Beeinflussung der Einheilung von Homotransplantaten durch Kastration

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 218, S. 483--487 (1953).

Aus dem Institut fiir Medizin und Biologie der I)eutschen Akademie der Wissen- sehaften zu Berlin (Direktor: Prof. W. F~IEDRIC~), Abteflung fiir Pharmakologie

(Prof. F. Juno).

Beeinflussung der Einheilung yon ttomotransplantaten durch Kastration.

Sexualhormone und Itauttransplantation I.

Von PETER SCH~FER,

(Eingegangen am 8. April 1953.)

Haut t ransplanta te , die zwischen heterozygoten Individuen ausge- tauseht werden, heilen auf die Dauer in etwa 10% der Fi~lle ein (SCHii- FER 1) (fiber Einheilkriterien siehe SCI~3iFER2). Die Versuche, den Pro- zentsatz der Dauereinheilung durch kfinstliche (pharmakolog. u. a.) Ein- griffe an den Transplantaten oder den beteiligten Transplantations- par tnern bemerkenswert zu erhShen, sind fehlgeschlagen oder ihren Er- gebnissen fehlt die n6tige quanti tat ive und statistische Sicherheit. Die quanti tat ive Unsicherheit frfiherer Untersuchungen beruht auch oft auf einer unzweckm~l]igen Wahl des Einheilkriteriums.

Man kann v o n d e r Vorstellung ausgeben, dag die Einheilung bei der Homotransplanta t ion yon der individuellen biologischen Besehaffenheit (ScHbNE 1, 2, LOEB 1, 2) der Transplantat ionspartner abh~nge. So ist zwischen Tieren tines Inzuchts tammes (homozygote Tiere) die Haut- verpflanzung grunds/~tzlich erfolgreich (Scg)IFER ~, LOEB a, MCI~DoE, ASrDI~ItSON), was auf der erbbiologischen Angleichung der Individuen eines solchen Stammes beruhen mug. Aus phylogenetisch-ontogeneti- schen Grfinden mug man erwarten, dab in der Ontogenese erst die in- dividuelle Beschaffenheit der Organismen aufgebaut wird. Ieh nehme ferner an, dag die hormonellen ,,Pr~gungsstoffe" (GtrDERNATSC~) bei der ontogenetischen Entwicklung der biologischen Individualiti~t mit- wirken. Auf diesen Vorstellungen fuBen die folgenden Untersuchungen.

)Iethodik. Neugeborene weibliche und m/innliche Ratten wurden spgtestens 24 Std nach

der Geburt kastriert. Die mikroskopische Identifizierung der ffisch exstirpierten Keimdriisen bestgtigte die gelungene Operation. 3 Monate nach der Kastration wurde ein Lappen der Bauchhaut yon 490 mm 2 frei verpflanzt. Auf die technischen Einzelheiten, die Beobachtungszeit (60 Tage) und das Einheilkriterium (Haarwuchs gegen den Strich usw.) bin ich friiher eingegangen (Sc~IXFERa). Die 60 Tage nach der Operation gemessene eingeheflte Fl~che ver/indert sich sparer im allgemeinen nicht mehr (ScHX~'v.R2).

484 P. SC~XFE~:

Die hinreichend diinnen Bauchhautlappen heilen praktisch in allen F/illen mit einer gewissen Mindestfl/iche ein, wenn sie autoplastisch ver- pflanzt werden, dagegen nur in etwa 10~o der F/~lle, wenn sie zwischen heterozygoten Tieren ausgetauscht werden. Bei 38 nicht kastrierten und bei 52 kastrierten Tieren wurden die Haut lappen in den Ort der Ent- nahme wieder eingen/~ht (Autotransplantation, Replantation). ]3ei 64 nicht kastrierten und 60 kastrierten Tieren wurden die Lappen zwischen den Par~nern ausgetauscht (Homotransplantation). Die kastrierten homotransplantierten Tiere sollten mit den kastrierten autotransplan- tierten und mi~ den nicht kastrierten homotransplantierten Tieren und dann diese drei Reihen mit den nicht kastrierten autotransplantierten Tieren verglichen werden. Wegen der Einheitlichkeit des Materials haben wir nur Tiere der F1-Generation verwandt und die Homotransplanta te zwischen gleichgeschlechtlichen Wurfgeschwistern ausgetauscht. Die Tiere waren also nicht mehr streng heterozygot. Es muBte nun gepriift werden, ob in der F1-Generation zwischen Wurfgeschwistern eine erb- biologische Angleichung eingetreten war, die das durchschnittliche Ein- heilergebnis bei der Homotransplantat ion hgtte beeinflussen k6nnen: Die durchschnittliche Einheilft/iche bei homoplastischer Verpflanzung zwischen gewShnlichen Tieren der F 1- Generation war v o n d e r mitt leren Einheilflgche einer streng heterozygoten Homotransplantat ionsreihe nicht verschieden (Tab. 1).

Tabelle 1. Vergleich der Einheilergebnisse bei der Homotransplantation zwischen heterozygoten Tieren und W~tr/geschwistern der Fl-Generation.

l lll • ~o ~ ~

Homotransplantation Zwischen hetero- zygoten P~rtnern . 51 4 8% 40 14,5 I

Zwisehen Wuffge- I 23,5% schwistern der F~- 6% I Generation . . . . 65 9 14% i 31 11 ]

Ffir die Kastrat ion mul~te nachgewiesen werden, ob sie nicht schon eine Beeinflussung der Autotransplantat ion bedinge.

Ergebnis. 1. Ich habe die Auswertung unter zwei Gesichtspunkten vorgenom-

men: Erstens habe ich die Versuchsreihe beurteilt nach der H/iufigkeit der Treffer, d. h. ich habe sie charakterisiert durch die relative Hi~u/igkeit

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der als eingeheflt zu bezeichnenden Transplantate. Zweitens habe ich die Versuchsreihen nach Ausmessen der eingeheilten Flgche in Quadrat- millimeter als Meflreihen betrachtet und sie durch den arithmetischen Mittelwert und seinen mittleren Fehler gekennzeichnet.

2. Bei autotransplantierten nicht kastrierten Tieren und autotrans- plantierten kastrierten Tieren beiderlei Geschlechts ist die H~ufigkeit der eingeheilten Lappen praktisch gleich und betri~gt 100~o. Der Ver- gleich der mittleren Einheflfli~che beider Reihen zeigt dagegen einen deutlichen Untersehied :

Nach der statistischen Prfifung ist diese Differenz der mittleren Einheil- fl~chen grSBer als die ffir zuf~llige Abweichungen noch erlaubte Grenz- differenz (a-Diff.) (Tab. 2). Das Fehlen der Keimdriisenhormone fiihrt unter den vorliegenden Versuchsbedingungen zu einer Verbesserung der mittleren Einheilfl~che bei autotransplantierten Hautlappen. Vielleicht ~uBert sich hierin eine Umstellung des Hautwachstums fiberhaupt, die die Transplantate unabh~ngig yon dem Einheflvorgang grSl~er werden l~Bt Ms bei nicht kastrierten Tieren.

Tabelle 2. Vergleich der Einheilergebnisse zwischen Autotransplantation und Homo- trans olantation bei nicht kastrierten und kastrierten Tieren.

A utotransplantation

Nicht kastrierte R. Kastrierte R . . . . .

Homotransplantation

Nicht kastrierte R . . Kastrierte R . . . .

38 52

64 60

38 100% 233 8,2 51 98% 284 12,5 51 47

9 14~o } 31 l l } 25 42% 28% 22% 75 40 106 7,8:

3. Die im autoplastischen Verfahren immer einheilenden (diinnen) Bauchhautlappen heilen bei der Homotransplantation zwischen nicht verwandten (heterozygoten) Rat ten und zwischen Wurfgeschwistern der F1-Generation mit praktisch der gleichen Hi~ufigkeit yon 8 bzw. 14% ein. Auch die mittleren Einheilflgchen beider Versuchsreihen unter- scheiden sich kaum (Tab. 1):

In der F1-Generation ist gegen die heterozygote P-Generation keine erbbiologische Angleichung, die die Einheilchance yon Homotransplan- taten wesentlich beeinilul~te, festzustellen. Die Schliisse, die aus Ver- suchen mit F1-Tieren in diesem Zusammenhang gezogen werden, kSnnen dann auch fiir nicht verwandte Tiere gelten.

486 P. SCH~FE~:

4. Die Kastra t ion am Tage der Geburt bei Tieren der F 1- Generation beiderlei Geschlechts ffihrt zu einem deutlichen Anstieg der Einheil- h~ufigkeit yon 1-Iomotransplantaten. Die Differenz der Einheilh~ufigkeit zwischen homotransplantier ten nicht kastrierten und homotransplan- tierten kastrierten Tieren betr~gt 28% . Die noch ffir zuf~llige Abwei- chungen erlaubte Grenzdifferenz betr~gt 22,4O/o . Auch ffir die mitt leren Einheilfli~chen l ~ t sich nachweisen, daI~ sie verschiedenen Grundgesamt- heiten angehSren (Tab. 2):

Die Kastra t ion am Tage der Geburt ffihrt zu einer best immten ,E in- stellung" organismischer Bedingungen, die der t tomot ransp lan ta t ion gfinstig sind. Ob eine Verwischung oder Aufhebung der biologischen Individualit~t eingetreten ist, wird durch den Befund noch nicht er- wiesen, obschon diese Hypothese zu diesem Befund ffihrte.

Die Auswirkungen der Kastra t ion auf Auto- und Homotransplanta- tion mSchte ich auf getrennte Ursachenkomplexe zuriickfiihren. Fiir die erfolgreiche Homotransplantat ion mfissen best immte Bedingungen vor- liegen, die fiir die erfolgreiche Autotransplantat ion belanglos sind ( S c ~ . ~ l ) .

Tabelle 3. Vergleich der Einheilergebnisse zwischen Autotransplantation und Homo- transplantation nach Au]trennung in die Geschlechter.

A utotransplantation

Nicht kastrierte R.

Kastrierte R. 3

Homotransplantation

Nicht kastrierte R. !~ 3

Kastrierte R.

l l 27 27 25

31 33 19 41

11 27 26 25

5 4

11 14

i

loo% loo% 96%

1~o%

16% 12% 58% 34% 24% 36%

228 236 267 305

41 22

144 88

17 15

18 11 33 21

38

56

75

127

5. Ich habe zu priifen versucht, ob den weiblichen oder den mi~nn- lichen Keimdrfisenhormonen eine bevorzugte Bedeutung zukommt. Die Aufteilung naeh den Geschlechtern (Tab. 3) zeigt ftir die Autotrans- plantat ion keinen Unterschied in der Einheflhi~ufigkeit. Dagegen zeichnen sich m~nnliche, am Tage der Geburt kastrierte Ra t ten durch eine hohe mittlere Einheilfl/~che aus. Die statistische Uberpriifung erweist jedoch

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den Unte rsch ied zwischen weibl ichen und m~nnl ichen Tieren als un- echt , e r l aub t jedenfal ls der ger ingen Tierzahl wegen noch keine b indenden Schli isse: Die vor l iegenden D a t e n k5nnen fiir die weibl ichen oder ffir d ie m~nnl ichen Ke imdr f i senhormone keine bevorzug te Einflui3nahme nachweisen.

Auch ffir d ie H o m o t r a n s p l a n t a t i o n l iegt der Un te r sch ied zwischen den m i t t l e r e n Einhei l f l~chen weibl icher und m~nnl icher ka s t r i e r t e r R a t t e n (Tab. 3) im Bereich der zufall ig mSglichen Mi t t e lwer t schwankung .

Diese wicht ige F r a g e darf , wegen der ger ingen Anzah l der Tiere, noch n ich t als abgeschlossen gelten.

Zusammenfassung. R a t t e n beider le i Geschlechts wurden a m Tage der Gebur t kas t r i e r t .

I m Al t e r yon 3 Mona ten wurden B a u c h h a u t l a p p e n au top las t i sch und homoplas t i sch verpf lanzt . Bei ka s t r i e r t en Tieren he i l ten Au to t r ans - p l a n t a t e mi t einer grS~eren mi t t l e r en Einheil/lgche bei gleicher Einhei l - Miu/iglceit ein. H o m o t r a n s p l a n t a t e hei len bei ka s t r i e r t en Tieren mi t e iner 3fach hSheren Einheilh~iu/igkeit und Einheilfl5che ein. Die s ta t i - s t i schen Berechnungen s ind nach KOZLER durchgeff ihr t .

Literatur. ANDERSON, D., 1:~. E. BILLINGHAM, G. H. LAMPKIN and P. B. i~EDAWAI~: Here-

di ty (Edinburgh) 5, 379 (1951). - - GUDERNATSCH, F.: Hdb. d. inn. Sekretion I I , 1493 ( 1 9 3 0 ) . - KOLLER, S.: ,,Graphische Tafeln zur Beurteilung statistiseher Zahlen", Leipzig, 1943. - - LOEB, L.I: J. Med. Res., Boston 38, 393 (1918). - - LOEB, L.2: ,,The biological basis of individuality", Springfield J l l . 1947. - - LOEB, L.3: Amer. J. Path. 3, 143 (1927). - - MCINDOE, A., and A. FRANCESCHETTI: Brit. J. Plast. Surg. 2, 283 (1950). - - SCI~XFER, p.a: Virchows Arch. 317,484 (1949). - - SCHXEER, p . l : Virchows Arch. 320, 397 (1951). - - SC~;4FER, p. 2: Dtsch. Gesdh. wes. 7 Jg., 490 (1952). - - SC~6NE, G.I: Naturwiss. 1, 489 (1913). - - SCnONE, G.2: Zbl. Chir. 1941, Nr. 32.

Dr. Dr. PETER SCH~FER, Berlin-Buch, Deutsche Akademie der Wissenschaften, Inst. f. Med. u. Biol.