Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht
25. Einheit – 29.01.2009
Dr. Fabian JungkDr. Fabian Jungk
2Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht - Betriebsverfassungsrecht
Die BetriebsverfassungDas Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt die Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen innerhalb e. Betriebes durch Arbeitnehmer-vertretungen. Diese „Mitbestimmung“ findet auf Ebene des Betriebes (funktionell-technische Arbeitseinheit) statt, wobei ein Unternehmen / ein Arbeitgeber mehrere Betriebe haben kann.
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3Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht - Betriebsverfassungsrecht
Anwendungsbereich• Betriebe privaten Rechts• nicht: Kleinbetriebe (< 5 Arbeitnehmer), § 1 BetrVG• nur zum Teil: Tendenzbetriebe (z.B. Presse), § 118 Abs. 1 BetrVG• persönlich: nur Arbeitnehmer, nicht Geschäftsführer oder leitende Angestellte (für die: Sprecherausschuss, SprAuG), § 5 BetrVG
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4Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht - Betriebsverfassungsrecht
Der BetriebsratTräger der Betriebsverfassung und gesetzlicher Repräsentant der Arbeitnehmer• Wahl durch Arbeitnehmer für 4 Jahre, gegen Arbeitgeber erzwingbar, §§ 16, 17 BetrVG• Zusammensetzung, § 9 BetrVG• ggf. Ausschüsse, z.B. § 106 BetrVG• Betriebsratsmitglied: Unentgeltliches Ehrenamt, aber bezahlte Arbeitsfreistellung, § 37 BetrVG und Sonderkündigungsschutz (vgl. Folie 98)• ggf. Gesamt- oder Konzernbetriebsrat
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5Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Allgemeines (1)1. Arbeitnehmer-Interessenvertretung, § 80 BetrVG2. Abschluss von Betriebsvereinbarungen,§ 77 BetrVG; unmittelbar zwingende Geltung für alle Arbeitsverträge, aber:• Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG analog• Sperrwirkung des Tarifvertrags, § 77 Abs. 3 BetrVG (z.B. nicht Lohnhöheregelung).
Betriebsvereinbarung bedarf der Schriftform.
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6Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Allgemeines (2)3. Information der Arbeitnehmer in Betriebs- versammlungen, § 43 BetrVG4. Kostenerstattung durch Arbeitgeber, §§ 40, 41 BetrVG,5. Betriebsverfassungsrechtl. Friedenspflicht, § 74 BetrVG: Keine Arbeitskampfmaßnahmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
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7Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Auskunftsrechte1. Allgemeine Fragerechte z.B. über Personalplanung, § 92 BetrVG2. Bei Betrieben > 20 Arbeitnehmern Auskünfte bei• Einstellungen, § 99 Abs. 1 BetrVG• Betriebsänderungen, § 111 BetrVG3. Bei Betrieben >100 Arbeitnehmern Auskünfte über alle wirtschaftlichen Angelegenheiten an Wirtschaftsausschuss, § 106 BetrVG.
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8Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Mitsprache (1)1. Anspruch auf Beratung, mindestens monatlich, § 74 BetrVG, z.B. über Bildungseinrichtung, § 97 BetrVG2. Interessenausgleich bei Betriebsänderungen, § 112 Abs. 1 BetrVG
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9Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Mitsprache (2)3. Anhörung vor Kündigung, § 102 BetrVG• Zustimmung gilt als erteilt, wenn nicht Widerspruch binnen 1 Woche• Widerspruch nur aus Gründen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG• trotz Widerspruch Kündigung zulässig, § 102 Abs. 4 BetrVG, aberWeiterbeschäftigungsanspruch des Arbeit- nehmers während Kündigungsschutzprozess, § 102 Abs. 5 BetrVG
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10Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Mitbestimmung (1)Folgende Maßnahmen nur mit Zustimmung des Betriebsrates wirksam (Bei Dissens entscheidet Einigungsstelle, § 76 BetrVG)), §§ 87 Abs. 2, 95, 112 Abs. 4 BetrVG:1. Soziale Angelegenheiten z.B. Ordnung des Betriebes, Verteilung Arbeitszeit, Arbeitsschutz, Ausgestaltung Sozialeinrichtungen, § 87 BetrVG
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11Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Der Betriebsrat
Rechte des Betriebsrats: Mitbestimmung (2)2. Personelle Angelegenheiten• Stellenausschreibungen, Personalfragebogen, Auswahlrichtlinien, §§ 93 bis 95 BetrVG• bei Betrieben > 20 Arbeitnehmer: Einstellungen, § 99 BetrVG (Widerspruch nur aus Gründen gemäß §§ 99 Abs. 2 BetrVG; Einstellung dennoch wirksam, aber Aufhebungsantrag möglich, § 101 BetrVG)3. Wirtschaftliche Angelegenheiten Sozialplan bei Betriebsänderungen, § 112 BetrVG
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12Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Mitbestimmung
Mitbestimmung auf Unternehmensebene (1)Die Mitbestimmung regelt die Teilhabe der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers durch Beteiligung von Arbeitnehmer-Vertretern in den Gesellschaftsorganen. Anders als die Betriebsverfassung findet diese auf Unternehmensebene statt.
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13Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Mitbestimmung
Mitbestimmung auf Unternehmensebene (2) AnwendungsbereichDie Mitbestimmung gilt für Kapitalgesellschaften (insbes. AG und GmbH) und ist für unterschiedlicheUnternehmen geregelt im:• BetrVG• MitbestG• DrittelBetG• MontanMitbestGBeachte: Keine Mitbestimmung bei• Unternehmen anderer Rechtsform (z.B. Ltd.)• Unternehmen mit weniger als 500 AN
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14Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Mitbestimmung
Mitbestimmung auf Unternehmensebene (3) Folgen1. Beteiligung im Aufsichtsrat• paritätisch: Unternehmen der Montanindustrie• paritätisch, aber Stichentscheid des Vorsitzenden: Unternehmen > 2000 Arbeitnehmer gem. MitBestG• Arbeitnehmer stellen 1/3 der Aufsichtsratmitglieder: Unternehmen > 500 Arbeitnehmer gemäß DrittelBetG
2. Beteiligung an der Geschäftsführung Stellung eines Mitglieds (Arbeitsdirektor) im gesetzlichen Vertretungsorgan, § 33 MitbestG
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15Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Koalitionsrecht
KoalitionsrechtDas Koalitionsrecht regelt die Vereinigung von Arbeitgebern (Arbeitgeberverbände) und Arbeitnehmern (Gewerkschaften). Diese sind als Industrieverbände in Vereinsform organisiert und bilden Arbeitsmarkkartelle.
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16Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Koalitionsrecht
VoraussetzungenZusammenschluss von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern• freiwillig• privatrechtlich (nicht: IHK)• dauerhaft (nicht: Ad hoc-Gruppe)• gegnerunabhängig• zur Förderung der Arbeits- und Wirtschafts- bedingungen• mit demokratischer Willensbildung
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17Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Koalitionsrecht
Rechte der KoalitionenVerfassungsrechtlicher Schutz gemäß Art. 9 Abs. 3 GG:• Recht, Koalitionen zu bilden, sich daran zu beteiligen oder diesen fernzubleiben• Tarifautonomie• Recht zum Arbeitskampf
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18Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
TarifvertragsrechtDer Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen tariffähigen Parteien über Rechte u. Pflicht der Tarifparteien und verbindliche Regelungen für die betroffenen Arbeitsverträge.
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19Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Voraussetzungen1. Vertragsschluss gemäß §§ 145 ff. BGBBeachte: Anfechtung nur ex nunc2. Schriftform, § 1 Abs. 2 TVG Sonst nichtig3. Vertragsparteien tariffähig, § 2 TVG• Jeder Arbeitgeber und Arbeitgeber-Verbände• Gewerkschaften, wenn soziale Mächtigkeit (mindestens 100 - 200 Arbeitnehmer)• Spitzenorganisationen, § 2 Abs. 2 und 3 TVG
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20Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Bindung (1)Der Tarifvertrag ist rechtsverbindlich für tarifgebundene Personen, das sind:• Tarifvertrags-Parteien und Mitglieder der Tarifvertrags-Parteien, § 3 Abs. 1 TVG• Arbeitnehmer eines tarifgebundenen Arbeitgebers für betriebliche Fragen, § 3 Abs. 2 TVG
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21Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Bindung (2)• nicht tarifgebundene Arbeitnehmer/Arbeitgeber bei Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch BMWi, § 5 Abs. 4 TVG; Voraussetzung: öffentliches Interesse und 50 % der Arbeitnehmer erfasst.
Beachte: Tarifgebundenheit mit Abschluss des Tarifvertrags; späterer Austritt aus Tarifvertrags-Partei unerheblich, § 3 Abs. 3 TVG.
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22Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Hinsichtlich des Inhaltes des Tarifvertrages sind der schuldrechtliche Teil und der normative Teil zu unterscheiden: Schuldrechtlicher Teil1. DurchführungspflichtEinwirkung auf Mitglieder zur Vertragstreue2. FriedenspflichtVerbot von Androhung, Durchführung oder Unterstützung eines Arbeitskampfes während der Tarifvertrags-Laufzeit.• relativ: bezüglich Arbeitskampf zur Änderung des Tarifvertrags• absolut: bezüglich jeglichen Arbeitskampfes (nur, wenn vereinbart)
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23Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Normativer Teil (1)Regelungen für Arbeitsverträge der tarifgebundenenArbeitgeber / Arbeitnehmer1. InhaltZ.B. Lohn, Urlaub, Formvorschriften, Abschlussgebote, betriebl. Maßnahmen
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24Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Tarifvertragsrecht
Normativer Teil (2)2. WirkungGrundsätzlich Unabdingbarkeit, § 4 Abs. 1 TVG: Unmittelbare, zwingende Wirkung auf Arbeitsverträge; Ausnahmen:• Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer• Öffnungsklauseln Abweichungen auch zu Lasten der Arbeitnehmer. Beachte: Nachwirkung, § 4 Abs. 5 TVG: Tarifvertrag gilt nach Ablauf weiter, aber nicht mehr zwingend!
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25Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Arbeitskampfrecht
ArbeitskampfrechtDer Arbeitskampf ist ein Mittel zum Abschluss von Tarifverträgen. Er unterliegt dem Verfassungsschutz des Art. 9 Abs. 3 GG. Es gibt zwei Maßnahmen des Arbeitskampfes:Streik: Gemeinsam durchgeführte Arbeitseinstellungvon Arbeitnehmern ohne Einverständnis des Arbeit-gebersund Aussperrung: Planmäßige Arbeitsausschließung seitens der Arbeitgeber ohne Einverständnis oder Kündigung der Arbeitnehmer.
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26Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Arbeitskampfrecht
Rechtmäßigkeit (1)Keine gesetzliche Regelung; höchstrichterlich anerkannte Voraussetzungen: Tarifvertragliche Grenzen und Rechtmäßige Kampfführung
Tarifvertragliche Grenzen1. nur tariffähige Parteien (nicht: „wilde Streiks“)2. nur zwecks Abschluss von Tarifverträgen, d.h. nur tarifvertraglich regelbare Kampfziele (nicht: Demonstrationsstreik)3. kein Verstoß gegen Friedenspflicht (vgl. Folie 103)
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27Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – ArbeitskampfrechtRechtmäßigkeit (2)Rechtmäßige Kampfführung1. Staatsneutralität2. Ultima ratio (Vorrang gerichtl. Schutz u. Schlichtung)3. Verhältnismäßigkeit• keine Existenzvernichtung• Abwehraussperrung nur auf umkämpftem Gebiet4. Faire Kampfführung, z.B.• Durchführung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen trotz Streik• keine selektive Aussperrung von Gewerkschaftern• keine Straftat, z.B. Nötigung von arbeitswilligen Arbeitnehmern (wenn systematisch, Arbeitskampf insgesamt rechtswidrig)
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28Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Arbeitskampfrecht
Folgen des ArbeitskampfesRechtmäßige KampfmaßnahmeTeilnahme des Arbeitnehmers / Arbeitgebers war keineVertragsverletzung1. Rechtmäßiger Streik• Arbeitspflicht suspendiert (kein Schadensersatz, keine Kündigung)• keine Vergütungszahlung!2. Rechtmäßige AussperrungSuspendierung des gesamten Arbeitsvertrages (keine Arbeit, kein Lohn)
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29Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Arbeitskampfrecht
Folgen des ArbeitskampfesRechtswidrige Kampfmaßnahme (1)Teilnahme des Arbeitnehmers / Arbeitgebers ist Verletzung des Arbeitsvertrages1. Rechtswidriger StreikAnspruch des Arbeitgebers auf Arbeitsleistung• wegen Ausbleibens Schadensersatz, wenn Verschulden• Kündigung nach Abmahnung (auch selektiv, z.B. gegen Organisator)
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30Universität HamburgInstitut für Recht der Wirtschaft
Arbeitsrecht – Arbeitskampfrecht
Folgen des ArbeitskampfesRechtswidrige Kampfmaßnahme (2)2. Rechtswidrige Aussperrung• Beschäftigungs- und Lohnanspruch d. Arbeitnehmers• außerordentliche Kündigungsrechte d. Arbeitnehmers
3. Folgen für kämpfende Verbände Schadensersatz, da Verletzung des Tarifvertrags.
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