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Cannabis & Co.Neue Therapieansätze bei Multipler Sklerose
Manfred Fankhauser
Davos, 5. Februar 2015
InhaltverzeichnisGeschichte
Definition MS
Epidemiologie
Diagnose
Pathophysiologie
Krankheitsbild/Symptomatik
Therapie Schubtherapie Basistherapie Symptomatische Therapie Cannabis Geschichte Therapeutisches Potenzial Präparate4-Aminopyridin
Andere Therapieoptionen
Ausblick
Geschichte I
Lidwina von Schiedam
(1395, Holland)
Definition einer MS(aus Leitlinien der DGN (2012)
Eine immunvermittelte chronisch entzündliche
Erkrankung des ZNS, die histopathologisch in
unterschiedlicher Ausprägung zu Demyelinisierung und axonalem Schaden führt.
Pathophysiologie der MS Entstehung der Plaques
Pathophysiologie der MSQuelle: www.ms-diagnose.ch
Mögliche Auslöser für MSNord-Süd-
GefälleWarm-Kalt-
GefälleBreitengra
d
Virale Erkrankungen
Geschlecht
(Hormone)
GenetikEthnienRassen
Zahlen/Fakten
> 10’000 Personen in CH Prävalenz: 125-150 MS Kranke/100’000 Einwohner
1 Person/Tag erkrankt neu (in CH)
2.5 Mio Personen weltweit
PrävalenzAnzahl der Erkrankten/pro 100’000 Einwohner
Höchste Prävalenzrate weltweitKanada: 240 MS Kranke/100’000 Einwohner Quelle: www.multiple-sklerose-info.ch
InzidenzAnzahl der Neuerkrankungen/pro 100’000 Einwohner
Höchste Inzidenzrate weltweitIsland: 10 neue Fälle/Jahr/100’000 Einwohner Quelle: www.multiple-sklerose-info.ch
DiagnoseverfahrenKlinisch neurologische Untersuchung(Reflexe?, Ataxien, sensible Ausfälle, Augenuntersuchung, etc.)
Magnetresonanz (MRI)(Aufzeigen von Läsionen, Plaques)
Evozierte Potenziale (EP’s)visuelle (VEP), somatosensible (SSEP), motorisch (MEP) Elektroden Impulse
Liquoruntersuchung (Punktion des Rückenmarks)(Hinweise auf MS oder auch zur Differentialdiagnose, z.B. Borreliose)
Optische Kohärenztomografie (OCT)(Untersuchung der Retina Hinweise auf allgemeine neurodegenerative Veränderungen)
Klassifikation der MS3 (4) Stadien/Typen nach DGN (2012)
• Klinisch isoliertes Syndrom (KIS)
• Schubförmiger Verlauf (RRMS) ca. 80 %
(= Rezidivierende Remittierende MS)
• Sekundär progredienter V. (SPMS) ca. 40 % der RRMS gehen nach 10 Jahren in diese Form über
• Primär progredienter V. (PPMS) ca. 10 %
Die 3 MS Formenschematische Darstellung
Grafik: www.priproms.de
(Mögliche) Frühsymptome der MSGrafik: www.ms-diagnose.ch
MS: Krankheit der unzähligen Symptome
Empfindungsstörungen
•Taubheitsgefühle•Kribbeln (Ameisenlaufen)•Missempfindungen auf Wärme und Kälte•Spannungsgefühle um Gelenk- und Hüftregion
Sehstörungen
•Entzündungen (Sehnerv)•Augenschmerzen•Lichtblitze•Ausfallerscheinungen•Doppelbilder
Muskellähmungen
•Spasmen•Kraftlos•Steif•Lähmungserscheinungen•Gehstörungen
Viele andere Symptome können auftreten wie: • Sprachstörungen• Blasenfunktionsstörungen• Verstopfung• Sexualfunktionsstörungen• Psychische Symptome
• Schlaf, Depressionen, Antriebslosigkeit• Etc.
Faktoren, die den Krankheitsverlauf beeinflussen könnennach: Deutscher Gesellschaft für Neurologie (2012)
Prognostisch günstig Monosymptomatisch
Beginn der Krankheit Nur sensible Symptome
Kurze Dauer der Schübe
Gute Rückbildung der Schübe
Erhaltene Gehfähigkeit Erkrankungsbeginn
< 35. Lebensjahr
Prognostisch ungünstig Polysymptomatischer
Beginn der Krankheit Früh motorische und
zerebelläre Symptome Lang dauernde Schübe Schlechte Rückbildung
der Schübe Früh Läsionen im MRT Früh pathologische SEP
und MEP SEP: somatisch evozierte Potentiale
MEP: motorisch evozierte Potentiale
Therapieansätze: Übersicht
Schub-Behandlung
Das ImmunsystemAbwehr Zellulär humoral
Unspezifische(angeborene)
Phagozyten• Granulozyten• Makrophagen• Killerzellen
Komplemente
• Zytokine - Interferone - Interleukine - Chemokine - TNF-Alpha - Wachstumsfaktoren
• Lysozyme Spezifische(erworben)
T-Lymphozyten• T-
Gedächtniszellen• T-Helferzellen• Regulatorische
T-Zellen• Zytotoxische T-
Zellen
B-Lymphozyten
• Antikörper IgG, IgA. IgM, IgD, IgE
Schub-BehandlungWas ist ein Schub?Nach Definition Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Neue oder reaktive klinische Ausfälle/Symptome, die
mindestens 24 h anhalten
mit einem Zeitintervall von > 30 Tagen zu einem vorausgegangenen Schub auftreten
nicht durch Körpertemperaturänderungen «Uhthoff- Phänomen» oder Infektionen erklärbar sind
MS SchubtherapieCorticosteroide
häufigst eingesetzte SubstanzMethylprednisolon
als Infusion: 500 -1000 mg/Tag (3-5 Tage)(z.B. SOLU- MEDROL®)3-5 Tage
oral: 500 mg /Tag (5-(10-14) – Tage)(MEDROL®)
Interferone: 3 Physiologische TypenAbbildungen: wikipedia
Interferon-Alpha (INF-) (166 AS)
Produziert durch
Monozyten
(Leukozyten)
Allgemeine Wirkungen: antiproliferativ, antiviral, immunmodulatorisch
Interferon-beta (INF-β) (166 AS)
Produziert durch
Fibroblasten
(Bindegewebszellen)
Allgemeine Wirkungen: antiproliferativ, antiviral, immunmodulatorisch
Interferon-gamma (INF-γ) (143 AS)
Produziert durch
(CD 8)-T-Lymphozyten
(Leukozyten)
nach Kontakt mit einem Antigen präsentierenden durch Makrophagen
Allgemeine Wirkungen: antiproliferativ, antiviral, immunmodulatorisch
Interferone als Therapeutika•Interferon alfa-2a (Roferon A®)
• Leukämie/Hepatitis C/Hepatitis B
•Interferon alfa-2b (Intron A®)• verschiedene Krebsarten/Hepatitis C/Hepatitis B
•Peginterferon alfa-2a (Pegasys®)• Hepatitis C/Hepatitis C
•Peginterferon alfa-2b (PegIntron®)• Hepatitic C
• Interferon beta-1a (Avonex®, Rebif®) MS• Interferon beta-1b (Betaferon®) MS• Peginterferon beta-1a (Plegridy®) MS
•Interferon gamma-1b (Imukin®)• Infektionen (Kindern)/Granulamotose (Erwachsene)
•Interferon omega (Tierarzneimittel)
Interferone als MS-Therapeutika
Interferon beta-1aSeit 1997Rekombinantes Protein (166 AS), glykosiliertHerstellung: aus CHOAVONEXREBIF Anwendung:3 x pro Woche s.c (Rebif)
1 x pro Woche i.m. (Avonex)
Interferon beta-1 bSeit 1995Rekombinantes Protein (165 AS), nicht glykos.Herstellung: aus E.ColiBETAFERON
Anwendung:Jeden 2. Tag s.c.
Peginterferon beta 1a
Seit ?Wie Interferon beta-1a, aber PEGyliert.Herstellung: aus CHOPLEGRIDY (nicht in CH)
Anwendung:Alle 2 Wochen: 1 x s.c.
Interferone als MS-Therapeutika
Interferon beta-1aAVONEXREBIF
Anwendung:3 x pro Woche s.c (Rebif)
1 x pro Woche i.m. (Avonex)
Interferon beta-1 bBETAFERON
Anwendung:Jeden 2. Tag s.c.
Peginterferon beta 1a
PLEGRIDY (nicht in CH)
Anwendung:Alle 2 Wochen: 1 x s.c.
Immunmodulatoren Wirkprinzip: anregen und dämpfen
Ziel: Gleichgewicht herstellen zwischen anregenden und dämpfenden Komponenten des Immunssystems.Kommunikation zwischen den Immunzellen wird beeinflusst
Teriflunomid: AUBAGIO®
Wirkprinzip: unklarWirkstoffklasse: Immunmodulator
Effekt: entzündungshemmend/antiproliferativ/immunmodulierend
Anwendung: Täglich 1 Tablette
Zulassung: Schubförmige remittierende MS
In CH: seit 2013 Kosten pro Monat Fr. 1’760.00
Glatirameracetat: COPAXONE®Wirkprinzip: unklarWirkstoffklasse: Immunmodulator
Chemie: synthetisches Gemischzufällig angeordneter Polymere aus Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin
Effekt: entzündungshemmend + immunmodulierend
Anwendung: Täglich 1 subkutane Injektion
Zulassung: KIS-Symptome + schubförmige remittierende MS
Wirkung: vor allem Langzeiteffekt Schubrate nimmt abim Anfangsjahr: 1,2 Schübe/Jahr 12 Jahr später 0,2 Schübe/Jahr (Quelle: Pharmaz. Zeitung 31/2006)
in CH: seit 2004 Kosten pro Monat: Fr. 1’257.00
Natalizumab: TYSABRI ®Wirkprinzip: Bindung an Integrine (auf Leukozyten)Wirkstoffklasse: Monoklonale Antikörper
Chemie: rekombinanter +humanisierter Antikörper (IgG)(aus Mauszellen)
Effekt: selektive immunsupressiv
Anwendung: Alle 4 Wochen als i.v. Infusion
Zulassung: hochreaktive, schubförmige remittierende MS (wenn Interferone nicht wirken)
Cave! PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie)
in CH seit: 2007 Kosten Fr. 2’369.50/Monat
Fingolimod: GILENYA®Wirkprinzip: S1P-Rezeptor-Hemmung [Blut-Lymphozyten↓]Wirkstoffklasse: Sphingosin-1-Phoshat-Rezeptor-Modulator
Schema/Abbildung: Pharmawiki (2007-2014)
Effekt: selektiv immunsuppressiv + eventuell neuroprotektiv
Anwendung: Täglich 1 Kapsel
Indikation: schubförmige remittierende MS
In CH seit: 2011 Preis: Fr. 2’057.60/Monat
Mitoxantron: NOVANTRON®Wirkprinzip: z.T. unklarInteraktion mit Lymphozyten ApoptoseWirkstoffklasse: Zytostatikum
Mitoxantron (Anthracendion-derivat)
Effekt: inflammatorische Zytokine nicht selektiv immunsupprimierend
Anwendung: Alle 3 Monate i.v.
Indikation: primär progrediente und sekundär chronisch-progrediente MS (wenn Interferone/Immunmodulatoren nicht wirken)
In CH seit: 1985 Preis: < Fr. 200.00/Monat
Dimethylfumarat: TECFIDERA ®Wirkprinzip: noch vieles unklar, Aktivierung vom Nrf2-Signalweg Oxidativer StressWirkstoffklasse: Fumarate
Effekt: immunmodulierend,
entzündungshemmend, neuroprotektiv
Anwendung: 2 x täglich 1 Kapsel
In der CH seit: 2014 Kosten pro Monat: ca. Fr. 1’900
Azathioprin: IMUREK®Wirkprinzip: z.T. unklar,DNA/RNA-Synthese von T- u. B- LymphozytenWirkstoffklasse: Immunsupressiv(zellulär)
Azathiprin (Prodrug) 6- Mercaptopurin
Effekt: immunsupprimierend (zellulär)
Anwendung: oral, 1,5-3 mg/kg KG/Tag
Anwendung: bei MS nur als Reservetherapeutikum
heute: bei MS kaum mehr gebraucht !
In CH seit: 1965 Kosten pro Monat: < Fr. 100.00
Zentrale Muskelrelaxantien
Baclofen (LIORESAL ®)GABA-Agonist
Tolpersion (MYDOCALM ®) Na-Kanal-Bocker
Tizanidinum (SIRDALUD ®) Alpha2-Adrenorezeptor-Agonist
Benzodiazepame (Diazepam, Tetrazepam) GABA-Agonist
Cannabis sativa - Hanf
v.Chr: Älteste Quellen 1839: Cannabis indica 1880-1900: Höhepunkt 1942: THC ist bekannt 1964: Δ9-THC- Isolierung 1988-1992 CB1/CB2-Rezeptoren 1992 Anandamide 1996 Dronabinol in D
verkehrsfähig 2008 Dronabinol in CH
erlaubt 2011 Cannabistinktur in CH
erlaubt Mai 2014 Sativex in CH Nov 2014 Sativa-Oil
Meilensteine
Cannabis etabliert sich
Historische Cannabispräparate in CH (1850 bis 1950)Indikationen
24%
14%
12%14%
12%
24%
Spectrum of Diseases for historical drugs
Sleep disturbances,Sedation, DepressionAsthma
Corn remedies
Pain (local and systemic)
Diuretic
Other diseases
Das Verschwinden der CannabispräparateGründe
Medizinische Entwicklung
Pharmazeutische Instabilität
Rechtliche Einschränkungen
Wirtschaftliches Aspekte
Cannabis im BtmG (1951)
Cannabis - verbotener Stoff (Verordnung zum BetMG, Verzeichnis d) Cannabis zur
Betäubungsmittelgewinnung Cannabisextrakt zur
Betäubungsmittelgew. Cannabisharz Cannabisöl zur Betäubungsmittelgew. Cannabistinktur zur
Betäubungsmittelgew. Dronabinol (siehe unter THC) Hanf (siehe unter Cannabis) Haschisch Tetrahydrocannabinol (THC)
Wirkstern von Dronabinol/THC Grafik: Bionorica
Cannabis/THCHauptindikationen
Varia
ParästhesienTremor
Glaukom
Neurologische Störungen (Tic’s etc.), Kinetosen
Spastik, Schmerzen (v.a. Neuropathien, Tu
morschmerzen)
Nausea, Anorexie, Kachexie
Cannabispräparate in CH
Cannabis/THC
Natürlich
Sativex Hanftinktur
Sativa-Öl
Synthetisch/Partialsynthetisch
Dronabinol-Lsg.
Präparate - Unterschiede
Dronabinol-Lsg.
2,5 % THC
Cannabis Tinktur
> 1 % THC< 2 % CBD
Sativa Öl 1 % THC0.3 % CBD
Sativex Spray
2.7 % THC2.5 % CBD
4-Aminopyridin (Synonym: Fampridin)Wirkprinzip: Aktionspotential in demyeliniserten Axonen
Verbesserung neurologischer FunktionenWirkstoffklasse: Kaliumkanalblocker
4-Aminopyridin (=Pyridinderivat)
in D im Handel: FAMPYRA®
Effekt: Verbesserung der Leitfähigkeit von demyelinisierten Axonen
Anwendung: 2 x täglich 1 Kapsel.
Indikation: Verbesserung der Gehfähigkeit bei MS
In der CH seit: nicht zugelassen, Kosten pro Monat/ ca. Fr. 250.00
als Magistralrezeptur
Vitamin DCholecaliciferol, Vitamin D3
Cholecaliferol
Indischer WeihrauchBoswellia serrata (B. carterii)
Harz Boswellisäure
Effekt: entzündungshemmend
Bei MS: Schubrate↓, Läsionen↓
Dosis: bis 4,8 g stand. Weihrauchextrakt
Palmitoylethanolamin (PEA)Endocannabinoid-Abkömmling (endoges Fettsäurederivat)
Palmitoyl-Ethanol-Amin (PEA)
Anandamide
Effekte: schmerzstillend (v.a. Neuropathien), entzündungshemmend
Entzündungsmarker wie TNF-alpha und Gamma-Interferon konnten gesenkt werden.
Anwendung bei MS: klinische Effekt ?
Ausblick/Zukunft
Bild: Imago/nzz (Internet)