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Page 1: Ein Ort voller Grabsteine und SärgeHA... · 11/21/2010  · Ebenso bei Germann (zu ger „Speer“), einem im Lahn-Dill-Kreis häufigen Namen, dessen ca. 4000 Namensträger außer

Historische Daten■ 1990 Zum Abschluss des KSZE-Gipfels in der französi-schen Hauptstadt wird die „Pariser Charta für ein neues Eu-ropa“ unterzeichnet, mit der der Ost-West-Konflikt beendetwerden soll.■ 1803 Der unter dem Namen Schinderhannes bekannteRäuberführer Johannes Bückler wird in Mainz mit 19 seinerKomplizen hingerichtet.

Geburtstage■ Björk, isländische Popsängerin (*1965)■ Goldie Hawn, amerikanische Schauspielerin (*1945)■ Voltaire, französischer Philosoph (1694–1778)

Todestage■ Gunnar Gunnarsson, isländischer Schriftsteller(1889–1975)

KALENDERBLATT 21.11.

KULTUR IN KÜRZE

Lindenstraße wird verlängertDie ARD wird ihre Dauerserie „Lindenstraße“ ein weite-

res Mal in die Verlängerung schicken. „Unsere Marken le-ben einfach länger“, sagte ARD-Programmdirektor VolkerHerres. „ Wir haben den Vertrag gerade eben um weiteredrei Jahre verlängert.“ Im Dezember feiert die Serie rundum „Mutter Beimer“ ihren 25. Geburtstag. (dpa)

Literaturpreis für Anne WeberDie Schriftstellerin Anne Weber hat gestern den Kranich-

steiner Literaturpreis erhalten. Die 46- Jährige erhielt diemit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung als Anerkennung fürihr Werk, insbesondere für den Roman „Luft und Liebe“.Der nach dem Darmstädter Stadtteil Kranichstein benann-te Literaturpreis wird seit 1983 vergeben. Preisträger warenunter anderem Martin Mosebach, Birgit Vanderbeke, HertaMüller und Gerd-Peter Eigner. Weber, in Offenbach gebo-ren, erzählt in ihrem Roman die Beziehung zwischen einemMann und einer Frau in Paris. (dpa)

Sonntag, 21. November 2010 7Kultur

Viele Familiennamen sinddadurch entstanden, dass eineinfacher alter Personennamezum Kennzeichen der Familiewurde. Zwei, drei Generatio-nen im Gebrauch, dann war erals Familienname verstetigt.Die alten deutschen Personen-namen sind in der Masse seitdem 8. Jahrhundert überlie-fert, d.h. grob gesprochen seitder Zeit Karls des Großen. Siesind aus Wortbestandteilen zu-sammengesetzt, die vielfachbis in die germanische Zeit zu-rückreichen und oft schon vonden Menschen in altdeutscherZeit nicht mehr verstandenwurden. Diese alten Wörter ha-ben sich im Laufe der Jahrhun-derte gerade in Familienna-men so stark verändert, dassdie Gestalt des ursprünglichenPersonennamens in vielen Fäl-len nur noch schemenhaft zuerkennen ist.

■ Aus grauerVorzeit

In althochdeutscher Zeit be-standen die Personennamenmeist aus zwei Wortbestandtei-len. Aber schon damals gab eseine Fülle von Kürzungen,meist entstanden aus Kosena-men für das kleine Kind. Sokonnte aus dem machtvollenKriegernamen Hildebrand (aushiltja „Kampf“ + brand „Brand,Schwert“) als Koseform ein lie-ber, kleiner Hildo oder Hildinwerden. Mädchennamen wieHilde-gard, Hilde-gund wurdenzu zärtlichen Namen wie Hildaoder (H)Ildico. So hieß die Gat-tin des Hunnenkönigs Attila,sagenhaft mit Kriemhilt verwo-ben und als historische Gestaltdurchaus nicht mehr so putzig.Bei angefragten Namen wieHartmann (aus hart „hart,kühn“ + man „(Kriegs)Mann“)sieht man diese Zweigliedrig-keit noch heute sehr deutlich.Ebenso bei Germann (zu ger„Speer“), einem im Lahn-Dill-Kreis häufigen Namen, dessenca. 4000 Namensträger außerhier hauptsächlich zwischenMain und Pfälzerwald leben.Ein wenig spürt man es auchnoch bei Leidolf aus Ludolf u.ä.(zu liut „Volk, Leute“ + wolf„Wolf“), einem seltenen Na-men, von dessen Trägern etwaein Drittel im Lahn-Dill-Kreiswohnt.

Wenn der Personenname ge-kürzt wurde, blieb manchmalvon den zwei Gliedern einfachnur das erste übrig. So ist dasbei dem in Mittelhessen (undin Schwaben) häufigeren Fami-liennamen Burk, der aus Burk-

hart (zu burg „Burg“) hervorge-gangen ist. Bei Wehn liegt einPersonenname mit dem WortWahn in der alten Bedeutung„Hoffnung“ als Erstglied zuGrunde. Die Wehns leben vorallem im Siegerland und anLahn und Dill.

Der an der Lahn besondershäufige Familienname Hardtkann ebenfalls ein solches üb-rig gebliebenes Erstteil vonHart-mann o.ä. sein, soweitsich der Name nicht als Wohn-stättenname von mittelhoch-deutsch hart „Wald, Weide-wald“ herleitet. Die VarianteHorz jedenfalls, die auch ihrenVorkommensschwerpunkt umLimburg-Weilburg hat, gehörtdazu. Das z ist vermutlich alsKoseendung zu verstehen (wieFritz aus Fried-rich).

Das wird auch für den Na-men Brandes (zu brand „Brand,Schwert“) gelten, der in Nie-dersachsen um Hannover sehrhäufig ist.

Vielleicht auch für Schwe-des, das vor allem zwischenLahn und Kassel verbreitet ist.Es gibt ein paar altdeutschePersonennamen zu Swed-, diewahrscheinlich namengebendwaren. Denn zum nahe liegen-den Volksnamen der Schwe-den passt die Endung –essprachlich nicht.

Zwei angefragte Namen sindmit der Koseendung –ke gebil-det, der niederdeutschen Formdes hochdeutschen –chen:Lüdtke und Lübke.

Lüdtke enthält im ersten Teilwieder den alten Personenna-men Ludolf, der uns schonoben bei Leidolf begegnet ist.Lübke geht auf den alten Perso-nennamen Liutbert (zu liut„Volk, Leute“ + beraht „glän-zend, berühmt’) zurück undenthält zusätzlich die Koseen-dung -ke. Lübke (auch: Lübcke)kommt hauptsächlich in Nord-deutschland vor und hat einenSchwerpunkt im Sauerland.Von hier stammte HeinrichLübke, der von 1959–1969 Bun-despräsident und ob seinersprachlichen Aussetzer jahre-lang eine unerschöpflicheQuelle für hämische Heiterkeitwar. Angesichts dessen, waswir heute über Demenz-Erkran-kungen wissen, war das höchstunfair.

Familiennamen: Brandes,Burk, Germann, Hardt, Hart-mann, Horz, Leidolf, Lübcke,Lübke, Lüdtke, Schwedes,Wehn.

Berlin. Sein Metier sind schwere Verbrechen – Ferdinand vonSchirach hat aus Kriminalfällen Kurzgeschichten gemacht undsie in zwei Büchern versammelt. Auf Anhieb wurden die StorysBestseller. Nun wird der schreibende Berliner Anwalt mit demKleist-Preis geehrt.

Der Berliner Anwalt und Au-tor Ferdinand von Schirach be-kommt heute den Kleist-Preis2010. Der schreibende Strafver-teidiger wird für seinen erstenErzählband „Verbrechen“ (Pi-per Verlag) geehrt. Er werdeaber Anwalt bleiben, sagte vonSchirach. „Als Schriftstellerhat man die Verantwortung füreine Geschichte, als Strafver-teidiger für einen Menschen.“

Der 46-Jährige zitierte denösterreichischen SchriftstellerThomas Bernhard. Dieser habeeinmal über seinen erstenPreis gesagt, er sei darüber völ-lig unbefangen in tiefstem Her-zen glücklich. „Das trifft es“,sagte von Schirach.

Mit „Verbrechen“ habe vonSchirach „das meistbeachtete

Debüt der deutschen Literatur2009“ vorgelegt, begründet dieHeinrich-von-Kleist-Gesell-schaft die Wahl. Der mit 20 000Euro dotierte Literaturpreiswird im Berliner Ensemble amSchiffbauerdamm übergeben,die Laudatio hält der Schrift-steller Bernd Eilert. Die Über-setzungsrechte von „Verbre-chen“ wurden bereits in mehrals 30 Länder verkauft.

Der in München geborenevon Schirach hat in diesemSommer seinen zweiten Bandmit ungewöhnlichen Kriminal-fällen herausgebracht.„Schuld“ steht seit Wochen aufder Bestsellerliste des „Spie-gels“.

Nun schreibt der prominen-te Anwalt ein neues Buch. „Es

werden keine Kurzgeschichtenmehr sein“ – soviel verrät er.„Ich arbeite hart daran, aberdie Recherchen sind sehr um-fangreich“. Titel und Erschei-nungstermin will von Schirachnoch nicht sagen.

■ Strafrechtlervertrat Kinski

Ob ihn das Schreiben verän-dert habe? „Wenn man 46 ist,verändert man sich nicht mehrso sehr. Ich gehe in die glei-chen Cafés, treffe die gleichenMenschen und denke die glei-chen Dinge“, sagte von Schi-rach. Der Literaturbetrieb seifast immer interessant, „aberer kann auch entsetzlich an-strengend sein.“

Ferdinand von SchirachsGroßvater Baldur von Schirachwar NS-Reichsjugendführer.Auch aus diesem Grund rückteder Strafrechtler in den Blickder Öffentlichkeit. In Inter-views wiederholte er geduldig,

dass der Familienname für ihnkeine Last sei.

Seit 1994 arbeitet von Schi-rach als Anwalt und Strafver-teidiger in Berlin. Er vertratauch Ex-SED-Funktionär Gün-ter Schabowski und die Familiedes Schauspielers Klaus Kin-ski. Der Promi-Anwalt über-nimmt vorwiegend klassischeschwere Kriminalitätsfälle.

Der erstmals in der Weima-rer Republik vergebene Kleist-Preis wurde 1985 durch dieKleist-Gesellschaft wiederbe-gründet. Die Ehrung soll keinLebenswerk würdigen, son-dern laut Gesellschaft ein Preisfür risikofreudige Schriftstel-ler sein, die wie der DichterHeinrich von Kleist als Vorden-ker gelten können. (dpa)

Schwere Verbrechensind Schirachs Metier

Schreibender Berliner Anwalt mit Kleist-Preis geehrtVON JUTTA SCHÜTZ

Gilt als risiko-freudigerSchriftstellerund Vorden-ker: Ferdi-nand vonSchirach.(Foto: dpa)

Ein Ort voller Grabsteine und Särge

Kassel. Heute ist Toten-sonntag. Ein Tag, an dem inden evangelischen Kirchen inDeutschland traditionell an dieVerstorbenen gedacht wird. Imnormalen Alltag spielen dieThemen Tod und Sterben in derGesellschaft kaum eine Rolle.Sie werden verdrängt. Dem ent-gegenwirken möchte das Mu-seum für Sepulkralkultur inKassel.

Das Museum für Sepulkralkultur will das Thema Tod ins Bewusstsein rücken

Der Raum im Untergeschosshat keine Fenster. Der dunkleSteinfußboden und die steiner-nen Wände verstärken denCharakter einer Gruft. Aufwen-dig verzierte Särge der nieder-sächsisch-hessischen Adelsfa-milie von Stockhausen sindaufgetürmt. Daneben – alsKontrast – liegen einfach ge-haltene Holzkisten, die bei jü-dischen und muslimischen Be-erdigungen benutzt werden.

In beiden Religionen wirdder Leichnam in einem Tuchbegraben. Die Särge werdennur gebraucht, um die Toten zutransportieren oder um die inmanchen Ländern geltendeSargpflicht zu erfüllen.

■ Fantasiereiche,bunte Särgegehören zurghanaischenBegräbniskultur

Und dann steht in diesemdunklen Raum noch ein über-großer Hahn aus Holz. Seinebunten Farben scheinen garnicht in das Kasseler Museumfür Sepulkralkultur zu passen.Doch auch der Hahn ist einSarg. Einer aus Ghana. Dortentstand Anfang der 1950erJahre eine neue Begräbniskul-tur, die bis heute fantasierei-che Särge hervorbringt. Siewerden Gegenständen, Tierenoder Pflanzen nachempfun-den, die im Leben des Verstor-benen eine besondere Rolle ge-spielt haben.

Die Ausstellung von Särgenaus verschiedenen Kulturenund Religionen ist ein Teil desKasseler Museums, das 1992eröffnet wurde. Sepulkralkul-tur umfasst die Kultur des To-des, des Sterbens, des Bestat-tens sowie des Trauerns. Es ist

das einzige Museum inDeutschland, das sich mit Todund Sterben beschäftigt. SeinZiel ist es, das gesellschaftlichoft verdrängte Erlebnis des To-des wieder ins Bewusstsein zurücken.

Die Dauerausstellung glie-dert sich in zwei Abteilungen:„Sterben, Tod, Bestattung“ und„Friedhof und Grabmal“. Siezeigt kulturhistorische undzeitgenössische Zeugnisse derBestattungs-, Friedhofs- undTrauerkultur vom Mittelalterbis heute – überwiegend ausdem deutschsprachigen Raum.

So sind Totengewänder zusehen, mehr als ein DutzendGrabsteine, Grabmale undHolzgrabzeichen werden aus-gestellt, Todesanzeigen hän-gen an den Wänden, genausowie Trauer- und Kranzschlei-fen.

Es werden auf der unterender drei Etagen Informationenzur Seebestattung geliefert,zur Beisetzung in eigens dafür

ausgewiesenen Waldgebieten(Friedwald) und zur Verbren-nung des Leichnams in einemKrematorium (Urnenbestat-tung).

Auf dem Hof stehen Leich-wagen aus verschiedenen Jahr-zehnten. Im Inneren ist eineSargbank und eine Totentrageausgestellt. In einer kleinenVirtrine wird die Arbeit einesBestatters vorgestellt.

Gezeigt werden die Gegen-stände, die er benötigt, um ei-nen Leichnam zu pflegen undfür eine Aufbahrung herzurich-ten. Beispielsweise die gewölb-te Augenklappe, die unter dasLid geführt wird, damit das Au-ge geschlossen bleibt. Oder dieKinnstütze, die dafür sorgt,dass der Mund nicht offensteht. Oder das Pietät-Deo, dasunangenehme Gerüche erstgar nicht entstehen lässt.

Eindrucksvoll sind Schwarz-Weiß-Fotografien von GeorgPöhlein. 16 Fotos zeigen denlangsamen Sterbeprozess ei-

nes alten Mannes. Es ist derGroßvater des Fotografen, dereines natürlichen Alterstodesstirbt.

Das Museum deckt sämtli-che Bereiche der Sterbekulturab und will zudem eine Hilfe-stellung bei der Gestaltung vonFriedhöfen, Grabstätten undGrabmälern sein. Führungenwerden im Haus genauso ange-

boten wie Seminare. Eine Bi-bliothek befindet sich im zwei-ten Stock. Neben der Dauer-ausstellung werden Wechsel-ausstellungen zu verschiede-nen Themen gezeigt. Noch biszum 9. Januar 2011 ist unterdem Titel „Mit Fried und Freudich fahr dahin“ protestantischeBegräbniskultur der FrühenNeuzeit zu sehen.

VON ARNE WOHLFARTH

Infos, Öffnungszeiten, Preise

Seit 1951 besteht die Ar-beitsgemeinschaft Friedhofund Denkmal (AFD). Sie ver-folgt das Ziel, die Öffentlich-keit im deutschsprachigenRaum über den angemesse-nen Umgang mit Sterben, Todund Trauer zu informieren.Das geschieht auf der Basisder wissenschaftlichen Erfor-schung von Vergangenheitund Gegenwart. Zu diesemZweck unterhält die AFD seit

1979 das Zentralinstitut für Se-pulkralkultur und seit 1992das Museum für Sepulkralkul-tur in Kassel, das im vergange-nen Jahr 23 000 Besucher ge-zählt hat. Geöffnet hat dasMuseum dienstags bis sonn-tags von 10 Uhr bis 17 Uhr,mittwochs bis 20 Uhr. Der Ein-tritt kostet fünf Euro, ermä-ßigt 3,50 Euro. Weitere Infor-mationen unter www.sepul-kralmuseum.de (awo)

111--07-V102.12.2010 13:48:06 kultur

Ein bunter Hingucker im Museum für Sepulkralkultur in Kassel: Ein Sarg aus Ghana. (Foto: Museum für Sepulkralkultur)

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