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Umgang mit belastetem Schlick aus Bundeswasserstraßen - historischer Abriss und
aktuelle Herausforderung
Christian Svenson, Dr. Willi LaierReferat M3 – Grundwasser, Geologie, Gewässermorphologie
Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz
BAW Kolloquium „Aufbereitung und bautechnische Verwendung von Schlick aus Wasserstraßen und Häfen“am 13.09.2012 in Hamburg
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Motivation
• In D werden pro Jahr 40 Mio m³ Gewässersedimente umgelagert• hochaktuelles wie politisch aufgeladenes Thema mit zahlreichen
Interessenkonflikten
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• Praxis bis in die 70er Jahre: Verbringung von Schlick auf landwirtschaftlich genutzte Flächen ohne Verpflichtung zur Analytik auf potentielle Schadstoffe, Pauschaldeklaration als Bodenverbesserungsmaßnahme
• Umlagerung bzw. Umgang mit Baggergut im Allgemeinen vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage unproblematisch
• Bewusstsein für Schadstoffe (zunächst vor allem Schwermetalle)entwickelte sich mit Klärschlammskandalen und mündete in der Klärschlammverordnung
1970er 1980er 1990er
Klärschlammverordnung AbfKlärV ab 1979
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1970er 1980er 1990er
Mehrfach novelliertAktueller Auszug §4 Abs. 12
(12) Das Aufbringen von Klärschlamm auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden ist verboten, wenn (...) Gehalte nachstehender Schwermetalle mindestens einen der folgenden Werte übersteigen
Anwendung der neu erlassenen Klärschlammverordnung 1979
Klärschlammverordnung AbfKlärV ab 1979
SchwermetallBoden
[mg/kg TS]Klärschlamm/Schlick
[mg/kg TS]Blei 100 900Cadmium 1,5 (1) 10 (5)Chrom 100 900Kupfer 60 800Nickel 50 200Quecksilber 1 8Zink 200 (150) 2500 (2000)
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• Die "Holland-Liste" wurde 1983 in der Niederlanden eingeführt und beinhaltet neben Prüf-werten auch Referenzwerte für unbelastete Umweltmedien. Die Referenzwerte entsprechen der durchschnittlichen Hintergrundkonzentration in niederländischen Böden und Grundwässern.
Alle Schadstoffgruppen nach der Holland-Liste• Metalle • Anorganische Verbindungen• Aromatische Verbindungen• Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe• Chlorierte Kohlenwasserstoffe• Pestizide • Sonstige Verunreinigungen
1987 In D erstmalige Verwendung anorganischer und organischer Schadstoffgruppen sowie eines Fischtests durch NRW Richtlinienentwurf zur „Untersuchung und Beurteilung von Abfällen“
1970er 1980er 1990er
„Holland Liste“ 1983
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Konzept: H. Knöpp 1989 „Flußsedimente und Hafenbaggerschlämme sowie Beseitigungund/oder Verwertung von Fluß- und Hafenschlämmen.“ Müllhandbuch 3009 und 3475,Ausgabe 4/1989
Vorteile der subaquatischen Kiesgrubenunterbringung:
• Zusammenführung der Schadstoffe auf engem Raum ökologisches Prinzip der Nichtverteilung von Schadstoffen
häufig Aufnahme in internationale Literatur (vgl. Förstner & Grathwohl 2003)• Keine GW-Durchströmung des eingelagerten Baggergutes (Selbstdichtung)• Schwermetalle bleiben unter anaeroben Bedingungen immobil• Schonung der Deponieräume an Land• vergleichsweise niedrige Kosten
Pilotprojekt an der Kiesgrube Lüssen/WeserEinlagerung von ca. 150.000 m³ zwischen 1992 und 1997 (Mittelweseranpassung)
Voruntersuchung und Monitoring (23 Jahre)
Subaquatische Unterbringung in Kiesgruben
1970er 1980er 1990er
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Baggergutbelastung
- im Feststoff: Cadmium (bis 22 mg/kg)Zink (bis 2700 mg/kg)
- im Porenwasser: Ammonium (~90mg/kg)
Subaquatische Unterbringung in Kiesgruben
1970er 1980er 1990er
BfG, 2011
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Weitere Richtlinien/Empfehlungen/Gesetze
1970er 1980er 1990er
1995 Empfehlung der IKSR zur Baggergutbewertung
1996 PIANC Empfehlung über Umgang mit belasteten Baggergut aus Häfen und BWStr
1996 ARGE Elbe Empfehlung für den Umgang mit belasteten Baggergut an der Elbe
1997 ATV-M 362 Umgang mit Baggergut, aktualisiert 2004/2008 DWA-M 362
1997 LAGA M20 mit TR Boden (aktualisiert 2004)
1998 Bundesbodenschutzgesetz BBodSchG
Zulassungskriterien fürdie Landlagerung vonBaggergut
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1980er 1990er 2010er
Zielvorgaben für Gewässerqualität „guter Zustand“ bis 2015 Qualitätskontrolle muss erfolgen Integration Grund- und Oberflächenwasser Integration der Flussgebiete über Ländergrenzen hinweg
Zentrales Prinzip (Art. 1a)
Verschlechterungsverbot Verbesserungsgebot (greift nicht bei Unterhaltungsmaßnahmen)
Umsetzung in deutsches Recht
über die Anpassung des Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in 2002
EG WRRL 2000 & WHG
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1980er 1990er 2010er
Weiterentwicklung der HABAK-WSV um aktuellen Entwicklungen Folge zu leisten
EG-WRRL & Entwürfe der ersten Bewirtschaftungspläne Europäische Hochwasserschutzrichtlinie (EG-HWRL) 2007 Meeresstrategie-Rahmenrichtline (MS-RL) 2008
Vorgabe/Zielsetzung
• Reduzierung des Schadstoffeintrages• Verbesserung der Sedimentqualität• hydromorphologisch sinnvoller Verbleib der Sedimente
im Gewässer ist wenn möglich anzustreben
GÜBAK 2009
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Aktuelle Herausforderungam Beispiel der Staustufe Iffezheim/Oberrhein
Luftaufnahme Staustufe Iffezheim, Blickrichtung NNO
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HCB Belastung der Wehrkanal-Sedimente
• im Mittel: 207 µg/kg TS
4-fache IKSR-ZV von 160 µg/kg TSIst überschritten
3-facher Hintergrundwert (Umlagerungsverbotgemäß Kriterien der HABAB-WSV)von 60 µg/kg TS ist überschritten
Situation Iffezheim
WSA Freiburg, 2011
• Persistenter organischer Schadstoff• durch Stockholmer Konvention weltweit verboten
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Sedimentmanagement Iffezheim
• 1981 – 1984 Verspülungen• 1989 – 1997 Oberwassermole (Aufnahme von 2,6 Mio. m³)• 2000 – 2005 Unterwassermole (Aufnahme von 430.000 m³)• 2005 Umlagerung in fließende Welle
Aktuell keine Unterbringungs-/ Verwertungsmöglichkeit in der Nähe
Hohe Kosten für Baggerung, Transport nach und Verwertung in NL (CDF) Baggerkampagne 2011 ~ 36 €/m³
SuBedO, 2007
7,00 8,00
14,00
32,00
0
5
10
15
20
25
30
35
Verspülung/Verklappung
LagerungStaustufe
LagerungNiederrhein
KüstennaheAblagerung in den
Niederlanden
Ges
chät
zte
Net
toko
sten
in €
/m³
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Problematik:
~ 115.000 m³/a belastete Schwebstoffanlandungen im Stauraum Iffezheim= Baggergut im Rahmen der Unterhaltung Verspülung/Umlagerung nicht möglich (HCB) Transport + Deponierung = hoher Kostenaufwand
Zielsetzung kurzfristig:
Reduzierung der Kosten für Transport und Deponierung des Baggergutes durch Mengenverkleinerung (Fraktionierung, ggf. Teilverwertung, Entwässerung)
Zielsetzung mittel- bis langfristig:
Schadstoffreduzierung durch Schadstoffentnahme oder Immobilisierungund Ermöglichung von Sedimentdurchgängigkeit
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Verfahrenskette Schlammentwässerung (Wirtschaftlichkeitsprüfung)
1. Konditionierung (Entwässerung und Verbesserung Filtrierfähigkeit)
• im chemischen Verfahren: anorganische Konditionierungsmittel(z.B. Eisen(III)-chlorid und Calciumhydroxid)
org. Konditionierungsmittel (Polyelektrolyte fischgiftig)
2. Maschinelle Entwässerung (mobil)
• Zentrifugen/Dekanter• Filterpressen (z.B. Band-, Membran- oder Kammerfilterpressen)• Schneckenpressen
Handlungsoption
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Baggergutvolumen und -masse beiunterschiedlichen Entwässerungsgraden
0
25
50
75
100
1,30 1,50 1,70 1,90 2,10 2,30
Bodenfeuchtdichte [t/m³]
Effiz
ienz
stei
geru
ng [%
]
Effizienzsteigerung [Gew%] Effizienzsteigerung [Vol%]
Feuchtdichte Reduzierung ReduzierungWasser Sediment ρb [t/m³] [Vol%] [Gew%]
2,8 1 1,41 0 01 1 1,78 47,37 33,641 1,5 1,93 56,14 39,881 2 2,03 60,53 42,99
Verhältnis
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Kontinuierliche SedimentverlagerungKonSed (DB Sediments)
• kontinuierliche automatisierte Befahrung des Staubereiches (Windensystem)
• beständige Sedimentaufnahme
• Weitertransport im Gewässer und Ablagerung vor/an den Abflussorganen
• Aufnahme und Austrag der Sedimente in naturnahen Mengen (~13 m³/h in Iffezheim)
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Sedimentdurchgängigkeit Systeme
Hydrosuction sediment removal system (Hotchkiss & Huang, 1995)
• pumpenlose Sedimentweitergabe unter Ausnutzung des Druckunterschiedes von einigenMetern Wassersäule (direkter Betrieb und Bypassbetrieb sind möglich)
Direkter Betrieb Bypassbetrieb
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Sedimenttransport durch geschlitzte Pipelines
• z.B. Slotted Pipe Sediment Sluicer (SPSS)
+ pumpenlos, keine Überwasser-Strukturen+ robust, wartungsarm, keine Sicherung im HW-Fall nötig
Jacobsen 1997;jetzt SediCon, Norwegen
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Zusammenfassung
• für die einzelnen Verwertungswege sind klare und bewährte Richtlinienfür den Umgang mit Baggergut heranzuziehen
• Verfahren für den Umgang mit Baggergut sind, je nach Belastungsgrad und Beschaffenheit des Baggergutes, kostspielig
• Herausforderungen: Kostenoptimierung Baggergutmanagement (Küste & Binnen) Sanierung von Belastungsschwerpunkten
(Immobilisierung/Capping, Beseitigung) Ermöglichung der Sedimentdurchgängigkeit
neben der ökologischen Durchgängigkeit
• Bedarf an Baggergutmonodeponien ist zumindest am Oberrhein gegeben
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Dipl. Geol. Christian SvensonBundesanstalt für GewässerkundeReferat M3 - Grundwasser, Geologie, GewässermorphologieE-Mail: [email protected]
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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