Klausur S 155 StrafrechtWS 2010/2011Friedrich Toepel
• 1. Handlungsabschnitt: Die Tätowierung des A
• Strafbarkeit des B
• I. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch Eintätowieren des Löwen
• 1. obj. Tb.:
• a) Grundtatbestand,
• 1. Alt.: nicht unwesentliche üble unangemessene Behandlung +, wegen schmerzharter Einwirkung auf die Haut;
• 2. Alt., Gesundheitsschädigung: +, bleibende Folge (kann auch abgelehnt werden, da ein mit seinem Willen Tätowierter sich nicht in einem krankhaften Zustand befindet)
• b) Qualifizierung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, gefährliches Werkzeug?
• -, die Tätowiernadel in der Hand des erfahrenen Tätowierers ebensowenig wie Skalpell des Chirurgen
• 2. subj. Tb.: : Vorsatz unproblematisch +
• 3. Rechtswidrigkeit, Einwilligung:
• autonome Entscheidung?
• Körperliche Integrität grundsätzlich disponibel;
• A als 18jähriger unbeschränkt einwilligungsfähig;
• grundsätzlich kein Anhaltspunkt für Verkennung der Tragweite
• jedoch: Irrtum über das tätowierte Abzeichen, Ansichten:
• a) Rspr. (BGH NJW 1998, 1784): jeder erhebliche Willensmangel beachtlich, daher vorliegend Einwilligung –
• b) Lit.: teilweise im Anschluss an Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, 1970 S. 15, wird ein rechtsgutsbezogener Irrtum verlangt:
• Inhaltsirrtum, A irrt darüber, was konkret auf seinem Rücken eintätowiert wird, daher rechtsgutsbezogen +, Einwilligung nach dieser Ansicht ebenfalls –
• c) Mindermeinung (LK/Hirsch, 11. Aufl., Vor § 32 Rdnr. 122): Irrtum der vorliegenden Art unbeachtlich, da A den Irrtum nicht veranlasst hat, Einwilligung +
• 4. Fehlvorstellung des B, • wer Einwilligung ablehnt, muss weiterprüfen:
B glaubte, A wolle sich einen Löwen eintätowieren lassen.
• Hätte die Wirklichkeit seiner Fehlvorstellung entsprochen:
• B nach allen vertretenen Ansichten durch Einwilligung gerechtfertigt, daher: Erlaubnistatbestandsirrtum
• a) Strenge Schuldtheorie: wie ein Verbotsirrtum zu behandeln, hier: Vermeidbarkeit, § 17 S. 2 StGB? +, daher Vorsatzstrafbarkeit + mit Milderungsmöglichkeit gemäß § 17 S. 2 StGB
• b) Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen und alle, die die Einwilligung bei der Körperverletzung als tatbestandsausschließendes Einverständnis behandeln:
• § 16 Abs. 1 S. 1 StGB direkt anwendbar, Tatbestandsirrtum +, Vorsatzstrafbarkeit –
• c) Eingeschränkte Schuldtheorie/rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie: § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog anwendbar zumindest bezüglich der Rechtsfolgen: Vorsatzstrafbarkeit entfällt
• Alle, die Vorsatzstrafbarkeit abgelehnt haben müssen, weiterprüfen:
• II. § 229 StGB durch dasselbe Verhalten
• 1. Tb.: Kausalität, obj. Vorhersehbarkeit , obj. Pflichtwidrigkeit +
• (B hätte sich vergewissern müssen, welches Motiv)
• 2. Einwilligung: –, s. oben
• 3. Schuld: + (= auch subj. vorhersehbar, pflichtwidrig und vermeidbar), Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gegeben +
• 2. Handlungsabschnitt: Das „Abschleifen“ der Tätowierung
• I. Strafbarkeit des C• 1. § 223 Abs. 1 durch Abschleifen
der Haut • a) Tb.: a) Obj. Tb.: wie unter 1.
Handlungsabschnitt I 1 a: +• b) Subj. Tb.: unproblematisch• b) Einwilligung des A? • wieder Irrtum des A, diesmal aber
direkt über die Tragweite des Eingriffs („sofern nicht mit Komplikationen zu rechnen“);
• keine Aufklärung durch C, obwohl ausdrücklich von A gefragt, Einwilligung –
• c) Schuld des C? +,
• kein beachtlicher Irrtum, C bestätigt dem A „wider besseres Wissen“, dass mit keinen Komplikationen zu rechnen, Strafbarkeit +
• 2. §§ 226 Abs. 1 Nr. 3, 18 StGB aufgrund desselben Verhaltens
• a) Vorsätzliche Körperverletzung +, s. soeben
• b) Schwere Folge: Dauernde Entstellung?
• H. M. verneinend, falls kosmetische Operation möglich und zumutbar ist (Lackner/Kühl, 26. Aufl. 2007, § 226 Rdnr. 4), grundsätzlich hier zumutbar, falls keine außerordentlichen Risiken; Gegenteil vertretbar
• c) § 18 StGB, beachten: es ist nur noch Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit festzustellen: hier+, eine häufige Komplikation
• Also § 226 StGB +, falls unter b nicht der h. M. gefolgt wurde.
• II. Strafbarkeit des B (konnte auch oben im 1. Handlungsabschnitt mit angesprochen werden)
• 1. §§ 226 Abs. 1 Nr. 3, 18 StGB aufgrund des Eintätowierens des Löwen mit der Folge der notwendigen „Abschleifung“
• Falls einfache vorsätzliche Körperverletzung bejaht:
• Frage, ob B für die von C verursachte Folge mithaftet, Fahrlässigkeit, § 18?
• Kausalität, obj. Pflichtwidrigkeit u. Vorhersehbarkeit +
• aber: Vermeidbarkeit, Schutzzweck der Norm, Zurechnung unterbrochen bei Dazwischentreten vorsätzlichen Verhaltens eines Dritten
• (Gegenteil bei guter Begründung vertretbar), daher Strafbarkeit insoweit –
• (Gleiches würde für die Zurechenbarkeit des Abschleifens im Rahmen des§ 229 StGB gelten).
• aber: Vermeidbarkeit, Schutzzweck der Norm, Zurechnung unterbrochen bei Dazwischentreten vorsätzlichen Verhaltens eines Dritten
• (Gegenteil bei guter Begründung vertretbar), daher Strafbarkeit insoweit – (Gleiches würde für die Zurechenbarkeit des Abschleifens im Rahmen des§ 229 StGB gelten).
• 3. Handlungsabschnitt: Das Präparieren des Barhockers
• I. Strafbarkeit des A
• 1. §§ 211, 212 Abs. 1 StGB durch Lösen des Beins vom Barhocker (reicht, den Grundtb. anzusprechen, zu Mordmerkmalen musste man entgegen der Musterlösung hier nicht kommen.)
• a) Obj. Grundtb: unproblematisch, B starb
• Mordmerkmale:• aa) niedriger Beweggrund Rache • aber: Gesamtbetrachtung erforderlich,
sittlich auf tiefster Stufe, dabei ist zu beachten, dass A die Folgen des Sturzes zunächst nicht richtig ernst nahm.
• bb) Heimtücke: Arg- und Wehrlosigkeit des B +
• wenn nicht ein besonders verwerflicher Vertrauensbruch verlangt wird
• b) Subj. Tb.: kein dolus eventualis,• A hat sich jedoch nicht mit dem Tod
abgefunden, daher §§ 211, 212 StGB-
• 2. §§ 227, 18 StGB aufgrund desselben Verhaltens
• a) Vorsätzliche Körperverletzung: +, unproblematisch
• b) Fahrlässige Folge, § 18 StGB: • obj. Pflichtwidrigkeit + grdätzlich
aufgrund vorsätzlicher Körperverletzung zu bejahen,
• hier zw., A: „Schulspäße, bei denen nichts passiert ist“,
• insofern zumindest zw., ob pflichtwidriges Verhalten den Schutzzweck der Norm im Hinblick auf den Todeserfolg umfasst,
• aa) Rspr.:
• Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen der Gefahr aufgrund der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg hergestellt werden, falls der Körperverletzungshandlung ein erhebliches Letalitätsrisiko innewohnt (wie im Hochsitzfall, BGHSt 31, 96),
• hier nach Musterlösung eher – (Gefahr nicht augenfällig groß, Gegenteil vertretbar)
• bb) nach Lehre von der objektiven Zurechnung:
• Vertretbar, Zurechnung zu bejahen, da As Präparieren des Barhockers zu seinem Verantwortungsbereich gehört, es handelt sich nicht mehr um Selbstschädigung (Jakobs’ Anmaßung der Organisation eines Bereichs)
• Je nachdem, ob aa oder bb gefolgt wird (bei aa beides vertretbar) ist § 227 StGB zu bejahen oder nicht.
• 3. Wer § 227 StGB ablehnt, muss §§ 223; 222; 52 StGB annehmen
• 4. § 221 StGB durch zu spätes Rufen des Notarztes
• -, keine Lebensgefahr durch Versetzen in eine hilflose Lage verursacht,
• Erhöhung der Lebensgefahr durch verspätetes Eingreifen unklar (Tatfrage);
• kein Vorsatz des A, als Obhutsgarant den B im Stich zu lassen
• 5. § 323c StGB durch zu spätes Rufen des Notarztes
• Vorsatz: nach Sachverhalt unklar
• (Musterlösung: Vorsatz ausgeschlossen)
• 6. § 185 StGB durch Lösen des Beins am Barhocker
• Nach Musterlösung: nicht strafbarer Versuch
• II. Strafbarkeit des G• 1. §§ 211, 212 Abs. 1, 13 StGB durch
Beobachten von As Manipulation, ohne einzugreifen
• 1. Obj. Grundtb: (Quasi-)Kausalität unproblematisch, B starb;
• a) Garantenstellung?• Schutzpflicht aus Bewirtungsvertrag? • Hier nicht typische Verantwortlichkeit
Gastwirt für Betrunkene,• aber Gastwirt hat auch
Verkehrssicherungspflicht bezüglich Inventars, wenn er Manipulationen bemerkt, muss er daher einschreiten (Gegenteil mit guter Begründung vertretbar, vorsätzliches Handeln des A habe dazu geführt, dass die Folgen sich allein im Verantwortungsbereich des A bewegten)
• b) Mordmerkmale: • aa) niedriger Beweggrund „Rache“ für
unterlassene Mietzahlungen? • ablehnen: Gesamtbetrachtung erforderlich,
sittlich auf tiefster Stufe, dabei ist zu beachten, dass auch G nicht über die Konsequenzen eines Sturzes nachdachte
• bb) Heimtücke: Arg- und Wehrlosigkeit des B gegeben,
• hier eventuell sogar verwerflicher Vertrauensbruch
• 2. Subj. Tb.: kein dolus eventualis, G hat sich nicht mit dem Tod abgefunden, §§ 211, 212 StGB –
• 2. §§ 227, 13 StGB aufgrund desselben Verhaltens
• Vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen konstruierbar, wenn Garantenstellung des Gastwirts +
• und angenommen wird, vorsätzliches Handeln des A unterbreche insoweit nicht Zurechnung zu G
• 3. Wer §§ 227, 13 StGB ablehnt, kann zu §§ 223, 13; 222, 13; 52 StGB aufgrund desselben Verhaltens gelangen,
• a) wenn Garantenstellung des Gastwirts aufgrund Gastwirtvertrags bejaht
• b) Garantenstellung aufgrund von Ingerenz wegen Unterlassens, den Notarzt sofort zu rufen, kann hingegen nicht für die Zurechnung verwendet werden:
•
• (Quasi-)Kausalität des Unterlassens =Tatfrage, unklar, B auch bei sofortigem Rufen des Notarztes verstorben wäre.
• 4. §§ 221, 13 StGB und § 323c StGB:• scheitern• fehlenden Herbeiführung einer
Gefahrerhöhung • bzw. bei § 323c StGB mindestens
fehlender Vorsatz
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