' Was ist “Jugend”?
' Jugend aus der Perspektive der Professionen
' Ein kurzer Blick in die Geschichte
Gliederung
' Die Skandalisierung der Jugend
' Zum Wandel der Jugendphase
“Die Jugend” gibt es nicht. Das Phänomen “Jugend” ist ebenso homogen oder heterogen wie die Gesellschaft, der sie angehört.
Was ist “Jugend”?
“Jugend ist eine gesellschaftlichinstitutionalisierte, intern differenzierte
Lebensphase, deren Verlauf, Ausdehnungund Ausprägungen wesentlich durch
soziale Bedingungen und Einflüsse(sozioökonomische Lebensbedingungen,
Strukturen des Bildungssystems,rechtliche Vorgaben, Normen und
Erwartungen) bestimmt sind. Jugend istkeine homogene Sozialgruppe, sondern
umfasst unterschiedlichen Jugenden.”
(Schäfers, Scherr 2005, S. 23)
Was ist “Jugend”?
Juristisch umfasst “Jugend” das 14. bis 21. Lebensjahr (bzw. 27. Lebensjahr)
Soziologische Definitionen erfassen Altersabgrenzungen zwischendem 12. und dem 29. Lebensjahr
Diese weite Altersspanne macht es sinnvoll, die Jugendphase intern zudifferenzieren:
' pubertäre Phase (ca. 12-17 Jahre)
' nachpubertäre Phase (ca. 18-21 Jahre)
' junge Erwachsene (Phase nach Erreichen der Rechtsmündigkeit bis zum Abschluss der Erstausbildung)
Jugend aus der Perspektive der Professionen
Psychologische Ansätze fokussieren vor allem die emotionale undkognitive Entwicklung, die mit der Pubertät in Gang kommt.
Pädagogik und Erziehungwissenschaft fragen nach denalterstypischen Voraussetzungen und Folgen von Lernen, Erziehungund Bildung.
Soziologisch betrachtet ist die Jugendphase vor allem einschrittweiser Positions- und Statusübergang, das allmählicheHineinwachsen in die Gesellschaft der ‘Erwachsenen’, dasbegleitet wird durch kulturelle und religiöse Initiationen (wie z.B.Konfirmation, Schul- und Berufsabschluss, Familengründung)
Ein kurzer Blick in die Geschichte
Jugend als eine eigenständige Lebensphase von Heranwachsendenaus allen Schichten und beider Geschlechter hat es nicht schonimmer gegeben.
Die Kindheit endet mit siebenJahren. Doch auch in der
"Kindheit" sind die Kinder bloßkleine Erwachsene. Sie "trugen
die gleichen Kleider, spieltendie gleichen Spiele,
verrichteten die gleichenArbeiten, sahen und hörten die
gleichen Dinge wie dieErwachsenen und hatten keine
von ihnen getrenntenLebensbereiche."
(Philippe Ariès: Geschichte der Kindheit)
Ein kurzer Blick in die Geschichte
An diese Kindheit, die keine ist, schließt sich sofort und ohne Übergang das Erwachsenenalter an.
Eine eigenständige Jugendphase gibt es nicht.
“Zwar wurden auch schon vor der IndustrialisierungJugendliche von Kindern und Erwachsenen
unterschieden. Aber erst in Folge der modernenTrennung von Famile, Ausbildung und
Erwerbsarbeit sowie der Einführung derallgemeinen Schulpflicht entstand Jugend im
modernen Verständnis des Begriffs, d.h. als einegesellschaftlich institutionalisierte Lebensphase, in
der allen Mädchen und Jungen eine Phase desLernens und der Qualifizierung nach dem Ende der
Kindheit und vor dem Eintritt in die Arbeitsweltzugestanden wird.”
(Schäfers, Scherr 2005, S. 23)
Ein kurzer Blick in die Geschichte
Ausmaße des Städte- undBevölkerungswachstums
Köln im Jahre 1800 41.000 Menschen1850 95.000 Menschen1900 437.000 Menschen
Berlin im Jahre 1800 172.000 Menschen1900 2.424.000 Menschen
Hahnentor 1880
Ubierring1885
Der Begriff Jugend hat im historischen Kontextvor allem eine negative Konnotation.
Während der ältere Begriff desJünglings auf die bürgerlichen jungenMänner angewendet wurde und eine
positive Wertung beinhaltete,
verstand man unter Jugendlichen vorallem proletarische junge Männer, die
als Bedrohung der Ordnungangesehen wurden.
Ein kurzer Blick in die Geschichte
“Diese Halbstarken, die aus allen Kreisen der Gesellschaft kommen, bilden denMob, sind eine furchtbare grauenerregende Macht, zumal im großstädtischen
Leben, ein Schlamm, der immer mehr nach unten sinkt, und wenn das sozialeLeben in ruhigen Gleisen fortfließt, sich am Boden der Gesellschaft festsetzt.”
(Schultz 1912, S.33)
“Eine solche Jugend muss ihrengefährlichen Umgebungen, demMüßiggange, Betteln, Stehlen, Lügen,Fluchen usw. entrissen, zur Frömmigkeit, Arbeitssamkeit,Genügsamkeit, Sparsamkeit, Übungvon christlichen und bürgerlichenTugenden angehalten, mit einem Wortin Rettungshäusern untergebrachtwerden.”
(Roth 1983, S. 114, nach einem Text von 1851)
Ein kurzer Blick in die Geschichte
Jugendhort 1929
Die Phase der zweiten Individualisierung
In den 60er/70er Jahren kommt es im Zuge einesAnwachsens von Einkommen und Aufstiegschancenverknüpft mit einer Bildungsexpansion zu einem breitenProzess sozialer Mobilisierung (Fahrstuhleffekt). DiePrägekraft von klassenspezifischen Milieus schwindet.
Die Lebenslagen diversifizieren sich, dieWahlmöglichkeiten des Einzelnen steigen.
Gesellschaftliche Transformationen
Aus diesen Entwicklungstendenzen ergab sich nach demSoziologen Ulrich Beck ein drastischerIndividualisierungsschub
Es findet eine Enttraditionalisierung der Lebensformenstatt, die Bindekraft gesellschaftlicher Institutionenschwindet
Damit werden zugleich Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt. Ausder vorgeformten Biographie wird tendenziell die Wahlbiographie, bei dersich die einzelne Person immer weniger auf vorgestanzte Musterverlassen kann.
Gesellschaftliche Transformationen
Dies beinhaltet nicht nur die Möglichkeit der Wahl,sondern zugleich auch die Verpflichtung zur Wahl.
Zum Wandel der Jugendphase
' Verlängerung der Bildungs- und Ausbildungszeiten
' Jugendliche werden zu Gestaltern ihrer Bildungs- und Berufsbiographie
Zum Wandel der Jugendphase
' Anstieg der Freizeit, mehr Zeit in altershomogenen Gruppen
' Bedeutungszuwachs der Peers
' Pluralisierung und Fragmentierung der Jugendkulturen
Zum Wandel der Jugendphase
"Weder lassen sich innerhalb einzelner Lebensbereichezuverlässige Abfolgen von Lebensphasen finden -man denke
nur an den prekären Übergang von der Ausbildung in den Beruf-noch liegen (verbindliche) Vorgaben zur Bewältigung des
Problems bereit, die verschiedenen Lebensbereicheaufeinander abzustimmen. Auch in diesem Sinne stellt sich
‘Jugend' mithin nicht mehr als eine soziokulturell ‘geregelte' oderzumindest angeleitete Lebensphase dar, die mit dem Ende der
Kindheit beginnt, bestimmte Ereignis-und Erlebnisabfolgenimpliziert und mit dem Eintritt in das Berufsleben endet."
(Hitzler, Buchner, Niederbacher 2001)
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