindikator rot grün blau
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2.2 Säuren und Basen, Ampholyte
Säuren sind Teilchen, die ein Proton abgeben können: Protonendonatoren.
Voraussetzungen: - mindestens ein gebundenes Wasserstoffatom
- polare Atombindung
Basen sind Teilchen, die ein Proton binden können: Protonenakzeptoren.
Voraussetzung: freies Elekronenpaar.
Saure Lösungen, ebenfalls „Säuren“ genannt, enthalten Oxoniumionen (H3O+
)
Alkalische Lösungen, als Laugen bezeichnet, enthalten Hydroxidionen (OH -
)
Protolyse-Reaktionen sind Protonenübergänge von Säuremolekül zu Basemolekül.
Das Säuremolekül wird durch die Abgabe eines Protons zu ihrer korrespondierenden
Base.
Ebenso wird das Basemolekül durch das Binden eines Protons zu seiner
korrespondierenden Säure.
Man nennt dies je ein korrespondierendes Säure-Base-Paar.
Bei Protolyse-Reaktionen sind stets zwei korrespondierende Säure-Base-Paare
beteiligt.
Ampholyte sind Teilchen, die - je nach Reaktionspartner - sowohl als Säure als auch
als Base reagieren können.
Bsp.: H2O, NH3, HCO3
-
, HSO4
-
.
Der pH-Wert ist ein Maß für die Stärke einer sauren bzw. alkalischen Lösung.
Er berechnet sich als der negative dekadische Logarithmus der Oxoniumionen-
Konzentration. Die pH-Skala umfasst den Zahlenbereich von 0 bis 14.
pH < 7 (sauer) pH = 7 (neutral) pH > 7 (alkalisch)
2.3 Neutralisation
Die Neutralisation ist eine Protolyse zwischen Säure und Lauge.
Bei der Neutralisation entstehen immer Wasser und ein Salz.
3. Elektronenübergänge
3.1 Oxidation und Reduktion
Oxidation ist eine Elektronenabgabe, dabei erhöht sich die Oxidationszahl.
Reduktion ist eine Elektronenaufnahme; dabei erniedrigt sich die Oxidationszahl.
Die Oxidationszahl dient als Hilfsgröße beim Erstellen von Redoxreaktionen.
Sie entspricht der Ladungszahl von:
- echten Atom-Ionen (O2-
, Cl-
, Mg2+
) in Salzen und
- hypothetischen Atom-Ionen in Molekülen oder Molekül-Ionen.
Sie wird als römische Ziffer über das Element geschrieben.
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Ermittlung von Oxidationszahlen freier Atome und von Atomen in Molekülen:
1. Atome bzw. Atomverbände als kleinste Teilchen von Elementen erhalten stets
die Oxidationszahl 0.
2. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in einem Molekül ist 0.
3. Durchführung einer gedanklichen Heterolyse des Moleküls, wobei die Bindungs-
elektronen vollständig dem Atom mit der größeren Elektronegativität EN
zugeordnet werden.
4. Berechnung der Differenz zwischen den „verbliebenen“ Elektronen und der Zahl
der Valenzelektronen des Atoms ergibt die hypothetische (gedachte) Ladung und
damit die Oxidationszahl.
Ermittlung von Oxidationszahlen von Ionen:
1. Atom-Ionen haben eine Oxidationszahl, die der Ionenladungszahl entspricht.
2. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in einem Molekül-Ion entspricht
der Ladungszahl.
Für Verbände aus verschiedenen Atomen gilt:
a) Metall-Atome erhalten stets positive Oxidationszahlen
b) Fluor-Atome erhalten stets die Oxidationszahl - I.
c) Wasserstoff-Atome erhalten die Oxidationszahl +I;
Ausnahme in Metallhydriden: z.B. LiH, CaH2 ;
d) Sauerstoff-Atome haben die Oxidationszahl - II;
Ausnahme: z.B. OF2 (Regel 5b); z.B. H2O2 (Regel 5c)
e) Chlor-, Brom- und Iod-Atome haben die
Oxidationszahl –I;
Ausnahme: z.B. BrO3
–
(Regel 5d)
3.2 Redoxreaktionen
Oxidation und Reduktion laufen stets gekoppelt ab; man nennt diese Reaktionen mit
Elektronenübergang Redoxreaktionen.
Oxidationsmittel ist der Stoff, der Elektronen aufnimmt und damit einen anderen
Stoff oxidiert; er selbst wird reduziert.
Reduktionsmittel ist der Stoff, der Elektronen abgibt und damit einen anderen Stoff
reduziert; er selbst wird oxidiert.
Ein Oxidationsmittel wird durch die Elektronenaufnahme zu seinem
korrespondierenden Reduktionsmittel; sie bilden ein
korrespondierendes Redox-Paar.
Analoges gilt für das Reduktionsmittel, das zu seinem korrespondierenden
Oxidationsmittel wird.
An einer Redoxreaktion sind stets zwei korrespondierende Redox-Paare beteiligt.
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3.3 Das Erstellen von Redox-Reaktionen
1. Schreibe Edukte und Produkte.
2. Bestimme die Oxidationszahlen OZ.
3. Ordne die Begriffe Oxidation und Reduktion zu.
4. Formulieren der Teilgleichungen
a) Schreibe das jeweilige Redoxpaar mit Oxidationszahlen
b) Gleiche die Anzahl der Teilchen auf beiden Seiten des Reaktionspfeiles aus.
Gleiche die Änderung der Oxidationszahl durch Elektronen aus.
c) Gleiche die Anzahl der echten Elementarladungen aus durch eine
entsprechende Anzahl von H3O+
-Ionen in saurer und neutraler Lösung bzw.
OH -
-Ionen in alkalischer Lösung.
d) Gleiche die Atombilanzen durch eine entsprechende Anzahl von Wasser-
Molekülen aus.
5. Formulieren der Redox-(Gesamt)gleichung:
a) Multipliziere die Teilgleichungen so, dass die Anzahl der abgegebenen
Elektronen der Oxidation gleich der aufgenommenen Elektronen der
Reduktion ist.
b) Addiere die Teilgleichungen zur Redox-Gleichung im kleinstmöglichen
Teilchenanzahlverhältnis.
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