4. Kampf um Frieden
Mein lieber Herr, Sie haben noch einen Wunsch frei, den letzten. Mögen Sie glücklich sein! Fee Null
Theater und Philharmonisches Orchesterder Stadt Heidelberg
von Bohuslav Martinu
Drei Wünsche
4
*26.04.09
Uraufführung am 16.06.1971, Brünn
Bohuslav Martinu (1890-1959)
Drei Wünscheoder Die Wechselfälle des Lebens
Filmoper in drei Akten mit einem Vorspiel und einem Nachspiel von Georges Ribemont-Dessaignes (1928/29)
Fassung von Armin Pommeranz und Daniel Kötter in einem Prolog und drei Akten (2000)
Deutsch von Marcus Gammel
Schott Mainz
5
Verlobte / Bettlerin /
Eblouie Barbichette / Adelaide
Jana Kurucová
Dinah
Rosemara Ribeiro
Tangosänger
Winfrid Mikus
Haushofmeister, Barkeeper, Kellner
Dagang Zhang
Besetzung
Monsieur Juste /
Arthur de St. Barbe
Sebastian Geyer
Indolenda / Nina Valencia
Maraile Lichdi
Adolphe / Serge Eliacin
Emilio Pons
Fee Null / Lilian Nevermore
Carolyn Frank
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Kapitän
Hubert Wild
General
Sang Hoon Lee
Finanzminister
David Otto
Ein Gast / Ausguck
Sungmin Lee
Regisseur
Bertil Nestorius
Telefonistin
Katharina Simmert
Männervokalquartett
Winfrid Mikus
Young Kyoung Won
Hubert Wild
Michael Zahn
Nummerngirl
Tam Chantawangso / Miriam Gluth
Nummernboy
Gero Plettenberg / Jonathan Ponstingl
7
Opernchor & Extrachor
Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
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Inszenierungsteam
Musikalische Leitung
Dietger Holm
Regie
Holger Müller-Brandes
Video
Chris Kondek
Videoassistenz
Jens Crull
Bühnenbild
Chris Kondek / Anja Koch
Kostüme
Silke Schneider
Lichtdesign
Steff Flächsenhaar
Dramaturgie
Bernd Feuchtner
Chorleitung
Jan Schweiger
Musikalische Studienleitung
Timothy Schwarz
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Musikalische Einstudierung
Ivo Hentschel
Annemarie Herfurth
Joana Mallwitz
Peter Schedding
Timothy Schwarz
Regieassistenz, Abendspielleitung
Tobias Heyder
Bühnenbildassistenz
Kristina Müller
Kostümassistenz
Sabrina Leichle
Regiehospitanz
Ann-Kristin Bischoff
Martina Feuer
Christine Gossmann
Souffl age
Delia Tedeschi
Inspizienz & Statisterie
Uwe Stöckler
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Technik & Werkstätten
Technische Leitung
Ivica Fulir (Techn. Dir.)
Technische Einrichtung
Udo Weber
Ton
Wolfgang Freymüller
Andreas Legnar
Magali Deschamps
Thomas Mandl
Leiter der Beleuchtung
Steff Flächsenhaar
Leiterin Kostümabteilung
Viola Schütze
Maria Schneider (Stv.)
Gewandmeisterinnen Damen
Dagmar Gröver
Katharina Six
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Gewandmeisterinnen Herren
Katja Ulrich
Alexandra Partzsch
Leiterin der Abteilung Maske
Kerstin Geiger
Anja Dehn (Stv.)
Leiterin der Abteilung Requisite
Esther Hilkert
Leiter Malsaal
Dietmar Lechner
Dekorationswerkstatt
Markus Rothmund
Leiter Schlosserei
Karl-Heinz Weis
Leiter Schreinerei
Klaus Volpp
Die Kostüme & Kulissen wurden
in den theatereigenen Werkstätten
angefertigt.
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Drei Wünsche
OZum Inhalt
Prolog
In einem Filmstudio laufen hektisch die Vorbereitungen für den nächsten
Dreh. Die verheirateten Stummfi lmstars Nina Valencia und Arthur de St.
Barbe schminken sich, was ihr Kollege Serge Eliacin dazu nutzt, mit Nina zu
fl irten, mit der er offenbar ein Verhältnis hat.
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1. Akt
Der Film „Drei Wünsche“ wird gedreht. In der ersten Einstellung sieht man
das Ehepaar Indolenda / Monsieur Juste beim Aufstehen; Monsieur bricht auf
zur Jagd. Zweite Einstellung: Die gelangweilte Indolenda lässt sich von der
abergläubigen Adelaide Angst vor dem Altern einjagen. Unterdessen fängt
Monsieur im Wald eine Fee und trägt sie als Jagdbeute nach Hause. Indolenda
hat vergeblich versucht, ihren hübschen Cousin Adolphe zu verführen, als ihr
Mann mit der Fee hereinkommt. Als die Fee Null enthüllt, dass sie Wünsche
erfüllen kann, wünscht Indolenda sich Reichtum. In dem wundersam verwan-
delten Haus folgt ein Defi lee der großen Gesellschaft, und die Fee verkündet
die bevorstehende Hochzeit von Adolphe mit Eblouie – da diese reich ist,
willigt Adolphe ein. Außerdem kündigt die Fee eine Schiffsreise zur Goldenen
Insel an.
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2. Akt
Auf dem Ozeandampfer genießt Indolenda ihren Reichtum. Als man sich
der Insel nähert, verwandelt alles sich in Gold, auch das Schiff. Ein Sturm
naht, das Schiff sinkt. Ein Männer-Vokalquartett mahnt: „Ein großes Schiff so
schwer fuhr ohne Liebe daher.“ Gestrandet wünscht der verzweifelte Mon-
sieur Juste, dass seine Frau ihre Jugend zurückerlangt. Adolphe fällt unter-
dessen der schwarzen Dinah zum Opfer, die tanzt wie Josephine Baker und
ihn in den Kochtopf stecken will. Die verjüngte Indolenda wird eifersüchtig
und rettet ihn. Juste erkennt, dass die Erfüllung des zweiten Wunsches einem
anderen genützt hat: Indolenda und Adolphe lieben sich und tanzen Tango.
Der Tangosänger warnt vor dem falschen Herzen. Eblouie tritt als Bettlerin
auf und wird verhöhnt. Juste vertut auch den dritten Wunsch: Als er sagt, er
wolle geliebt werden, ist Eblouie zur Stelle und beschert ihm ein schreck-
liches Eheleben. Als er sehnsüchtig nach dem jungen Turtelpaar schaut,
15
schlägt sie ihn. „Ach, das Leben ist so schwer!“ klagt Monsieur Juste, dann ist
der Film im Kasten. Doch Serge Eliacin fl irtet weiterhin mit Nina Valencia ...
3. Akt
Glanzvolle Filmpremiere! Gezeigt wird der Film „Drei Wünsche“. Serge
Eliacin ist schon im Saal, eine Bettlerin wird verjagt. Das Publikum erkennt
die Filmstars Nina Valencia, Arthur de St. Barbe und Serge Eliacin. Nina ge-
lingt es, mit Serge zu fl irten, Arthur bleibt allein in der Bar. Im Abendmantel
erscheint Lilian Nevermore, die Darstellerin der Fee. Eine Jazzband spielt,
Dinah kommt herein und auch der Kapitän aus dem Film. Lilian Nevermore
tanzt zu der Ballade des Männer-Vokalquartetts vom großen Schiff, das ohne
Liebe daher fuhr.
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Zum Komponisten
„Um die Wahrheit zu sagen, ich bin ein Concerto-grosso-Typ,“ sagte Bohuslav
Martinu 1949. Damit meinte er die radikale Abkehr von der symphonischen
Form, von ihrem Entwicklungsdenken, ihrer Sättigung mit Gefühl und ihrem
Kräftemessen, das zwangsläufi g zu Höhepunkt, Katastrophe und Katharsis
führt. Martinu wollte nur Musik machen, und tatsächlich hinterließ er an die
vierzig Konzerte, die er mit neobarocken Namen belegte: Partita, Divertimen-
to, Doppelkonzert oder eben Concerto grosso. (Was ihn nicht daran hinderte,
1941 auf einen Kompositionsauftrag Kussewitzkis einzugehen und eine Sym-
Das Glück der Distanz
C
Der Kosmopolit Bohuslav Martinu
17
phonie zu schreiben, der dann Jahr um Jahr fünf weitere folgten – die aber
allesamt nicht dem klassischen Symphonieschema folgen.) Diese Haltung
prägt auch seine Musik fürs Theater.
Geboren wurde Bohuslav Martinu am 8. Dezember 1890 in den Städtchen
Policka im Gebiet zwischen Böhmen und Mähren. Da sein Vater Türmer war,
verbrachte er seine ersten zwölf Jahre auf dem Kirchturm: „Nicht die Interes-
sen der Menschen, ihre Sorgen, Freuden und Leiden nahm ich aus der großen
Entfernung, besser gesagt aus der großen Höhe wahr, sondern es war der
Raum, den ich ständig vor Augen hatte und den in Tönen zu erfassen ich in
meinen Kompositionen stets bestrebt bin. Raum und Natur, nicht Menschen.
In meinem kindlichen Sinn waren sie nur kleine Figuren, die sich bewegten
und die in dem Bild, das sich mir darbot, so etwas wie ein Ornament bildeten.
Ich bin nicht sicher, ob dieses kuriose Erfassen der Naturbilder, wie ich sie
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vom Kirchturm aus sah, nicht mehr als alles andere zur Musik geführt hat. Die
Gelegenheit, ja die Fähigkeit zu beobachten, war für mich also schon in jenen
ersten Jahren meines Lebens auf dem Turm gegeben.“
Auch das Theatralische liebte er eher auf die sportliche Art: Eines seiner
ersten Werke trägt den Titel Halbzeit und portraitiert natürlich das Publikum
in der Fußball-Pause. 13 Ballette und 16 Opern stehen in seinem Werkkatalog,
darunter etliche Einakter. Die plastische Sprache seiner frühen Werke erin-
nert oft an das freche Frühwerk seines russischen Kollegen Schostakowitsch.
Auf dem Prager Konservatorium war er zunächst gescheitert und war erst
einmal ein äußerst produktiver Autodidakt; mit 32 nahm er dann noch einmal
Unterricht bei Josef Suk. Doch 1923 ging er nach Paris, um bei Albert Roussel
zu studieren. Obwohl der tschechische Klang in seiner Musik immer präsent
blieb, fühlte er sich dort im wilden Taumel der Zwanziger Jahre, in der Welt
19
von Strawinsky, Ravel, Poulenc und unter den Literaten des Dada und Surrea-
lismus wohl. Ab den späten 20er Jahren gewinnen Einfl üsse der Jazzmusik in
Martinus Werk immer stärker an Bedeutung. Das zeigen Kompositionen wie
das Sextett für Klavier und Bläser, die Jazz-Suite, das Pasticcio La Revue de
Cuisine oder das Ballett Schach. Die experimentellsten Werke Martinus, die
mit scharfen Dissonanzen angereichert sind und tonale Bezüge vermeiden,
entstanden 1929 (Phantasie für zwei Klaviere, 3. Streichquartett).
So lernte er auch Georges Ribemont-Dessaignes (1884-1974) kennen, Dadaist
der ersten Stunde, der ihm 1928 das Libretto für den Einakter Larmes de cou-
teau (Die Tränen des Messers) schrieb. Und weil das so viel Spaß gemacht
hatte, fabrizierten die beiden im Jahr darauf die Filmoper Drei Wünsche. Die
surrealistischen Elemente dieser Oper kamen übrigens zwei Jahre später
in der Oper Juliette où La clé des songes (Juliette oder Der Schlüssel der
20
Träume) nach einem Schauspiel von Georges Neveux voll zum Ausbruch: Der
einzigen surrealistischen Oper der Geschichte. Nicht zuletzt die politischen
Entwicklungen sorgten jedoch dafür, dass dies nur eine Episode in seiner
Entwicklung blieb.
Vor der deutschen Besatzung musste Martinu 1940 mit seiner französischen
Frau nach New York fl iehen, wo er bis 1953 blieb. Dirigenten wie Paul Sacher,
Charles Munch oder Serge Kussewitzky sorgten dafür, dass seine Werke
weiter aufgeführt wurden. Nach dem Krieg wurde er zum Professor am
Prager Konservatorium berufen, doch dieses Institut brachte ihm auch jetzt
kein Glück: Der Stalinismus verhinderte seine Rückkehr. Er lebte noch einige
Jahre in Nizza, Rom und der Schweiz, bevor er im Spital von Liestal bei Basel
am 28. August 1959 starb – an den Folgen seiner Raucherlunge.
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22
Sprechen wir von Liebe ...
IZur Inszenierung von
„Drei Wünsche“
„Vous savez bien
que dans le fond
je n’en crois riens
mais cependant
je veux encore
ecouter ces mots que j’adore:
Parlez-moi d’amour“
Lucienne Boyer mit dem Chanson von Jean Lenoir
von Holger Müller-Brandes
Drei Wünsche – bereits im Titel ein uralter
Topos. Der Zitatcharakter ist das prägende
Stilmittel des Stückes sowohl in Hinblick
auf die Handlungselemente, die klischee-
hafte Zeichnung der Charaktere als auch
die Arbeit mit musikalischen Gesten, die
der Unterhaltungsmusik entlehnt sind –
Josephine Baker, Maurice Chevalier,
Comedian Harmonists und Yvette Guilbert
lassen von Ferne grüßen. Die Überfülle der
angebotenen Versatzstücke zeigt deutlich:
Dieses Stück will schillernde Oberfl äche
sein, Anspielung und Illusion – die Refl exi-
on wird ausgeblendet.
24
Auf absurde Weise verkehren sich die
Wünsche, die „Fee Null“ gewährt, in ihr
genaues Gegenteil: Die Traumreise endet
im Schiffbruch, auf die Verjüngung der
Ehefrau folgt prompt deren Untreue.
Und der Wunsch, geliebt zu werden,
erfüllt sich als fi xe Idee einer bemitlei-
denswerten Kreatur. Die Fee, die den
Namen derjenigen Zahl im Roulettespiel
trägt, die letztendlich immer die Bank
zur Gewinnerin macht, ist die Personifi -
zierung des ironischen Untertitels „Die
Wechselfälle des Lebens“.
Das Stück verfügt über keine „Moral
von der Geschichte“. Ein Anhaltspunkt,
warum sich die zeitlos aktuellen Wün-
sche der Protagonisten als Rohrkrepie-
rer erweisen, wird nicht geliefert. Eine
Läuterung ist ebenfalls nicht vorgesehen.
In spielerischer, dadaistischer Manier
tanzen die Figuren über Glück, Unglück,
Freud‘ und Leid, Liebe und Katastrophen
hinweg. Eine Verantwortung scheinen
sie nicht zu kennen und erst recht kein
gesellschaftliches Bewusstsein. Im Paris
des Jahres 1928 gehören sie zur „jeunesse
dorée“, der Jugend der Reichen, die das
25
Wünschen eigentlich nicht nötig hat.
In Zeiten wie jenen, in denen die mög-
liche Katastrophe als drohender Schatten
im Raum steht und Angst die Gedanken
lähmt, in denen ein ungezügelter Kapita-
lismus die Ideale der Reichen unterhöhlt
und den Armen den Schneid abkauft,
könnten das Halbseidene, die charmante
Ironie, der talmihafte Glanz eine wesent-
liche Funktion erfüllen: Die nonchalante
Nichtbeachtung von Bedeutung, Konse-
quenz, kritischer Haltung würde gedank-
liche Freiräume offenhalten. Der Wunsch,
die Illusion, die Projektion wären dann
keine Flucht aus der Realität – sie wür-
den mit derselben zu einer Oberfl äche
verschmelzen, deren sich niemand
bemächtigen kann. Es blieben immer
eine Phantasie und eine Handlungsoption
offen.
26
die Bühne mit Qualitäten, die durch kein
anderes Medium zu haben sind. Von den
Kindertagen des Films zu Beginn des 20.
Jahrhunderts bis zur Großaufnahme eines
Details auf der Bühne und den Spezialeffek-
ten des Fantasy-Genres eröffnet Video rie-
sige Möglichkeiten, die in keiner Weise mit
der Live-Aufführung in Konkurrenz treten.
Im Idealfall schenkt Video dem, was auf der
Nun mache ich schon seit fünfzehn Jah-
ren Video fürs Theater und werde noch
immer dasselbe gefragt: „Gehört Video
auf die Bühne, ist Theater in seinem
Wesen nicht live, wie kann der Film die
Bühne bereichern?“ Ob Martinu sich
bei der Komposition der Drei Wünsche
das gleich gefragt hat? Für mich ist die
Antwort offensichtlich: Video bereichert
Eine neue Bedeutungsebene
Zum Video R
Chris Kondek über Video auf der Theaterbühne
27
wenn wir uns hinsetzen und nachdenken
oder wenn wir ins Theater gehen. Obwohl
ich das schon eine ganze Zeitlang betreibe,
stoße ich immer wieder auf überraschend
neue Verbindungen zwischen Video und
Aufführung. Und doch geht es vor allem
darum, einer Theateraufführung zu zu-
sätzlicher Bedeutung zu verhelfen, statt
nur neue Technologien um ihrer selbst
willen auszuprobieren. Und während ich
dasitze und darüber nachdenke, frage ich
mich, ob Martinu und sein Librettist sich
damals die gleichen Gedanken gemacht
haben wie ich jetzt.
Bühne geschieht, einen Reichtum an Nuan-
cen und Assoziationen. Klar sollte jedoch
sein, dass der Reichtum, über den Video
gebietet, ein anderer ist als ein Reichtum
an Bühnenbild und Kostümen. Der Reich-
tum, den Video beisteuert, verdankt sich
dem Reichtum und der Geschwindigkeit
unserer Welt. Wenn Video in einer 25stel-
Sekunde von nebelhaften Erinnerungen zu
einer kalten Livekamera springt und dann
ein bisschen traditionelles Theater spielt,
indem es eine Rückblende ausmalt, folgt
Video einfach dem, was wir real empfi n-
den, wenn wir eine Straße hinunter gehen,
2828
Stummfi lmszene von Alfred Hitchcock
29
Zum Stück
Aufl ösung ins Lachen
Das Blühen des Blödsinns in Drei Wünsche
C
Mit großen Worten war das 19. Jahrhundert zu Ende gegangen. Die Gründerzeit
verhieß wachsende Wirtschaftsmacht, der Kolonialismus europäische Hegemo-
nie. Auch in den Künsten herrschte das erhabenste Pathos. Doch es knisterte
erheblich im Gebälk. Je lauter die Vorherrschaft der europäischen Kultur be-
schworen wurde, desto mehr zerlegte sie sich bereits selbst. Als der Erste Welt-
krieg ausbrach und alle Träume unter sich begrub, war in Malerei und Skulptur
längst die Gegenständlichkeit aufgelöst und in der Musik die Tonalität und der
Fortschreitungszwang. Der erschreckende Verlauf des Weltkriegs brachte die
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Sinn- und Inhaltslosigkeit der dröhnenden Worte zu Bewusstsein und veranlasste
viele Künstler zum Protest. Das Dada-Stammeln war die klarste Antwort auf den
Bombast, es gab die steife Welt der Bürger und Militärs der Lächerlichkeit preis:
Der Obrigkeitsstaat ebenso wie das „Gute, Wahre, Schöne“ fi elen in sich zusammen.
Die Psychoanalyse lehrte den Blick hinter die Kulissen. Der Surrealismus wandte
sich von der Analyse der Außenseite, wie der Naturalismus sie unternommen
hatte, ab und grub sich in die Tiefen der menschlichen Seele ein. Logik und
Folgerichtigkeit hatten ausgespielt. Guillaume Apollinaire schrieb das surrealis-
tische Drama Die Brüste des Teiresias, das später von Francis Poulenc vertont
wurde. Sarkasmus und Witz ersetzten die Schwere des Weltschmerzes. Das
Hereinbrechen des Jazz und der amerikanischen Unterhaltungsmusik lockte die
Komponisten unwiderstehlich an. Ob Schostakowitsch in Russland, Krenek in
Österreich oder Milhaud in Paris – sie alle verfi elen Foxtrott und Charleston.
31
Jazzband aus den zwanziger Jahren
33
Die turbulenten Zwanziger Jahre brachten einen Ausbruch unbändiger Lebens-
lust, der sich als Tanz auf dem Vulkan entpuppte.
Als der tschechische Komponist Bohuslav Martinu 1923 nach Paris kam, befand
sich diese Entwicklung auf einem ersten Höhepunkt. Dass der Komponist in
die Kreise der Dadaisten und Surrealisten geriet, passte zu seinem distanzierten
Naturell. All die hohlen Floskeln der Sprache und der Musik konnte man nun mit
leichter Hand dem Gelächter anheim geben. Die Fee in Drei Wünsche trägt den
Namen Null und ist die letzte aller Feen. Auch die traditionellen Floskeln des
Liebeslebens waren überholt und wurden gnadenlos verhöhnt. Der Textdichter
spießte die alten Wörter auf und ließ sie zappeln. Und der Komponist übergoss
sie provokativ mit dem Ketchup der Unterhaltungsmusik, auf dass sie den Spieß-
bürgern im Halse stecken bleibe. Dass das Medium des Films hier zum ersten Mal
in den hehren Bereich der Oper einbrach, hatte keinen anderen Grund.
34
Musikalische Leitung
Dietger Holm
Seit der Spielzeit 07_08 ist Dietger Holm als Erster Kapellmeister und stellver-
tretender Generalmusikdirektor am Theater und Philharmonischen Orchester
der Stadt Heidelberg engagiert. In Kiel geboren, studierte er Violine und Dirigie-
ren an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Bereits während
seines Studiums dirigierte er zahlreiche Opernproduktionen im Jungen Forum
Musiktheater Hamburg, u. a. die deutsche Erstaufführung von Mozarts Zaide
mit den Ergänzungen von Luciano Berio. Sein erstes Engagement führte
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Dietger Holm als 2. Kapellmeister ans Staatstheater Schwerin, wo er zahlreiche
eigene Produktionen leitete und sich ein breites Opern- und Konzertrepertoire
von der Frühklassik bis zur Moderne erarbeitete. So dirigierte er hier u. a.
Glucks Orpheus und Eurydike, Die Entführung aus dem Serail, Die Zauberfl ö-
te, Carmen, Werther, Rusalka, La Bohème sowie Die Fledermaus. Bei den
renommierten Schweriner Schlossfestspielen dirigierte er Verdis Maskenball,
La Traviata, Rigoletto und Il Trovatore mit international bedeutenden Gesangs-
solisten. Dietger Holm gastierte am Ständetheater Prag, am Theater Bielefeld
und bei den Hamburger Sinfonikern. Er leitete in der vergangenen Spielzeit
die deutsche Erstaufführung von John Adams’ Ein blühender Baum. In dieser
Spielzeit hatte er die musikalische Leitung von Hans Werner Henzes Phaedra
inne und dirigierte Eugen Onegin in der Inszenierung des Götz-Friedrich-
Preisträgers Benedikt von Peter sowie zahlreiche Repertoirevorstellungen.
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Regie
Holger Müller-Brandes
Holger Müller-Brandes, geboren 1969, studierte Musiktheater-Regie bei Götz
Friedrich in Hamburg und assistierte unter anderem bei der Schauspielre-
gisseurin Elke Lang. Im Jahr 1997 wurde er mit dem ersten Preis des inter-
nationalen Regiewettbewerbs Ring Award in Graz ausgezeichnet. Das zeit-
genössische Musiktheater gehört zu seinen Schwerpunkten, u. a. inszenierte
er Punch and Judy von Harrison Birtwistle an der Oper in Graz, die Urauf-
führung die humanisten von Erhan Sanri und Ernst Jandl an der Staatsoper
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Hamburg, wo er 2006 auch mit Pit Przygodda ein Musiktheaterprojekt nach
Pasolinis Roman Petrolio realisierte. Weitere Zusammenarbeiten mit zeitge-
nössischen Komponisten waren u. a. die Uraufführungen der Opern Friedrich
und Katte von Wolfgang Knuth und Glück von Juliane Klein. Zuletzt führte er
Regie bei einer szenischen Aufführung von Gustav Mahlers Das Lied von der
Erde in Berlin. Im klassischen Repertoire inszenierte er u. a. Mozarts Così fan
tutte und Die Entführung aus dem Serail, Webers Der Freischütz und Wag-
ners Der fl iegende Holländer sowie im Bereich der musikalischen Unterhal-
tung Operetten von Jacques Offenbach sowie die deutsche Erstaufführung der
Operette L’amour masqué von Guitry/Messager in Rostock. Zudem erarbeite-
te er verschiedene Kabarettprogramme.
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Video / Bühne
Chris Kondek
Der Videokünstler Chris Kondek arbeitet seit über 15 Jahren in den Bereichen
Theater und Performance. 1990 begann er damit für die Wooster Group in New
York, 1995 arbeitete er bereits mit Laurie Anderson, mit der er zusammen für
das Multi-Media Konzert The Nerve Bible und die Oper Songs and Stories
from Moby Dick die Videos gestaltete. 1999 ging er nach Berlin, wo er mit der
Choreographin Meg Stuart an den Abenden Alibi, Visitors Only und Replace-
ment arbeitete. Im März 2008 bekam er für das Video-Design von Shake-
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speares Der Sturm, der in der Regie von Stephan Pucher an den Münchener
Kammerspielen aufgeführt wurde, den Opus-Award. Er schuf Videos für
zahlreiche Opernproduktionen, unter anderem für Jossi Wielers Hochzeit des
Figaro an der Niederländischen Nationaloper und dessen Rusalka bei den
Salzburger Festspielen, sowie für Falk Richters Freischütz, der ebenfalls bei
den Salzburger Festspielen aufgeführt wurde. 2007 und 2008 arbeitete er mit
Sebastian Baumgarten an Peter Grimes und Tosca in der Dresdner Semper-
oper und der Volksbühne Berlin. Bereits 2004 begann Chris Kondek seine
eigenen Theaterabende zu entwickeln. Seine erste Regiearbeit Dead Cat
Bounce, die er in Berlin erarbeitete, wurde erst kürzlich mit dem ZDF
Theaterkanal-Preis ausgezeichnet. Seine zweite Regie Hier ist der Apparat
eröffnete 2006 das Kunstenfestival des Arts in Brüssel. 2008 zeigte er mit
Loan Shark eine Arbeit über die Finanzkrise im Hebbel am Ufer in Berlin, die
im selben Jahr auch in Rotterdam gezeigt wurde.
40
Anja Koch, geboren 1980 in Neubranden-
burg, studierte Bühnen- und Kostümbild
an der Kunsthochschule Berlin-Wei-
ßensee und der Universität für Kunst
und Design Helsinki/Finnland. 2006
wurde sie zur Meisterschülerin bei Prof.
Peter Schubert ernannt. Während der
Spielzeiten 06/07 und 07/08 war sie als
Bühnenbildassistentin am Heidelberger
Theater engagiert. Hier war sie u. a. für
die Ausstattung von Wilde at heart und
Finnisch im friedrich5, Tatort HD 1-3
im zwinger1, Am Möwenfl uss in der
Petruskirche und Wild Roses bei den
HEIDELBERGER SCHLOSSFESTSPIE-
LEN 08 verantwortlich. Seit 2009 ist Anja
Koch als freie Bühnen- und Kostümbild-
nerin tätig. Für das Heidelberger Theater
stattete sie zuletzt Deutschland Porno
Total im zwinger1 aus. Sie lebt in Berlin.
Bühne
Anja Koch
41
Silke Schneider studierte Modedesign
in Berlin. Bereits während des Studiums
assistierte sie Frida Parmeggiani bei den
Salzburger Festspielen, in der Metropo-
litan Opera New York und am Berliner
Ensemble. Nach ihrem Studium folgten
zahlreiche Kostüm- und Bühnenbildmit-
arbeiten an den Städtischen Bühnen in
Frankfurt am Main, dem Burgtheater
Wien, dem Grand Théâtre de Genève
und anderen Häusern. Seit 2000 entwirft
Silke Schneider eigene Kostümbilder
und Ausstattungen, unter anderem am
Berliner Ensemble, dem Burgtheater in
Wien sowie in den Bereichen Film und
Werbung.
Kostüme
Silke Schneider
42
Carolyn Frank wurde in Georgia/USA
geboren. Nachdem sie am Converse
College in South Carolina ihr Bachelor of
Music-Diplom mit Auszeichnung erwor-
ben hatte, setzte sie ihre Studien am
Curtis Institute of Music in Philadelphia
fort. Von 1979 bis 1983 war Carolyn Frank
als Mezzosopranistin am Staatstheater
Saarbrücken engagiert. Seit 1986 ist sie
Solistin in Heidelberg. Außerdem tritt sie
als Konzert- und Oratoriensängerin
auf. In dieser Spielzeit war sie sowohl
als Titelfi gur in Hans Werner Henzes
Phaedra als auch in der Wiederaufnahme
von Tschaikowskys Eugen Onegin zu
erleben.
Fee Null /
Lilian Nevermore
Carolyn Frank - Mezzosopran
43
beta Bukoveczka auf den Operngesang zu
spezialisieren. Im Jahr 2003 wechselte sie
an die Universität für Musik und Darstel-
lende Kunst in Graz zu Prof. Agathe Kania
und Prof. Gottfried Hornik. In der Spiel-
zeit 05_06 war sie Mitglied des Jungen
Ensembles an der Bayerischen Staatsoper
München, bevor sie in der Spielzeit 06_07
Ensemblemitglied in Heidelberg wurde.
In dieser Spielzeit sang sie Lucius in Tito
Manlio und steht als Sesto in Mozarts
Titus sowie als Pepa in Granados’ Goyes-
cas auf der Bühne. Am Ende der Spielzeit
wechselt sie an die Deutsche Oper Berlin.
Jana Kurucová wurde 1982 in Kezmarok
in der Slowakei geboren und studierte
zunächst am Konservatorium von Banska
Bystrica Orgelspiel, Chorleitung und
Operngesang, um sich ab 2001 am Kon-
servatorium von Bratislava bei Prof. Alz-
Verlobte / Bettlerin / Eblouie
Barbichette / Adelaide
Jana Kurucová – Mezzosopran
44
Aus Schwaigern bei Heilbronn stammend,
studierte Maraile Lichdi Gesang bei Maria
Venuti, Charlotte Lehmann, Hilde Zadek
und Carmen Duran sowie Musik-Kinästhe-
sie bei Dr. Ernst Huber-Contwig. 1999
machte sie ihr Diplom in Würzburg. Ihr
Operndebüt gab sie 1998 am Staatstheater
Stuttgart als Solistin in Nonos Al gran sole
carico d’amore unter Lothar Zagrosek.
Des Weiteren sang sie unter Kwamé Ryan,
Roland Kluttig, Alexander Rumpf, Roland
Böer und Paolo Carignani. Seit Februar
2000 ist sie Ensemblemitglied in Heidel-
berg. In dieser Spielzeit sang sie die Elektra
in Idomeneo sowie die Vitellia in Tito
Manlio. Zur Zeit ist sie ebenfalls als Vitellia
in Mozarts Titus zu hören und wird bei den
HEIDELBERGER SCHLOSSFESTSPIELEN
die Adina in Der Liebestrank und die Kathi
im Studentenprinz geben.
Indolenda /
Nina Valencia
Maraile Lichdi – Sopran
45
Rosemara Ribeiro wurde in Rio de Janei-
ro geboren. Sie studierte an den Musik-
hochschulen in Curitiba/Brasilien und
Karlsruhe. Zusätzlich belegte sie Meister-
kurse bei Ilena Cotrubas, Christa Ludwig,
Gundula Janowitz und Hilde Zadek. Nach
zwei Jahren im Opernstudio des Badischen
Staatstheaters Karlsruhe wurde sie dort im
Jahr 2001 als Solistin engagiert. Außerdem
sang sie in Produktionen der Händel-
Festspiele sowie den Opernhäusern Frei-
burg und Bielefeld in Aufführungen wie
Carmen, Falstaff und Faust. 2004 wirkte
sie im Forum für Neues Musiktheater der
Staatsoper Stuttgart in Vanitas von
Sciarrino mit, 2006 als Grimgerde (Wal-
küre) am Teatro Lirico di Cagliari. Seit 2004
ist sie regelmäßiger Gast des Badischen
Staatstheaters Karlsruhe und ebenso regel-
mäßig als Konzertsängerin zu hören.
Dinah
Rosemara Ribeiro – Mezzosopran
46
Geboren in Ulm, erhielt er seine Gesangs-
ausbildung an der Hochschule für Musik
in Würzburg, an der Opernschule in
Mannheim und der Universität Mainz. Er
ist Preisträger mehrerer Wettbewerbe, u.
a. des Robert-Saar-Gesangswettbewerbs
1998 in Bad Kissingen, des Mozart-Fest-
Gesangswettbewerbs 2002 in Würzburg
und des Internationalen Gesangswettbe-
werbs der Kammeroper Schloss Rheins-
berg 2002 und 2003. Engagements führten
ihn nach Baden-Baden, an die Staatso-
per Stuttgart und das Theater Gießen.
Seit 06_07 ist er Ensemblemitglied. Er
verkörperte die Titelpartie in Tito Manlio
und ist derzeit als Silvio in Der Bajazzo
zu erleben. Bei den HEIDELBERGER
SCHLOSSFESTSPIELEN wird er in Der
Liebestrank auf der Bühne stehen. 2010
wechselt er an die Oper Frankfurt.
Sebastian Geyer - Bariton
Monsieur Juste /
Arthur de St. Barbe
47
er seit 1991 als Spieltenor, seit 2002 als Cha-
raktertenor und jugendlicher Heldentenor
am Theater engagiert. Gastspiele führten
ihn an die Opernhäuser in Hamburg, Berlin
(Komische Oper), Stuttgart, Frankfurt,
Köln und Zürich. Er wirkte mit bei Fest-
spielen und Konzertreisen ins europäische
Ausland sowie nach Israel, in die USA und
nach Japan. In dieser Spielzeit singt er die
Titelpartieen in Mozarts Titus und Idome-
neo, Lenski in Eugen Onegin, Canio in Der
Bajazzo und wird im Studentenprinz der
HEIDELBERGER SCHLOSSFESTSPIELE
zu erleben sein.
Geboren in Paderborn, bekam er seine
erste musikalische Ausbildung im Knaben-
chor Hannover bei Prof. Heinz Hennig. Er-
sten Gesangsunterricht erhielt er von Peter
Sefcik und Prof. Naan Pöld. Seit 2002 lernt
er bei Ute Hornung in Heidelberg. Dort ist
Tangosänger
Winfrid Mikus – Tenor
48
während dieser Zeit bereits in Mailand am
Teatro alla Scala. In den Jahren 2002 bis
2005 war er als Tänzer mit Soloverpfl ich-
tungen am Theater der Stadt Koblenz
engagiert und ist seit 2005 mehrfach als
Gasttänzer am Pfalztheater Kaiserslautern
zu erleben.
Der Tänzer Bertil Nestorius wurde 1980
in Schweden geboren und erhielt bereits
während seiner Schulzeit eine erste tän-
zerische Ausbildung am Royal Swedish
Ballet in Stockholm. Von 1999 bis 2001
studierte er in Pennsylvania und tanzte
Regisseur
Bertil Nestorius – Tänzer
49
Donizettis Lucia di Lammermoor am Ma-
riinsky-Theater in St. Petersburg. Regel-
mäßig besucht er Meisterklassen seines
Lehrers, des Kammersängers Francisco
Araiza. Gastengagements führten ihn 2007
an das Münchener Prinzregententheater,
das Freiburger Theater und 2008 an die
Wiener Kammeroper. Er ist Preisträger
des Irma Cooper-, Palm Beach-, Pavel
Lisitsian und Belvedere-Wettbewerbs. Zur
Zeit singt er Fernando und Beppo in Der
Bajazzo/Goyescas und wird bei den HEI-
DELBERGER SCHLOSSFESTSPIELEN in
Der Liebestrank auf der Bühne stehen.
Der mexikanische Tenor studierte Klavier
und Jura und machte seinen Master- und
Doktorabschluss an der Indiana Universi-
ty Bloomington/USA bei Carlos Montané
und Andreas Poulimenos. Als Mitglied
des Opernstudios debütierte er 2006 in
Adolphe / Serge Eliacin
Emilio Pons – Tenor
50
häuser in Deutschland (Aachen, Essen,
Hamburg, Schwetzingen, Nürnberg,
Stralsund, Rheinsberg u. a.), den Nieder-
landen (Maastricht) sowie in Österreich
(Wien), Spanien (Bilbao) und Italien.
Sein Repertoire reicht von Jacopo Peri
über die großen Mozartpartien bis zur
zeitgenössischen Musik. In Heidelberg
war er 06_07 in Zenders Chief Joseph,
07_08 in Mark Moebius’ Kinderoper
Pinienkerne wachsen nicht in Tüten
und in dieser Spielzeit als Publio in
Titus zu erleben. Ab 2009/10 ist er im
Ensemble des Salzburger Landestheaters.
Hubert Wild, in Karlsruhe geboren,
studierte an der Musikhochschule Köln/
Aachen bei Prof. Rudolf Bautz sowie an
der Hochschule der Künste Berlin bei
Dietrich Fischer-Dieskau. Seit 1996 ban-
den ihn Verträge an verschiedene Opern-
Kapitän
Hubert Wild – Bariton
51
Texte zu „Drei Wünsche“
Ich pfl ege die Leute bei ihren alltäglichsten Geschäften zu beobachten, um an
ihnen vielleicht zu entdecken, was mir selbst abgeht bei allem, was ich begin-
ne: die Gewissheit, das eigene Tun zu begreifen.
Und ich bin einer von denen, die für das Amüsement der anderen arbeiten.
Ich stelle meinen kleinen Apparat auf seinem Stativ auf. Dann zeichnen ein
paar Gehilfen nach meinen Angaben mit einer langen Stange und einem Blau-
N
Der Regisseur
aus Kurbeln von Luigi Pirandello, 1928
52
stift die Grenzen auf dem Fussboden ein, zwischen denen sich die Schauspie-
ler bewegen müssen, um im Gesichtsfeld der Linse zu bleiben. Ist alles bereit,
so verteilt der Direktor die Schauspieler und schreibt ihnen die Handlung vor.
Dann frage ich den Direktor: „Wieviel Meter?” Und er gibt mir, je nach der
Länge der Szene, ungefähr an, wieviel Meter Film gebraucht werden. Dann
aber ruft er ganz laut: „Achtung – Kurbeln!”
Warum zeichne ich dies alles auf? Es ist wohl ein übermächtiger Drang in mir,
mich zu befreien von der Teilnahmslosigkeit, zu der mein Beruf mich zwingt.
Früher, da war der Mensch ein Dichter und schuf sich Gott aus seinem Gefühl
und betete es an. Dann aber tat er es von sich wie eine nutzlose, eine schäd-
liche Last und wurde klug und betriebsam. Aus Stahl und Eisen schuf er sich
seine neuen Götter und wurde ihr Sklave und ihr Knecht. Es lebe die Maschi-
ne, die das Leben mechanisiert.
53
Ich stehe hier und bediene meine Maschine. Ich kurble, damit sie fressen
kann. Die Seele, die sie verspeist, das Leben, das sie auffrisst, ihr gebt es ihr,
ihr alle, - ich kurble nur. Von dem Schlagen des Herzens merkt man nichts
und nichts von dem Kreisen des Blutes in den Adern. Aber dieses Summen,
dies ständige Ticken, das spürt man. Man spürt die Unnatur dieses ganzen un-
sinnigen Strudels, dieses Aufblitzens und Wiederverschwindens von Bildern,
und dass darunter ein Mechanismus ist, der sie treibt mit rasendem Sausen.
Augenblick um Augenblick die reißende Folge von Bildern aufnehmen, und
fort mit ihnen, bis dass das Summen einen jeden von uns ewig umtönt!
Nur Kinder haben die himmlische Gabe, dass sie ihre Spiele ernst nehmen
können. Sie tragen das Wunderland in sich und breiten es über alle Dinge, mit
denen sie spielen, um sich einer holden Täuschung hinzugeben. Aber wie soll
man eine Arbeit ernst nehmen, die kein anderes Ziel hat als Täuschung, nicht
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gerade Selbsttäuschung, aber Täuschung der andern? Ein entsetzlich albernes
Lügenwerk spielt sich ab, und ihm muss der Apparat zu seiner wunderbaren
Realität helfen. Was dabei herauskommt, wirkt erzwungen und kann nie-
manden überzeugen und in Bann schlagen, denn es ist ein zwiespältiges Ding.
Zwiespältig deshalb, weil die Albernheit der Einfälle nur noch deutlicher
gemacht wird durch Verwendung der photographischen Reproduktion, einer
Technik also, die zur Vorspiegelung und Täuschung denkbar ungeeignet ist.
Es kann nicht ohne Wirkung bleiben, wenn man dem Toben der Menschen-
seele zusieht; aus den tiefsten Tiefen schleudert sie zerfetzt und wirr Gedan-
ken und Gefühle empor, die sonst niemals eingestanden werden, abenteuer-
liche Empfi ndungen, vor denen alles seinen altgewohnten Sinn verliert und
unversehens eine andere ungeahnte Bedeutung annimmt, mit einer bedrän-
genden und verwirrenden Deutlichkeit und Wahrscheinlichkeit. Entsetzlich
55
deutlich erkennen wir da, dass in jedem von uns der Wahnsinn nistet und
brütet, und dass eine Kleinigkeit, ein Nichts ihn entfesseln kann. Es braucht nur
ein kleiner Riss in dies dehnbare Netz zu kommen, das wir Bewusstsein nennen,
und siehe da: Bilder, in langen Jahren angesammelt, werden zusammenhanglos
mit einem Mal. Stücke eines anderen Lebens tauchen auf, das bisher im Dunkel
lag; wir haben es bei Licht nicht sehen können, nicht sehen wollen.
Ich glaube, es wäre gut, wenn ich ein anderes Gemüt bekäme und ein neues
Herz. Wer tauscht sie mir wohl ein? Immer deutlicher erkenne ich ja, dass ich
ein teilnahmsloser Zuschauer sein muss, und dazu passen sie schlecht, mein
Herz und Gemüt.
Wenn einer das Leben als ein Studienobjekt vor sich hinstellt, so handelt er
sinnlos, denn das Leben, so ins Licht gerückt, verliert zwangsläufi g alle Greif-
56
barkeit und wird zur Abstraktion ohne Sinn und Wert. Alle Vernunft ist beim
Leben, nicht abseits, nicht draußen, und so darf man das Leben nicht vor sich
ausbreiten, in sich fühlen muss man es, leben muss man es!
Josephine Baker
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Nachweise
Luigi Pirandello: Kurbeln. o. O. 1928
Nicht gekennzeichnete Texte sind
Originalbeiträge von Bernd Feuchtner.
Wenn wir trotz unserer Bemühungen Rechte-
inhaber übersehen haben sollten, bitten wir
um Nachricht.
Internet: www.theaterheidelberg.de
Impressum
Herausgeber: Theater und Philharmonisches
Orchester der Stadt Heidelberg
Intendant: Peter Spuhler
Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp
Redaktion: Bernd Feuchtner
Gestaltung: Danica Schlosser
Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg
Anzeigen: Greilich / Neutard
Theater und Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
2008_09, Programmheft Nr. 24
David Theodor Schmidt, Klavier26. April 09 | 11 Uhr | BASF-Gesellschaftshaus, LU
Kuss Quartett10. Mai 09 | 11 Uhr | BASF-Gesellschaftshaus, LU
Sara Tavares17. Mai 09 | 20 Uhr | BASF-Gesellschaftshaus, LU
Highlights2009
KULTURPURDas Konzertprogramm der BASF
Tickets an allen eventim VVK-Stellen oder unter 0621- 60 99911. Das Programmheft mit allen Veranstaltungen können Sie bestellen unter 0621- 60 42422, [email protected] oder www.basf.de/kultur
Europa Chor AkademieMusik für Chor und Bläser von Gabrielli, Brahms und Bruckner17. Juni 09 | 20 Uhr | Dom zu Speyer
Open-Air Limburgerhof mit Al Di Meola „World Sinfonia“11. Juli 09 | 21 Uhr | Gutsbetrieb Rehhütte, Limburgerhof
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