7.1 Das unbestimmte Integral -...

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7.1 Das unbestimmte Integral

(Stammfunktion)

Es sei f : I → R eine Funktion. Eine differenzierbare Funktion F : I → R heißt

eine Stammfunktion von f , falls gilt:

F ′ = f .

Die Funktion f heißt dann integrierbar.

Beispiel 7.1 (i) Sei f : R → R gegeben durch f (x) = xn, n ∈ N0. Dann ist

F : R → R mit F (x) =1

n + 1xn+1 eine Stammfunktion von f .

(ii) Sei f : R → R gegeben durch f (x) = x2 − 3x + 5. Dann ist F : R → R

gegeben durch F (x) =1

3x3 − 3

2x2 + 5x eine Stammfunktion von f . Aber

auch G : R → R mit G(x) =1

3x3 − 3

2x2 + 5x+ 2 ist eine Stammfunktion

von f .

Achtung: Nicht jede Funktion besitzt eine Stammfunktion.

366

Ist F (x) eine Stammfunktion von f (x), so ist auch F (x)+ c eine Stammfunktion

von f (x) (c ist hier eine Konstante). Weitere Stammfunktionen gibt es nicht, wie

der folgende Satz zeigt:

Satz 7.1 Sei f : I → R eine reelle Funktion. Sind F,G Stammfunktionen von f ,

dann gibt es eine Konstante c ∈ R mit

G(x) = F (x) + c fur alle x ∈ I.

Mit F (x) ist auch jede Funktion F (x) + c eine Stammfunktion von f (x).

Es gilt also:

Hat die Funktion f eine Stammfunktion F , dann ist die Menge

{F + c | c ∈ R}

die Menge aller Stammfunktionen von f .

Der Begriff “unbestimmtes Integral” bedeutet nichts anderes als “Stammfunkti-

on”:

367

(Unbestimmtes Integral)

Sei f : I → R eine reelle Funktion, die eine Stammfunktion F besitzt. Dann

bezeichnet das Symbol ∫f (x) dx

eine beliebige Stammfunktion von f , und es wird unbestimmtes Integral

der Funktion f genannt. Sprechweise: “Integral von f (x) dx.” Manchmal wird

auch ∫f (x) dx = F (x) + c,

geschrieben, wobei c ∈ R eine beliebige Konstante ist. Das unbestimmte Integral

ist also nicht eindeutig bestimmt, sondern nur bis auf eine (additive) Konstante.

Es gilt also nach Definition fur jede differenzierbare Funktion F :∫

F ′(x) dx = F (x) + c .

Beispiel 7.2 Es soll eine Funktion s(x) zur Berechnung der Einkommensteuer

mit den folgenden Eigenschaften gefunden werden:

(i) s : R≥0 → R≥0 ist stetig.

368

(ii) Das Existenzminimum ist steuerfrei:

s(x) = 0 fur x ∈ [0, 10000].

(iii) Der Grenzsteuersatz steigt linear bis zu einer gegebenen Einkommensgrenze:

s′(x) =x

200000+

1

20fur x ∈ [10000, 120000].

(iv) Der Grenzsteuersatz ist fur große Einkommen konstant:

s′(x) = 0.65 fur x ≥ 120000.

Den Steuersatz fur x ∈ [10000, 120000] erhalten wir als unbestimmtes Integral

uber den Grenzsteuersatz:

s(x) =

∫ (x

200000+

1

20

)dx =

x2

400000+

x

20+ c1.

Aus der Stetigkeit von s(x) an der Stelle x = 10000 folgt, dass die Konstante als

c1 = −750 zu wahlen ist. Insbesondere ist dann s(120000) = 41250.

Den Steuersatz fur x ≥ 120000 erhalten wir ebenso als unbestimmtes Integral

uber den Grenzsteuersatz:

s(x) =

∫0.65 dx = 0.65 · x + c2.

369

Aus der Stetigkeit von s(x) an der Stelle x = 120000 folgt, dass die Konstante als

c2 = −36750 zu wahlen ist. Die gesuchte Steuerfunktion s(x) hat also die Form

s(x) =

0 fur x ∈ [0, 10000]

x2

40000+

x

20− 750 fur x ∈ [10000, 120000]

0.65 · x− 36750 fur x ≥ 120000.

Wir haben erwahnt (siehe Seite 366), dass nicht jede Funktion eine Stammfunk-

tion haben muss. Es gilt aber:

Satz 7.2 Ist f : I → R stetig, dann besitzt f eine Stammfunktion.

Da viele der von uns untersuchten Funktionen stetig sind, haben sie Stammfunk-

tionen. Wir listen im folgenden einige auf, wobei wir stets auf die Angabe der

Konstante c verzichten. D bezeichnet den maximalenDefinitionsbereich.

370

f (x) D∫f (x) dx

xn R1

n + 1· xn+1 n ∈ N0

xα R+1

α + 1· xα+1 α ∈ R, α 6= −1

1

xR \ {0} ln(|x|)

eαx R1

αeαx α ∈ R, α 6= 0

ax R1

ln(a)ax a > 0, a 6= 1

371

f (x) D∫f (x) dx

sin x R − cos x

cos x R sin x

tan x R \ {(2k + 1)π2 , k ∈ Z} − ln(| cos x|)cot x R \ {kπ, k ∈ Z} ln(| sin x|)1

cos2 xR \ {(2k + 1)π2 , k ∈ Z} tan x

1

sin2 xR \ {kπ, k ∈ Z} cot x

372

f (x) D∫f (x) dx

1√1− x2

(−1, 1) arcsin x

−1√1− x2

(−1, 1) arccos x

1

1 + x2R arctan x

−1

1 + x2R arccot x

Aus der Umkehrung von Differenziationsregeln ergeben sich nun Integrationsre-

geln, zum Beispiel

373

Haben f, g : I → R Stammfunktionen, dann gilt:∫

λ · f (x) dx = λ

∫f (x) dx, fur alle λ ∈ R

∫(f (x)± g(x)) dx =

∫f (x) dx±

∫g(x) dx.

Grundsatzlich kann man sagen, dass die Integration schwieriger ist als die Diffe-

renziation, die man doch sehr “nach Kochrezept” durchfuhren kann.

Wir geben hier die wichtigen Regeln der partiellen Integration, der Integration

durch Substitution sowie (knapp) die Integration rationaler Funktionen an (je-

weils mit Beispielen). Es sei aber fairerweise zugegeben, dass man heutzutage zum

Integrieren fast immer “Computeralgebrasysteme” (CAS) benutzt. Wichtiger, als

perfekte Integrierer zu werden, ist es zu verstehen, was das unbestimmte Integral

ist (namlich eine Stammfunktion), und dass es viele Stammfunktionen gibt, die

sich aber alle nur durch eine additive Konstante unterscheiden. Wenn Ihnen das

klar ist, durfen Sie beim Integrieren ruhig dem Computer vertrauen.

Partielle Integration.

374

Seien f, g : I → R differenzierbare Funktionen. Dann gilt∫

f (x) · g′(x) dx = f (x) · g(x)−∫

f ′(x) · g(x) dx.

Beispiel 7.3 Gesucht ist∫ln x dx.

Setze f (x) = ln x und g(x) = x. Dann ist g′(x) = 1, und mit partieller Integration

folgt:∫

ln x dx =

∫f (x) · g′(x) dx

= f (x) · g(x)−∫

f ′(x) · g(x) dx

= ln x · x−∫

1

x· x dx

= ln x · x−∫

1 dx

= ln x · x− x + c

= x (ln x− 1) + c,

wobei c ∈ R, wie immer, eine beliebige Konstante ist.

375

Dieses Beispiel lasst sich verallgemeinern, um eine Stammfunktion zu ln x ·xn furn ∈ N0 zu berechnen. Wir geben hier nur das Ergebnis an:

∫ln x · xn dx =

xn+1

n + 1

(ln x− 1

n + 1

)+ c.

Beispiel 7.4 Gesucht ist∫ex sin x dx. Seien f (x) = sin x und g(x) = ex, also

g′(x) = ex. Es folgt

∫ex sin x dx =

∫f (x) · g′(x) dx

= f (x) · g(x)−∫

f ′(x) · g(x) dx

= ex sin x−∫

ex cos x dx.

Analog erhalten wir

∫ex cos x dx = ex cos x +

∫ex sin x dx.

376

Somit ist ∫ex sin x dx = ex sin x−

∫ex cos x dx

= ex sin x−(ex cos x +

∫ex sin x dx

)

= ex sin x− ex cos x−∫ex sin x dx.

Also

2

∫ex sin x dx = ex sin x− ex cos x + c

und somit ∫ex sin x dx =

ex

2(sin x− cos x) + c.

Integration durch Substitution

Es handelt sich hier um die Umkehrung der Kettenregel:

Sei f : I → R eine stetige Funktion mit Stammfunktion F : I → R. Sei

g : D → I eine differenzierbare Funktion auf dem Intervall D. Dann gilt∫

f (g(x)) g′(x) dx = F (g(x)) + c,

wobei c ∈ R eine beliebige Konstante ist.

377

Beispiel 7.5 Sei f : I → R eine stetige Funktion mit Stammfunktion F , D

ein Intervall und g : D → I differenzierbar. Dann kann man mit der obigen Sub-

stitutionsregel die folgenden unbestimmten Integrale bestimmen (die Konstante

c ist wieder weggelassen):

(i)

∫f (ax + b) dx =

1

aF (ax + b), a, b ∈ R, a 6= 0.

(ii)

∫(g(x))n g′(x) dx =

1

n + 1(g(x))n+1, n ∈ N0.

(iii)

∫g′(x)

g(x)dx = ln (|g(x)|).

(iv)

∫g′(x)

(g(x))ndx =

−1

(n− 1) (g(x))n−1 , n ∈ N, n ≥ 2.

(v)

∫g′(x) eg(x) dx = eg(x).

Beispiel 7.6 (i) Gesucht ist

∫2

3x− 1dx.

378

Sei g(x) = 3x− 1, dann ist g′(x) = 3 und daher∫

2

3x− 1dx =

∫2

3

g′(x)

g(x)dx

=2

3

∫g′(x)

g(x)dx

=2

3ln (|g(x)|) + c

=2

3ln (|3x− 1|) + c

= ln 3√(3x− 1)2 + c.

(ii) Gesucht ist∫xex

2dx.

Sei f (x) = ex und g(x) = x2, also g′(x) = 2x und F (x) = ex. Dann ist∫

xex2dx =

∫f (g(x)) · 1

2g′(x) dx

=1

2F (g(x)) =

1

2ex

2+ c

379

Integration rationaler Funktionen

Rationale Funktionen lassen sich mit Hilfe der Partialbruchzerlegung immer so

umformen, dass sich eine Stammfunktion mit den bis jetzt bereitgestellten Verfah-

ren ermitteln lasst. Wir betrachten also eine rationale Funktion f von der Form

f (x) = P (x)Q(x) mit Polynomen P (x), Q(x), wobei gradP < gradQ gelte. Es sei hier

der Fall betrachtet, dass das Nennerpolynom gradQ reelle Nullstellen hat, also

Q(x) = (x − x1)m1 · · · (x − xk)

mk mit verschiedenen x1, . . . , xk ∈ R. Dann hat

die Partialbruchzerlegung die Form (vgl. Seite 127)

P (x)

Q(x)=

k∑

i=1

mi∑

j=1

cij(x− xi)j

mit cij ∈ R. Also treten als Summanden rechts nur Ausdrucke der Formb

(x− a)j

mit j ∈ N auf.

Fur j = 1 ist ∫b

x− adx = b · ln(|x− a|) + c.

380

Fur j ≥ 2 ist ∫b

(x− a)jdx =

−b

(j − 1)(x− a)j−1+ c

Wir illustrieren dies an einem Beispiel:

Beispiel 7.7 Sei f (x) =x4 − 3x2 + 5x + 4

x3 − 3x + 2. Wir wollen

∫f (x) dx bestimmen.

Da das Nennerpolynom einen kleineren Grad als das Zahlerpolynom hat, fuhren

wir zunachst eine Division mit Rest durch; dies liefert:

f (x) =x4 − 3x2 + 5x + 4

x3 − 3x + 2= x +

3x + 4

x3 − 3x + 2.

Das Nennerpolynom hat x1 = 1 als Nullstelle mit Vielfachheit m1 = 2 und

x2 = −2 als Nullstelle mit Vielfachheit m2 = 1. Also ist der Ansatz fur die

Partialbruchzerlegung

3x + 4

x3 − 3x + 2=

3x + 4

(x− 1)2(x + 2)=

c11x− 1

+c12

(x− 1)2+

c2x + 2

Nach Multiplikation mit dem Nennerpolynom Q(x) und Koeffizientenvergleich

erhalten wir die Gleichungen

0 = c11 + c2 , 3 = c11 + c12 − 2c2 , 4 = −2c11 + 2c12 + c2.

381

Als Losungen ergeben sich daraus:

c11 =2

9, c12 =

7

3, c2 = −2

9.

Damit erhalten wir fur das gesuchte Integral∫

f (x) dx =

=

∫x dx +

∫3x + 4

x3 − 3x + 2dx

=x2

2+

∫ ( 29

x− 1+

73

(x− 1)2−

29

x + 2

)dx

=x2

2+

2

9· ln(|x− 1|)− 7

3(x− 1)− 2

9· ln(|x + 2|) + c

=x2

2− 7

3(x− 1)+ ln

9

√(x− 1

x + 2

)2

+ c

382

7.2 Das bestimmte Integral

Sei f : [a, b] → R eine auf [a, b] definierte Funktion. Wenn F : [a, b] → R eine

Stammfunktion ist, d.h. F ′(x) = f (x) fur alle x ∈ (a, b), dann heißt

∫ b

a

f (x)dx = F (b)− F (a)

das bestimmte Integral von f uber dem Intervall [a, b]. Weiter heißt x die

Integrationsvariable, f (x) der Integrand, und a, b heißen (untere und obe-

re) Integrationsgrenzen. Wir sagen, die Funktion ist auf dem Intervall [a, b]

integrierbar.

Ist f auf [a, b] und auf [b, c] integrierbar, so nennen wir f auch auf [a, c] integrier-

bar mit ∫ c

a

f (x)dx =

∫ b

a

f (x)dx +

∫ c

b

f (x)dx

In diesem Fall muss die Funktion f auf [a, c] keine Stammfunktion haben!

Warnung: Diese Definition stimmt nicht mit der in vielen Mathematikbuchern

gegebenen Definition der Riemann-Integrierbarkeit uberein. Fur alle in der Oko-

383

nomie auftretenden Funktionen, insbesondere fur alle stetigen Funktionen, stimmt

unsere Definition aber mit der Definition der Riemann-Integrierbarkeit uberein.

Die anschauliche Bedeutung des Integrals ist die einer Flache. Wir nehmen f (x) ≥0 fur alle x ∈ [a, b] an. Gesucht ist der Inhalt der Flache, die durch den Graphen

der Funktion und die x-Achse begrenzt wird.

Wir benutzen im folgenden fur F (b)− F (a) auch die Bezeichnung

F (x)∣∣∣b

a

Man kann zeigen, dass dieser Flacheninhalt fur stetige Abbildungen f mit f (x) ≥0 fur alle x ∈ [a, b] genau

∫ b

a f (x)dx = F (b) − F (a) ist. Gilt f (x) ≤ 0 fur alle

x ∈ [a, b], dann ist das Integral∫ b

a f (x)dx ≤ 0 und der negative Wert des Integrals

ist der Flacheninhalt.

Ist f in einigen Bereichen negativ, so werden die entsprechenden Bereiche im

Integral negativ gewichtet. Das Integral ist also die Summe der Flacheninhalte

oberhalb der x-Achse minus den Flacheninhalten unterhalb der x-Achse. Die

Berechnung des bestimmten Integrals ist in allen uns interessierenden Fallen im

Prinzip nicht schwieriger als die Berechnung unbestimmter Integrale: Es geht

384

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a b

f

y

x

“nur” darum, Stammfunktionen zu bestimmen.

Beispiel 7.8 (i) ∫ 1

0

x dx =1

2x2∣∣∣1

0=

1

2

(ii) ∫ 3

2

1

t− 1+ t dt = (ln(t− 1) +

t2

2)∣∣∣3

2=

5

2+ ln 2 ≈ 3, 2

385

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xa - b

-

++

(iii) Sei f (x) = ln x. Dann ist F (x) = x ln x − x eine Stammfunktion von f .

Also ist∫ 2

1

ln x dx = F (x)∣∣∣2

1= F (2)− F (1) = 2 ln 2− 1 ≈ 0, 4 .

(iv) Sei f (x) = 1x. Dann ist

∫ e

1

1

xdx = ln x

∣∣∣e

1= ln e− ln 1 = 1 .

386

(v) Sei f (x) = sin(x), dann ist

∫ 2π

0

f (x) dx = − cos(x)∣∣∣2·π

0= 0.

(vi) Sei f (x) = cos(x), dann ist

∫ 3π/2

0

f (x) dx = sin(x)∣∣∣3π/2

0= −1.

In der folgenden Skizze sind die Graphen dieser Funktionen gezeichnet (in der

Reihenfolge (i), (ii), (iii), (iv), (v), (vi) von links oben nach rechts unten). Machen

Sie sich in jedem Fall bitte klar, welchen Flacheninhalten das Integral entspricht.

387

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0.2 0.4 0.6 0.8 1

t

0

1

2

3

4

y

2 2.2 2.4 2.6 2.8 3

t

388

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

y

1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

t

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

y

1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 2.2 2.4 2.6

t

–1

–0.5

0

0.5

1

1 2 3 4 5 6

x

–1

–0.5

0

0.5

1

1 2 3 4

x

389

Eigenschaften bestimmter Integrale

Sei f : [a, b] → R eine integrierbare Funktion.

•∫ a

a f (x) dx = 0.

• Ist a > b, dann setzen wir

∫ b

a

f (x) dx = −∫ a

b

f (x) dx

390

• Fur alle c ∈ R gilt:

∫ c

a

f (x) dx +

∫ b

c

f (x) dx =

∫ b

a

f (x) dx .

• Sei g : [a, b] → R eine weitere integrierbare Funktion. Ist g(x) ≤ f (x) fur

alle x ∈ [a, b], dann gilt

∫ b

a

g(x) dx ≤∫ b

a

f (x) dx

Es ist nicht ganz einfach, sich die Bedeutung des Integrals klarzumachen, wenn

es nicht um eine Flachenberechnung geht. Es geht vielleicht so: Sie berechnen

zu einem Zeitpunkt t = a einen Funktionswert F (a). Das kann z.B. die Anzahl

Arbeiter sein, die ein Betrieb beschaftigt, aber auch die Menge des in einem Lager

vorratigen Erdols. Wenn Sie nun zu jedem Zeitpunkt t ∈ [a, b] wissen, wie sich F

andert, wenn Sie also F ′(t) kennen, dann kann man sich fragen, was denn F (b) ist.

Wir nennen F ′(t) = f (t). Anschaulich ist klar, dass man F (b) bestimmen kann,

denn F (a) ist ja bekannt und die Anderungen sind auch bekannt! Mathematisch

391

ist dies (im wesentlichen) das Integral, denn

F (b)− F (a) =

∫ b

a

f (t) dt.

Das bestimmte Integral auf dem Intervall [a, b] der Grenzfunktion (Ableitung)

einer Funktion F ist die Differenz F (b)− F (a).

Beispiel 7.9 Die momentane Nachfrage nach einem Gut werde durch die Funk-

tion f (t) =1000

(1 + t)2beschrieben. Die momentane Nachfrage ist die Grenzfunkti-

on der Gesamtnachfragefunktion. Die Gesamtnachfrage F (T ) fur einen Zeitraum

[0, T ] ist gegeben durch

F (t) =

∫ T

0

f (t) dt =

∫ T

0

1000

(1 + t)2dt.

Um diese Gesamtnachfrage zu berechnen, bestimmen wir zunachst eine Stamm-

funktion von f . Mit g(t) = 1 + t erhalten wir:

∫ T

0

1000

(1 + t)2dt = 1000

∫ T

0

g′(t)

(g(t))2dt = −1000

g(t)+ c

392

Also ist ∫ T

0

1000

(1 + t)2dt = − 1000

1 + t

∣∣∣T

0=

1000T

1 + T

Sind in einem Lager zunachst a < 1000 Stucke des Gutes vorhanden, so ist das

Lager leer zum Zeitpunkt T mit

a =1000T

T + 1, d.h. zum Zeitpunkt T =

a

1000− a

7.3 Uneigentliche Integrale

Ist eine der Integrationsgrenzen unendlich oder ist die zu integrierende Funktion

an den Integrationsgrenzen unbeschrankt, dann sprechen wir von uneigentlichen

Integralen. Drei Falle sind zu unterscheiden:

393

(Uneigentliche Integrale I)

Sei f : [a,∞) → R eine stetige Funktion. Falls der Grenzwert

limR→∞

∫ R

a

f (x) dx

existiert, so schreiben wir dafur

∫ ∞

a

f (x) dx = limR→∞

∫ R

a

f (x) dx.

Analog wird das Integral∫ b

−∞ f (x) dx fur eine Funktion f : (−∞, b] → R defi-

niert.

Beispiel 7.10 Gesucht ist, falls existent,

∫ ∞

1

1

x2dx. Es ist

∫ R

1

1

x2dx =

−1

x

∣∣∣R

1= 1− 1

R.

Also erhalten wir ∫ ∞

1

1

x2dx = 1 .

394

(Uneigentliche Integrale II)

Sei f : (a, b] → R eine stetige Funktion. Falls der Grenzwert

limǫց0

∫ b

a+ǫ

f (x) dx

existiert, dann schreiben wir dafur

∫ b

a

f (x) dx = limǫց0

∫ b

a+ǫ

f (x) dx.

Analog wird das Integral∫ b

a f (x) dx fur eine Funktion f : [a, b) → R definiert.

Beispiel 7.11 Gesucht ist, falls existent,∫ 1

01√xdx. Es ist

∫ 1

ǫ

1√xdx = 2x

12

∣∣∣1

ǫ= 2

(1−√

ǫ).

Also erhalten wir ∫ 1

0

1√xdx = 2.

395

(Uneigentliche Integrale III)

Seien a, b ∈ R ∪ {±∞}, a < b, und sei f : (a, b) → R eine stetige Funktion. Sei

nun c ∈ (a, b). Falls die beiden Grenzwerte

limαցa

∫ c

α

f (x) dx und limβրb

∫ β

c

f (x) dx

existieren, dann schreiben wir

∫ b

a

f (x) dx = limαցa

∫ c

α

f (x) dx + limβրb

∫ β

c

f (x) dx.

Beispiel 7.12 Wir bestimmen

∫ 1

−1

1√1− x2

dx

396

Es istlimαց−1

∫ 0

α1√1−x2

dx + limβր1

∫ β

01√1−x2

dx

= limαց−1 (arcsin(0)− arcsin(α))

+ limβր1 (arcsin(β)− arcsin(0))

= − limαց−1 arcsin(α) + limβր1 arcsin(β)

= −(−π2) +

π2 = π.

397