Behandlungsfehler und Fehlermanagement · Behandlungsfehler und Fehlermanagement in Klinik und...

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Behandlungsfehler und Fehlermanagement

in Klinik und (Hausarzt-)Praxis

Dr. Torsten BuchheitFacharzt für Innere MedizinNaturheilverfahren, Notfallmedizin, AkupunkturFachkunde Geriatrie

Münchweiler / Rodalb

12.11.2014

Zentrum AllgemeinmedizinMedizinische Fakultät Homburg / Saar

Universität des Saarlandes

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Ich werde Hausarzt! Torsten Buchheit Zentrum Allgemeinmedizin

Hapag-Lloyd-Flug 3378

Airbus A310 12.7.2000 Von Kreta nach Hannover

Das Bild entstand allerdings in Wien

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Fehler bei Flug 3378Technischer Fehler zu Beginn:Sicherungsring fehlte

Mutter um 10 mm gelockertFahrwerk konnte nicht verriegelt werden

Landen? Weiterfliegen?

Fehlerhafte Entscheidung: Flug Richtung Deutschland fortsetzen neues Ziel München

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Fehler bei Flug 3378Flight Management System zur

Reichweitenberechnung

Nicht erkannt: Berechnung gilt nur mit eingezogenem Fahrwerk

In Höhe Zagreb wurde dieTreibstoffreserve für 30 Minuten unterschritten

Vorschrift: „Notlandung auf dem nächsten Flughafen“ wurde ignoriert

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Fehler bei Flug 3378Fehlerquelle: Hierarchie

Pilot (56 Jahre alt,30 Jahre Flugerfahrung)

ignorierte die Aufforderung des Copiloten (25 Jahre alt,

4 Jahre Flugerfahrung),

eine Notlage zu erklären

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Fehler bei Flug 3378 Fuel low level warning 85 Meilen vor Graz

Falsche Entscheidung: Flug fortgesetzt Richtung Wien (131 Meilen)beidseitiger Triebwerksausfall 22 km vor Wien

Hektik nach beidseitigem TriebwerksausfallLand Recovery-Schalter nicht betätigt

eingeschränkte Manövrierbarkeit

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Fehler bei Flug 3378Ein Triebwerk konnte nochmals angelassen werden

für wenige Sekunden Schub

sonst wäre das Flugzeug außerhalb des Flughafenszu Boden gekommen, im Bereich einesPropangaslagers

Bodenberührung 660 m vor der Landebahn Abbrechen des Fahrwerks Fehlerhafte Evakuierung, vom Kapitän nicht beaufsichtigt

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Bilanz von Flug 3378 Insgesamt wurden 12 Flugplätze passiert

26 Personen leicht verletzt bei der Evakuierung

Totalschaden am Flugzeug (20 Mio. €)

Teile der Anflugbefeuerung der Piste 34, ein Großteil der Antenne des Landekurssenders Piste 16 sowie Teile der Pisten- und Rollwegbefeuerung zerstört

Der Flugkapitän wurde wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

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Verbesserungen nach dem Unfall

Ergänzung Handbücher: Flight Management System – Reichweite nur bei eingezogenem Fahrwerk

Häufigere Kontrolle der Sicherungsringe

Bessere Teamarbeit der Crew

Propangaslager der Einflugschneise verlegen

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Lernziele

Fehlerberichtssystemewww.jeder-fehler-zaehlt.deund www.cirsmedical.de kennen

Impulse zum Aufbau einer Fehlerkultur erhalten

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Inhalt

1. Warum Fehlermanagement?2. Fehlerforschung3. Fehlerkultur4. Fehlerberichtssysteme5. Pseudofehler6. Qualitätsmanagement

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1. Warum Fehlermanagement in der Medizin?

Ein Fehler in der Medizin kann tödlich enden.

Viele kleinejeweils für sich unbedeutende Fehler

summieren sich im Einzelfall unter besonders unglücklichen Umständen

zur Katastrophe.

denn

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1. Warum Fehlermanagement?

Kernaussagen der Fehlerforschung

Jeder macht Fehler.

Niemand macht absichtlich Fehler.

(Fast) jeder Fehler hat eine systemische Komponente.

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Patientin mit Unterschenkelfraktur und Gehgips, am Freitagnachmittag aus der Klinik entlassen.

Montagmittag Hausbesuchsanforderung, nicht als dringlich eingestuft.

Dienstag Hausbesuch

1. Warum Fehlermanagement?Schnittstelle Hausarzt/Krankenhaus (jfz307)

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Schwellung und Schmerz im Unterschenkel

Diagnose: akute Unterschenkelvenenthrombose

Mehrere Probleme:

- Klinik gab kein Heparin fürs Wochenende mit

- Stationsarzt informierte die Patientin nicht über die Dringlichkeit der Thromboseprophylaxe

- Arztpraxis fragte nicht nach dem Grund des Hausbesuchs, deshalb nochmalige Verzögerung

1. Warum Fehlermanagement?Schnittstelle Hausarzt/Krankenhaus (jfz307)

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Verbesserungsvorschläge:- Anruf vom Stationsarzt beim Hausarzt bei Entlassung, wenn wichtige Dinge zu klären

sind

- Fax des Entlaßbriefs

- Im Krankenhaus klären, ob die Medikation bis zum Kontakt des Hausarztes gesichertist, dabei Verzögerung des Transports berücksichtigen

- Arztpraxis muß immer den Grund des Hausbesuchs erfragen

Patient instruieren: gleich nach KH-Aufenthalt beim Hausarzt melden

1. Warum Fehlermanagement?Schnittstelle Hausarzt/Krankenhaus (jfz307)

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1. Warum Fehlermanagement?Was ist ein Behandlungsfehler?

Nicht ganz korrekt oft auch Kunstfehler genannt (Behandlung „Lege artis“: nach den Regeln der Kunst)

Jargon der Boulevardblätter: „Ärztepfusch“

Nicht angemessene Behandlung eines Patienten durch den Arzt- Nicht sorgfältig- Nicht richtig- Nicht zeitgerecht

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1. Warum Fehlermanagement?Bessere FehlerdefinitionEin Vorfall, von dem Sie behaupten können:

"Das war eine Bedrohung für das Wohlergehen des Patienten und solltenicht passieren. Ich möchte nicht, daß es noch einmal passiert."

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1. Warum Fehlermanagement?Fernöstliche Betrachtungsweise

Tai-Chi-Symbol

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1. Warum Fehlermanagement?Fernöstliche Betrachtungsweise

Fehler = Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Lernen- aus eigenen Fehlern- aus von Anderen begangenen Fehlern

Deshalb benötigen wir einen offenen Umgang mit Fehlern!

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1. Warum Fehlermanagement?Ziel

Verbesserungder Patientensicherheit

Hausärzte sind die erste Fachgruppe mit einem bundesweiten

Fehlerberichtssystem

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2. Fehlerforschung

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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)

Patientin mit bekanntem Diabetes war zur DMP-Routineblutentnahme in der Praxis, klagte über Schwindel

BZ-Stix: 651 mg% sofortige Krankenhauseinweisung

Wo liegt der Fehler?

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2. FehlerforschungGeschichte

Seneca (1-65 n.Chr.): Irren ist menschlich.

Horaz (65-8 v.Chr.): In Fehler führt uns die Flucht vor Fehlern.

Konfuzius (551-479 v.Chr.): Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.

Cicero (106-43 v.Chr.): Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum.

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2. FehlerforschungIshikawa-Diagramm (1940): „4M“ Ursache und Wirkung

Mensch Maschine

Methode Material

Problem

„Fischgräten-Diagramm“

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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)

Rückruf vom Krankenhaus: BZ ist 160

Fehler: BZ-Gerät wurde verkehrt herum gehalten (651 statt 159)

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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)

Gerät war neu, Helferin ohne Einweisung

BZ-Geräte werden für die Selbstmessung konstruiert: Anzeige zeigt oft zum Patienten

keine Einheit in der Anzeige, nur Zahlen

BZ-Geräte zeigen meist keine Werte über 400 mg% an, sondern die Fehlermeldung „High“ oder „Ketone“

Die Messung hätte wiederholt werden können, Ergänzung durch Urinstatus (Harnzucker)

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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)

Mensch Maschine

Methode Material

Problem

Keine Einweisung am Gerät

Kein narrensicheres Display

KH-Einweisungohne Kontrollwert

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2. FehlerforschungTechnischer Fehler (jfz 510)

Schaden: Keiner (aber: Umstand, Kosten)

Gefährdungspotential: Gering bis hochWiederholungsgefahr: Gering

Maßnahmen:- In Zukunft immer Geräteeinweisung- Ergänzungsmessung

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2. FehlerforschungRisikomanagement

Systematisches Erkennen von Schwachstellen, um vorbeugend Gegenmaßnahmen aufzubauen

Ultra-Safe-Industries (Luft- und Raumfahrt, Kernenergie, Petrochemie) schon seit vielen Jahren

Die Medizin befaßte sich erst relativ spät damit.

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2. FehlerforschungFehleranalyse jedes einzelnen Fehlers

Fehler im Ansatz

korrigieren

Fehler systemischverhindern

Fehlerpotentialerkennen

Fehlerauswirkungminimieren

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2. FehlerforschungFehleranalyse: Paravasat bei Chemotherapie“http://www.habichtswaldklinik.de/media/files/Download/Leitlinie_Paravasat.pdf

Fehler im Ansatz

korrigieren

Fehler systemischverhindern

Fehlerpotentialerkennen

Fehlerauswirkungminimieren

Notfall-Therapie-schemata

Patienten überwachen

Schulung der Ärzte und Pfleger

Bewußtsein schärfen

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2. FehlerforschungJames Reason:Human error: models and management, BMJ 2000;320:768-770

Verschiedene Schichten, um Fehler abzuwehren - Technische Systeme- Personal- Sicherheitskontrollen- Qualitätsmanagement

In jeder dieser Schichten können latente Fehler vorliegen.

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2. FehlerforschungSchweizer-Käse-ModellFehlerkultur und Teamtraining – das „missing link“ im medizinischen Risikomanagement(N. Pateisky – Universitätsfrauenklinik Wien)

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2. FehlerforschungNicht gefundene Nebenwirkung Patient mit Myasthenia gravis, jetzt eitrige Bronchitis Antibiotikaindikation: Roxithromycin Myasthenie

Beipackzettel aus der Praxissoftware wird im Patientenbeisein besonders sorgfältig studiert. Kein Hinweis auf Kontraindikation

Patient nimmt Roxithromycin einAtemwegsbeschwerden = myasthene Krise

Notarzt gerufenPyridostigmin iv

wieder gut

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2. Fehlerforschung Nicht gefundene Nebenwirkung: unmittelbare Folgen Patient beschwert sich: Medikamentenbeipackzettel enthält die

Kontraindikation Recherche Kontraindikation nicht im Computerbeipackzettel Internet: Kontraindikation nicht in manchen Beipackzetteln

und nicht in manchen Fachinformationen

Meldung des Fehlers an Jeder-Fehler-Zählt

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2. Fehlerforschung Nicht gefundene Nebenwirkung: Schadenspotential

Schaden: Keiner

Gefährdungspotential: Extrem

Wiederholungsgefahr: Hoch(mit dieser Arzneimitteldatenbank arbeiten 80 000 Ärzte!)

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2. Fehlerforschung Nicht gefundene Nebenwirkung: Fehleranalyse

Eigenes Unwissen über Kontraindikation

Vertrauen des Arztesin den Computerbeipackzettel

Vertrauen des Patientenin den Arzt

Kontraindikation nicht im gekürzten Computerbeipackzettel

Apotheker nicht gefragt

Beipackzettel nicht gelesen

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2. Fehlerforschung Nicht gefundene Nebenwirkung:weitere Folgen

Ifap-Institut ändert den Computerbeipackzettel

60 Softwarehäuser, 75 Praxisprogramme

80 000 Ärzte in Deutschland

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medikamentensicherheit überprüft alle Roxithromycin-Beipackzettel und Fachinformationen

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2. Fehlerforschung Nicht gefundene Nebenwirkung: Maßnahmen gemäß Schichtmodell

Schicht 1 (Arzt): Doppelte Recherche- Leitlinien- Rote Liste

Schicht 2 (Apotheker): Immer Medikamentenüberprüfung wegen Myasthenie

Schicht 3 (Patient): Beipackzettel immer lesen

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2. FehlerforschungKommunikationsproblem

Medikament „Omep“

Erklärt: bitte eine halbe Stunde vor dem Frühstück einnehmen.

Auf die Musterpackung geschrieben:„30 Min vor dem Essen“

Ergebnis: Patient öffnet die Kapsel, zählt davon 30 Pellets ab und nimmt diese ein.

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2. FehlerforschungKommunikationsproblem

Schaden: Keiner Gefährdungspotential: Gering Wiederholungsgefahr: Gering

Aber: Hätte eine ernste Erkrankung vorgelegen, hätte es gefährlich werden können.

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2. FehlerforschungAbhilfe: bessere Kommunikation

Gesagt ist noch nicht gehört.

Gehört ist noch nicht verstanden.

Verstanden ist noch nicht einverstanden.

Einverstanden ist noch nicht gemacht.

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3. Fehlerkultur

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3. FehlerkulturHeute noch: Hierarchie

ChefarztOberarztAssistenzarztStationsleitungKrankenschwesterSchwesternhelferinPutzfrau

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3. FehlerkulturHeute noch: Hierarchie

ChefarztOberarztAssistenzarztStationsleitungKrankenschwesterSchwesternhelferinPutzfrau

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3. FehlerkulturBesser: Arbeit im Team

ChefarztOberarztAssistenzarztStationsleitungKrankenschwesterSchwesternhelferinPutzfrau

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3. FehlerkulturHeute noch: Anprangern von Fehlern

Öffentlich anklagen

Bloßstellen

Erniedrigen

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3. FehlerkulturHeute noch: Anprangern von Fehlern

Öffentlich anklagen

Bloßstellen

Erniedrigen

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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen

weg von der Sündenbockmentalität(engl: name, shame and blame)

Fehler straffrei und ohne Imageverlust aufarbeiten

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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen

Fehler = Schatz

(weil: Fehler = Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen)

Fehlersammlung = Schatzkiste

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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen

Alle Fehler erfassen und analysieren, gerade im Hinblick auf Systemfehler.- Fehlerbuch- Dummy-Patient Fritz Fehler im Computer

Regelmäßige Teambesprechungen mit Verbesserungsvorschlägen

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3. FehlerkulturDie Reform beginnt von unten

Heutige Chef- und Oberärzte: mit einer Fehlerkultur nicht aufgewachsen und nicht vertraut

Zukünftige Ärzte: Fehlerkultur aufbauen und vorleben

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3. FehlerkulturPraxisadministration

Anruf vom Pflegedienst kurz nach 12 Uhr: „Die Frau Maria W. ist gestürzt, hat Schürfwunden, ob der Doktor sich das nicht mal ansehen könnte?“

Hausbesuch gleich nach der Sprechstunde

Frau Maria W. trinkt mit einer Freundin Kaffee, lächelt verwundert.

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3. FehlerkulturPraxisadministration

In der Praxis gibt es zwei Patientinnen namens Maria W.

Die Helferin wissen das, weil es öfter schon Verwechselungen gab.

Die Helferin hatte die feste Vorstellung, es könne nur die eine Frau W. sein, so daß die erforderliche Rückfragenach Geburtsdatum oder Adresse unterblieb.

Uhrzeit: Kurz vor der Mittagspause

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3. FehlerkulturPraxisadministration

Schaden: Keiner

Gefährdungspotential: Gering bis hochWiederholungsgefahr: Hoch

Maßnahmen:- Fehlerdokumentation in Fehlersammlung- Teambesprechung- Sicherheitsfrage („Ist das auch die richtige Frau W.?“)

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4. Fehlerberichtssystem

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4. Fehlerberichtssystem

(Fehler = Schatz, Fehlersammlung = Schatzkiste)

Ursprünglich aus dem Bereich Luftfahrt(Critical incident reporting System: CIRS)

später auch in anderen Bereichen verwendet

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4. FehlerberichtssystemAblaufBehandler meldet anonym

Institut kommentiert

Fehlerdatenbank (Internet)

Veröffentlichung

Benutzer können Fehler diskutieren

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4. Fehlerberichtssystem www.jeder-fehler-zaehlt.de

Institut für Allgemeinmedizin, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main

Hausärztliches Fehlerberichts- und Lernsystem.

Hausärzte sind die erste Fachgruppe mit einem bundesweiten Fehlerberichtssystem.

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4. Fehlerberichtssystemwww.cirsmedical.de

Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Vor allem Meldungen aus Krankenhäusern.

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4. FehlerberichtssystemeÜbersehene Diagnose (jfz 515)

Patientin Mitte 20 mit Abgeschlagenheit und „starker Erkältung“ in gynäkologischer Praxis (hatte Notdienst) im Urlaubsort

Kurze Untersuchung in der Hektik: Diagnose Erkältung

Empfehlung: Bettruhe im Hotel

Patientin wurde nach Hause geholt, dort in Notdienstpraxis vorgestellt: 40°Fieber, Rasselgeräusche, Krankenhauseinweisung

Diagnose:Pneumonie mit Pleuraerguß

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4. FehlerberichtssystemeÜbersehene Diagnose (jfz 515)

Prinzip des abwendbar gefährlichen Verlaufs: Eine gefährliche Erkrankung präsentiert sich zunächst vermeintlich als ganz typisch wie eine andere.

Sorgfältig untersuchen: Hier war kein Fieber gemessen worden.

Maßnahmen für den Fall der Verschlechterung treffen (Wiedereinbestellung, Rufbereitschaft)

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4. FehlerberichtssystemeZiele

Strategienentwickeln

Vermeidung von Fehlern

Verbesserung der Patientensicherheit

Erkennen vonFehlerpotential

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4. FehlerberichtssystemeAllergie (Cirsmedical 760)

Patientin nimmt Diclofenac Tbl, daraufhin Quaddeln

Absetzen, Loratadin Vermerk in roter Schrift auf der Karteikarte Warnhinweis in der EDV Einlegeblatt für Notfallausweis an Patientin gegeben

Ein Jahr später: Warnhinweis nicht gelesen, erneute Diclofenacgabe, schwerere Allergie

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4. FehlerberichtssystemeAllergie (Cirsmedical 760)Vermeidungstipps (verschiedene Schichten):

Patientin einschärfen- in Zukunft bei jeder Schmerzmittelgabe Allergie angeben- im Krankenhaus oder bei anderen Ärzten- aber auch beim Hausarzt

Arzt einschärfen- Routinemäßige Frage vor jeder Verschreibung: Haben Sie das Medikament schon mal

genommen? Und gut vertragen?

Apotheker einbeziehen

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4. FehlerberichtssystemBandbreite der gemeldeten Fehler

Verständigungsproblememit dem Patienten

Fehler durch Patienten

Abstimmungs– und Kommunikationsprobleme

MedizinischeFehleinschätzungen

Administrative Fehler

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5. Pseudofehler

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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260

50jähriger Patient mit stechendem Brustschmerz seit Wochen nicht in Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, macht Sport Palpation: Thoraxdruckschmerz auslösbar klinische Untersuchungen von Herz und Lunge unauffällig, EKG unauffällig

Diagnose: Brustwandsyndrom

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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260

zehn Tage später (Vertretungspraxis) immer noch Beschwerden, Patient wünscht Überweisung zum Lungenfacharzt

in Ambulanz der Lungenklinik zusammengebrochen, Diagnose: Myokardinfarkt einen Tag später verstorben

Nachträgliche Analyse:

Gemäß der Leitlinie „Brustschmerz“ der DEGAM war alles korrekt eingeschätzt. Arzt hat sich gemäß dem professionellen Standard verhalten.

Kein Fehler, sondern ein Pseudofehler!

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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260

Gefahr des Pseudofehlers:

Veränderung des ärztlichen Verhaltens Absenkung der diagnostischen Schwellenz.B.: Patienten werden jetzt früher zu invasiver Koronardiagnostik

geschickt

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5. Pseudofehler

Definition: Unerwünschtes Ereignis bei standardgemäßem Vorgehen

Es gibt Situationen, in denen ein unerwünschtes Ereignis mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit auftreten wird und akzeptiert werden muß.

Defensivmedizin gaukelt nur besondere Sorgfalt vor, tatsächlich wird der Patient hintergangen.

Unterscheidung Fehler und Pseudofehler

Frage: Läßt sich im Rückblick eine plausible, konkrete und praktikable Regel formulieren, deren Beachtung das Ereignis verhindert hätte?

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5. Pseudofehler

Ein Fehler sollte zu einer Veränderung des ärztlichen Verhaltens führen.

Ein Pseudofehler darf nicht zu einer Veränderung des ärztlichen Verhaltens führen!

Aus dem Pseudofehler können wir nichts lernen.

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6. Qualitätsmanagement

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6. Qualitätsmanagement

Verbindlich für: Krankenhäuser Arztpraxen seit 2005

- kontinuierliche Sicherung und Verbesserung der Qualität der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung

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6. QualitätsmanagementÜbersehener Laborwerte (jfz 292)

Patient wollte eine PSA-Bestimmung.Wert war 14 ng/ml (normal 0-4).

Patient fragte nicht mehr nach dem Wert.

Laborwert blieb in der Praxis unbeachtet liegen.

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6. QualitätsmanagementProzeß

Ein Prozeß ist ein Handlungsablauf. Ein Eingangszustand (input) wird in einen Ausgangszustand

bzw. ein Ergebnis (output) überführt.

Die Beschreibung aller Prozesse / Abläufe sollte einfach, klar und für alle verständlich sein.

Geeignet für immer wiederkehrende Abläufe.

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6. QualitätsmanagementÜbersehener Laborwert (jfz 292)Lösungsmöglichkeiten mittels Prozeß:

Detaillierte Beschreibung des Weges jedes angeforderten Laborwertes- Blutentnahme- Ausfüllen der Laboranferoderung- Laborbote holt Blut- Labor bearbeitet - Laborbote bringt am nächsten Tag Laborergebnisse- Helferin legt Laborzettel auf den Schreibtisch

Definition der Kontrolle der Werte (wer, wann, wo, wie), ggf. abzeichnen.- Laborarzt kontrolliert- Labor ruft bei auffälligen Werten in der Arztpraxis an- Arzt liest eingehendes Labor und zeichnet es ab- Bei auffälligen Werten wird der Patient einbestellt

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6. QualitätsmanagementIndikatorengestützte Systeme

Messung des Ist-Zustandes

Teambesprechung mit externem Moderator

Umsetzung der Lösungsmöglichkeiten

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6. Qualitätsmanagementübersehener Laborwert (jfz 292)

Indikatorengestützte Lösungsmöglichkeiten:

Ist-Zustand: Zu viele übersehene Laborwerte Moderierte Teambesprechung: Was können wir tun, um das zu verbessern? Umsetzung Erfolgskontrolle

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Fehler zum Schluß

Diagnosen- KHK, Z. n. Vorderwandinfarkt- Hypertonie

jetzt Beinvenenthrombose links

Entlaßmedikation:- Isoket ret. 120 1-0-0- Bisoprolol ratio 5 1-0-0- HerzAss 0-1-0- Marcumar nach Quick für 6 Monate

Seite 82

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Fehler zum Schluß

Fehlerursache: Absetzen von ASS wurde vergessen.

Das Absetzen von Medikamenten ist manchmal schwerer als das Ansetzen!

Bei jedem Patientenkontakt Medikation auf evtl. überflüssige Medikamenteüberprüfen, besonders beim Schreiben des Entlaßbriefs!

Seite 83

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Schlußwort

Wir benötigen einen offenen Umgang mit Fehlern, eine neue Fehlerkultur.

Jeder Fehler beinhaltet die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Wir können aus den Fehlern lernen – aus eigenen Fehlern wie auch aus Fehlern von Anderen.

Dabei helfen uns Fehlerberichtssysteme wie www.jeder-fehler-zaehlt.deoder www.cirsmedical.de.