Post on 17-Sep-2018
Brasilien als Regionalmacht: Geopolitische und sozialökonomische Dynamiken
Andreas Novy
WU-Wien
Wien, am 25.1.2011
Thesen:
Brasilien steigt genau dann zur Regionalmacht auf und wird ein wichtiger Global Player, als die Regierung die Weichen Richtung Wohlfahrtskapitalismus stellt:
Wohlfahrtsstaat (Abschaffung der extremen Armut, Inklusion, Ausbau der Institutionen und Instrumente sozialer Sicherheit …)
Entwicklungsstaat und Wettbewerbskorporatismus: Förderung der Exportindustrie, Staatsbetriebe und Staatsbanken als Instrumente der Wirtschaftspolitik
Vergleich Europa – Brasilien
Brasilien EU Europa Österreich
Fläche (mio. km2) 8,5 4,3 10,2 0,08
Bevölkerung 195 500 700 8,4
PIB (US$ bi.) 1.445 18.394 22.000 317
PIB p.c. (US$) 7.634 38.400
Lebenserwartung, Brasilien, 1980 - 2008
Fruchtbarkeitsrate, Brasilien, 1980 - 2008
Erstes Zwischenresumee
Modernisierung
findet als langfristiger Prozess
mit grundlegenden
Konsequenzen statt!
Pro-Kopf-Volkseinkommen, Brasilien1900 - 2010
Periode Brasilien Akkumulation Regulation
1500 – 1822 Koloniale
Entwicklungsweise unter
europäischer Vorherrschaft
Sklavereibasierte
Akkumulation
Koloniale Regulation
1822 – 1930 Liberale, außenorientierte
Entwicklungsweise unter
britischen Vorherrschaft
Extensive Akkumulation national außenorientierte
Regulation
1930 – 1982 Nationalstaatszentrierte
Entwicklungsweise unter
US-Hegemonie („Peripherer
Fordismus“)
Intensive nationalstaats-
zentrierte Akkumulation
Nationale
entwicklungsstaats-
orientierte Regulation
1982 – 2002 (Neo)Liberale
Entwicklungweise bei
fortgesetzter US-Hegemonie
Stagnierende, sich
internationalisierende
Akkumulation
Liberales
Regulierungsdispositiv
Ab 2003 Entwicklungsstaat und
nachholende Entwicklung
bei Krise der US-Hegemonie
Akkumulation mit
Ausweitung des
Binnenmarktes
Entwicklungsstaats-
orientierte Regulation
Die Schlüsselereignisse
1930 – Weltwirtschaftskrise: Übergang zu binnenorientierter Entwicklungsweise
1964 – Militärputsch
1982 – Schuldenkrise (Auslandsverschuldung wird unfinanzierbar => IWF-Strukturanpassungsprogramme)
1994 Plano Real (1995 – 2002): Neoliberale Regierung unter Cardosos
2003 – Regierungsantritt Lula: Schrittweiser Übergang zu (nationalem) Wohlfahrtskapitalismus
5. Zweites Zwischenresumee: Nationaler Wohlfahrtskapitalismus funktioniert
Die Perioden entwicklungsstaatsdominierter Entwicklung und die Herausbildung eines nationalen Wohlfahrtskapitalismus waren erfolgreicher als die Phase(n) (neo)liberaler Entwicklung
Regierung Lula (2003 - 2010): „Kein Bruch! Ein Übergang!“:
Zweiter, adaptierter Anlauf der CepalinischenEntwicklungsstrategie (Binnenmarktorientiert, Sozialstaatsausbau, Industrialisierung) unter Bedingungen größerer Weltmarktoffenheit
Nach innen Inklusion: Teilhabe an der Konsumgesellschaft
Nach außen Aufstieg zur Regionalmacht und zum Global Player mittels soft power
Nationaler Wohlfahrtskapitalismus
Sozialpartnerschaftliche Wachstumsallianz (vergleichbar mit Präsident Kubitschek – 1957/60)
Sozialdemokratisch: Teilhabe am Kapitalismus (Konsumgesellschaft, Weltmarkt)
Semiperipherer Wettbewerbskorporatismus (Förderung der Exportwirtschaft)
Neue Rolle Brasiliens in der Welt („Regionalmacht“ in Südamerika, G20; Sitz im UN-Sicherheitsrat und FAO-Generalsekretär angestrebt)
Ökonomische Kerndaten, Brasilien, 1994 - 2008
Table 1. Brazil: Macroeconomic Indicators 1994-2008Year
1994 5.3 30.0 30.0 2,251.7
1995 4.4 18.3 28.0 93.5 53.1
1996 2.2 16.9 30.7 17.1 27.4
1997 3.4 17.4 31.8 7.6 24.8
1998 0.0 17.0 38.9 4.2 28.8
1999 0.3 15.7 44.5 8.5 25.6
2000 4.3 16.8 45.5 6.2 17.4
2001 1.3 17.0 48.4 9.0 17.3
2002 2.7 16.4 50.5 10.6 19.2
2003 1.1 15.3 52.4 13.7 23.3
2004 5.7 16.1 47.0 8.0 16.2
2005 3.2 15.9 46.5 7.2 19.0
2006 4.0 16.4 44.7 6.1 15.1
2007 5.7 17.5 42.7 3.7 11.9
2008 5.1 19.0 35.8 5.9 12.5
GDP Growth (%)
Investment (% of GDP)
Public Debt (% of GDP)
Inflation Rate (%)
Interest Rates Selic
(%)
Anteil der 20% Ärmsten an gesamten Einkommen,1976 - 2008
Anteil der 50% Ärmsten am gesamten Einkommen1976 - 2008
Anteil der 1% Reichsten am gesamten Einkommen1976 - 2008
Einkommensungleichheit, nach Gini, 1976 - 2008
Rate extremer Armut, 1976 -2008
Realer Mindestlohn, Brasilien, 1940 - 2009
Rate extremer Armut, 1976 -2008
Reallöhne, Brasilien, Industrie, 1994 - 2010
Durchschnittseinkommen, alle Jobs, Brasilien, 1992 - 2009
Ausmaß der Informalität, Brasilien, 1992 - 2009
Arbeitslose in städtischen Großregionen Brasiliens, 2002 -2010
Investitionsrate, Brasilien, 1991 - 2010
Auslandsschuld, Brasilien, 1982 -2010
Öffentliche Auslandsschuld, Brasilien, 1978 - 2008
Leistungsbilanz, Brasilien, 1980 - 2010
Staatsverschuldung, Brasilien, 2001 - 2010
Währungsreserven, Brasilien, 1970 - 2010
Portfolioinvestionen, Brasilien, 2985 - 2010
Handelsbilanz, Brasilien, 1959 - 2010
Brasilianische Exporte in Eurozone, 1989 - 2010
Brasilianische Exporte nach China, 1989 - 2010
Brasilianische Exporte in den Mercosur (Südamerika), 1989 -2010
Institutionelle Schritte zur Regionalmacht (1)
Verhinderung von Alca (Amerikanische Freihandelsabkommen) 2004
Vertiefung des Mercosur (Venezuela als neues Mitglied)
Schaffung der Unasur (Vereinigung der südamerikanischen Staaten)
Vermittlung in regionalen Konflikten (Ecuador, Kolumbien, Venezuela)
Institutionelle Schritte zur Regionalmacht (2): Zugeständnisse, soft power
Konflikt mit Bolivien (Petrobras)
Neuer Vertrag über Kraftwerk Itaipú (Paraquay)
Friedliche Lösung regelmäßiger Handelskonflikte mit Argentinien
Brasiliens Entwicklungsbank BNDES finanziert Projekte in Mercosur-Staaten
Institutionelle Schritte zum Global Player
Von den G8 zu den G 20
Anspruch auf permanenten Sitz in UN-Sicherheitsrat (und auf FAO-Generalsekretär)
Aktive Außenpolitik in Afrika (Ausbau der Botschaften und der bilateralen Zusammenarbeit; auf Wissenschaft und Forschung) und Nahem Osten (Anerkennung Palestinas, Vermittlung im Iran-Atomstreit)
Zusammenfassung
Die Perioden entwicklungsstaatsdominierter Entwicklung und die Herausbildung eines nationalen Wohlfahrtskapitalismus waren erfolgreicher als die Phase(n) (neo)liberaler Entwicklung
Regierung Lula (2003 - 2010): „Kein Bruch! Ein Übergang!“:
Zweiter, adaptierter Anlauf der CepalinischenEntwicklungsstrategie (Binnenmarktorientiert, Sozialstaatsausbau, Industrialisierung) unter Bedingungen größerer Weltmarktoffenheit
Nach innen Inklusion: Teilhabe an der Konsumgesellschaft
Nach außen Aufstieg zur Regionalmacht und zum Global Player mittels soft power