Objekt: BBXX - Ausgabennummer: 049 - Seite: U001/ 999 - Datum: 02.12.08 - Uhrzeit: 09:23’30’’ - Belichter: DFVINTERN- Farbigkeit: CMYK- Weitere Auszüge: Diese.
Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft63. Jahrgang // 1.12.2008 // Seiten 2637 - 2692
www.betriebs-berater.de
// WIRTSCHAFTSRECHTProf. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler, Jun.-Prof. Dr. Stefan Müller undSebastian SynnatzschkeTechnologie- und technikorientiertes Unternehmens-recht 2638
BGH: Anlageberatung – Auf vereinzelte kritische Stimmen in einem Brancheninformationsdienst muss eine Bank nichthinweisenBB-Kommentar von Klaus Rotter, RA 2645
OLG Saarbrücken: Vorrang einer individualvertraglichen Laufzeitklausel gegenüber einer Verlängerungsklausel in AGB beim LeasingvertragBB-Kommentar von Dr. Patrick Ayad, RA 2649
// STEUERRECHTAxel Kroninger, StB, CPA, und Markus KorbDie Handhabung von Sanierungsgewinnen vor und nachdem Urteil des Finanzgerichts München vom 12.12.2007 2656
Dr. Andreas Geist, RADie Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Zur Anwendbarkeit, Systematik und Auslegungdes BMF-Schreibens vom 27.3.2003 2658
FG Köln: Besteuerung von SanierungsgewinnenBB-Kommentar von Dr. Thomas Wagner, StB 2666
// BILANZRECHT & BETRIEBSWIRTSCHAFTDr. Carl-Bernhard Funnemann, WP/StB, undDr. Otto-Ferdinand Graf Kerssenbrock, WP/StB/RAAusschüttungssperren im BilMoG-RegE 2674
Sächsisches FG: Buchwertverknüpfung auch bei zurück-behaltenem ProduktionsgrundstückBB-Kommentar von Dr. Martin Bünning, RA/StB 2679
// ARBEITSRECHTProf. Dr. Bernd Waas, Patrick Hoffmann, RA, und Anita Palonka, RAinRechtsprechung zum Betriebsübergang nach § 613a BGBin den Jahren 2006/2007 2682
// BB-MAGAZINLars Zipfel, StBEntwurf des Erbschaftsteuerreformgesetzes:Erleichterungen bei der Unternehmensnachfolge M1
Anton-Rudolf-Götzenberger, StB, und Sonja WinnerAttraktive Geschäftschancen für Mittelständler auf Malta M16
Verlag Recht und Wirtschaft NEU: Mit W
ochenrückblick
und Entscheidungsre
port
in allen vier R
essorts
49.2008
Wirtschaftsrecht
Prof. Dr. Dr. J�rgen Ensthaler, Jun.-Prof. Dr. Stefan M�ller undDipl.-Ing. Sebastian Synnatzschke
Technologie- und technikorientiertesUnternehmensrecht
Das Unternehmensrecht etabliert sich zunehmend als eigenst�ndiges
Rechtsgebiet im Sinne einer Querschnittsmaterie; im Vordergrund steht
insoweit die Beziehung zwischen Rechtswissenschaft und Wirtschafts-
wissenschaften. Was bisher nicht untersucht wurde, sind die Bez�ge zu
den technischen Disziplinen. Durch diese Vers�umnisse l�uft die Unter-
nehmensrechtswissenschaft nicht nur Gefahr, die Unternehmenswirk-
lichkeit nur unvollst�ndig zu erfassen, zugleich wird auch das Potential
interdisziplin�rer Forschungsans�tze zwischen Juristen, �konomen und
Ingenieuren nicht ausgesch�pft und somit die Chance f�r die Entwick-
lung eines funktionalen Wirtschaftsrechts vergeben. Im vorliegenden
Beitrag werden die Verwobenheit des Unternehmensrechts mit techni-
schen Disziplinen an Beispielen aufgezeigt und zukunftstr�chtige Pers-
pektiven der Kooperation zwischen „Recht und Technik“ f�r Praxis und
Wissenschaft dargelegt.
I. Eine Standortbestimmung zumUnternehmensrecht
Die Bedeutung des Rechtsbegriffes „Unternehmen“ h�ngt vom jeweils
betroffenen Rechtsgebiet ab1. Dementsprechend vielf�ltig sind die
Ann�herungsversuche an das Unternehmensrecht. W�hrend sich K.
Schmidt mit Nachdruck f�r eine Entwicklung des Handelsrechts zum
Unternehmens(außen)recht einsetzt2, verstehen Rittner/Dreher das
Unternehmensrecht als Organisationsrecht im weitesten Sinne, bei
dem gesamtwirtschaftliche Belange im Vordergrund st�nden3. Zuletzt
hat Eidenm�ller eine funktionale Deutung des Unternehmensrechts
vorgenommen, die das gesamte Innen- und Außenrecht des Unter-
nehmens (Gesellschaftsrecht, Finanzierungsrecht, Recht der Leis-
tungsbeziehungen, Verfahrens- und Insolvenzrecht) umfassen soll4.
Das vorgefundene Meinungsbild liefert folgende Erkenntnisse:
1. Der Gegenstand des Unternehmensrechts wird ausnahmslos in mehr
oder minder gel�ufigen Kategorien des Privat- und Wirtschaftsrechts
umschrieben, m�gen dabei auch herk�mmliche Rechtsgebiete �ber-
wunden werden („Finanzierungsrecht“). Die Beibehaltung eines de-
zidiert juristischen Blickwinkels �berrascht besonders bei Eidenm�l-
ler. Wegen der betonten Funktionalit�t seines Ansatzes, der sich von
einem „disziplin�r-dogmatisch[en]“ abzugrenzen sucht, konnte er-
wartet werden, dass die angef�hrten Elemente des Unternehmens-
rechts – im Einklang mit der Praxis – entsprechend den in der Unter-
nehmensorganisation anfallenden Aufgaben entwickelt werden. Eine
in diesem Sinne funktionale, d. h. am betrieblichen Wertsch�pfungs-
prozess hergeleitete Betrachtung unterscheidet nach den im Unter-
nehmen vorgefundenen �konomisch-technologischen Funktionsein-
heiten, d.h. nach Forschung und Entwicklung, Produktion sowie Ab-
satz bzw. Vertrieb, ferner nach Querschnittsfunktionen wie Personal-
wirtschaft, Unternehmensf�hrung, Qualit�t, Controlling, Marketing
sowie Finanzierung5.
2. Die �ber die Bezeichnung von Rechtsgebieten vorgenommene Er-
fassung des gesamten Innen- und Außenrechts von Unternehmen
f�hrt dazu, dass zwar der Gegenstand des Unternehmensrechts ab-
strakt skizziert, jedoch der Gegenstand konkreter Unternehmen
nicht thematisiert wird. Aus diesem Grund werden die Bedeutung
der Technologie- und Ingenieurwissenschaften f�r die unterneh-
merische T�tigkeit und die damit verbundenen Fragestellungen f�r
die �konomie und das Unternehmensrecht �bergangen.
3. Angesichts der fehlenden Ausrichtung an der Unternehmenswirk-
lichkeit verwundert es nicht, dass die bestehenden technologie- und
technikbezogenen6 Bereiche des Unternehmensrechts im Schrifttum
praktisch ausnahmslos außer Betracht bleiben. So wird z.B. der Ge-
werbliche Rechtsschutz, dessen Bedeutung als Mittel zur Technik-
steuerung außer Frage steht7 und dessen unternehmensrechtsprakti-
sche Bedeutung kaum �bersch�tzt werden kann8, in keiner der Kon-
zeptionen zum Unternehmensrecht explizit erw�hnt.
Im Folgenden soll das Unternehmensrecht deshalb �ber eine im un-
ternehmerischen Sinne funktionale Darstellung entwickelt werden, die
auch den konkreten Unternehmensgegenstand ber�cksichtigt. Damit
geht eine bewusste Orientierung an den unterschiedlichen Stufen des
Produktentstehungsprozesses und folglich ein technologie- und tech-
nikbezogener Blickwinkel einher. Die Auspr�gung und Bedeutung ei-
ner solchen Technologieorientierung soll zun�chst (unter II) an einer
konkreten Beispielsituation aus dem Unternehmensalltag illustriert
und sodann (unter III) anhand weiterer juristisch-�konomisch-tech-
nologischer Schnittstellen aufgezeigt werden.
II. Der Technologiebezug des Unternehmens-rechts – beispielhaft illustriert
Als juristischer Rahmen f�r die beispielhafte Skizze dient die Untersu-
chungs- und R�geobliegenheit des Handelsk�ufers gem. § 377 HGB.
2638 Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008
1 Dazu K�bler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 5 IV, S. 39 ff., die den Begriff des Unterneh-mensrechts freilich rein gesellschaftsrechtlich deuten, vgl. dort § 1 II, S. 3.
2 K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 1 I und II, S. 5 f., 9 ff. und h�ufiger.3 Rittner/Dreher, Deutsches und Europ�isches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2008, § 8, S. 214 ff.4 Eidenm�ller, JZ 2007, 487 f.5 Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 10. Aufl. 2006, S. 26 f.6 Theoretisch lassen sich die Begriffe „Technologie“ und „Technik“ klar gegeneinander abgrenzen, vgl.
etwa die Gegen�berstellung bei Trommsdorff/Steinhoff, Innovationsmarketing, 2006, S. 13: Danach be-deutet Technologie Wissen �ber naturwissenschaftliche Zusammenh�nge, das zur L�sung technischerProbleme angewendet wird. Hingegen ist Technik materielle Anwendung von Technologie in Produktenoder Prozessen. In der Praxis ist die Abgrenzung freilich kaum so trennscharf zu f�hren, vgl. Tromms-dorff/Steinhoff, a a. O., S. 14.
7 G�tting, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht als Mittel der Techniksteuerung, in: Vieweg(Hrsg.), Techniksteuerung und Recht, 2000, S. 121 ff.
8 Vgl. G�tting, Grundlagen des Patentrechts, in: Schulte (Hrsg.): Handbuch des Technikrechts, 2004,S. 209 f. (zum Stellenwert des Patentrechts).
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
Die unternehmenspraktische Einordnung der Beispielsituation liegt
vornehmlich in der Produktion, genauer: der Serienfertigung tech-
nisch komplexer Endprodukte, die der Hersteller aus angelieferten
Komponenten zusammensetzt (Assembler).
Bei der heute �blichen arbeitsteiligen Serienfertigung von Wirt-
schaftsg�tern entlang einer verzweigten Zulieferer-Assembler-Kette
besteht ein unabweisbares Bed�rfnis des jeweiligen Herstellers, die
vom Zulieferer geschuldeten Teile zeitpunktgenau und in der verein-
barten Qualit�t zu erhalten. Das auf Lieferung angelegte Schuldver-
h�ltnis zwischen Zulieferer und Assembler beruht in der Praxis auf
einem Qualit�tsmanagementsystem (kurz: QMS), das regelm�ßig zu-
s�tzliche Logistikkonzepte wie Just-in-time- bzw. Just-in-sequence-
Abreden enth�lt. Damit stellt sich unmittelbar die Frage nach der Be-
deutung qualit�tswissenschaftlicher und logistischer Methoden und
Systeme f�r die Beurteilung der durch § 377 HGB beeinflussten zivil-
rechtlichen Anspr�che des K�ufers im Falle mangelhafter Lieferungen
des Zulieferers.
Das „Dilemma“ des Assemblers besteht vielfach darin, dass er Ware
erh�lt, deren Mangelhaftigkeit sich ihm wegen ihrer technischen
Komplexit�t nicht ohne Weiteres erschließt. Gleichwohl muss er die
Ware unter Zeitdruck und Hinzuf�gung anderer Komponenten wei-
terverarbeiten, da gr�ßere Zwischenlager f�r Zulieferteile und Zwi-
schenstufen der Fertigerzeugnisse h�ufig aus wirtschaftlichen Gr�n-
den nicht einsetzbar sind9. Indes setzt eine rechtzeitige R�ge i. S. des
§ 377 HGB regelm�ßig eine Pr�fung der Ware voraus10, die die be-
grenzten zeitlichen und auch r�umlichen Kapazit�ten zu beachten
hat. In der skizzierten Situation f�llt diese Pr�fung faktisch mit der
Wareneingangskontrolle zusammen, die Begriffe k�nnen im Folgen-
den gleichgesetzt werden11. Es geht mithin um die Ber�cksichtigung
der unternehmenstats�chlichen Rahmenbedingungen f�r die Beurtei-
lung der zum Rechteerhalt erforderlichen Pr�fung der angelieferten
Ware.
1. Pr�fungsmodusAngesichts des offenen Wortlauts („soweit dies nach ordnungsgem�-
ßem Gesch�ftsgange tunlich ist“) muss der Ablauf einer den Vorgaben
des § 377 Abs. 1 HGB entsprechenden Untersuchung f�r die skizzierte
Situation der Serienproduktion gesondert herausgearbeitet werden.
Unter Beachtung des Zeitmoments („unverz�glich nach der Abliefe-
rung“) wird im Schrifttum eine Zweiteilung der Untersuchungslast
vorgeschlagen, wobei sich an eine erste grobsinnliche Pr�fung (erste
Stufe) eine eingehendere Untersuchung (zweite Stufe) anschließen soll,
deren Intensit�t von den Gepflogenheiten der betreffenden Branche so-
wie den Einzelfallumst�nden abh�ngt12. Diese Sicht basiert offensicht-
lich auf der Annahme eines in zeitlicher und r�umlicher Hinsicht vor-
handenen Puffers zwischen grobsinnlicher Pr�fung bei Wareneingang
und der sp�ter erfolgenden Untersuchung, wobei dieser Puffer mut-
maßlich als einheitlicher Zeitabschnitt der Produktion gedacht wird.
Die in der beispielhaft skizzierten Situation vorgefundenen betrieb-
lichen Abl�ufe gestatten einen solchen Puffer indes nicht13. Bei der
Just-in-time-Abrede (produktionssynchrone Teileanlieferung)14 er-
folgt eine zeitpunktgenaue Anlieferung beim Assembler. Die bei Gru-
newald angedeutete Zweiteilung l�sst sich, jedenfalls soweit die n�ti-
gen Lagerkapazit�ten nicht gegeben sind15, h�ufig nicht sinnvoll
durchf�hren, vielmehr kann eine unter Wirtschaftlichkeitsaspekten
vertretbare Pr�fung nur in einem Durchgang (n�mlich bei Anliefe-
rung) vorgenommen werden.
Der Gedanke der Zweiteilung versagt vollends bei Anlieferung auf
sog. Just-in-sequence-Basis (Teileanlieferung in Montagereihenfolge).
Soll in dieser Situation ein einzelnes Pr�fst�ck zum Zwecke der Vor-
nahme der eingehenden Pr�fung (= zweite Stufe) aus der Lieferung
herausgel�st16, die vorgepr�gte Reihenfolge mithin ver�ndert werden,
wird dem Hersteller nicht nur ein �konomisch widersinniges Han-
deln abverlangt; mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sogar techni-
sche Abl�ufe gest�rt und das Produktionsergebnis gef�hrdet. Die ein-
gehende Pr�fung kann daher allenfalls nach Einbau des zugelieferten
Teiles erfolgen, was freilich voraussetzt, dass eine Pr�fung der Funk-
tionalit�ten gerade des Zulieferst�cks dann noch technisch m�glich
und wirtschaftlich vertretbar ist.
Ein Blick auf den Unternehmensprozess f�hrt also vor Augen, dass
der Gedanke der in der juristischen Lehre vorgeschlagenen Zweitei-
lung der Pr�fung weder wirtschaftlich noch technisch zielf�hrend ist.
2. Pr�fungsgegenstand und Pr�fungsmaßstabDie zweifelhafte Praxistauglichkeit mancher juristischer L�sungsan-
s�tze im Zusammenhang mit der Pr�fung stellt f�r den „Anwender
vor Ort“ indes nicht die entscheidende H�rde dar. F�r ihn wiegt
schwerer, dass das Unternehmensrecht zur Konkretisierung der Un-
tersuchungsobliegenheit auf den Einzelfall Aussagen nur �ber das
Maß bzw. die Intensit�t einer Untersuchung trifft, ihm jedoch keine
Ankn�pfungspunkte f�r die Zielrichtung der ihm abverlangten Unter-
suchung liefert.
a) Handelsrechtlicher Rahmen der UntersuchungslastHier ist unstreitig, dass auch bei l�ngerfristigen Gesch�ftsbeziehun-
gen bzw. Sukzessivlieferungsvertr�gen § 377 HGB hinsichtlich jeder
Einzellieferung gilt. Nach ganz vorherrschender Meinung entbinden
eventuelle Schwierigkeiten bei der Entdeckung des Mangels den
K�ufer, der daf�r gegebenenfalls sachverst�ndige Hilfe zu Rate zie-
hen muss, nicht g�nzlich von der Untersuchungsobliegenheit17, die
im �brigen auch nicht durch anders lautenden Handelsbrauch ab-
bedungen werden kann18. Was tunlich ist (d.h. das gebotene Unter-
suchungsmaß) orientiert sich an der verkehrs- und branchen�bli-
chen Sorgfalt, die anhand einer Interessenabw�gung zu ermitteln ist.
Ob dabei versch�rfte Untersuchungsanforderungen anzulegen sind,
hat der BGH an folgenden Kriterien festgemacht19: in erster Linie
an der Schwere zu erwartender Mangelfolgen und an etwaigen Auf-
f�lligkeiten der Ware oder aus fr�heren Lieferungen bekannten
Schwachstellen, daneben die Natur der Ware und die Gepflogenhei-
ten der Branche.
Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008 2639
9 Vgl. zu den Anforderungen an den Wertsch�pfungsprozess umfassend G�nther/Tempelmeier, Produktionund Logistik, 7. Aufl. 2007, S. 3 ff.
10 Da der K�ufer andernfalls das Risiko eingeht, einen bei Untersuchung erkennbaren Mangel nicht zu ent-decken, somit nicht (fristgerecht) zu r�gen und seiner M�ngelrechte verlustig zu gehen.
11 Hierdurch soll die rechtliche Bedeutung des § 377 HGB (Untersuchungs- und R�geobliegenheit) nichtnormzweckwidrig in eine „Pflicht zur Wareneingangskontrolle“ abge�ndert werden. Dass § 377 HGBnicht der Qualit�tssicherung dient, hat Popp, Die Qualit�tssicherungsvereinbarung, 1992, S. 43. f. heraus-gearbeitet.
12 So v. a. Grunewald, NJW 1995, 1777, 1778 f.13 Im �brigen m�ssten solche Puffer auch an allen Stellen des Produktentstehungsprozesses, an denen Zu-
lieferteile integriert werden, bestehen: Den Puffer kann es m. a. W. ohnehin nicht geben.14 Vgl. zum Just-in-time-Konzept Kamiske/Brauer, Qualit�tsmanagement von A-Z, 5. Aufl. 2006, S. 120 ff.15 Die Einsch�tzung h�ngt (in erster Linie) von der physischen Beschaffenheit der Zulieferteile ab: bei der
Automobilherstellung lassen sich kleinteilige Elektronikkomponenten einfacher lagern als volumin�seAbgassysteme.
16 Und, da die �berpr�fung kaum ohne Eingriff in die Sachsubstanz erfolgen kann, eventuell sogar zerst�rtwerden.
17 BGH, NJW 1977, 1150; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 377 Rn. 25.18 BGHRep. 2003, 285, 286.19 BGHRep. 2003, 285, 286.
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
b) Fehlende �bertragbarkeit dieser Vorgaben aufdie Unternehmenspraxis
Anhand der vom BGH ausgemachten Gesichtspunkte zur Bestimmung
des Untersuchungsmaßstabs allein vermag der mit der Eingangskon-
trolle befasste Mitarbeiter des Assemblers keine Konkretisierung auf
den Einzelfall durchzuf�hren. Die Vorgaben der Rechtsprechung liefern
keine Hinweise zur Ableitung von Pr�fpunkten, es ist somit nicht klar,
woraufhin untersucht werden soll – die Vornahme einer Untersuchung
ohne Definition des Untersuchungsziels gestattet keine Ableitung kon-
kreter Handlungsanweisungen, weshalb eine Erfolg versprechende Wa-
reneingangskontrolle scheitern muss. Dar�ber hinaus tragen die Vor-
gaben nicht zur Kl�rung bei, wie „das Gewicht der Mangelfolgen“ ge-
nau zu bestimmen ist. Soweit die Rechtsprechung eine Orientierung
v.a. an m�glichen Mangelfolgen festlegt, ist eine Risikobewertung m�g-
licher M�ngel unerl�sslich, weshalb potenzielle M�ngel l�ckenlos er-
fasst werden m�ssen. Hierbei erf�hrt der Assembler komplexer techni-
scher Produkte Unterst�tzung durch die Qualit�tswissenschaft.
c) Die sog. FMEA als Methode der Qualit�tswissenschaftDie daraus resultierende L�cke zwischen den Vorgaben des Unterneh-
mensrechts und der vom Anwender erstrebten Konkretisierung kann
mithilfe der Fehlerm�glichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)20 �ber-
wunden werden. Bei der FMEA handelt es sich um eine Qualit�ts-
technik zur Fehleranalyse und -vermeidung. Sie identifiziert zuerst
Systemelemente und -strukturen, ordnet diesen anschließend Funk-
tionen zu, um so eine Fehleranalyse zu erm�glichen, damit diese nach
der Generierung aller Fehlerm�glichkeiten schließlich mit einem Risi-
ko21 belegt werden k�nnen. �blicherweise schließt sich an diese
Punkte eine Optimierungsphase an. Mithilfe der FMEA k�nnen im
Wege der Fehleranalyse Pr�fpunkte abgeleitet werden, die bei einer
einstufigen Wareneingangskontrolle abzuarbeiten sind. Außerdem
l�sst sich im Wege der Risikoanalyse die Anforderung der Ber�cksich-
tigung der Schwere der Mangelfolgen integrieren und somit eine wirt-
schaftlich zumutbare �berpr�fung gew�hrleisten, wenn ausschließ-
lich Pr�fungen durchgef�hrt werden, bei denen die Pr�fkosten (wirt-
schaftliche Zumutbarkeit) in einem zumutbaren Verh�ltnis zu den zu
erwartenden Risiken (Schwere der Mangelfolge) stehen.
d) Die FMEA als Instrumentarium der RechtsanwendungIndem die FMEA aus Sicht der Qualit�tswissenschaft versucht,
Fehlerursachen fr�hzeitig zu identifizieren, antizipiert sie zugleich
m�gliche Fehlerfolgen – und damit eben jenes Kriterium („Mangel-
folgen“), das nach den Vorgaben des BGH bei der Bestimmung der
erforderlichen Intensit�t der Untersuchung federf�hrend zu ber�ck-
sichtigen ist. Die Hilfestellung der Qualit�tswissenschaft besteht inso-
weit22 darin, dass sie einzelne Kriterien zur Ausf�llung wertungsoffe-
ner Rechtsbegriffe, deren Aussagekraft aus rein juristischer Perspekti-
ve kaum sinnvoll und ersch�pfend beurteilt werden kann, berechen-
und bestimmbar macht: Erst durch die Ber�cksichtigung der FMEA-
Ergebnisse werden die abstrakten Vorgaben der Rechtsprechung �ber-
haupt erst subsumtionsf�hig gestaltet; die Qualit�tswissenschaft wird
so zum Mosaikstein im Rechtsauslegungsprozess.
3. Rechtliche Grenzen der Geltungskraft technolo-gischer (hier: qualit�tswissenschaftlicher) Systeme
Allerdings lassen sich aus qualit�tswissenschaftlicher Sicht keine zwin-
genden Argumente f�r die im Schrifttum h�ufig propagierte vollst�n-
dige und kompensationslose Abbedingung des § 377 HGB23 durch im
Wege von assembler-, also k�uferseitig eingebrachten AGB24 inner-
halb von QSV25 ableiten.
Gegen diese Sicht sprechen nicht nur die h�chstrichterliche Recht-
sprechung26, sondern vor allem praktische Einw�nde: Die r�umliche
und zeitliche (Vor-)Verlagerung der Qualit�tskontrolle auf den Be-
trieb des Zulieferers vermag begrifflich diejenigen M�ngel nicht zu er-
fassen, die sich erst nach Verlassen der Ware beim Zulieferer ergeben
bzw. auswirken, mithin eventuelle Transportsch�den oder Irrl�ufer27.
Indes ist nicht erkennbar, weshalb der Assembler auch unter Zugrun-
delegung der beschriebenen Produktions- und Logistikkonzepte noch
nicht einmal zur groben, auf Verpackung und Identit�t der Zulieferer-
ware beschr�nkten Sichtung in der Lage sein sollte. Die Unterneh-
menswirklichkeit redet daher keineswegs einer vollumf�nglichen Ab-
bedingung des § 377 HGB durch Installierung einer Warenausgangs-
kontrolle beim Zulieferer das Wort.
Auch mit einer erheblichen �konomischen Fehlsteuerung des § 377
HGB innerhalb von QSV-Beziehungen28 kann die Abweichung von
der genannten Vorschrift nicht begr�ndet werden. Selbst wenn eine
Wareneingangskontrolle beim Hersteller aufgrund „engmaschig
strukturierter“ Betriebsabl�ufe in Just-in-time-Beziehungen keine si-
gnifikante Reduzierung des Fehlerrisikos nach sich ziehen sollte, kann
aus diesem Befund kein Argument f�r die Einsch�tzung, § 377 HGB
w�rde den Anforderungen von QSV nicht gerecht, abgeleitet werden.
Denn zum einen zeigt ein Blick in die Tagespresse, dass auch bei re-
nommierten, mit modernsten QM-Methoden arbeitenden Zuliefer-
unternehmen (im Endprodukt nachwirkende) Produktionsfehler vor-
kommen29, die die Grundannahme der Bef�rworter einer Abkehr von
der Regelung des § 377 HGB, n�mlich die permanente Funktionsf�-
higkeit und Wirksamkeit ausgefeilter Mechanismen des Qualit�tsma-
nagements, in Zweifel ziehen. In dem genannten Beispiel h�tte eine
wirksame, an m�glichen Mangelfolgen ausgerichtete Wareneingangs-
kontrolle innerhalb der verflochtenen Lieferkette eine Ausbreitung
des Fehlers �ber mehrere Stufen der Wertsch�pfungskette mit hoher
Wahrscheinlichkeit verhindert30. Zum anderen gilt es zu bedenken,
2640 Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008
20 Normiert in der DIN EN 60812: 2006; ausf�hrlich zur Methode Kamiske/Brauer (Fn. 14), S. 72 ff.21 Das Risiko wird im Rahmen der FMEA durch die Risikopriorit�tszahl gemessen, die die Aspekte Auftre-
tenswahrscheinlichkeit des Fehlers, Bedeutung des Fehlers aus Kundensicht und Entdeckungswahr-scheinlichkeit des Fehlers, bevor dieser zum Kunden gelangt, ber�cksichtigt.
22 Hier aus Raumgr�nden nur vertreten durch die FMEA, wenngleich weitere Techniken wie beispielsweisedie statistische Prozesskontrolle oder die Pr�fplanung einschl�gig w�ren.
23 Steinmann, BB 1993, 873 ff., 879; dies., Qualit�tssicherungsvereinbarungen zwischen Endprodukteherstel-lern und Zulieferern, 1993, S. 37 ff.; zuvor schon Lehmann, BB 1990, 1849, 1851 ff. (teleologische Reduk-tion der §§ 377 f. HGB a. F. auf Just-in-time-Kooperationen); anders Quittnat, BB 1989, 571, 573, der eineR�ge des Bestellers als „wenig sinnvolle Formalit�t“ abtut, da der Zulieferer angesichts bestehender ver-traglicher Vereinbarung „das Recht verwirkt [habe], sich auf den Gew�hrleistungsrechteausschluss durchdie unterlassene R�ge zu berufen“. Inwieweit § 377 HGB in der hier in Rede stehenden Rechtsbeziehungdurch assemblerseitig vorformulierte Vertragsbedingungen abbedungen werden kann, wenn der Zulie-ferer im Gegenzug beg�nstigt wird, kann hier nicht untersucht werden, vgl. dazu Grunewald, NJW 1995,1777, 1784.
24 Ensthaler, NJW 1994, 817, 818; ders., in: Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum HGB, 7. Aufl.2007, nach § 377 (QSV) Rn. 6; Merz, Qualit�tssicherungsvereinbarungen, 1992, S. 157 f.
25 Beispiele f�r entsprechende Klauseln etwa bei Steinmann, BB 1993, 873 („Der Hersteller �bernimmt kei-ne Pr�f- oder R�gepflicht gem. §§ 377, 378 HGB [a. F.] f�r eingehende Lieferungen. Fehler k�nnen aberimmer noch nach ihrer sp�teren Entdeckung ger�gt und daraus resultierende Anspr�che geltend ge-macht werden“).
26 Grundlegend BGH, NJW 1991, 2633 ff. = BB 1993, 1732 ff.27 Grunewald, NJW 1995, 1777, 1783; Steinmann (Fn. 23), S. 47 f.28 In diese Richtung Lehmann, BB 1990, 1849 f. (Nutzung der Wettbewerbs- und Kostenvorteile der tech-
nisch-organisatorischen Integration); Steinmann (Fn. 23), S. 38 m. w. N. (�berfl�ssige, aber kosteninten-sive Mehrfachpr�fungen).
29 So etwa beim Automobilzulieferer Bosch in den Jahren 2004/2005 hinsichtlich fehlerhaft gefertigter Die-seleinspritzpumpen und Bremskraftverst�rkern, die in Modelle deutscher und US-amerikanischer Kfz-Hersteller eingebaut wurden und im Fall der Bremskraftverst�rker zum R�ckruf von �ber 150000 Wagenauf dem amerikanischen Markt f�hrten, vgl. dazu F. A. Z. vom 12.2.2005, Nr. 36, S. 15.
30 Im Beispiel der Dieseleinspritzpumpe hat sich der Fehler �ber zahlreiche Zulieferstufen (fehlerhaft her-gestellte Chemikalie zur Beschichtung von Buchsen, die in der Einspritzpumpe verbaut wurden) er-streckt.
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
dass der Zulieferer auch beim sog. verdeckten Mangel Interesse daran
hat, durch die M�ngelanzeige zeitnah von Produktfehlern zu erfahren,
um die Produktionsserie zu �berpr�fen und eventuell umzustellen
oder rasch Untersuchungen bei seinen Zulieferern einzuleiten. Eben
diese Interessen sch�tzt § 377 HGB, dessen Normzweck grunds�tzlich
gegen die kompensationslose Abbedingung des § 377 HGB (auch) in
QSV-Beziehungen streitet31.
III. Dimensionen eines technologie- bzw.technikbezogenen Unternehmensrechts
Der Technologie- und Technikbezug des Unternehmensrechts er-
sch�pft sich freilich nicht in den Unterst�tzungsleistungen der Quali-
t�tswissenschaft bei der Anwendung des § 377 HGB. Vielmehr lassen
sich Ankn�pfungspunkte auf unterschiedlichen Stufen des Produkt-
entstehungsprozesses anf�hren (dazu unter 1 und 2), im �brigen be-
stehen branchenspezifische Fragestellungen (unter 3).
1. Technische Normen und Standards imUnternehmensrecht
Eine technische Norm ist gem. einer g�ngigen Definition der Interna-
tionalen Standardisierungsorganisation (ISO)32
„ein Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Ins-
titution angenommen wurde und das f�r die allgemeine und wiederkeh-
rende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale f�r T�tigkeiten oder
deren Ergebnis festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem ge-
gebenen Zusammenhang angestrebt wird.“33
Diese Formalisierung des Verfahrens unterscheidet das Verfahren der
technischen Normung von der Standardisierung (als Vorgang des Set-
zens technischer Standards außerhalb konsensualer Verfahren). Nor-
mung und Standardisierung stimmen indes insoweit �berein, als die
Regelsetzung durch private Organisationen erfolgt. Grunds�tzlich hat
eine technische Norm bzw. ein Standard nur empfehlenden, nicht
aber zwingenden Charakter.
a) (Europ�ische) Technische Normung und der Vertriebtechnischer Produkte im europ�ischen Binnenmarkt
Aus Vertriebssicht stellt sich die technische Normung als das zentrale
Instrument zur �berwindung technischer Handelshemmnisse dar.
Dass rein national gesteuerte Normung innerhalb einer auf freien Wa-
renverkehr ausgelegten supranationalen Rechtsordnung eine Be-
schr�nkung des innergemeinschaftlichen Handels bedeutet, hat die
Kommission schon 1968 erkannt und thematisiert34. In der „Ent-
schließung des Rates vom 7.5.1985 �ber eine Neue Konzeption auf
dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung“35
wurde ein gemischtes „�ffentlich-privates“ Rechtssetzungskonzept
entwickelt, bei dem sich die legislative Harmonisierung durch Richtli-
nien auf die Festlegung grundlegender Sicherheitsanforderungen be-
schr�nkte und die Konkretisierung der Anforderungen im Wege der
Ausarbeitung technischer Spezifikationen anerkannten privaten Nor-
mungsgremien auf europ�ischer Ebene �berantwortet wurde36. Das
Bindeglied zwischen der (im Amtsblatt der EG ver�ffentlichten) tech-
nischen Norm und den Anforderungen der Richtlinie besteht in einer
widerleglichen Vermutung37: Bei Einhaltung der europ�ischen Nor-
men werden Richtlinienkonformit�t und Freiverkehrsf�higkeit des
Produktes vermutet. Das Verfahren zur Bewertung der Konformit�t
eines Produktes mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen in
den Harmonisierungsrichtlinien38 erfolgt auf Grundlage eines Be-
schlusses des Rates39 im Wege von Zertifizierungsverfahren, das gr�ß-
tenteils durch akkreditierte benannte Stellen vorgenommen wird, an-
hand eines oder mehrerer von acht zur Verf�gung stehenden Zertifi-
zierungsmodulen40.
Einen Untersuchungsgegenstand kann das Wesen der technischen Nor-
mung im europ�ischen Binnenmarkt f�r die Unternehmensrechtswis-
senschaft auch hinsichtlich der m�glichen Vorbildwirkung des Modells
„kooperativer Rechtsetzung“ f�r die Regelsetzung im Privat- und Wirt-
schaftsrecht41 bilden. Die Bezugspunkte etwa zur Corporate-Gover-
nance-Forschung, namentlich zum Verh�ltnis zwischen § 161 AktG
und dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)42 sind un-
verkennbar, wobei eine vergleichende Betrachtung zur Gew�hrleistung
von Regeltreue mittels privater Rechtsetzung noch aussteht. In dem
Maße wie das Regelungsmodell kooperativer Rechtsetzung an Bedeu-
tung gewinnt, stellt sich die Frage nach seiner Legitimation. Zwar han-
delt es sich bei den technischen Normen im Grundsatz um freiwillige
Normen, ohne jeden obligatorischen Charakter; dies betonen auch die
Neue Konzeption und die in Umsetzung dieser Konzeption geschaffe-
nen Harmonisierungsrichtlinien43. Gleichwohl herrscht aufgrund der
praktischen Bedeutung und Verbreitung der Normen faktisch ein Be-
folgungszwang44, der der T�tigkeit der europ�ischen Normungsorgani-
sationen einen neuen sozio-normativen Stellenwert verleiht und somit
auch die Ausgestaltung des Normensetzungsprozesses durch private
Gremien in den Mittelpunkt rechtswissenschaftlicher Betrachtung
r�ckt. Diskutiert werden hier �berlegungen, die auf eine nachgelagerte
inhaltliche Kontrolle des Normungsergebnisses durch Dritte hinaus-
laufen, ebenso wie Ans�tze zur Verbesserung der Transparenz und �f-
fentlichkeitsbeteiligung im Normungsverfahren45. Zuk�nftig wird sich
die rechtliche Bedeutung technischer Normen im Allgemeinen und der
Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008 2641
31 So im Ergebnis auch Grunewald, NJW 1995, 1777, 1783 f.; Wellenhofer-Klein, Zuliefervertr�ge im Privat-und Wirtschaftsrecht, 1999, S. 349 f.
32 Dabei handelt es sich um die zentrale Normungsorganisation auf internationaler Ebene; vgl. zu europ�i-schen Normungsorganisationen Wiesendahl, Technische Normung in der Europ�ischen Union, 2007,S. 109 ff.
33 Vgl. DIN EN 45020:2007 unter 3.2.34 Programm vom 7.3.1968 zur Beseitigung der technischen Handelshemmnisse im innergemeinschaftli-
chen Warenverkehr, die sich aus der Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erge-ben, ABl. EG Nr. C 48 vom 16.5.1968; S. 24 ff., welches in eine Entschließung des Rates mit dem Titel„Programm zur Beseitigung der technischen Hemmnisse im Warenverkehr, die sich aus den Unterschie-den in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben“ (ABl. EG Nr. C 76 vom17.6.1969) m�ndete.
35 ABl. EG Nr. C 136 vom 4.6.1985, S. 1 ff.36 Vgl. zu Einzelheiten der Neuen Konzeption Ensthaler/Str�bbe/Bock, Zertifizierung und Akkreditierung
technischer Produkte, 2007, S. 60 ff.; Wiesendahl (Fn. 32), S. 68 ff.37 R�thel, JZ 2007, 755, 758 mit Verweis auf die Grundprinzipien der Neuen Konzeption, ver�ffentlicht als
Anhang II zu den Leitlinien des Rates (Fn. 35).38 Vgl. zum Stand der Umsetzung des technischen Sicherheitsrechts der Europ�ischen Union in deutsches
Recht Wiesendahl (Fn. 32), S 133 ff.39 Beschluss 93/465/EWG �ber die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Modu-
le f�r die verschiedenen Phasen der Konformit�tsbewertungsverfahren und die Regeln f�r die Anbrin-gung und Verwendung der CE-Konformit�tskennzeichnung (Modul-Beschluss) vom 22.7.1993, ABl. EGNr. L 220 vom 30.8.1993, S. 23 ff.
40 Vgl. zum Modularen Konzept Ensthaler/Str�bbe/Bock (Fn. 36), S. 68 ff. und Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Str�bbe, Gestaltung von Aufsichtssystemen im Produktsicherheitsrecht, 2006, S. 65 ff.
41 Grundlegend zur Regelsetzung durch Private Bachmann, Private Ordnung, 2006, wo die europ�ischetechnische Normung allerdings an keiner Stelle erw�hnt wird; vgl. zu Qualit�tssicherungsverfahren inanderen Rechtsgebieten P�nder, ZHR 170 (2006), 567, 589 ff. sowie f�r einen Vergleich der Steuerungs-systeme des internationalen Handels-, Sport- und Technikrechts R�thel, JZ 2007, 755 ff.
42 Vgl. zur Akzeptanz der Empfehlungen des DCGK in der Wirtschaftspraxis anhand empirischer Erhebun-gen v. Werder/Talaulicar, DB 2007, 869 ff.m. w. N. zu fr�heren Untersuchungen (dort Fn. 2); zur Corpo-rate-Governance-Forschung als Gegenstand des Unternehmensrechts vgl. j�ngst Leyens, JZ 2007,1061 ff., 1072.
43 Entschließung des Rates vom 7.5.1985 �ber eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Har-monisierung und der Normung (Fn. 35), Anhang II („Leitlinie einer neuen Konzeption f�r die technischeHarmonisierung und Normung“); aus den Harmonisierungsrichtlinien vgl. etwa Art. 6 Abs. 1 der RL2004/108/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften �ber die elektromagnetische Vertr�glichkeit undzur Aufhebung von der RL 89/336/EWG, ABl. EG Nr. L 390/27: „Die Beachtung einer ,harmonisiertenNorm ,ist nicht zwingend vorgeschrieben.“
44 R�thel, JZ 2007, 755, 759 m. w. N (dort unter Fn. 77).45 Vgl. hierzu R�thel, JZ 2007, 755, 760 f. m. w. N.
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
Akkreditierungs- und Zertifizierungssysteme im Besonderen aller Vor-
aussicht nach ausweiten, sowohl geographisch wie materiell. Denn zum
einen wird technische Normung zunehmend im interkontinentalen
Handelsverkehr eine Rolle spielen, indem sie unter dem Aspekt des Ab-
baus nicht-tarif�rer Handelshemmnisse selbst zum Gegenstand des in-
ternationalen Unternehmens- und Wirtschaftsrechts wird46. Hier
zeichnet sich ein „Battle of Standards“ ab, bei dem von US-amerikani-
scher und asiatischer Seite die Vormachtstellung europ�ischer Normen
und Einfl�sse europ�ischer Gremien auf Normungst�tigkeit hart ange-
gangen wird47. Zum anderen sind mittlerweile nicht nur Produkte
i.S. von Sachleistungen, sondern auch Dienstleistungen Gegenstand
gesetzlich vorgepr�gter48 Mindest(qualit�t)standards. Untersuchungen
dar�ber, inwieweit die auf die Gew�hrleistung von Produktsicherheit
zugeschnittenen Akkreditierungs- und Zertifizierungsinstrumente zur
�berpr�fung von Dienstleistungsqualit�t49 geeignet sind50, stehen
noch aus.
b) Technische Normen und Standards in derProduktentwicklung
W�hrend technische Schutzrechte nicht nur Innovationskompetenz si-
gnalisieren51, sondern dem Inhaber exklusive Rechte vermitteln und
Wettbewerb ausschließen k�nnen, erfolgt die technische Normung im
Allgemeininteresse und dient unter Innovationsgesichtspunkten der
Schaffung von M�rkten. Angesichts dieser idealtypischen Ausgangslage
scheint die technische Normung f�r die (zumeist in der Forschungs-
und Entwicklungsabteilung angesiedelte) Aufgabe des Managements
von Rechten des geistigen Eigentums vordergr�ndig ohne Relevanz zu
sein. Diese Sicht entspricht heute jedoch weniger denn je der Unterneh-
menswirklichkeit: Durch Teilhabe an Normungsaktivit�ten auf allen
Ebenen werden auch kleine und mittlere Unternehmen in die Lage ver-
setzt, auf die Gestaltung von M�rkten Einfluss zu nehmen und eigene
Innovationsvorspr�nge zur Norm zu erheben52. Die Beteiligung sol-
cher Unternehmen an Normungs- und Standardisierungsprozessen
steht im Fokus nationaler und europ�ischer Wirtschaftspolitik.
Freilich kann das Einbringen eigener Patente in den Normentwicklungs-
prozess auch rechtliche Probleme nach sich ziehen. Dies sei an sog. Kom-
patibilit�tsstandards in Systemtechnologien verdeutlicht: Der Kompati-
bilit�tsstandard regelt die fehlerfreie Zusammenf�hrung unterschiedli-
cher Ger�te und Teilprozesse durch Beschreibung von Schnittstellen.
Aus marktstrategischer Sicht ist der Kompatibilit�tsstandard die techni-
sche Norm, die der Systeminnovator (mit)entwickeln muss, um sowohl
seinen Systemtr�gern (Komponentenherstellern, Dienstleistern) als
auch den Anwendern der Technologie Anreize f�r den Einstieg in das
neue System und f�r die T�tigung der hierzu erforderlichen Investitio-
nen zu bieten53. Durch die Herstellung von Kompatibilit�t k�nnen sich
�ber Technologien hinweg sog. Netzwerkeffekte einstellen, die dem
Standardsetzer Zugang zu weiteren M�rkten er�ffnen54.
Soweit die Standardsetzung davon abh�ngt, dass technische Schutz-
rechte zwangsl�ufig vom Standard betroffen sind (sog. essentielles55
Patent), stellen sich entsprechend den divergierenden Interessen der
Beteiligten zwei Problemkreise, die juristischer Kl�rung bed�rfen und
hier nur kurz skizziert werden sollen.
(1) Der mitwirkungsbereite Schutzrechtsinhaber wird daran interes-
siert sein, �ber die Lizenzgeb�hr f�r die Patentnutzung hinaus noch
einen „Normungslohn“ zu erhalten. Hier ist bisher sowohl die Be-
gr�ndung wie auch die Bemessung eines solchen Lohnes (i. S. einer
Erh�hung der Lizenzgeb�hr) weitgehend offen56.
(2) Soweit der Schutzrechtsinhaber seine Mitwirkung jedoch verwei-
gert, sind die Standardsetzer darauf angewiesen, die Gestattung der
Patentanwendung notfalls mit Zwang durchzusetzen. Neben den Mit-
teln des geltenden Wettbewerbsrechts57 ist die Entwicklung prakti-
scher, organisatorischer und legislativer Instrumente58 unumg�nglich.
2. Produktverantwortung als technologischeManagementaufgabe
Der Bereich der herstellerspezifischen Produktverantwortung z�hlt zu
den Kernmaterien des privaten Technikrechts. Angesichts der Weite
des Herstellerbegriffes59 ist er damit zugleich genuines Unterneh-
mensrecht. Letztlich geht es dabei um die Verantwortlichkeit f�r Or-
ganisationsm�ngel60 (dazu unter a). Flankiert wird die juristische
Produktverantwortung des Herstellers durch das Produktsicherheits-
recht, das im nationalen Recht v.a. im Ger�te- und Produktsicher-
heitsgesetz (GPSG) kodifiziert ist (dazu unter b).
a) Vermeidung der ProdukthaftungNeben der Fabrikation ist der Bereich der Konstruktion wohl derjeni-
ge Abschnitt im Produktentstehungsprozess, bei dem die meisten
Haftungsf�lle entstehen. Das Zusammenspiel von technischem Sach-
verstand, �konomischem Kalk�l und juristischen Auslegungsgrund-
s�tzen bei der Streitentscheidung war Gegenstand eines unl�ngst vom
OLG Schleswig entschiedenen Sachverhalt bez�glich eines Konstruk-
tionsfehlers an einer Geschirrsp�lmaschine61:
Das OLG hat der klagenden Ger�teeigent�merin gegen den beklagten
Hersteller auf Grundlage des § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz zuge-
sprochen62, den maßgeblichen Begriff des Produktfehlers jedoch im
Wesentlichen anhand § 3 ProdHaftG hergeleitet. Aus den Entschei-
dungsgr�nden des Urteils geht hervor, dass der hinzugezogene techni-
sche Sachverst�ndige dem Senat die Verneinung eines Produktfehlers
im Wesentlichen anhand von Kostenerw�gungen habe suggerieren wol-
len63, was den Senat jedoch aufgrund der produktimmanenten Gefah-
ren, n�mlich dem Zusammenwirken von Strom und Wasser, nicht
�berzeugt hat. Der von sachverst�ndiger technischer Seite beurteilte
„Stand der Wissenschaft und Technik“64 ist ein f�r die Bestimmung der
berechtigten Sicherheitserwartung i.S. des § 3 ProdHaftG maßgebli-
2642 Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008
46 Ensthaler/Str�bbe/Bock (Fn. 36), S. 151 ff.; f�r einen Vergleich nationaler Markt�berwachungssysteme inEuropa im Produktsicherheitsrecht vgl. Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Str�bbe (Fn. 40), S. 75 ff.
47 FAZ v. 23.4.2008, Nr. 95, S. 20 („Der internationale Kampf um Normen nimmt zu“).48 Insb. Art. 26 der Richtlinie 2006/123/EG des Europ�ischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006
�ber Dienstleistungen im Binnenmarkt (sog. Dienstleistungs-RL).49 Beispielhaft zur Messung von Dienstleistungsqualit�t Herrmann, QZ 1999, S. 994 ff.50 Ensthaler/Synnatzschke/Vogt, Maßnahmen zur Qualit�tssicherung, in: Leible (Hrsg.): Die Umsetzung der
Dienstleistungsrichtlinie, 2008, S. 237 ff., insb. S. 247 ff.51 Gem�nden/Birke, Patentbasierte Messung von technologischer Kompetenz junger technologieorientier-
ter Unternehmen, in: Pechlaner (Hrsg.), Unternehmertum und Ausgr�ndung, 2007, S. 114 f. m. w. N.52 Vgl. zu den Motiven von Unternehmen, an Normungsaktivit�ten teilzunehmen ausf�hrlich Blind, The
Economics of Standards, 2004, S. 137 ff., 148 ff.53 Ullrich, GRUR 2007, 817, 819.54 Vgl. zur �konomischen Modellierung von Netzwerkeffekten Blind (Fn. 52), S. 28 ff.55 Ein Patent ist essentiell in dem beschriebenen Sinne, wenn es in technischer Hinsicht nicht m�glich ist,
Waren in �bereinstimmung mit der formellen Norm herzustellen, zu verkaufen oder zu gebrauchen,ohne das Patent zwangsl�ufig zu verletzen, vgl. dazu Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, 815, 820.
56 L�sungsans�tze bei Ullrich, GRUR 2007, 817, 822 f.; vgl. zur Problematik des strategischen, eventuell frei-lich missbr�uchlichen Verhaltens von Schutzrechtsinhabern innerhalb von Standardisierungsprozessen(„Hold-Up“) neuerdings S. Bechtold, GRUR Int. 2008, 484, 486 f.
57 Vgl. dazu K�bel, Zwangslizenzen im Immaterialg�ter- und Wettbewerbsrecht, 2004, S. 262 ff.; A. Heine-mann, GRUR 2006, 705, 706.
58 Vgl. dazu Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, 815, 825 ff.59 Vgl. die Rechtsprechung zum Herstellerbegriff (§ 823 Abs. 1 BGB) und den Wortlaut des § 4 ProdHaftG.60 J. Hager in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. 1999, § 823 Rn. F 2.61 OLG Schleswig, NJW-RR 2008, 691 ff.62 Einem Anspruch aus § 1 ProdHaftG stand die Ausschlussfrist nach § 13 ProdHaftG (10 Jahre) entgegen.63 NJW-RR 2008, 691, 692 („stark vom Kostendruck gepr�gte[n] �berlegungen“).64 Vgl. zum Begriff Ensthaler/F�ßler/Nuissl, Juristische Aspekte des Qualit�tsmanagements, 1997, S. 42 ff.
sowie grundlegend Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 164 f.
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
cher Umstand65, der jedoch f�r sich genommen nicht geeignet ist, den
Produktfehler zu konstituieren. Technisches Wissen und �konomische
Rahmenbedingungen (Produkt- und Marktvergleiche, Wettbewerbs-
entwicklung) k�nnen bei der Auslegung von Voraussetzungen wer-
tungsoffener Rechtsvorschriften des Technikrechts dienlich sein, die ju-
ristische Auslegung ersetzen k�nnen sie jedoch nicht. Die berechtigte
Sicherheitserwartung des Produktanwenders i.S. des § 3 ProdHaftG
(ebenso die Begr�ndung herstellerspezifischer Verkehrspflichten)
kennt zwar technische und wirtschaftliche Grenzen, doch wird die Pro-
dukthaftung nicht vorrangig vom Stand von Wissenschaft und Technik
oder vom Primat der Markt- bzw. Branchen�blichkeit bestimmt.
Die �ber die Entscheidungsgr�nde verstreuten Auseinandersetzungen
mit den Kriterien, die gegen einen Produktfehler sprechen, belegen
sodann zweierlei: Der Ansatz interdisziplin�ren wissenschaftlichen
Arbeitens darf nicht zum Selbstzweck verkommen, der �ber die juris-
tische Methodenlehre und ggfs. sogar den Schutzgehalt der Grund-
rechte gestellt wird. �berdies erinneren sie daran, dass eine systema-
tische Aufbereitung der Grenzen der Produkt- und Produzentenhaf-
tung, die �ber punktuelle Ans�tze66 hinausgeht und auch technisch-
�konomisches Wissen aufgreift, noch aussteht.
b) Vorausschauende Produktsicherheit: Das GPSGBei Verbraucherprodukten bildet Gew�hrleistung von Produktsicher-
heit inzwischen nicht mehr nur den Ankn�pfungspunkt f�r verwal-
tungsbeh�rdliches Einschreiten und den Maßstab f�r die Produktent-
wicklung und -fertigung, sondern hat sich zur strategischen Manage-
mentaufgabe verdichtet. § 5 Abs. 1 S. 1 lit. c) GPSG verpflichtet n�m-
lich v.a. Hersteller Vorkehrungen zu treffen, die den Eigenschaften
des von ihnen in Verkehr gebrachten Verbraucherprodukts angemes-
sen sind, damit sie imstande sind, zur Vermeidung von Gefahren ge-
eignete Maßnahmen zu veranlassen. Die Vorschrift f�hrt eindringlich
vor Augen, dass sich die herstellerseitig geschuldete Produktbeobach-
tung nicht in einem passiven „Blick auf das Marktgeschehen“ er-
sch�pft, sondern zu aktivem und vorausschauendem Planen und
Handeln zwingt. Denn sie fordert nichts weniger als die Ausgestal-
tung eines effizienten R�ckrufmanagementsystems, was am ehesten
durch eine enge, interdisziplin�re Zusammenarbeit zwischen Juristen,
�konomen und Ingenieuren gelingen wird67. Die dabei gewonnenen
Ergebnisse sind zugleich f�r die Rechtswissenschaft von Interesse, da
beispielsweise die Stellung des § 5 GPSG im Gef�ge des zivilen Haf-
tungsrechts noch nicht hinreichend gekl�rt ist68.
3. Branchenspezifische Ans�tze eines technologie-orientierten Unternehmensrechts: am Beispielder IuK-Technologien
Bisweilen l�sst sich der Anwendungsbereich des Unternehmensrechts
anhand des „allgemeinen“ Produktentstehungsprozesses nicht mehr
treffend f�r die Branche der Informations- und Kommunikations-
technologie (IuK) darstellen. Das IT-Recht hat sich mittlerweile als ei-
genst�ndiges Rechtsgebiet und „Recht einer Branche“ etabliert. Dass
unternehmerische T�tigkeit auf vielf�ltige Weise durch das IT-Recht
betroffen ist, bedarf keiner weiteren Erl�uterung. Bestimmte Bereiche
k�nnen noch innerhalb der Technologie (z.B. Fragen des Erwerbs
von IT-Produkten, Recht des E-Commerce) betrachtet werden, w�h-
rend sonstige Entwicklungen inzwischen in andere Technologiezweige
�bergreifen. Die Vernetzung zwischen Technologien soll an zwei
Schnittstellen aufgezeigt werden.
a) mit Bezug zur Verkehrstelematik: Fahrerassistenz-und -informationssysteme
Die Erzeugung, �bermittlung und Verarbeitung von Daten vollzieht
sich schon seit langem nicht mehr nur am bzw. im Personal-Computer,
sondern auch innerhalb anderer „technischer Systeme“. So ist etwa der
Einsatz von IuK-Technologien im Kfz bekannt, auch die juristischen
Folgen von innerhalb des Kfz wirkenden Fahrerassistenzsystemen wur-
den bereits beschrieben69. Neu sind hingegen Entwicklungen in der
Verkehrstelematik, die zwecks Erh�hung der Verkehrssicherheit und
Verbesserung des Verkehrsflusses in eine WLAN-gest�tzte Vernetzung
zwischen verschiedenen am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeugen
(Car-to-Car-Communikation) oder zwischen einem Fahrzeug und der
straßenseitigen Infrastruktur (Car-to-Infrastructure-Communikation)
m�nden sollen70. Soweit hier die �bermittlung und Verarbeitung er-
forderlicher Informationen gest�rt wird71, kann es zu Unfallsituationen
mit komplexen Haftungsfragen kommen. Zwar wird die Haftung f�r
Informationen schon l�nger im Privat- und Unternehmensrecht disku-
tiert72, doch stehen dabei bisher vom Menschen erhobene und/oder
verbreitete Informationen im Vordergrund. Im beschriebenen Ver-
kehrstelematikprojekt geht es hingegen prim�r um die Verantwortlich-
keit f�r systemgenerierte Informationen aus Datens�tzen, bei der die
Informationsbeschaffung bzw. -�bermittlung durch den Menschen al-
lenfalls veranlasst, aber nicht mehr willentlich gesteuert wird. Hier
m�ssen Fragen der Verantwortlichkeit f�r Systemfehler(folgen) neu ge-
stellt und beantwortet werden73.
b) mit Bezug zur modernen LogistikDie Logistik hat sich aus der Materialfluss-, sp�ter auch der Informa-
tionsflusstechnik entwickelt und ist heute zu einer eigenst�ndigen, an
der Schnittstelle zwischen Management- und Ingenieurwissenschaften
angesiedelten Disziplin herangereift. W�hrend die „klassische“ Logi-
stik lediglich an den Ber�hrungspunkten der Funktionsbereiche Be-
schaffung, Produktion und Absatz eingesetzt hat74, integriert mo-
derne Logistik – auf Grundlage prozesshafter Strukturen – Wert-
sch�pfungsketten zu globalen Netzwerken unter Einbeziehung sozio-
�konomischer Faktoren75 und wirkt so auf s�mtliche betriebliche
Funktionsbereiche ein. Aufbauend auf diesem umfassenden Logistik-
verst�ndnis lassen sich in der Praxis vielf�ltige Netzwerke erkennen,
die auf die Bereitstellung physischer Ressourcen gerichtet sind (Sup-
ply Network)76. Innerhalb der Wertsch�pfungskette sind dabei in ho-
rizontaler und vertikaler Ebene Kooperationen denkbar.
Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008 2643
65 So auch Kullmann, ProdHaftG, 5. Aufl. 2006, § 3 Rn. 40 ff.; Ensthaler/F�ßler/Nuissl (Fn. 64), S. 63.66 Wirtschaftliche Zumutbarkeit, technische Machbarkeit; Haftungsausschl�sse des § 1 Abs. 2 ProdHaftG;
Produktfehlgebrauch oder gar -missbrauch; bewusste Selbstgef�hrdung, Sozialad�quanz.67 Vgl. dazu etwa die Ans�tze inkl. Praxisbeispielen bei Klindt/Popp/R�sler, R�ckrufmanagement, 2. Aufl.
2007.68 Klindt, GPSG, 2004, § 5 Rn. 85 („Die zivilrechtlichen Folgefragen werden erheblich sein“). Ungekl�rt ist
bisher etwa, ob § 5 GPSG als Schutzgesetz i. S. des § 823 II BGB anzusehen ist, daf�r (ohne Begr�ndung)Laschet, PHi 2006, 150, 152.
69 Grundlegend Bewersdorf, Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr, 2005.70 Vgl. dazu etwa die Beschreibung des Projektes „Sichere intelligente Mobilit�t – Testfeld Deutschland
(SIM-TD)“ in Wirtschaftswoche Heft 6/2007, S. 72 ff. sowie den �berblick �ber den Stand der Technik inF. A. Z. vom 22.4.2008, Nr. 94, Seite T1.
71 Die Bandbreite m�glicher St�rungen des Informationsflusses und der Informationsauswertung ist im-mens.
72 Zuletzt bei Kersting, Die Dritthaftung f�r Informationen im B�rgerlichen Recht, 2007, der vor allem An-wendungsf�lle aus dem Kapitalmarkt- und Bilanzrecht anf�hrt.
73 Nicht nur am Maßstab des Privatrechts, sondern auch des Straßen(verkehrs)rechts und Staatshaftungs-rechts.
74 Und durch die Begriffe Transport, Umschlag und Lagerung („TUL“) umfassend zu beschreiben war.75 Baumgarten, Das Beste in der Logistik – Auf dem Weg zu logistischer Exzellenz in: Baumgarten (Hrsg.),
Das Beste der Logistik, 2008, S. 13 f.76 Wallenburg/Weber, Kooperationen in Logistik und Supply Chain Management, in: Zentes (Hrsg.): Koope-
rationen, Allianzen und Netzwerke, 2. Aufl. 2005, S. 747 ff., 751.
WirtschaftsrechtEnsthaler/M�ller/Synnatzschke · Technologie- und technikorientiertes Unternehmensrecht
Solche wechselseitigen Beziehungen innerhalb von Netzwerken k�n-
nen auch vertragsrechtlich abgebildet werden: Die Untersuchung
komplexer vertraglicher Beziehungen, auch als „hybride“ Netzwerke77
bezeichnet, hat neben Kettenvertr�gen vor allem Netzvertr�ge zum
Gegenstand, bei denen ein Systemf�hrer mit verschiedenen Beteilig-
ten kontrahiert und diese zusammenf�hrt, um gemeinsame Ziele zu
erreichen. Grundlagen einer Lehre vom Recht der Netz(werk)vertr�ge
sind bereits gelegt78. Als Auspr�gungen unternehmensrechtlich rele-
vanter Netzwerke werden u.a. Just-in-time-Beziehungen behandelt79,
vereinzelt auch der mehrgliedrige G�tertransport und damit, zumal
im Verbund mit Just-in-time-Gesch�ften, Logistikbeziehungen80.
Hier darf erwartet werden, dass unter Ber�cksichtigung der Grundbe-
dingungen logistischer Prozesse die Lehre vom Netzvertrag exemplifi-
ziert und fundiert werden kann. Erste �berlegungen zur Frage, inwie-
weit die Organisation des Netzvertragssystems als eigenst�ndiges (de-
liktisch) gesch�tztes Schutzgut gegen Angriffe außen stehender Drit-
ter zu betrachten ist81, werden nur den Anfang bilden. Anst�ße aus
der Logistik k�nnen m�glicherweise auch zur rechtlichen Beurteilung
von Leistungsst�rungen im Netzwerk herangezogen werden: So wird
seitens der Logistik das zwischen den Kooperationspartnern be-
stehende Vertrauen, das in den Aufbau eines Vertrauenscontrollings
m�nden soll, als Gradmesser zur Beurteilung des Gelingens von Sup-
ply Chain Netzwerken ausgemacht82, was vertragsrechtlich f�r die Be-
urteilung von Nebenpflichten und Haftungsfolgen bedeutsam sein
kann.
Dass die mit der Bew�ltigung logistischer Prozesse zusammenh�ngen-
den rechtlichen Probleme die Entwicklung eines (sich nicht im Trans-
portrecht ersch�pfenden!) Logistikrechts nach sich ziehen m�sse,
wird seitens der Fachwissenschaft inzwischen gefolgert83. Rechtspre-
chung und juristische Lehre tun sich mit der Erfassung der Logistik
als eigenst�ndigem Rechtsgebiet hingegen noch schwer84. Wenn die
betroffene wissenschaftliche Disziplin jedoch entsprechenden Bedarf
anmeldet, sollte sich das Unternehmensrecht dem nicht verschließen.
Dies gilt umso mehr, als an der Schnittstelle zwischen Informations-
technologie und Logistik moderne Technologien entwickelt werden,
die eine handfeste juristische Herausforderung bedeuten. Das Verfah-
ren der Radio Frequency Identification (kurz: RFID) ist eine Technik
zur automatischen Identifizierung und Datenerfassung mithilfe von
Funkfrequenzen, die es gestattet, Gegenst�nde oder auch Lebewesen
mittels Mikrochip mit einer eindeutigen Kennung und Angaben zu
versehen, die dann drahtlos ausgelesen werden k�nnen. In der Logis-
tik wird der Einsatz der Technik insbesondere im Zusammenhang
mit der Verbesserung von R�ckmeldesystemen auf verschiedenen Stu-
fen der Wertsch�pfung genannt85. Aus juristischer Sicht sind bisher
vornehmlich pers�nlichkeits- bzw. datenschutzrechtliche86 sowie ent-
sorgungsrechtliche(!)87 Probleme diskutiert worden, juristische �ber-
legungen zur Nutzung der mit dem Einsatz der RFID-Technologie
verbundenen Chancen waren, soweit ersichtlich, noch nicht Gegen-
stand konkreter Untersuchungen. Dabei bedarf es nicht viel Phanta-
sie, um sich m�gliche vertrags-, haftungs- und handelsrechtliche
Konsequenzen dieser Technologie auszumalen.
IV. Fazit
Plakativ gewendet f�hren die vorstehenden Ausf�hrungen zu folgen-
dem Ergebnis: „Unternehmensrecht ist, was im Unternehmen an
rechtlich relevanten Sachverhalten stattfindet.“ Diese (Ein-)Sicht wird
durch die herk�mmliche Dogmatik und Gliederung des Unterneh-
mensrechts eher verdeckt als gef�rdert, da die traditionelle Lehre den
hier untermauerten Befund ausblendet, dass modernes Unterneh-
mensrecht aber ohne Ber�cksichtigung und Beurteilung der Erkennt-
nisse �konomisch-technologischer Disziplinen nicht auskommen
kann. Die Erkenntnisse sind zahlreich und umfassend:
H�ufig l�sst sich der rechtlich zu w�rdigende Sachverhalt nur unter
Zuhilfenahme technischen Sachverstands erfassen und beurteilen.
Bisweilen fungieren Technologie und Technik als Indikatoren f�r die
(fehlende) Sachgerechtigkeit juristisch-dogmatischer Annahmen. Im
Rahmen der Auslegung wertungsoffener Rechtsbegriffe kann die Be-
r�cksichtigung technologischen Wissens sogar ein Baustein im Sub-
sumtionsprozess sein. Zum Teil kommt technischer Erkenntnis die
Aufgabe zu, Rechtssetzungsorgane zu unterst�tzen bzw. zu entlas-
ten88, an anderer Stelle vermag sie juristische Institutionen auszuf�l-
len. Namentlich im Umfeld neuer Technologien setzen vielfach be-
triebswirtschaftlich-technologische Erscheinungen Maßst�be, die das
Bed�rfnis nach einer Weiterentwicklung des Rechts ausl�sen.
Doch bei aller Verwobenheit kennt die �bernahme technologischen
Wissens oder technologischer Methoden in die Rechtsanwendung
2644 Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008
// AutorenhProf. Dr. Dr. J�rgen Ensthaler ist ord. Professor f�rWirtschafts-, Unternehmens- und Technikrecht an derTechnischen Universit�t Berlin und Richter am OLGZweibr�cken. Er ist Herausgeber der Gemeinschafts-kommentare zum HGB und zum GmbHG. Prof. Ensthalerist St�ndiger Mitarbeiter des „Betriebs-Berater“.
Jun.-Prof. Dr. Stefan M�ller ist seit 2008 Inhaberdas Fachgebietes Zivil- und Handelsrecht (Schwerpunktmoderne Technologien) an der Technischen Universit�tBerlin. Promotion 2006 mit einer Arbeit zu den dogma-tischen Grundlagen des § 253 Abs. 2 BGB n. F. Er forschtund lehrt v. a. zu den privat- und unternehmensrechtli-chen Aspekten von Qualit�t, Innovation und Informa-tion.
Dipl.-Ing. Sebastian Synnatzschke (Wirtschaftsinge-nieur, Patentingenieur) ist seit 2006 als Wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Lehrstuhl f�r Wirtschafts-, Unter-nehmens- und Technikrecht an der Technischen Univer-sit�t Berlin t�tig und promoviert dort bei Prof. Ensthaler�ber die juristischen Aspekte des Qualit�tsmanage-ments unter besonderer Ber�cksichtigung des Risiko-managements.
77 Teubner, ZHR 165 (2001), 550.78 Insbesondere durch Rohe, Netzvertr�ge, 1998.79 Vgl. z. B. M. Wolf, KritV 2006, 253, 261 ff.80 Rohe (Fn. 78), S. 323 ff.81 M. Wolf, KritV 2006, 253, 263 ff.82 Wallenburg/Weber (Fn. 76), S. 747 ff., 759 ff.83 Vgl. dazu die neueste Auflage des zweib�ndigen Werks von Gudehus, Logistik, 3. Aufl. 2006, die erstmals
ein eigenes Kapital Logistikrecht enth�lt (Bd. 2, Kap. 22, S. 1031 ff.).84 Wieske, VersR 2006, 336, der anmerkt, dass sich sogar im Standardkommentar zum Transportrecht von
Koller (5. Aufl. 2004) „nur ganze f�nf Hinweise […] zum Stichwort Logistik“ f�nden.85 Vgl. dazu Straube, e-Logistik, 2004, S. 295 ff. mit einem Ausblick auf k�nftige Entwicklungslinien.86 Holznagel/Bonnekoh, MMR 2006, 17 ff.87 Gliesche/Helmigh, StoffR 2007, 132 ff.88 Dass Technologiefolgenabsch�tzung im Rechtssetzungsprozess außerdem als Entscheidungsgrundlage
dienen kann, sei an dieser Stelle nur erg�nzend angemerkt.
Betriebs-Berater // BB 49.2008 // 1.12.2008 2645
und -fortbildung auch Grenzen: Gelangen Recht und Technik zu un-
terschiedlichen Beurteilungen eines Sachverhalts, muss jede Wissen-
schaft L�sungen aufzeigen, die ihrem Methodenkanon entsprechen.
Schließlich existieren Fallgestaltungen, bei denen sich die Aussagen
der Rechts- und der Technikwissenschaften nicht auf einen gemeinsa-
men Bezugspunkt zur�ckf�hren lassen.
Ein grundlegender Bedeutungsverlust des Rechts muss mit der hier ver-
fochtenen Perspektive allerdings nicht einhergehen. Denn das Aufgrei-
fen technologischen und technischen Wissens bei der Auslegung und
Ausgestaltung von Unternehmensrecht stellt keine „interdisziplin�re
Einbahnstraße“ dar – es bewegt sich umgekehrt die Technik, wie etwa
die laufende �berarbeitung der Norm DIN EN ISO 9001 beweist89, auf
das Recht zu. Eben deshalb sind mittelfristig Untersuchungen �ber den
Stellenwert des Technikrechts in der Gesamtrechtsordnung sowie �ber
die Bedeutung der Technikwissenschaften im Recht und innerhalb an-
derer Gesellschaftswissenschaften unerl�sslich. Im Rahmen des vorlie-
genden �berblicks �ber technologie- und techniknahe Aspekte des Un-
ternehmensrechts konnte dies selbstverst�ndlich nicht geleistet werden.
Eidenm�ller hat das Unternehmensrecht unter Verweis auf eine �uße-
rung aus dem US-amerikanischen Schrifttum als „hottest game in
town“ vorgestellt90 – eine zumindest im Ansatz durchaus treffende
Einsch�tzung. Solange die Unternehmensrechtswissenschaft die viel-
f�ltigen technologie- und technikorientierten Dimensionen jedoch
weitgehend ausblendet, wird die Diskussion, um im Bilde zu bleiben,
ihren Siedepunkt noch nicht erreichen.
BGH: Anlageberatung – Auf vereinzelte kritische Stimmen ineinem Brancheninformationsdienst muss eine Bank nichthinweisen
BGH, Urteil vom 7.10.2008 – XI ZR 89/07
Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2008-2645-1
unter www.betriebs-berater.de
LEITS�TZE
1. Aus einem Beratungsvertrag ist eine Bank verpflichtet, eine Kapi-
talanlage, die sie empfehlen will, mit bank�blichem kritischen Sach-
verstand zu pr�fen; eine bloße Plausibilit�tspr�fung ist ungen�-
gend.
2. Eine Bank kann zur Pr�fung von Kapitalanlagen, die sie in ihr Anla-
geprogramm genommen hat, auch bankfremde Erf�llungsgehilfen
einsetzen; hier�ber muss sie einen Anlageinteressenten grunds�tzlich
nicht aufkl�ren.
3. Eine Bank muss nicht jede negative Berichterstattung in Branchen-
informationsdiensten �ber von ihr vertriebene Kapitalanlagen ken-
nen.
4. Hat eine Bank Kenntnis von einem negativen Bericht in einem Bran-
cheninformationsdienst, muss sie ihn bei der Pr�fung der Kapitalanla-
ge ber�cksichtigen. Anlageinteressenten m�ssen aber nicht ohne Wei-
teres auf eine vereinzelt gebliebene negative Publikation, deren Mei-
nung sich in der Fach�ffentlichkeit (noch) nicht durchgesetzt hat, hin-
gewiesen werden.
BGB § 278 S. 1, § 280 Abs. 1 S. 1
SACHVERHALT
Die Kl�gerin begehrt von der beklagten Volksbank Schadensersatz wegen
fehlerhafter Anlageberatung.
Die Kl�gerin und ihr verstorbener Ehemann (nachfolgend: Kl�gerin) wa-
ren seit 1980 Stammkunden der Rechtsvorg�ngerin der Beklagten
(nachfolgend: Beklagte). Im November 1994 ließ sich die Kl�gerin von
dem Mitarbeiter F. der Beklagten �ber eine Kapitalanlage beraten. Der
Inhalt des Beratungsgespr�chs ist streitig. Auf Empfehlung von F. er-
warb die Kl�gerin mit Vertrag vom 5.12.1994 eine Beteiligung an dem
geschlossenen Immobilienfonds „D.“. Dem Beratungsgespr�ch lag der
Verkaufsprospekt der Streithelferin der Beklagten zugrunde. Nicht Ge-
genstand des Beratungsgespr�chs war eine als „Prospekt-Check“ be-
zeichnete Ver�ffentlichung im Brancheninformationsdienst „k.“ (nachfol-
gend: „k.“) vom 12.8.1994, in der es u. a. heißt:
„Der Prospekt enth�lt nicht s�mtliche Informationen, die f�r eine umfas-
sende wirtschaftliche Beurteilung – und somit f�r eine Kapitalanlageent-
scheidung – erforderlich sind. Außerdem werden uns Anleger durch den
gew�hlten Ver�ußerungsfaktor zu sehr reich gerechnet.“
Die Immobilienfondsbeteiligung erwies sich als unrentabel. Unter Beru-
fung auf eine nicht anleger- und objektgerechte Beratung, insbesondere
unterlassene Aufkl�rung �ber im Einzelnen vorgetragene Prospektm�n-
gel, nimmt die Kl�gerin die Beklagte auf R�ckzahlung des Anlagebetrages
nebst eines Agios von 5 % in H�he von insgesamt 37 579,95 Euro sowie
eines entgangenen Gewinns in H�he von 18 920,49 Euro in Anspruch.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach f�r gerechtfer-
tigt erkl�rt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zur�ck-
gewiesen. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklag-
ten f�hrte zur Zur�ckverweisung.
AUS DEN GR�NDEN
9II. … 1. Richtig ist lediglich der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
dass in Bezug auf die streitgegenst�ndliche Kapitalanlage stillschweigend
ein Beratungsvertrag nach den Grunds�tzen des Bond-Urteils (Senat
BGHZ 123, 126, 128) zwischen den Parteien zustande gekommen ist.
Entscheidungen // WirtschaftsrechtBGH · Anlageberatung – Auf vereinzelte kritische Stimmen in einem Brancheninformationsdienst muss eine Bank nicht hinweisen
89 Vgl. den Entwurf einer Neufassung der Norm DIN EN ISO 9001 (ISO/DIS 9001:2007), bei der erstmaligneben den Kundenanforderungen auch gesetzliche und beh�rdliche Anforderungen explizit Ber�cksich-tigung finden (vgl. etwa „Einleitung unter 0.1. Allgemeines“). Die Norm DIN EN ISO 9001 ist f�r das Qua-lit�tsmanagement von herausragender Bedeutung.
90 Eidenm�ller, JZ 2007, 487 (dort Fn. 2) mit Bezug auf Buxbaum Del. J. Corp. 18 (1993), 867, 868.
Top Related