b a d i s c h e z e i t u n g Baby erstickte in der Nie...

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6 b a d i s c h e z e i t u n g aus land und r egion samstag, 22 . november 2008

„Der schlanke Staat ist ein starker Staat“I M B Z - G E S P R Ä C H : Die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger über die LBBW und die Finanzkrise

Vo n u n s e r e m R e d a k t e u r

Wu l f Rü s k a m p

FREIBURG. Um die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) aus ihrer Krise zuretten, ist die FDP im Land für alle bisherdiskutierten Lösungen offen. Birgit Hom-burger, die Landesvorsitzende der Libera-len im Land, hält es aber für unerlässlich,dass die LBBW zuvor alle vorhandenen Ri-siken aus ihren bisherigen Geschäften of-fenlegt. Im Gespräch mit der BadischenZeitung, das während der Verhandlungenzur Rettung der LBBW stattfand, kritisier-te sie die Informationspolitik des Bank-vorstands, der sich mit dem späten Einge-ständnis erheblich größerer Risiken alsbisher bekannt gründlich blamiert habe.

Versäumnisse der Politik in der Kon-trolle der Landesbank sieht sie nicht: DiePolitik könne nicht für Dinge verantwort-lich gemacht werden, von denen sienichts wisse. Und noch in der jüngstenVertreterversammlung, an der Wirt-schaftsminister Ernst Pfister (FDP) teilge-nommen habe, sei über die jetzt bekann-ten gewordenen Geschäftsrisiken nichtsberichtet worden. Deshalb habe Pfisterjetzt zu Recht die Informationspolitik desVorstands entsprechend scharf kritisiert,so Homburger.

Die Landesvorsitzende bewirbt sichheute beim Delegiertentag der FDP inFreiburg erneut um den Spitzenplatz aufder Landesliste zur Bundestagswahl. Siemuss, ebenso wie die acht folgenden Be-werber – allesamt Bundestagsabgeordne-te – keine Gegenkandidatur befürchten.Kein Wunder also, wenn sie sagt, die FDP

zeige inhaltliche und personelle Ge-schlossenheit. Auch die derzeitige Fi-nanz- und Bankenkrise schade nicht derAkzeptanz der Partei, obwohl, wie sie zu-gibt, in der gegenwärtigen Finanzkrisedie ordnungspolitischen Grundsätze derFDP hintangestellt werden müssten:Auch die Liberalen sehen die Notwendig-keit staatlicher Hilfen für die Banken. Zu-gleich beweise sich in dieser Situation,sagt Birgit Homburger, dass der schlankeStaat ein starker Staat sei. „Diese Krise istkeine Krise der sozialen Marktwirtschaft,sondern es waren zuerst staatliche Ban-ken, die in Schwierigkeiten geraten sind.Das zeigt: Der Staat ist nicht der bessereBanker.“ Die FDP sei schon vor der Krisefür eine straffe Bankenaufsicht durch dieBundesbank eingetreten.

Über die künftige Struktur der Landes-banken müsse nachgedacht werden, soHomburger. Einer Fusion der LBBW mitder Bayerischen Landesbank will sich dieFDP nicht in den Weg stellen – aber zuvormüssten alle in der Bayern-LB noch ver-borgenen Risiken auf den Tisch. Das Zieleines Landeshaushalts ohne Neuver-schuldung will sie nicht ohne weiteresaufgeben – „das bleibt ein zentrales Ziel“.Doch ob es einzuhalten sei, hänge vomAusgang der Finanzkrise ab.

M E N S C H E N V O N H I E R

Choucroute schießtmit Vivaldi ins KrautArsène Bingert produziert nach anthroposophischen Ideen

ERSTEIN. Bis Ende Dezember wird imElsass der Kohl für das „Choucroute“ ge-erntet. Beim Gedeihen des Sauerkrautsvon Arsène Bingert in Erstein wirkenauch die großen Komponisten klassi-scher Musik mit.

In der kleinen Scheune riecht es säuer-lich. Auf dem Metalltisch in der Mittethront ein Berg Sauerkraut. Arsène Bin-gert schichtet ihn von einer Ecke des Ti-sches in die nächste. Zwei Frauen wie-gen Portionen ab und füllen sie in Eimer-chen. Eigentlich ist nichts Ungewöhnli-ches daran. Trotzdem schütteln die Bau-ern aus der Gegend den Kopf über Bin-gert: „Des isch doch a Zauberer“.

Arsène Bingert stellt biologisch-dyna-misches Sauerkraut her. „Wir wolltennoch umweltverträglicher arbeiten alsein Bio-Betrieb“, sagt der 57-Jährige, dersogar die Grundsätze des Anthroposo-phen Rudolf Steiner berücksichtigt. Bin-gert verwendet nur selbsthergestelltenDünger, beim Pflanzen und Ernten rich-tet er sich nach den Mondphasen. Aufseinen Feldern hat er fünf Menhire (Hin-kelsteine) aufgestellt und getauft. Sie sol-len den Kohl vor elektromagnetischenStrahlen schützen. Er rückt ihm auchnicht mit der chemischen Keule zu Lei-be, sondern mit den Meistern der Klas-sik. Mozart, Vivaldi auf den Feldern ge-spielt, verbesserten den Ertrag der Pflan-zen. Durch die Scheune wabern grego-rianische Gesänge. „Mit religiösen Klän-gen erhöhe ich die Spiritualität der Pro-dukte. Sie bekommen mehr positiveEnergie. Das macht sie noch gesünder. “

„Eine harmonische Musik beeinflusstdie Stoffwechselvorgänge in der Pflanze.Sie wächst schneller, und das Sauerkrautschmeckt besser.“, erklärt Yannick VanDoorne. Der Agraringenieur aus Belgienhat den Einfluss von Musik auf Pflanzenstudiert und kümmert sich seit Februarum Bingerts Kohl. „Das Ganze ist wie bei

einem Kristallglas. Die richtige physikali-sche Frequenz kann das Glas zum Vibrie-ren oder sogar zum Platzen bringen. Sokann man auf molekularer Ebene mitMusik das Leben einer Pflanze beeinflus-sen, bestimmte Bakterien stimulierenoder andere zerstören.“

Bakterien entwickeln sich vor allemdann, wenn Kohl zu Sauerkraut verarbei-tet wird. Sie wandeln den Zucker derPflanze in Milchsäure um. Van Doornehat mit einem Computerprogramm einekurze Melodie komponiert, die gezieltdieses Bakterienwachstum beschleuni-gen soll. „Die Töne entsprechen genauder Dichte oder Masse der Moleküle, ausdenen die Bakterien bestehen“, erklärter. Die Melodie bekommt der geschnitte-ne Kohl, der in Fässern zu Sauerkraut he-ranreift, einmal am Tag für wenige Minu-ten zu hören. Sie soll dabei helfen, dasSauerkraut länger zu konservieren.

–Die Wissenschaftbleibt skeptisch

Wissenschaftlich ist die Wirkung vonMusik auf den Kohl noch nicht bewie-sen. „ Das klingt alles hochspekulativ“,sagt der Freiburger Biologieprofessor Ed-gar Wagner. Ganz ausschließen will er ei-nen Zusammenhang aber nicht. „Pflan-zen sind sehr sensibel für allerlei Signaleaus der Umwelt.“Arsène Bingert weiß,dass viele der biologisch-dynamischenLandwirtschaft skeptisch gegenüberste-hen. Die Bezeichnung Zauberer ist nochharmlos. „Ich weiß, dass sich viele übermich lustig machen. Das stört mich nichtweiter. Spätestens wenn die Menschenkrank werden, merken sie, dass sie etwasändern müssen.“ Bis dahin feilt er weiteran der richtigen Musik für seinen Kohl:In der nächsten Saison will er an jederEtappe der Sauerkrautproduktion dierichtige Musik parat haben. Los geht’s imFrühling von Vivaldi. Joana Jäschke

könnten Sämaschinen so nachgerüstetwerden, dass der Staub nicht mehr ent-weiche.

Der DBIB und auch der LandesverbandBadischer Imker wollen darauf nicht ver-trauen. Abgesehen davon werfen sie derLandesregierung vor, Erkenntnisse ausItalien nicht berücksichtigt zu haben. Be-reits im Jahr 2002 waren in den RegionenLombardei und Venetien Bienenvergif-tungen durch Clothianidin und verwand-te Wirkstoffe festgestellt worden. Der Be-fund war zwei Jahre später bei einer inter-nationalen Fachtagung veröffentlichtworden, bei der auch ein Bienenwissen-schaftler aus Baden-Württemberg teilge-nommen hatte.

Diesem Vorwurf hält Joachim Hauck,Leiter der Abteilung Landwirtschaft imStuttgarter Agrarministerium entgegen:„Es war ein Verdacht, der geäußert wur-de, es gab keine wissenschaftlich fundier-ten Belege. Sonst wäre die italienische Re-gierung verpflichtet gewesen, den EU-Be-hörden die Bienenvergiftungen zu mel-den und auch wir hätten Kenntnis davongehabt.“ Tatsächlich sind in Italien erst inden Jahren 2007 und 2008 behördliche

Studien angelaufen; die italienischeebenso wie die deutsche Regie-rung hatte die Anwendung erstin diesem Jahr verboten.

Sollte das Verbot in Deutsch-land bestehen bleiben, gibt es die

Möglichkeit, in Gebie-ten, in denen der Mais-

wurzelbohrer vorkommt,Fruchtwechsel vorzuschreiben

oder mit Spezialschleppern wäh-rend des Wachstums Insektizi-de auszubringen. Einige weni-ge Tiere wurden im Sommer

2008 in Mahlberg im Ortenaukreis undein einzelner Käfer bei Leutkirch im All-gäu registriert. „Wir warten die Entschei-dung des BVL ab, bevor wir eine Entschei-dung treffen“, sagt Joachim Hauck. DieBeizung sei im Vergleich zu anderenPflanzenschutzmethoden sehr effizient,weil nur geringe Wirkstoffmengen benö-tigt werden und kein Sprühnebel entste-he. „Die Korrelation zwischen mangeln-der Beizqualität und der Ausbringungs-praxis einerseits und dem Bienensterbenandererseits ist jedoch eine Tatsache, diewir nicht ausblenden“, sagt er.

Vo n u n s e r e r M i ta r b e i t e r i n

S i lv i a Fa l l e r

FREIBURG. Der Deutsche Berufs- undErwerbsimkerbund (DBIB) will gericht-lich gegen das Bundesamt für Verbrau-cherschutz und Lebensmittelsicherheit(BLV) vorgehen, sollte die Behörde dieZulassung des Maisbeizmittels Clothia-nidin wieder aktivieren. „Wir meinen,dass die bisherigen Prüfverfahren mitdenen die Wirkungen von Pflanzen-schutzmitteln auf Bienen und die Um-welt untersucht werden, unzureichendsind“, erklärt Christoph Koch, Imkeraus Oppenau im Ortenaukreis undDBIB-Vorstandsmitglied.

Er und seine Berufskollegen sind der An-sicht, dass die Behörden – darunter dasbaden-württembergische MinisteriumLändlicher Raum (MLR) das die Anwen-dung des umstrittenen Insektengifts imGebiet Lahr angeordnet hatte – das Bie-nensterben zum Anlass nehmen sollten,nicht nur das Zulassungsverfahren, son-dern auch die Anbaupraktiken zu über-denken. Im April und Mai die-ses Jahres waren im Ober-rheingebiet rund 11000Bienenvölker einge-gangen. Das Beizmit-tel haftete nicht ausrei-chend stark an den Saat-körnern, weshalb giftigerAbriebstaub aus den Säma-schinen auf blühende Pflan-zen gelangte (die BZ be-richtete). Angewandtwurde das Clothianidin, weil imSommer 2007 der Maiswurzelboh-rer aufgetreten war. Dieser Schäd-ling ist meldepflichtig.

Am 24. Mai hat das Bundesministe-rium für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz die Anwendung fürdie Dauer von sechs Monaten verboten.Doch ob dieses Verbot bestehen bleibt, istnoch offen. „Die Gespräche mit der Beiz-mittelindustrie und den Sämaschinen-herstellern laufen noch“, erklärt BVL-Sprecher Jochen Heimberg. Zwei Ansätzewerden verfolgt, informiert Utz Klages,Sprecher von Bayer Crop Science. Einer-seits werde die Qualitätskontrolle beimBeizprozess verbessert, zum andern

Berufsimker wollen gegen Zulassung der Maisbeize klagen

Nie wiederClothianidin

Baby ersticktein derTiefkühltruheMutter zu Haftstrafe verurteilt

ROTTWEIL (dpa). Eine 21-jährige Mutterist zu einer Freiheitsstrafe von dreiein-halb Jahren verurteilt worden. Das Land-gericht Rottweil sah es als erwiesen an,dass die Frau aus Horb am Neckar ihr Ba-by nach der Geburt in ein Gefrierfach ge-legt und es damit getötet hat.

Der Richter glaubte ihr nicht, dass siedas Mädchen nach der Geburt für tot ge-halten habe und verurteilte die Angeklag-te wegen Totschlags. „Sie haben ganz be-wusst niemanden zur Hilfe gerufen. Siewollten das Kind nicht, und deshalb solltees tot sein“, sagte er in seiner Urteilsbe-gründung. Die junge Frau hatte vor Ge-richt gestanden, ihre Tochter kurz nachder Geburt im Mai in einen Gefrier-schrank gelegt zu haben. Laut Obduktionist das Baby daraufhin erstickt.

Für glaubwürdig hielt das Gericht, dassdie Angeklagte ihre Schwangerschaft ausAngst verdrängt habe. Jedoch sei ihreSteuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt derGeburt nicht beeinträchtigt gewesen.Deshalb hätte sie einen Arzt rufen müs-sen. Strafmildernd wirke sich für die An-geklagte aber aus, dass sie Angst gehabthabe, ihren Partner und dessen Familiezu verlieren. Der Mann habe auf „brachi-ale“ Weise betont, er wolle kein Kind. DieStaatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Ge-fängnis wegen Totschlags gefordert. DerVerteidiger der 21-Jährigen beantragte ei-ne Bewährungsstrafe. Beide kündigtenim Anschluss an die Urteilsverkündungan, Rechtsmittel zu prüfen.

Aufnahmeantrag löstin der CDU Ärger ausHARTHEIM (BZ). Der CDU-Aufnahmean-trag des Hartheimer Bürgermeisters Mar-tin Singler sorgt für Ärger in der Partei:Der Landtagsabgeordnete Gundolf Flei-scher hat den Vorstand der CDU im KreisBreisgau-Hochschwarzwald aufgefordert,den Antrag abzulehnen. Der bislang par-teilose Singler sagte, er wolle in die CDUeintreten, weil er sich davon Vorteile fürseine Gemeinde erhoffe. Darüber ist Flei-scher empört: Die CDU behandle alle Ge-meinden gleich, so der Abgeordnete. Esbedürfe eines gehörigen Stücks Dreistig-keit, wenn ein Bürgermeister mit dieserBegründung in die Partei eintreten wolle.

Arsène Bingert hat ein wachsames Auge auf die Sauerkraut-Produktion.

Birgit Homburger F O T O : G R A B H E R R

Am Computer wird die Sauerkraut-Musik komponiert. F O T O S : J O A N A J Ä S C H K E