Ein Ort voller Grabsteine und SärgeHA... · 11/21/2010  · Ebenso bei Germann (zu ger...

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Historische Daten 1990 Zum Abschluss des KSZE-Gipfels in der französi- schen Hauptstadt wird die „Pariser Charta für ein neues Eu- ropa“ unterzeichnet, mit der der Ost-West-Konflikt beendet werden soll. 1803 Der unter dem Namen Schinderhannes bekannte Räuberführer Johannes Bückler wird in Mainz mit 19 seiner Komplizen hingerichtet. Geburtstage Björk, isländische Popsängerin (*1965) Goldie Hawn, amerikanische Schauspielerin (*1945) Voltaire, französischer Philosoph (1694–1778) Todestage Gunnar Gunnarsson, isländischer Schriftsteller (1889–1975) KALENDERBLATT 21.11. KULTUR IN KÜRZE Lindenstraße wird verlängert Die ARD wird ihre Dauerserie „Lindenstraße“ ein weite- res Mal in die Verlängerung schicken. „Unsere Marken le- ben einfach länger“, sagte ARD-Programmdirektor Volker Herres. „ Wir haben den Vertrag gerade eben um weitere drei Jahre verlängert.“ Im Dezember feiert die Serie rund um „Mutter Beimer“ ihren 25. Geburtstag. (dpa) Literaturpreis für Anne Weber Die Schriftstellerin Anne Weber hat gestern den Kranich- steiner Literaturpreis erhalten. Die 46- Jährige erhielt die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung als Anerkennung für ihr Werk, insbesondere für den Roman „Luft und Liebe“. Der nach dem Darmstädter Stadtteil Kranichstein benann- te Literaturpreis wird seit 1983 vergeben. Preisträger waren unter anderem Martin Mosebach, Birgit Vanderbeke, Herta Müller und Gerd-Peter Eigner. Weber, in Offenbach gebo- ren, erzählt in ihrem Roman die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau in Paris. (dpa) Sonntag, 21. November 2010 7 Kultur Viele Familiennamen sind dadurch entstanden, dass ein einfacher alter Personenname zum Kennzeichen der Familie wurde. Zwei, drei Generatio- nen im Gebrauch, dann war er als Familienname verstetigt. Die alten deutschen Personen- namen sind in der Masse seit dem 8. Jahrhundert überlie- fert, d.h. grob gesprochen seit der Zeit Karls des Großen. Sie sind aus Wortbestandteilen zu- sammengesetzt, die vielfach bis in die germanische Zeit zu- rückreichen und oft schon von den Menschen in altdeutscher Zeit nicht mehr verstanden wurden. Diese alten Wörter ha- ben sich im Laufe der Jahrhun- derte gerade in Familienna- men so stark verändert, dass die Gestalt des ursprünglichen Personennamens in vielen Fäl- len nur noch schemenhaft zu erkennen ist. Aus grauer Vorzeit In althochdeutscher Zeit be- standen die Personennamen meist aus zwei Wortbestandtei- len. Aber schon damals gab es eine Fülle von Kürzungen, meist entstanden aus Kosena- men für das kleine Kind. So konnte aus dem machtvollen Kriegernamen Hildebrand (aus hiltja „Kampf“ + brand „Brand, Schwert“) als Koseform ein lie- ber, kleiner Hildo oder Hildin werden. Mädchennamen wie Hilde-gard, Hilde-gund wurden zu zärtlichen Namen wie Hilda oder (H)Ildico. So hieß die Gat- tin des Hunnenkönigs Attila, sagenhaft mit Kriemhilt verwo- ben und als historische Gestalt durchaus nicht mehr so putzig. Bei angefragten Namen wie Hartmann (aus hart „hart, kühn“ + man „(Kriegs)Mann“) sieht man diese Zweigliedrig- keit noch heute sehr deutlich. Ebenso bei Germann (zu ger „Speer“), einem im Lahn-Dill- Kreis häufigen Namen, dessen ca. 4000 Namensträger außer hier hauptsächlich zwischen Main und Pfälzerwald leben. Ein wenig spürt man es auch noch bei Leidolf aus Ludolf u.ä. (zu liut „Volk, Leute“ + wolf „Wolf“), einem seltenen Na- men, von dessen Trägern etwa ein Drittel im Lahn-Dill-Kreis wohnt. Wenn der Personenname ge- kürzt wurde, blieb manchmal von den zwei Gliedern einfach nur das erste übrig. So ist das bei dem in Mittelhessen (und in Schwaben) häufigeren Fami- liennamen Burk, der aus Burk- hart (zu burg „Burg“) hervorge- gangen ist. Bei Wehn liegt ein Personenname mit dem Wort Wahn in der alten Bedeutung „Hoffnung“ als Erstglied zu Grunde. Die Wehns leben vor allem im Siegerland und an Lahn und Dill. Der an der Lahn besonders häufige Familienname Hardt kann ebenfalls ein solches üb- rig gebliebenes Erstteil von Hart-mann o.ä. sein, soweit sich der Name nicht als Wohn- stättenname von mittelhoch- deutsch hart „Wald, Weide- wald“ herleitet. Die Variante Horz jedenfalls, die auch ihren Vorkommensschwerpunkt um Limburg-Weilburg hat, gehört dazu. Das z ist vermutlich als Koseendung zu verstehen (wie Fritz aus Fried-rich). Das wird auch für den Na- men Brandes (zu brand „Brand, Schwert“) gelten, der in Nie- dersachsen um Hannover sehr häufig ist. Vielleicht auch für Schwe- des, das vor allem zwischen Lahn und Kassel verbreitet ist. Es gibt ein paar altdeutsche Personennamen zu Swed-, die wahrscheinlich namengebend waren. Denn zum nahe liegen- den Volksnamen der Schwe- den passt die Endung –es sprachlich nicht. Zwei angefragte Namen sind mit der Koseendung –ke gebil- det, der niederdeutschen Form des hochdeutschen –chen: Lüdtke und Lübke. Lüdtke enthält im ersten Teil wieder den alten Personenna- men Ludolf, der uns schon oben bei Leidolf begegnet ist. Lübke geht auf den alten Perso- nennamen Liutbert (zu liut „Volk, Leute“ + beraht „glän- zend, berühmt’) zurück und enthält zusätzlich die Koseen- dung -ke. Lübke (auch: Lübcke) kommt hauptsächlich in Nord- deutschland vor und hat einen Schwerpunkt im Sauerland. Von hier stammte Heinrich Lübke, der von 1959–1969 Bun- despräsident und ob seiner sprachlichen Aussetzer jahre- lang eine unerschöpfliche Quelle für hämische Heiterkeit war. Angesichts dessen, was wir heute über Demenz-Erkran- kungen wissen, war das höchst unfair. Familiennamen: Brandes, Burk, Germann, Hardt, Hart- mann, Horz, Leidolf, Lübcke, Lübke, Lüdtke, Schwedes, Wehn. B e r l i n. Sein Metier sind schwere Verbrechen – Ferdinand von Schirach hat aus Kriminalfällen Kurzgeschichten gemacht und sie in zwei Büchern versammelt. Auf Anhieb wurden die Storys Bestseller. Nun wird der schreibende Berliner Anwalt mit dem Kleist-Preis geehrt. Der Berliner Anwalt und Au- tor Ferdinand von Schirach be- kommt heute den Kleist-Preis 2010. Der schreibende Strafver- teidiger wird für seinen ersten Erzählband „Verbrechen“ (Pi- per Verlag) geehrt. Er werde aber Anwalt bleiben, sagte von Schirach. „Als Schriftsteller hat man die Verantwortung für eine Geschichte, als Strafver- teidiger für einen Menschen.“ Der 46-Jährige zitierte den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard. Dieser habe einmal über seinen ersten Preis gesagt, er sei darüber völ- lig unbefangen in tiefstem Her- zen glücklich. „Das trifft es“, sagte von Schirach. Mit „Verbrechen“ habe von Schirach „das meistbeachtete Debüt der deutschen Literatur 2009“ vorgelegt, begründet die Heinrich-von-Kleist-Gesell- schaft die Wahl. Der mit 20 000 Euro dotierte Literaturpreis wird im Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm übergeben, die Laudatio hält der Schrift- steller Bernd Eilert. Die Über- setzungsrechte von „Verbre- chen“ wurden bereits in mehr als 30 Länder verkauft. Der in München geborene von Schirach hat in diesem Sommer seinen zweiten Band mit ungewöhnlichen Kriminal- fällen herausgebracht. „Schuld“ steht seit Wochen auf der Bestsellerliste des „Spie- gels“. Nun schreibt der prominen- te Anwalt ein neues Buch. „Es werden keine Kurzgeschichten mehr sein“ – soviel verrät er. „Ich arbeite hart daran, aber die Recherchen sind sehr um- fangreich“. Titel und Erschei- nungstermin will von Schirach noch nicht sagen. Strafrechtler vertrat Kinski Ob ihn das Schreiben verän- dert habe? „Wenn man 46 ist, verändert man sich nicht mehr so sehr. Ich gehe in die glei- chen Cafés, treffe die gleichen Menschen und denke die glei- chen Dinge“, sagte von Schi- rach. Der Literaturbetrieb sei fast immer interessant, „aber er kann auch entsetzlich an- strengend sein.“ Ferdinand von Schirachs Großvater Baldur von Schirach war NS-Reichsjugendführer. Auch aus diesem Grund rückte der Strafrechtler in den Blick der Öffentlichkeit. In Inter- views wiederholte er geduldig, dass der Familienname für ihn keine Last sei. Seit 1994 arbeitet von Schi- rach als Anwalt und Strafver- teidiger in Berlin. Er vertrat auch Ex-SED-Funktionär Gün- ter Schabowski und die Familie des Schauspielers Klaus Kin- ski. Der Promi-Anwalt über- nimmt vorwiegend klassische schwere Kriminalitätsfälle. Der erstmals in der Weima- rer Republik vergebene Kleist- Preis wurde 1985 durch die Kleist-Gesellschaft wiederbe- gründet. Die Ehrung soll kein Lebenswerk würdigen, son- dern laut Gesellschaft ein Preis für risikofreudige Schriftstel- ler sein, die wie der Dichter Heinrich von Kleist als Vorden- ker gelten können. (dpa) Schwere Verbrechen sind Schirachs Metier Schreibender Berliner Anwalt mit Kleist-Preis geehrt VON JUTTA SCHÜTZ Gilt als risiko- freudiger Schriftsteller und Vorden- ker: Ferdi- nand von Schirach. (Foto: dpa) Ein Ort voller Grabsteine und Särge Kassel. Heute ist Toten- sonntag. Ein Tag, an dem in den evangelischen Kirchen in Deutschland traditionell an die Verstorbenen gedacht wird. Im normalen Alltag spielen die Themen Tod und Sterben in der Gesellschaft kaum eine Rolle. Sie werden verdrängt. Dem ent- gegenwirken möchte das Mu- seum für Sepulkralkultur in Kassel. Das Museum für Sepulkralkultur will das Thema Tod ins Bewusstsein rücken Der Raum im Untergeschoss hat keine Fenster. Der dunkle Steinfußboden und die steiner- nen Wände verstärken den Charakter einer Gruft. Aufwen- dig verzierte Särge der nieder- sächsisch-hessischen Adelsfa- milie von Stockhausen sind aufgetürmt. Daneben als Kontrast – liegen einfach ge- haltene Holzkisten, die bei jü- dischen und muslimischen Be- erdigungen benutzt werden. In beiden Religionen wird der Leichnam in einem Tuch begraben. Die Särge werden nur gebraucht, um die Toten zu transportieren oder um die in manchen Ländern geltende Sargpflicht zu erfüllen. Fantasiereiche, bunte Särge gehören zur ghanaischen Begräbniskultur Und dann steht in diesem dunklen Raum noch ein über- großer Hahn aus Holz. Seine bunten Farben scheinen gar nicht in das Kasseler Museum für Sepulkralkultur zu passen. Doch auch der Hahn ist ein Sarg. Einer aus Ghana. Dort entstand Anfang der 1950er Jahre eine neue Begräbniskul- tur, die bis heute fantasierei- che Särge hervorbringt. Sie werden Gegenständen, Tieren oder Pflanzen nachempfun- den, die im Leben des Verstor- benen eine besondere Rolle ge- spielt haben. Die Ausstellung von Särgen aus verschiedenen Kulturen und Religionen ist ein Teil des Kasseler Museums, das 1992 eröffnet wurde. Sepulkralkul- tur umfasst die Kultur des To- des, des Sterbens, des Bestat- tens sowie des Trauerns. Es ist das einzige Museum in Deutschland, das sich mit Tod und Sterben beschäftigt. Sein Ziel ist es, das gesellschaftlich oft verdrängte Erlebnis des To- des wieder ins Bewusstsein zu rücken. Die Dauerausstellung glie- dert sich in zwei Abteilungen: „Sterben, Tod, Bestattung“ und „Friedhof und Grabmal“. Sie zeigt kulturhistorische und zeitgenössische Zeugnisse der Bestattungs-, Friedhofs- und Trauerkultur vom Mittelalter bis heute – überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum. So sind Totengewänder zu sehen, mehr als ein Dutzend Grabsteine, Grabmale und Holzgrabzeichen werden aus- gestellt, Todesanzeigen hän- gen an den Wänden, genauso wie Trauer- und Kranzschlei- fen. Es werden auf der unteren der drei Etagen Informationen zur Seebestattung geliefert, zur Beisetzung in eigens dafür ausgewiesenen Waldgebieten (Friedwald) und zur Verbren- nung des Leichnams in einem Krematorium (Urnenbestat- tung). Auf dem Hof stehen Leich- wagen aus verschiedenen Jahr- zehnten. Im Inneren ist eine Sargbank und eine Totentrage ausgestellt. In einer kleinen Virtrine wird die Arbeit eines Bestatters vorgestellt. Gezeigt werden die Gegen- stände, die er benötigt, um ei- nen Leichnam zu pflegen und für eine Aufbahrung herzurich- ten. Beispielsweise die gewölb- te Augenklappe, die unter das Lid geführt wird, damit das Au- ge geschlossen bleibt. Oder die Kinnstütze, die dafür sorgt, dass der Mund nicht offen steht. Oder das Pietät-Deo, das unangenehme Gerüche erst gar nicht entstehen lässt. Eindrucksvoll sind Schwarz- Weiß-Fotografien von Georg Pöhlein. 16 Fotos zeigen den langsamen Sterbeprozess ei- nes alten Mannes. Es ist der Großvater des Fotografen, der eines natürlichen Alterstodes stirbt. Das Museum deckt sämtli- che Bereiche der Sterbekultur ab und will zudem eine Hilfe- stellung bei der Gestaltung von Friedhöfen, Grabstätten und Grabmälern sein. Führungen werden im Haus genauso ange- boten wie Seminare. Eine Bi- bliothek befindet sich im zwei- ten Stock. Neben der Dauer- ausstellung werden Wechsel- ausstellungen zu verschiede- nen Themen gezeigt. Noch bis zum 9. Januar 2011 ist unter dem Titel „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ protestantische Begräbniskultur der Frühen Neuzeit zu sehen. VON ARNE WOHLFARTH Infos, Öffnungszeiten, Preise Seit 1951 besteht die Ar- beitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD). Sie ver- folgt das Ziel, die Öffentlich- keit im deutschsprachigen Raum über den angemesse- nen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu informieren. Das geschieht auf der Basis der wissenschaftlichen Erfor- schung von Vergangenheit und Gegenwart. Zu diesem Zweck unterhält die AFD seit 1979 das Zentralinstitut für Se- pulkralkultur und seit 1992 das Museum für Sepulkralkul- tur in Kassel, das im vergange- nen Jahr 23 000 Besucher ge- zählt hat. Geöffnet hat das Museum dienstags bis sonn- tags von 10 Uhr bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Der Ein- tritt kostet fünf Euro, ermä- ßigt 3,50 Euro. Weitere Infor- mationen unter www.sepul- kralmuseum.de (awo) 111--07-V1 02.12.2010 13:48:06 kultur Ein bunter Hingucker im Museum für Sepulkralkultur in Kassel: Ein Sarg aus Ghana. (Foto: Museum für Sepulkralkultur) Heute behandelt:

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Historische Daten■ 1990 Zum Abschluss des KSZE-Gipfels in der französi-schen Hauptstadt wird die „Pariser Charta für ein neues Eu-ropa“ unterzeichnet, mit der der Ost-West-Konflikt beendetwerden soll.■ 1803 Der unter dem Namen Schinderhannes bekannteRäuberführer Johannes Bückler wird in Mainz mit 19 seinerKomplizen hingerichtet.

Geburtstage■ Björk, isländische Popsängerin (*1965)■ Goldie Hawn, amerikanische Schauspielerin (*1945)■ Voltaire, französischer Philosoph (1694–1778)

Todestage■ Gunnar Gunnarsson, isländischer Schriftsteller(1889–1975)

KALENDERBLATT 21.11.

KULTUR IN KÜRZE

Lindenstraße wird verlängertDie ARD wird ihre Dauerserie „Lindenstraße“ ein weite-

res Mal in die Verlängerung schicken. „Unsere Marken le-ben einfach länger“, sagte ARD-Programmdirektor VolkerHerres. „ Wir haben den Vertrag gerade eben um weiteredrei Jahre verlängert.“ Im Dezember feiert die Serie rundum „Mutter Beimer“ ihren 25. Geburtstag. (dpa)

Literaturpreis für Anne WeberDie Schriftstellerin Anne Weber hat gestern den Kranich-

steiner Literaturpreis erhalten. Die 46- Jährige erhielt diemit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung als Anerkennung fürihr Werk, insbesondere für den Roman „Luft und Liebe“.Der nach dem Darmstädter Stadtteil Kranichstein benann-te Literaturpreis wird seit 1983 vergeben. Preisträger warenunter anderem Martin Mosebach, Birgit Vanderbeke, HertaMüller und Gerd-Peter Eigner. Weber, in Offenbach gebo-ren, erzählt in ihrem Roman die Beziehung zwischen einemMann und einer Frau in Paris. (dpa)

Sonntag, 21. November 2010 7Kultur

Viele Familiennamen sinddadurch entstanden, dass eineinfacher alter Personennamezum Kennzeichen der Familiewurde. Zwei, drei Generatio-nen im Gebrauch, dann war erals Familienname verstetigt.Die alten deutschen Personen-namen sind in der Masse seitdem 8. Jahrhundert überlie-fert, d.h. grob gesprochen seitder Zeit Karls des Großen. Siesind aus Wortbestandteilen zu-sammengesetzt, die vielfachbis in die germanische Zeit zu-rückreichen und oft schon vonden Menschen in altdeutscherZeit nicht mehr verstandenwurden. Diese alten Wörter ha-ben sich im Laufe der Jahrhun-derte gerade in Familienna-men so stark verändert, dassdie Gestalt des ursprünglichenPersonennamens in vielen Fäl-len nur noch schemenhaft zuerkennen ist.

■ Aus grauerVorzeit

In althochdeutscher Zeit be-standen die Personennamenmeist aus zwei Wortbestandtei-len. Aber schon damals gab eseine Fülle von Kürzungen,meist entstanden aus Kosena-men für das kleine Kind. Sokonnte aus dem machtvollenKriegernamen Hildebrand (aushiltja „Kampf“ + brand „Brand,Schwert“) als Koseform ein lie-ber, kleiner Hildo oder Hildinwerden. Mädchennamen wieHilde-gard, Hilde-gund wurdenzu zärtlichen Namen wie Hildaoder (H)Ildico. So hieß die Gat-tin des Hunnenkönigs Attila,sagenhaft mit Kriemhilt verwo-ben und als historische Gestaltdurchaus nicht mehr so putzig.Bei angefragten Namen wieHartmann (aus hart „hart,kühn“ + man „(Kriegs)Mann“)sieht man diese Zweigliedrig-keit noch heute sehr deutlich.Ebenso bei Germann (zu ger„Speer“), einem im Lahn-Dill-Kreis häufigen Namen, dessenca. 4000 Namensträger außerhier hauptsächlich zwischenMain und Pfälzerwald leben.Ein wenig spürt man es auchnoch bei Leidolf aus Ludolf u.ä.(zu liut „Volk, Leute“ + wolf„Wolf“), einem seltenen Na-men, von dessen Trägern etwaein Drittel im Lahn-Dill-Kreiswohnt.

Wenn der Personenname ge-kürzt wurde, blieb manchmalvon den zwei Gliedern einfachnur das erste übrig. So ist dasbei dem in Mittelhessen (undin Schwaben) häufigeren Fami-liennamen Burk, der aus Burk-

hart (zu burg „Burg“) hervorge-gangen ist. Bei Wehn liegt einPersonenname mit dem WortWahn in der alten Bedeutung„Hoffnung“ als Erstglied zuGrunde. Die Wehns leben vorallem im Siegerland und anLahn und Dill.

Der an der Lahn besondershäufige Familienname Hardtkann ebenfalls ein solches üb-rig gebliebenes Erstteil vonHart-mann o.ä. sein, soweitsich der Name nicht als Wohn-stättenname von mittelhoch-deutsch hart „Wald, Weide-wald“ herleitet. Die VarianteHorz jedenfalls, die auch ihrenVorkommensschwerpunkt umLimburg-Weilburg hat, gehörtdazu. Das z ist vermutlich alsKoseendung zu verstehen (wieFritz aus Fried-rich).

Das wird auch für den Na-men Brandes (zu brand „Brand,Schwert“) gelten, der in Nie-dersachsen um Hannover sehrhäufig ist.

Vielleicht auch für Schwe-des, das vor allem zwischenLahn und Kassel verbreitet ist.Es gibt ein paar altdeutschePersonennamen zu Swed-, diewahrscheinlich namengebendwaren. Denn zum nahe liegen-den Volksnamen der Schwe-den passt die Endung –essprachlich nicht.

Zwei angefragte Namen sindmit der Koseendung –ke gebil-det, der niederdeutschen Formdes hochdeutschen –chen:Lüdtke und Lübke.

Lüdtke enthält im ersten Teilwieder den alten Personenna-men Ludolf, der uns schonoben bei Leidolf begegnet ist.Lübke geht auf den alten Perso-nennamen Liutbert (zu liut„Volk, Leute“ + beraht „glän-zend, berühmt’) zurück undenthält zusätzlich die Koseen-dung -ke. Lübke (auch: Lübcke)kommt hauptsächlich in Nord-deutschland vor und hat einenSchwerpunkt im Sauerland.Von hier stammte HeinrichLübke, der von 1959–1969 Bun-despräsident und ob seinersprachlichen Aussetzer jahre-lang eine unerschöpflicheQuelle für hämische Heiterkeitwar. Angesichts dessen, waswir heute über Demenz-Erkran-kungen wissen, war das höchstunfair.

Familiennamen: Brandes,Burk, Germann, Hardt, Hart-mann, Horz, Leidolf, Lübcke,Lübke, Lüdtke, Schwedes,Wehn.

Berlin. Sein Metier sind schwere Verbrechen – Ferdinand vonSchirach hat aus Kriminalfällen Kurzgeschichten gemacht undsie in zwei Büchern versammelt. Auf Anhieb wurden die StorysBestseller. Nun wird der schreibende Berliner Anwalt mit demKleist-Preis geehrt.

Der Berliner Anwalt und Au-tor Ferdinand von Schirach be-kommt heute den Kleist-Preis2010. Der schreibende Strafver-teidiger wird für seinen erstenErzählband „Verbrechen“ (Pi-per Verlag) geehrt. Er werdeaber Anwalt bleiben, sagte vonSchirach. „Als Schriftstellerhat man die Verantwortung füreine Geschichte, als Strafver-teidiger für einen Menschen.“

Der 46-Jährige zitierte denösterreichischen SchriftstellerThomas Bernhard. Dieser habeeinmal über seinen erstenPreis gesagt, er sei darüber völ-lig unbefangen in tiefstem Her-zen glücklich. „Das trifft es“,sagte von Schirach.

Mit „Verbrechen“ habe vonSchirach „das meistbeachtete

Debüt der deutschen Literatur2009“ vorgelegt, begründet dieHeinrich-von-Kleist-Gesell-schaft die Wahl. Der mit 20 000Euro dotierte Literaturpreiswird im Berliner Ensemble amSchiffbauerdamm übergeben,die Laudatio hält der Schrift-steller Bernd Eilert. Die Über-setzungsrechte von „Verbre-chen“ wurden bereits in mehrals 30 Länder verkauft.

Der in München geborenevon Schirach hat in diesemSommer seinen zweiten Bandmit ungewöhnlichen Kriminal-fällen herausgebracht.„Schuld“ steht seit Wochen aufder Bestsellerliste des „Spie-gels“.

Nun schreibt der prominen-te Anwalt ein neues Buch. „Es

werden keine Kurzgeschichtenmehr sein“ – soviel verrät er.„Ich arbeite hart daran, aberdie Recherchen sind sehr um-fangreich“. Titel und Erschei-nungstermin will von Schirachnoch nicht sagen.

■ Strafrechtlervertrat Kinski

Ob ihn das Schreiben verän-dert habe? „Wenn man 46 ist,verändert man sich nicht mehrso sehr. Ich gehe in die glei-chen Cafés, treffe die gleichenMenschen und denke die glei-chen Dinge“, sagte von Schi-rach. Der Literaturbetrieb seifast immer interessant, „aberer kann auch entsetzlich an-strengend sein.“

Ferdinand von SchirachsGroßvater Baldur von Schirachwar NS-Reichsjugendführer.Auch aus diesem Grund rückteder Strafrechtler in den Blickder Öffentlichkeit. In Inter-views wiederholte er geduldig,

dass der Familienname für ihnkeine Last sei.

Seit 1994 arbeitet von Schi-rach als Anwalt und Strafver-teidiger in Berlin. Er vertratauch Ex-SED-Funktionär Gün-ter Schabowski und die Familiedes Schauspielers Klaus Kin-ski. Der Promi-Anwalt über-nimmt vorwiegend klassischeschwere Kriminalitätsfälle.

Der erstmals in der Weima-rer Republik vergebene Kleist-Preis wurde 1985 durch dieKleist-Gesellschaft wiederbe-gründet. Die Ehrung soll keinLebenswerk würdigen, son-dern laut Gesellschaft ein Preisfür risikofreudige Schriftstel-ler sein, die wie der DichterHeinrich von Kleist als Vorden-ker gelten können. (dpa)

Schwere Verbrechensind Schirachs Metier

Schreibender Berliner Anwalt mit Kleist-Preis geehrtVON JUTTA SCHÜTZ

Gilt als risiko-freudigerSchriftstellerund Vorden-ker: Ferdi-nand vonSchirach.(Foto: dpa)

Ein Ort voller Grabsteine und Särge

Kassel. Heute ist Toten-sonntag. Ein Tag, an dem inden evangelischen Kirchen inDeutschland traditionell an dieVerstorbenen gedacht wird. Imnormalen Alltag spielen dieThemen Tod und Sterben in derGesellschaft kaum eine Rolle.Sie werden verdrängt. Dem ent-gegenwirken möchte das Mu-seum für Sepulkralkultur inKassel.

Das Museum für Sepulkralkultur will das Thema Tod ins Bewusstsein rücken

Der Raum im Untergeschosshat keine Fenster. Der dunkleSteinfußboden und die steiner-nen Wände verstärken denCharakter einer Gruft. Aufwen-dig verzierte Särge der nieder-sächsisch-hessischen Adelsfa-milie von Stockhausen sindaufgetürmt. Daneben – alsKontrast – liegen einfach ge-haltene Holzkisten, die bei jü-dischen und muslimischen Be-erdigungen benutzt werden.

In beiden Religionen wirdder Leichnam in einem Tuchbegraben. Die Särge werdennur gebraucht, um die Toten zutransportieren oder um die inmanchen Ländern geltendeSargpflicht zu erfüllen.

■ Fantasiereiche,bunte Särgegehören zurghanaischenBegräbniskultur

Und dann steht in diesemdunklen Raum noch ein über-großer Hahn aus Holz. Seinebunten Farben scheinen garnicht in das Kasseler Museumfür Sepulkralkultur zu passen.Doch auch der Hahn ist einSarg. Einer aus Ghana. Dortentstand Anfang der 1950erJahre eine neue Begräbniskul-tur, die bis heute fantasierei-che Särge hervorbringt. Siewerden Gegenständen, Tierenoder Pflanzen nachempfun-den, die im Leben des Verstor-benen eine besondere Rolle ge-spielt haben.

Die Ausstellung von Särgenaus verschiedenen Kulturenund Religionen ist ein Teil desKasseler Museums, das 1992eröffnet wurde. Sepulkralkul-tur umfasst die Kultur des To-des, des Sterbens, des Bestat-tens sowie des Trauerns. Es ist

das einzige Museum inDeutschland, das sich mit Todund Sterben beschäftigt. SeinZiel ist es, das gesellschaftlichoft verdrängte Erlebnis des To-des wieder ins Bewusstsein zurücken.

Die Dauerausstellung glie-dert sich in zwei Abteilungen:„Sterben, Tod, Bestattung“ und„Friedhof und Grabmal“. Siezeigt kulturhistorische undzeitgenössische Zeugnisse derBestattungs-, Friedhofs- undTrauerkultur vom Mittelalterbis heute – überwiegend ausdem deutschsprachigen Raum.

So sind Totengewänder zusehen, mehr als ein DutzendGrabsteine, Grabmale undHolzgrabzeichen werden aus-gestellt, Todesanzeigen hän-gen an den Wänden, genausowie Trauer- und Kranzschlei-fen.

Es werden auf der unterender drei Etagen Informationenzur Seebestattung geliefert,zur Beisetzung in eigens dafür

ausgewiesenen Waldgebieten(Friedwald) und zur Verbren-nung des Leichnams in einemKrematorium (Urnenbestat-tung).

Auf dem Hof stehen Leich-wagen aus verschiedenen Jahr-zehnten. Im Inneren ist eineSargbank und eine Totentrageausgestellt. In einer kleinenVirtrine wird die Arbeit einesBestatters vorgestellt.

Gezeigt werden die Gegen-stände, die er benötigt, um ei-nen Leichnam zu pflegen undfür eine Aufbahrung herzurich-ten. Beispielsweise die gewölb-te Augenklappe, die unter dasLid geführt wird, damit das Au-ge geschlossen bleibt. Oder dieKinnstütze, die dafür sorgt,dass der Mund nicht offensteht. Oder das Pietät-Deo, dasunangenehme Gerüche erstgar nicht entstehen lässt.

Eindrucksvoll sind Schwarz-Weiß-Fotografien von GeorgPöhlein. 16 Fotos zeigen denlangsamen Sterbeprozess ei-

nes alten Mannes. Es ist derGroßvater des Fotografen, dereines natürlichen Alterstodesstirbt.

Das Museum deckt sämtli-che Bereiche der Sterbekulturab und will zudem eine Hilfe-stellung bei der Gestaltung vonFriedhöfen, Grabstätten undGrabmälern sein. Führungenwerden im Haus genauso ange-

boten wie Seminare. Eine Bi-bliothek befindet sich im zwei-ten Stock. Neben der Dauer-ausstellung werden Wechsel-ausstellungen zu verschiede-nen Themen gezeigt. Noch biszum 9. Januar 2011 ist unterdem Titel „Mit Fried und Freudich fahr dahin“ protestantischeBegräbniskultur der FrühenNeuzeit zu sehen.

VON ARNE WOHLFARTH

Infos, Öffnungszeiten, Preise

Seit 1951 besteht die Ar-beitsgemeinschaft Friedhofund Denkmal (AFD). Sie ver-folgt das Ziel, die Öffentlich-keit im deutschsprachigenRaum über den angemesse-nen Umgang mit Sterben, Todund Trauer zu informieren.Das geschieht auf der Basisder wissenschaftlichen Erfor-schung von Vergangenheitund Gegenwart. Zu diesemZweck unterhält die AFD seit

1979 das Zentralinstitut für Se-pulkralkultur und seit 1992das Museum für Sepulkralkul-tur in Kassel, das im vergange-nen Jahr 23 000 Besucher ge-zählt hat. Geöffnet hat dasMuseum dienstags bis sonn-tags von 10 Uhr bis 17 Uhr,mittwochs bis 20 Uhr. Der Ein-tritt kostet fünf Euro, ermä-ßigt 3,50 Euro. Weitere Infor-mationen unter www.sepul-kralmuseum.de (awo)

111--07-V102.12.2010 13:48:06 kultur

Ein bunter Hingucker im Museum für Sepulkralkultur in Kassel: Ein Sarg aus Ghana. (Foto: Museum für Sepulkralkultur)

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