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Page 1: Die Welt der Wörterbücher leuchtet in sonnigem Gelb · als 50 pro Jahr) hat sie auf allen grossen Bühnen der Welt. Aber immer noch lebt sie in Zollikon und singt oft auf ihrer

Jugendbuch: Schöne Bücher zu

heiklen Themen – und eine neue

Fassung der Iwein-Sage. 51

KULTUR49Tages-Anzeiger · Montag, 10. März 2008

Kultur in Kürze: Joseph Weizen-

baum ist gestorben, und Panic

at the Disco spielten in Zürich. 50

Geschenke in bulgarischen Waisenhäu-sern hätte verteilen sollen, sondern auchkochen, «was ich nie tue». Sie sprach vonKollegen, die dem stetig steigenden Drucknicht standhalten und zu Drogen greifen,und von Dirigenten und Regisseuren, diedie Sänger zum Forcieren zwingen. (Auchvon anderen sprach sie: Von Nikolaus Har-noncourt etwa, dem die Finessen wichti-ger sind als die Lautstärke, oder von klu-gen Regisseuren wie Christoph Loy oderMartin Kusej).

Vesselina Kasarova kann sich solcheKritik erlauben, oder besser: Sie erlaubt siesich einfach, «weil ich den ganzen Affen-zirkus nicht brauche». Denn sie bietet aufBühne und CDs etwas, was nur wenige zubieten haben: künstlerische Wahrhaftig-keit. Wie immer sie im Einzelfall auch klin-gen und aussehen mag.

Am 12. März um 20 Uhr präsentiertVesselina Kasarova zusammen mitdem Pianisten Kelly Thomas im ZürcherKaufleuten einige Offenbach-Arien.Anschliessend ist sie im Gespräch mitSusanne Kübler zu erleben.

Jacques Offenbach: Belle Nuit (RCA).

werden. «Ich kenne die Vorurteile: Bulga-rien – grosse Stimme – Brüllen – Tot», hatsie kürzlich in einem Interview gesagt. Sie

brüllt nicht einmal in dendramatischsten Ausbrü-chen, die selbstverständ-lich auch zu ihren Aus-drucksmöglichkeiten ge-hören.

Dass Vesselina Kasa-rova heute zu den gefrag-testen Mezzosopranistin-nen gehört, erstaunt beiihren Fähigkeiten kaum.Selbstverständlich ist esdennoch nicht, zumal siesich nie den Gesetzen derVermarktung unterwor-fen hat. Sie spricht Klar-text, auch neben derBühne. So hat im vergan-genen Sommer ein Inter-view in der «Zeit» für eini-gen Aufruhr gesorgt: Da

erzählte sie von ihrem Kampf gegen CD-Covers, «auf denen ich nicht wiederzuer-kennen war». Sie bezeichnete es als Skan-dal, dass sie für ein TV-Porträt nicht nur

Im Zürcher Opernhaus gehörtsie zu den Publikumslieblingen;nun singt Vesselina Kasarovaim Kaufleuten Ausschnitte ausihrer Offenbach-CD.

Von Susanne Kübler

«Je suis un peu grise», singt in Jacques Of-fenbachs Operette «La Périchole» die Ti-telheldin. Vesselina Kasarova klingt in die-ser Ariette allerdings mehr als nur einbisschen beschwipst. Regelrecht besoffentorkelt sie durch die Partitur, findet dieTöne irgendwie jeweils doch noch undscheint dabei über die Kurven zu schimp-fen, die ihr der Komponist eingebaut hat(«chut!»).

Was Vesselina Kasarova tut, das tut sieganz. Ein bisschen lustig, der Spur nachernst, das ist nicht ihr Stil. Ihre unendlichsehnsüchtige Penelope in Monteverdis«Ritorno d’Ulisse» singt nicht nur ganzanders als die quirlige Rossini-Ceneren-tola – sie steht, geht und schaut auch an-

ders. Und der Octavian in Strauss’ «Ro-senkavalier» hat mit Massenets Charlottenur eines gemeinsam: die vokal wie schau-spielerisch ungemein klare, präzise Dar-stellung. Dabei setzt Kasarova sehr seltenauf grosse Gesten; die Klarheit ergibt sichaus dem Detail, aus einem Blick, einer klei-nen Umfärbung der Stimme, einem fastunmerklichen Zögern. So ist selbst die Be-trunkenheit der Périchole weit mehr alsblosser Klamauk – sie ist Kunst von höchs-ter Lebendigkeit.

Gold und Glitter

Diese Kunst prägt die ganze Offenbach-CD, die Kasarova nun zusammen mit demMünchner Rundfunkorchester unter UlfSchirmer herausgebracht hat. Der Glanzdes Second Empire und die satirischeSchärfe, mit der Offenbach diesen Glanzparodierte: in ihrem Gesang ist beidesdrin. Weil Vesselina Kasarova von stimm-lichem Gold auf Glitter umschalten kann,wann immer sie will, weil sie exakt auf derGrenze zwischen virtuos und überkandi-delt zu balancieren versteht. Und weil alldieses Gezielte, Durchdachte, Durchge-

staltete ihrer Interpretationen nie blosskalkuliert wirkt.

Vesselina Kasarova, geboren 1965 imbulgarischen Stara Za-gora, hat schon immer ge-wusst, was sie wollte. 1984hatte sie bereits ein Di-plom als Konzertpianistinin der Tasche; eine Aus-bildung als Sängerin in So-fia folgte. 1989 erhielt sieam Zürcher Opernhaus ei-nen Zweijahresvertrag;der ist längst ausgelaufen,ihre Auftritte (nicht mehrals 50 pro Jahr) hat sie aufallen grossen Bühnen derWelt. Aber immer nochlebt sie in Zollikon undsingt oft auf ihrer Heim-bühne (in dieser Saisondie Carmen, den Octavianund Rossinis «Italiana inAlgeri»).

Ihr Repertoire ist denkbar breit, aberausgerechnet slawische Partien kommendarin kaum vor; die hat sie von vornhereingemieden, um nicht darauf festgelegt zu

Vesselina Kasarova.

Künstlerische Klarheit auf der Bühne, Klartext auch daneben

Leben Digital: Von Ringen aus

Netzwerksteckern, Molekül-

schmuck und mehr. 60

F. A. Brockhaus angesiedelt ist, dort er-scheint auch der Duden.

Das gesamte Unternehmen, eine reineFamilienfirma mit acht Gesellschaftern,machte zuletzt einen Jahresumsatz von420 Millionen Franken, auf den Sprachen-verlag allein entfallen 139 Millionen. 240Mitarbeiter (von 1400 insgesamt) arbeitenbei Langenscheidt in München, entwerfenneue Lehrbücher, feilen an der Software,planen den Online-Einsatz, arbeiten fürden Online-Übersetzerservice und korri-gieren. Die Zuverlässigkeit der gelbenWörterbücher ist legendär und eine derFundamente des Erfolges.

Ein anderer ist die Kontinuität. AndreasLangenscheidt, Ururenkel des Gründerva-ters Gustav, ist erst der vierte Verleger –was eine durchschnittliche Verweildauervon annähernd 40 Jahren bedeutet (seinVater, inzwischen 87, ist auch heute noch

strahlen die Tulpen neben dem Empfangden Besucher an, gelb ist das Schlüssel-bändchen des Pressechefs, und dass auchdie Rauchmelder an den Wänden gelb sind– kann das ein Zufall sein?

Sehr bewusste Markenpflege

In der Geschäftspolitik jedenfalls über-lässt man nichts dem Zufall. Marken-pflege wird aufmerksam betrieben, seit esdas Bewusstsein dafür überhaupt gibt.Und die Marktführerschaft verleitet kei-nesfalls zum Ausruhen. «Sehr hart kämp-fen» müsse man nach wie vor, betontVerleger Andreas Langenscheidt. Der 55-Jährige führt seit 1990 die Verlagsgruppe,ein weit verzweigtes Unternehmen, dasauf drei Säulen ruht: auf der Säule Spra-chen (das ist vor allem Langenscheidt inMünchen, aber auch der Berlitz-Verlag

Die Welt der Wörterbücher leuchtet in sonnigem GelbDer Langenscheidt-Verlag ist 152Jahre alt, mit grossem AbstandMarktführer für zweisprachigeWörterbücher – und stets vornedabei bei der technologischenEntwicklung.

Von Martin Ebel, München

Beim Papst steht eins auf dem Schreibtisch.Der amerikanische Astronaut David Wolfhatte eins dabei, als er in der russischenRaumstation Mir mitflog. In fast jedemHaushalt ist eins vorhanden, mindestens:ein Wörterbuch aus dem Langenscheidt-Verlag. Und wenn man in einer Buchhand-lung die Sprachabteilung aufsucht, leuchtetes schon von weitem gelb entgegen. Gelbist seit einem halben Jahrhundert die Sig-nalfarbe des Hauses, dessen Name fürzweisprachige Wörterbücher schlechthinsteht. An diesem Markt hat Langenscheidteinen Anteil von rund 65 Prozent. Jeder Bel-letristik-Verlag muss bei einer solchen Zahlgelb vor Neid werden. Aktueller Bestsellerist übrigens ausgerechnet ein eher untypi-sches Produkt, ein Spass-Wörterbuch:«Frau–Deutsch/Deutsch–Frau» ver-kaufte sich 1,5 Millionen Mal.

Gelb leuchtet es auch, etwas dezenter,eher punktuell, im neuen Verlagsgebäudeim Münchner Norden. Neben dem Ein-gang ein begehbares Riesenwörterbuch,übrig geblieben von den Jubiläumsfeier-lichkeiten vor zwei Jahren. SignalgelbeProdukte des Hauses, Normfarbe HKS 5, inRegalen in nahezu jedem Raum. Gelb

dem der Muret-Sanders (dasselbe für Eng-lisch) folgte. Langenscheidt stieg insSchulbuchgeschäft ein, liess 1882 das ersteWarenzeichen eintragen (das Designsollte einige Veränderungen erleben!) undlandete mit dem «Tornister-Wörterbuch»für den deutschen Soldaten im Krieg 1870/71 den ersten Marketing-Hit. («30 StundenRussisch» war auch im Zweiten Weltkriegsehr erfolgreich).

Antike Elektronik im Keller

Das Tornister-Wörterbuch ist einschmales, graues Bändchen, kaum grösserals ein Reclam-Heft. Ein merkwürdigesGefühl, es im Keller des Verlagsgebäudesin die Hand zu nehmen, wo es zusammenmit anderen Produkten des 19. und20. Jahrhunderts in Regalen versorgt ist.Nicht weit davon eine Hebräisch-Enzyklo-pädie von 1923, viersprachig, dort «Not-wörterbücher» für den eiligen Reisenden,Sprachlehrbriefe im Schuber, gebraucht –die ersten noch mit vielen Anstreichun-gen, die letzten dann unberührt, da hatteder Lerneifer sichtlich nachgelassen. Auchallerlei ästhetischen Wildwuchs zeigt derGang ins Archiv, Versuche in Hell- undDunkelblau, bis sich, ausgehend von einergelben Bauchbinde, über verschiedeneSchattierungen das intensive, heutigeChromgelb durchsetzte.

Auch antike Elektronik enthält übrigensdieser Kellerraum: den Alpha 8, das ersteelektronische Wörterbuch von 1983. Da-mals war das noch ein Witz, 8000 Einträgehatte das Ding, nicht mehr als ein Lilliput-Wörterbuch, überdies nur mit mühsamer

Buchstabiertechnik auf-zurufen, das Blättern imtraditionellen Buch warallemal schneller und be-quemer. Aber Alpha 8war ein Pionier und wirddeshalb im Hause in Eh-ren gehalten. Technischganz vorne zu sein: Das istbei Langenscheidt aucheine Tradition. Im Jahr1905 brachte Carl Langen-

scheidt, Sohn und Nachfolger des Grün-ders, die erste Sprachlernplatte auf denMarkt. Heute kann man auf seinen Black-berry den Duden und ein Grosswörter-buch Englisch laden, aufs Handy Reise-informationen, und wer weiss, was im di-gitalen Bereich noch alles erfunden wer-den wird. Langenscheidt wird auf jedenFall dabei sein.

Über 30 Sprachen hat man im Pro-gramm, nicht einmal alle, die in Europagesprochen werden. Dafür darf sich dieSchweiz besonderer Fürsorge erfreuen:Kürzlich kamen «Schweizer Wörterbü-cher» für Französisch und Englisch he-raus, die helvetischen Sprachgebrauch be-rücksichtigen. Sodass man also «break-fast» oder «petit déjeuner» helvetischkorrekt mit «Morgenessen» übersetzenkann.

Brockhauses geschlagen hat, machen vor-sichtig.

Dass man bei Langenscheidt nicht ge-rade Granaten herstellt und auch keine gif-tigen Chemikalien, sondern Artikel, dieder Völkerverständigung dienen: Dessenist man sich hier sehr bewusst, auch wennman das Gutmenschen-hafte nicht so heraus-hängt. Es gibt keine Lan-genscheidt-Stiftung, aberEtliches im Verlag bewegtsich «jenseits des Kom-merziellen» (AndreasLangenscheidt). Dasreicht von der Betreuungvon Minderheitenspra-chen, deren Lexika seltenrentieren, bis hin zu Bü-cherpaketen für Bibliotheken auch in der«Dritten Welt».

(Mangelndes) Verständnis war auch derUrimpuls für die Gründung des Verlages.Gustav Langenscheidt, ein Handwerkers-sohn, begab sich 1849/50 nach guter alterSitte auf Wanderschaft – und musste fest-stellen, dass er sich in Frankreich kaumverständlich machen konnte. Der Schulun-terricht war praxisfern, und Hilfsmittel gabes nicht. Also entwarf er eine Lautschrift,mit deren Hilfe man auch im Selbststu-dium die Aussprache bewältigen konnte,verfasste «Sprachbriefe» nach einer eige-nen Methode und gründete, als kein Verlagdiese drucken wollte, selbst einen.

Das war 1856. 1866 stand das ersteeigene Verlagshaus, ab 1869 erschien derGrosse Sachs-Villatte, ein deutsch-franzö-sisches enzyklopädisches Wörterbuch,

und Hexaglot gehören dazu), auf derSäule Reise/Kartografie (Polyglott, dieEdelmarke APA und zahlreiche Land-und Strassenkartenverlage im Ausland,vor allem in den USA) und schliesslichauf der Säule Wissen/Deutsche Sprache.Letztere steht überwiegend in Mannheim,wo das Bibliographische Institut/

fast täglich im Verlag anzutreffen; BruderFlorian zog sich 1994 aus dem operativenGeschäft für eigene Projekte zurück). Un-ter Andreas Langenscheidt ist das Unter-nehmen kontinuierlich gewachsen, vor al-lem durch Zukäufe. Im Kerngeschäft istweiteres Wachstum kaum mehr möglich;hier greift dann, wie der Verleger erläu-tert, das Gesetz des abnehmenden Ertrags-zuwachses: für jedes Prozent zusätzlichenMarktanteils müsse man ein Vielfaches in-vestieren, das lohnt nicht.

Wer könnte einen so grossen, sicher ge-radeaus fahrenden Tanker bedrängen? Bil-lige Schnellboote zum Beispiel. Das Wis-sen, das in Langenscheidt-Wörterbüchereinfliesst, ist teuer, und der Kunde mussdafür bezahlen, auch für Downloads vonSprachkursen etwa oder Übersetzungs-dienste. Im Internet gibt es längst Anbie-ter, die gar nichts verlangen. VerlagsleiterRolf Müller, ein gemütlicher Süddeutschermit einem schnellen Witz, schätzt, dasssich bereits 80 Gratis-Onlinedienste in sei-nem Bereich tummeln, fünf davon inDeutschland.

Ein Beitrag zur Völkerverständigung

Diesen Angriffen will man trotzen, da-ran lassen Langenscheidt und Müller kei-nen Zweifel, unter Hochdruck wird anKonzepten gearbeitet, die auch eine alter-native Finanzierung möglicher eigenerGratisangebote umfassen (durch Wer-bung oder so genanntes Cross Selling).Aber hier geben sich die Verantwortlichennoch etwas bedeckt; die hohen Wellen, diedie Ankündigung des Gratis-Online-

«Frau – Deutsch»:Der aktuelleBestseller ist einSpass-Wörterbuch.

BILD NASA

Der amerikanische Astronaut David Wolf und sein Langenscheidt-Wörterbuch in der russischen Raumstation Mir.

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Rund wird quadratisch: Das Langenscheidt-Logo im Wandel.